Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 21.10.2022, VH/7500009/2022

Abweisung eines Verfahrenshilfeantrages mangels Erfüllens der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Andrea Proidl über den Antrag des Antragstellers ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom , GZ. MA67/***2***, in Zusammenhang mit einer Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, den Beschluss:

I. Der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers wird abgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Begründung

Der Antragsteller wurde mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , MA67/***2***, schuldig erkannt, das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem aktenkundigen behördlichen Kennzeichen ***3*** (A) am um 15:06 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in ***1*** ggü., ohne gültigen Parkschein abgestellt und dadurch die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt zu haben.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Antragsteller eine Geldstrafe iHv € 60,00 und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.

Gegen die Strafverfügung vom erhob der nunmehrige Antragsteller fristgerecht Einspruch.

Da der Einspruch des Bf. vom gegen die verfahrensleitende Strafverfügung vom , MA67/***2***, ausschließlich die Strafhöhe bekämpfte, war entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) von einer Teilrechtskraft des Schuldspruches auszugehen (vgl zB , ). Die Strafverfügung ist daher, soweit sie unbekämpft geblieben ist, in Rechtskraft erwachsen.

Die belangte Behörde hat mit verfahrensgegenständlichem Straferkenntnis vom dem Einspruch vom gegen die Strafverfügung vom insoweit Folge gegeben, als sie eine Geldstrafe in Höhe von € 36,00 verhängte und für den Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Stunden festgesetzt hat. Zudem wurde gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991) ein Betrag von € 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt, wodurch sich der zu zahlende Gesamtbetrag auf € 46,00 belief.

Der Antragsteller stellte zur Beschwerdeeinbringung gegen das Straferkenntnis vom einen Antrag auf Verfahrenshilfe und gibt folgenden Grund an: "Ich erhebe in offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde. Ich beantrage eine öffentliche mündliche Verhandlung. Ich beantrage zur Führung Verfahrenshilfe da ich mich im Notstand befinde und Sorgepflichten für 2 Kinder habe."

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers sind nicht aktenkundig. Die belangte Behörde berücksichtigte jedoch im angefochtenen Straferkenntnis vom die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, sowie allfällige Sorgepflichten des Antragstellers, soweit diese der Behörde bekannt waren, als sie die Geldstrafe mit € 36,00 und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 8 Stunden festsetzte.

Über den Antrag wurde erwogen:

Gemäß § 40 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten, wenn dieser außerstande ist, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich und auf Grund des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. c der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist, zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat.

Die in § 51a Abs. 1 VStG (idF vor BGBl I 2013/33) genannten Voraussetzungen (Mittellosigkeit, Interessen der Rechtspflege) müssen kumulativ vorliegen (vgl. zB ). Da § 40 Abs. 1 VwGVG der Regelung des § 51a Abs. 1 VStG zur Gänze entspricht, ist die zu § 51a Abs. 1 VStG ergangene Rechtsprechung auf die neue Rechtslage zu übertragen (vgl. ). Hinsichtlich der Kriterien für die Zuerkennung von Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafverfahren ist auch durch die Novellierung des § 40 Abs. 1 VwGVG durch das BGBl I 2017/24 keine inhaltliche Änderung eingetreten (vgl 1255 BlgNR XXV. GP).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind als Gründe für die Beigebung eines Verteidigers besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage, besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei (wie etwa die Höhe der dem Beschuldigten drohenden Strafe) zu berücksichtigen (vgl. unter Verweis auf Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, zweite Auflage, Seiten 245 f, 249; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Ergänzungsband, § 64 ZPO Anm. 10; MGA ZPO, 14. Auflage, § 64 E 5).

Nach der Rechtsprechung des EGMR sind bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Beigebung eines Verfahrenshelfers im Zusammenhang mit dem Kriterium der "zweckentsprechenden Verteidigung" primär die Bedeutung und Schwere des Delikts und die Schwere der drohenden Sanktion zu berücksichtigen (vgl. das Urteil des EGMR vom , Nr. 12744/87, Quaranta, § 33). Darüber hinaus ist insbesondere die Komplexität des Falles ausschlaggebend, wobei auf die Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art (hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellung) Bedacht zu nehmen ist (vgl. neuerlich EGMR , Nr. 12744/87, § 34).

Der VfGH hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG (idF vor BGBl I 2017/24) führte ( G 7/2015), die Judikatur des EGMR dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (vgl 1255 BlgNR XXV. GP).

Im vorliegenden Fall wurde der Antragsteller der fahrlässigen Verkürzung der Parkometerabgabe für schuldig erkannt; besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage können dem Akteninhalt nicht entnommen werden. Vielmehr handelt es sich um einen faktisch wie rechtlich eher einfach gelagerten Fall. Die Ausdrucksform des Antragstellers in seinen Schriftsätzen an die belangte Behörde, insbesondere der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom , lassen eine entsprechende Gewandtheit des Antragstellers im Verkehr mit der Behörde erkennen.

Für das Bundesfinanzgericht ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Antragsteller die Erstattung des aufgezeigten Vorbringens ohne Beigebung eines Verteidigers oder die Stellung von Beweisanträgen nicht möglich wäre. Zusammenfassend wird festgestellt, dass im vorliegenden Fall weder eine zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, noch von einer besonderen Tragweite des Falles für den Antragsteller gesprochen werden kann.

Auch die Höhe der dem Antragsteller drohenden Strafe (Geldstrafe € 36,00) gebietet für sich allein nicht die Beigebung eines Verteidigers, darf doch gemäß § 42 VwGVG in einem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes keine höhere Strafe verhängt werden, als im angefochtenen Bescheid.

Da die Beigebung eines Verteidigers im Interesse der Rechtspflege nicht erforderlich ist, braucht auch nicht mehr geprüft werden, ob der Antragsteller außer Stande ist, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des für ihn und Personen, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts, zu tragen. Dass eine Mittellosigkeit vorgelegen wäre, hat der Antragsteller nicht einmal behauptet.

Der Antrag war sohin abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:VH.7500009.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at