Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.02.2023, RV/5100340/2022

§ 217 Abs. 7 BAO betreffend Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages ist nicht anzuwenden, wenn eine Kapitalgesellschaft über kein wirksames internes Kontrollsystem verfügt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch INTER-TREUHAND PRACHNER Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Hauptplatz 7, 3430 Tulln/Donau, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages,Säumniszuschlag Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Mit Bescheid vom wurde gegenüber der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf) ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 18.549,72 € festgesetzt, weil sie die Kapitalertragsteuer 3/2022 nicht fristgerecht bis entrichtet hatte.

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht am erhobenen Beschwerde ersuchte die Bf durch ihre steuerliche Vertretung um Stornierung des Säumniszuschlages. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände sei die Kapitalertragsteuer verspätet bezahlt worden. Die zuständigen Mitarbeiter seien durch Krankheit ausgefallen, Homeoffice-Mitarbeiter und Stellvertreter seien der Meinung gewesen, die Zahlung sei schon erledigt. Allerdings habe sich dann herausgestellt, dass die Zahlung zwar vorbereitet gewesen sei, aber die endgültige Freigabe zur Zahlung noch gefehlt habe, wodurch es zur verspäteten Überweisung gekommen sei.

Die Bf zahle die Abgaben stets termingerecht. Es werde ersucht, dies zu berücksichtigen und den Säumniszuschlag zu stornieren.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Im vorliegenden Fall sei die am fällig gewesene Kapitalertragsteuer von 927.500,00 € erst am , somit verspätet, entrichtet worden, sodass ein erster Säumniszuschlag verwirkt sei.

Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt hätten, seien grundsätzlich unbeachtlich. Gemäß § 217 Abs. 7 BAO seien jedoch Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden treffe.

Bei Begünstigungstatbeständen wie § 217 Abs. 7 BAO trete die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Wer eine Begünstigung in Anspruch nehmen wolle, habe also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände aufzuzeigen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden könne.

Mit ihrem Beschwerdevorbringen habe die Bf ihrer o.a. Konkretisierungsobliegenheit schon deshalb nicht entsprochen, weil insbesondere nicht dargelegt worden sei, dass ihre Büroorganisation dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprochen habe, wozu insbesondere die genaue Vormerkung von Fristen und unbedingt die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen gehöre, dass Unzulänglichkeiten zufolge menschlichen Versagens (darunter fielen auch krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern) auszuschließen seien. Das Fehlen entsprechender Kontrollmaßnahmen in der Büroorganisation sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzusehen ().

Der Einwand, dass die Abgaben grundsätzlich pünktlich beglichen würden, wäre nur dann zu berücksichtigen, wenn es sich um eine ausnahmsweise Säumnis im Sinne des § 217 Abs. 5 BAO handeln würde. Auf die Frage, ob den Abgabepflichtigen an der Säumnis ein grobes Verschulden (§ 217 Abs. 7 BAO) treffe, habe dieser Umstand keinen Einfluss.

Gemäß § 217 Abs. 5 BAO bestehe die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage betrage und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschulden zeitgerecht entrichtet habe. Die erste Voraussetzung sei im vorliegenden Fall zwar erfüllt, nicht aber die zweite, da innerhalb der letzten sechs Monate auch bei der Entrichtung der am fällig gewesenen Körperschaftsteuervorauszahlung 1-3/2021 (Anmerkung der Richterin: 1-3/2022), welche erst am entrichtet worden sei, eine Säumnis zu verzeichnen sei.

Am stellte die Bf einen Vorlageantrag.

Die Kapitalertragsteuer sei wegen krankheitsbedingter Personalausfälle verspätet entrichtet worden.

Die Büroorganisation (Kontrollmaßnahmen) der Bf habe bisher immer ohne Probleme Krankheitsausfälle "auffangen" können. Einem Unternehmen sei jedoch unmöglich, alle Bereiche zu 100 % aufrechtzuerhalten, wenn gleichzeitig mehrere Mitarbeiter durch COVID-19-Erkrankungen bzw. der damit verbundenen Quarantäne ausfielen und teilweise lange Krankenstände (anhaltende Symptome und gesundheitliche Probleme) bestünden. Besonders im Bereich Finanzwesen des Unternehmens, bei welchem ein Vier-Augen-Prinzip bei Überweisungen/Freigabe von Zahlungen vorgesehen sei, könne der Ausfall von mehreren Mitarbeitern nicht so einfach ersetzt bzw. Vorsorge getroffen werden. Die Erkrankungen während der COVID-19-Pandemie könnten mit keiner VwGH-Entscheidung der letzten Jahrzehnte in Verbindung gebracht werden, da dies eine Ausnahmesituation darstelle und jedes Unternehmen vor enorme, bisher nicht vergleichbare Herausforderungen gestellt habe bzw. stelle.

Die vielen Ausfälle durch die Omikron-Welle vor allem in den Monaten Februar bis April hätten nicht vorhergesehen werden können bzw. habe niemand vorhersehen können, wann wer wie lange und in welchem Bereich ausfallen werde. Während dieser Zeit sei es leider bei Zahlungen bzw. Fristen zu Verzögerungen gekommen.

Es werde daher abermals beantragt, den Säumniszuschlag von 18.549,72 € zu stornieren.

Mit Vorhalt vom wurde die Bf aufgefordert, zu nachstehenden Fragen Stellung zu nehmen und die angesprochenen Unterlagen vorzulegen:

"1) Laut Ihrer Beschwerde führte eine "Verkettung unglücklicher Umstände" zur verspäteten Entrichtung der Kapitalertragsteuer.

Schildern Sie den konkreten Ablauf der Ereignisse, der zur verspäteten Zahlung geführt hat.

2) Welche Personen (Angabe von Namen und Anschrift) waren im Unternehmen für die Abgabenüberweisung zuständig?

3) Belegen Sie durch geeignete Beweismittel, dass die für die Überweisung der Kapitalertragsteuer verantwortlichen Mitarbeiter zum Zeitpunkt deren Fälligkeit erkrankt gewesen sind.

4) Wer (Angabe von Namen und Anschrift) waren die Stellvertreter? Welche genauen Umstände veranlassten die Stellvertreter zur Annahme, dass die Zahlung schon erledigt sei, obwohl diese erst vorbereitet, aber noch nicht endgültig zur Zahlung freigegeben war?

5) Wem konkret unterlief der Fehler, die bereits vorbereitete Zahlung nicht freizugeben?

6) Welche Vorkehrungen waren für den Fall getroffen, dass eine oder auch beide nach dem Vier-Augen-Prinzip zeichnungsberechtigten Personen erkrankten?

7) Beschreiben Sie die Büroorganisation bzw. die Kontrollmaßnahmen, die laut Vorlageantrag bisher Krankheitsausfälle ohne Probleme "auffangen" konnten.

a) Auf welche Art und Weise wurden diese Kontrollen wahrgenommen?

b) Wurde die tatsächliche Entrichtung von Abgaben zum Fälligkeitszeitpunkt kontrolliert? Falls ja, wer führte diese Kontrolle durch?

c) Welche genauen Umstände führten im gegenständlichen Fall zum Versagen dieser Kontrollmaßnahmen?

8) Wie erfolgt in Ihrem Unternehmen üblicherweise der Vormerk von Fälligkeitsterminen?

9) Wodurch bzw. wem fiel die übersehene Zahlung wann auf?

10) Um Übermittlung entsprechender Nachweise für die vorgebrachten vielen Ausfälle durch die Omikron-Welle in den Monaten Februar bis April 2022 wird gebeten."

Dieser Vorhalt wurde am wie folgt beantwortet:

Ad 1: Der zuständige Mitarbeiter (***1***) war vom bis zum im Krankenstand und anschließend bis zum im Urlaub. Die Zahlung der Ausschüttung erfolgte am . Nach Wiederaufnahme der Tätigkeit ab und Abwesenheit von 2,5 Wochen wurde die Zahlung der Quellensteuer aufgrund der Aufarbeitung der offenen Vorgänge der vergangen 2,5 Wochen erst verspätet ausgeführt.

Ad 2: Die Zuständigkeit liegt beim Leiter der Finanzbuchhaltung, ***1***.

Ad 3: Erkrankt nicht, sondern Aufarbeitung der vorherigen Ausfallzeit.

Ad 4: Hr. ***2*** (Teamleitung Debitoren und Treasury) ist davon ausgegangen, dass Hr. ***1*** nach seiner Rückkehr die Zahlung veranlasst.

Ad 5: Den Mitarbeitern aus dem Bereich Treasury Hr. ***3*** und Hr. ***2***.

Ad 6: Weitere Berechtigte für die Freigabe der Zahlungen sind als Reserve vorhanden. Z.B. Leitung Finance Hr. ***4*** und Geschäftsführer Hr. Dr. ***5***.

Ad 7: Für sämtliche Zahlungen besteht ein 4-Augen-Prinzip, sodass Zahlungen nur mit der Unterschrift von 2 Personen ausgeführt werden können.

Ad 7a: Das 4-Augen-Prionzip ist durch das Softwaresystem für die Zahlungsübertragungen an die Bankpartner als zwingende Funktion hinterlegt.

Ad 7b: Die Kontrolle fand leider nicht statt.

Ad 7c: Der Rückstau der Aufarbeitung nach Krankheit und Urlaub.

Ad 8: Bei Standardvorgängen durch Fälligkeitslisten aus der Buchhaltungssoftware (SAP). Bei besonderen Zahlungen, wie dieser, manuell durch den Verantwortlichen.

Ad 9: Hr. ***1*** fiel am die fehlende Zahlung im Zuge der Aufarbeitung seines Rückstands auf.

Punkt 10) des Vorhalts wurde nicht beantwortet.

Die Bf legte grafische Urlaubspläne für die 5. bis 17. Kalenderwoche (31.1. bis ) vor, aus denen u.a. Urlaub, Krankenstand oder sonstige Freizeit ersichtlich sind, wobei laut Angaben der Bf Homeoffice als "sonstige Freizeit" markiert wurde.

Ergänzend legte die Bf dar, dass während dieser Zeit intern folgende COVID-19 Maßnahmen vorgeschrieben gewesen seien: Möglichst viele im Homeoffice, was auch im Urlaubsplan deutlich zu erkennen sei, sowie Urlaube aufzubrauchen.

Diese Maßnahmen hätten auch die Regierung und deren Berater immer wieder erbeten, um die Krankheitsfälle möglichst niedrig zu halten und Krankenhäuser zu entlasten.

Die Kommunikation im Homeoffice sei nicht immer zu 100 % gegeben, und leider passierten Verzögerungen. Eine persönliche Kommunikation und vor Ort zu arbeiten funktionierten immer noch am besten, da jeder vom anderen die Vorgänge und Abläufe mitbekomme.

Das Team habe gedacht, der "Chef", Herr ***1***, habe die Überweisung der Kapitalertragsteuer veranlasst. Herr ***1*** habe dies während seines Krankenstandes übersehen, und im anschließenden Urlaub sei es "aus den Augen" gewesen.

Die Bf ersuche nochmals höflichst, die Umstände der außergewöhnlichen Zeit zu berücksichtigen und den Säumniszuschlag zu stornieren.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte und unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Aktenteilen, dem Vorbringen der steuerlichen Vertretung der Bf sowie ihrem Abgabenkonto.

Rechtslage:

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, ist ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht getilgten Abgabenbetrages zu entrichten (§ 217 Abs. 1 und 2 BAO).

Der Säumniszuschlag entsteht kraft Gesetzes und stellt grundsätzlich eine objektive, vom Verschulden unabhängige Säumnisfolge bei Nichtentrichtung der Abgabe am Fälligkeitstag dar (vgl. aber die Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO).

Nach § 217 Abs. 5 BAO entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschulden, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist (Anmerkung: Nach § 211 Abs. 2 BAO steht bei einer Überweisung eine Respirofrist von drei Tagen zu).

Nach § 217 Abs. 10 BAO sind Säumniszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, nicht festzusetzen.

Nach hM ist bei Überprüfung des Vorliegens einer ausnahmsweisen Säumnis nach § 217 Abs. 5 BAO unbeachtlich, ob die Nichteinhaltung der Zahlungsfrist zur Verhängung eines Säumniszuschlages geführt hat oder nicht (vgl. Ritz/Koran, BAO7, 2021, § 217 Rz 37).

Nach § 217 Abs. 7 BAO sind Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft.

§ 217 Abs. 7 BAO ist ein Begünstigungstatbestand. Diesfalls tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht der Partei in den Hintergrund. Die eine Begünstigung in Anspruch nehmende Partei hat daher selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1274).

Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegen.

Nur leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht.

Das (grobe) Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten; dies gilt auch für Organe juristischer Personen (vgl. ).

Hingegen ist (grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei nicht schädlich. Bedienen sich die zur Vertretung einer Gesellschaft berufenen Organe Mitarbeitern, ist durch entsprechende Kontrollen sicherzustellen, dass Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind.

Maßgebend ist daher, ob der abgabepflichtigen Partei selbst bzw. den zu ihrer Vertretung berufenen Organen grobes Auswahlverschulden, grobe Mängel der Büroorganisation oder eine mangelhafte Überwachung und Kontrolle anzulasten sind.

Zur Vertretung einer GmbH sind nach §§ 18 ff GmbHG die Geschäftsführer befugt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss auch die Büroorganisation von Kapitalgesellschaften in gleicher Weise wie eine Rechtsanwaltskanzlei dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen. Dazu gehören insbesondere die richtige Vormerkung von Terminen und entsprechende Kontrollen ().

Grobe Mängel in der Büroorganisation oder eine mangelhafte oder überhaupt fehlende Überwachung und Kontrolle von Mitarbeitern, an die die Vornahme der Abgabenzahlungen delegiert wurde, sind nach der Rechtsprechung als grobes Verschulden einzustufen.

Wird einem Arbeitnehmer die Wahrnehmung abgabenrechtlicher Zahlungstermine alleine ohne jede Überprüfung überlassen, ist dies als auffallend sorgloses Verhalten zu qualifizieren ().

Nach § 323c Abs. 15 BAO idF BGBl. I Nr. 52/2021 waren für Abgaben mit Fälligkeit zwischen dem und abweichend von § 217 Abs. 2 und 3 keine Säumniszuschläge zu entrichten.

Erwägungen:

Bei der Bf handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, konkret um eine GmbH.

Die Büroorganisation im Unternehmen der Bf wurde in der Vorhaltsbeantwortung vom wie folgt beschrieben:

Im Beschwerdezeitraum war der Leiter der Finanzbuchhaltung, ***1***, für die Abgabenentrichtung zuständig. Sein Stellvertreter war ***2***, Teamleitung Debitoren und Treasury.

Die Vormerkung von Fälligkeitsterminen erfolgte bei Standardvorgängen durch Fälligkeitslisten aus der Buchhaltungssoftware, bei besonderen Zahlungen wie der vorliegenden manuell durch den Verantwortlichen.

Im vorliegenden Fall wurde die am fällige Kapitalertragsteuer erst verspätet am entrichtet. Als die Ausschüttung am erfolgte, befand sich der zuständige Mitarbeiter ***1*** laut Urlaubsplan nach einem von 16.2. bis andauernden Krankenstand zwei Tage, nämlich am 3.3. und am 4.3., im Urlaub. Nach Wiederaufnahme seiner Tätigkeit ab übersah er am die Überweisung der an diesem Tag fälligen Kapitalertragsteuer. Erst im Zuge der Aufarbeitung seines Rückstandes bemerkte er am die fehlende Zahlung.

Da der Fehler einem Arbeitnehmer der Bf unterlief und es, wie o.a., auf dessen Verschulden nicht ankam, war sein Übersehen der Frist zur zeitgerechten Begleichung der Kapitalertragsteuer nicht schädlich.

Entscheidend war vielmehr, ob dem verantwortlichen Vertreter der Bf, der sich zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Zahlungspflichten eines Mitarbeiters des Unternehmens bediente, grobes Verschulden, insbesondere Überwachungs- bzw. Kontrollverschulden, anzulasten war.

Aufgrund nachstehender Überlegungen legte die Bf mit ihrem Vorbringen das Bestehen eines effizienten Kontrollsystems, das geeignet gewesen wäre, Fristversäumnissen vorzubeugen, nicht dar.

Bei besonderen, nicht regelmäßig anfallenden Zahlungen wie etwa der Kapitalertragsteuer wurde die Wahrnehmung des Zahlungstermins offenbar ohne jede Kontrolle allein dem verantwortlichen Mitarbeiter überlassen.

Auch das für Zahlungen beschriebene "Vier-Augen-Prinzip" war nicht zur rechtzeitigen Aufdeckung von Zahlungsversäumnissen geeignet, weil dieses Prinzip nicht funktionieren konnte, wenn der für die Wahrnehmung von Zahlungsterminen verantwortliche Mitarbeiter den Zahlungstermin - aus welchen Gründen auch immer - übersah und der weiteren zeichnungsberechtigten Person keine mit seiner Unterschrift versehene Zahlungsanweisung zur Gegenzeichnung vorlegte. Mit dem "Vier-Augen-Prinzip" war lediglich der Zahlungsvorgang als solcher einer Kontrolle unterworfen; die Einhaltung von Zahlungsterminen konnte damit nicht überwacht werden.

Aus den Ausführungen der Bf geht nicht hervor, dass sie über ein System verfügt hätte, welches geeignet gewesen wäre, die manuelle Vormerkung von "besonderen Zahlungen" wie der Kapitalertragsteuer und die Einhaltung der diesbezüglichen Zahlungsfristen zu kontrollieren. Demzufolge blieb das Übersehen bzw. Vergessen der Frist zur Entrichtung der Kapitalertragsteuer so lange unbemerkt, bis dem verantwortlichen Mitarbeiter sein Fehler im Zuge der Abarbeitung seines Rückstandes selbst auffiel. Bei weiteren Personen löste die übersehene Frist offenbar kein Handeln aus.

Die Bf räumte auch ein, dass konkret keine Kontrolle stattgefunden habe.

Unabdingbarer Bestandteil einer sorgfältigen Büroorganisation ist aber, auch für Abwesenheiten wie Urlaub oder Krankheit Vorkehrungen zu treffen, um abgabenrechtliche Zahlungsfristen termingerecht wahrnehmen zu können. Selbst für den Fall von in der Regel unvorhergesehen auftretenden Erkrankungen muss für die zeitgerechte Abgabenentrichtung entsprechend vorgesorgt werden.

Nach den vorgelegten, insgesamt 20 Personen umfassenden Urlaubsplänen war ***1*** am Fälligkeitstag der Kapitalertragsteuer weder krank noch im Urlaub oder Homeoffice.

Die weiteren in der Vorhaltsbeantwortung genannten Personen scheinen in den vorgelegten Urlaubsplänen nicht auf. Dass "die zuständigen Mitarbeiter", wie in der Beschwerde vorgebracht, durch Krankheit ausgefallen wären, konnte ebenso wenig bestätigt werden wie das Vorbringen, vor allem in den Monaten Februar bis April 2022 sei es zu vielen Ausfällen durch die Omikron-Welle gekommen.

Von den in den Urlaubsplänen genannten 20 Mitarbeitern war am Fälligkeitstag der Kapitalertragsteuer eine Person erkrankt.

Der Bf konnte, wie das Finanzamt bereits zutreffend festgestellt hatte, aber auch die Regelung der "ausnahmsweisen Säumnis" nach § 217 Abs. 5 BAO nicht zugutekommen, weil sie innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der gegenständlichen Säumnis bereits säumig war und die Körperschaftsteuervorauszahlung 1-3/2022 nicht fristgerecht entrichtete. Dass diese Säumnis nicht zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages führte, war dem Umstand zu verdanken, dass die Bestimmung des § 217 Abs. 10 BAO anzuwenden war, wonach Säumniszuschläge, die den Betrag von 50,00 € nicht erreichen, nicht festzusetzen sind. Insoweit relativierte sich der Beschwerdeeinwand, die Abgaben stets termingerecht bezahlt zu haben.

Die Bf verwies auf eine außergewöhnliche Zeit infolge der COVID-19 Pandemie. Den dadurch verursachten Belastungen trug der Gesetzgeber, wie o.a., dadurch Rechnung, dass für Abgaben mit Fälligkeit zwischen dem und abweichend von § 217 Abs. 2 und 3 keine Säumniszuschläge zu entrichten waren.

Zur Fälligkeit der Kapitalertragsteuer 3/2022 dauerte die COVID-19 Pandemie bereits rund zwei Jahre an, weshalb davon auszugehen war, dass der Bf innerhalb dieses Zeitraums möglich war, ihre Büroorganisation an die durch die Pandemie ausgelösten Veränderungen (Homeoffice, Krankenstände, Quarantäne) anzupassen.

Darüber hinaus konnte ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen "gleichzeitiger Erkrankung mehrerer Mitarbeiter" bzw. den "vielen Ausfällen durch die Omikron-Welle" und der verspäteten Entrichtung der Kapitalertragsteuer nicht aufgezeigt werden.

Wurde die Fälligkeit einer besonderen Zahlung wie der Kapitalertragsteuer, die nicht in den Fälligkeitslisten aus der Buchhaltungssoftware erfasst war, vom zuständigen Mitarbeiter übersehen, war im Unternehmen der Bf kein Kontrollmechanismus erkennbar, der auf dieses Übersehen zeitgerecht reagiert hätte.

Bei dieser Sachlage konnte die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Wahrung der Zahlungsfristen im Unternehmen der Bf keiner (grundsätzlich) geeigneten Kontrolle durch die Bf bzw. deren zeichnungsberechtigten Vertreter unterlag und demzufolge der verspäteten Entrichtung der gegenständlichen Kapitalertragsteuer ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden zugrunde lag.

Die Voraussetzungen für eine Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages nach § 217 Abs. 7 BAO waren deshalb nicht gegeben, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit Beschluss vom , Ro 2015/16/0014, und unter Verweis auf den Beschluss vom , Ro 2016/16/0007, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die Frage des Vorliegens von grobem Verschulden der Partei im Zusammenhang mit einem Antrag auf Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen nach § 217 Abs. 7 BAO der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes zuzuordnen und eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann anzuerkennen sei, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre.

Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100340.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at