Auswärtige Berufsausbildung - Gleichwertigkeit von Studium
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, (nunmehr Rechtsnachfolgerin ***B*** als Erbin nach ***Bf1***, ***Bf1-Adr***), über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf) machte im Rahmen seines Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2012 unter anderem für seine Tochter ***A*** den Kinderfreibetrag als nicht haushaltszugehöriges Kind sowie Kinderbetreuungskosten iHv € 1.192,40 geltend.
Mit Einkommensteuerbescheid 2012 vom wurden die Kinderbetreuungskosten nicht anerkannt, da die Tochter das zehnte Lebensjahr bereits überschritten habe.
Der Bf. brachte dagegen am Berufung (nunmehr Beschwerde) ein und führte im Wesentlichen aus, dass er irrtümlich seine Tochter als nicht haushaltszugehöriges Kind eingetragen habe und sie in Graz studiere.
Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt den Bf. auf, sein Begehren zu präzisieren und die Kosten für sein Kind nachzuweisen.
Der Bf. übermittelte Kontoauszüge, aus welchen die Mietzahlungen für die Wohnung der Tochter in ***X*** ersichtlich sind.
Mit Berufungsvorentscheidung (nunmehr Beschwerdevorentscheidung) vom gab das Finanzamt der Berufung teilweise statt, in dem es den Kinderfreibetrag für die Tochter ***A*** iHv € 132,00 nachträglich berücksichtigte. Die Aufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung wurde nicht anerkannt, da an der Universität Klagenfurt das Bachelorstudium Romanistik angeboten werde, welches mit jenem an der Universität Graz vergleichbar sei. Bei gleichen Kernfächern von Studienrichtungen () und grundsätzlich gleichem Ausbildungsabschluss liege keine Zwangsläufigkeit der auswärtigen Berufsausbildung vor.
Mit Schreiben (eingelangt am ) erhob der Bf. Einspruch und führte im Wesentlichen aus, dass seine Tochter ***A*** seit 2012 für das Bachelorstudium Romanistik/Spanisch mit Zweitsprache Portugiesisch an der Universität Graz inskribiert sei. Portugiesisch sei kein eigenes Studium, sondern nur eine Zweitsprache. Ohne eine Zweitsprache sei kein Abschluss des Studiums möglich.
Mit ergänzendem Schreiben vom übermittelte der Bf. ein Lehrveranstaltungszeugnis für den Grundkurs Portugiesisch.
Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Am ***Datum*** verstarb der Bf.
Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht das Bezirksgericht ***BG*** auf, die Erben bekanntzugeben.
Mit Schreiben vom übermittelte das Bezirksgericht den Einantwortungsbeschluss, mit welchem ***B*** die Verlassenschaft zur Gänze eingeantwortet wurde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Tochter des Bf. studierte im Streitjahr 2012 "Romanistik (Spanisch)" an der Universität Graz.
Der Bf. überwies € 320/Monat an die Tochter an Miete für die Wohnung in ***X***.
Der elterliche Wohnort war ***Z***.
An der im Einzugsbereich des elterlichen Wohnortes gelegenen Universität Klagenfurt wurde im Jahr 2012 ebenfalls das Studium "Romanistik" angeboten.
Das Bachelorstudium Romanistik an der Universität Klagenfurt ist mit dem Bachelorstudium Romanistik (Spanisch) an der Universität Graz vergleichbar.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus den Studienblättern und den Studienplänen der Romanistikstudien an der Universität Graz und Klagenfurt für das Wintersemester 2011/2012.
Der elterliche Wohnort ergibt sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister, die Mietaufwendungen aus den vom Bf. vorgelegten Kontoauszügen.
Aus den vorgelegten Studienblättern und Lehrveranstaltungszeugnis ergibt sich, dass die Tochter ***A*** im Jahr 2012 an der Universität Graz Romanistik (Spanisch) studierte.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Pauschbetrag bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zu gewähren, wenn eine der Art nach vergleichbare Ausbildung im Nahebereich des elterlichen Wohnortes nicht möglich ist (vgl. zB. ).
Inwieweit zwei Studien ihrer Art nach vergleichbar sind, ist eine auf Ebene der Sachverhaltsermittlung zu lösende Frage (zB. ).
Durch das auswärtige Studium verursachte Mehraufwendungen sind dann nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn das gleiche Studium bei gleichen Bildungschancen und gleichen Berufsaussichten auch an einer im Wohnort oder im Nahebereich des Wohnortes gelegene Universität absolviert werden kann. Entscheidend ist, dass die betreffenden Studien ihrer Art nach vergleichbar sind. Abweichungen zwischen einzelnen Studienordnungen verschiedener Universitäten führen nicht zum Fehlen einer "entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit" ( mwN).
"Entsprechende" Ausbildungsmöglichkeit ist nicht im Sinne von "gleich" sondern im Sinne von "gleichwertig" zu verstehen (). Eine frühe Spezialisierungsmöglichkeit auf einer bestimmten Universität, selbst wenn sie für eine spätere Berufslaufbahn von Vorteil sein möge, führt nicht dazu, dass von einer fehlenden Gleichwertigkeit der Studienangebote auszugehen ist (vgl. ).
Bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit von Studien im universitären Bereich ist nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auf die jeweiligen Kernbereiche abzustellen; Abweichungen der einzelnen Studienordnungen verschiedener Universitäten außerhalb des Kernbereiches führen zu keinem Fehlen einer entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit (vgl. ).
Das Bachelorstudium Romanistik (Spanisch) an der Universität Graz umfasst gemäß § 2 (2) Allgemeine Bestimmungen des Studienplans 180 ECTS-Anrechnungspunkte; das Bachelorstudium Romanistik an der Universität Klagenfurt ebenso (§ 1 (1) Allgemeines des Studienplans).
Der Studienplan an der Universität Graz ist in folgende Module gegliedert (§ 2 (2) des Curriculum):
Modul RB: Romanistischer Teil des Basismoduls (Pflichtfach, 9 ECTS)
Modul SA1: Sprachausbildung 1 (Pflichtfach, 7 ECTS)
Modul SA2: Sprachausbildung 2 (Pflichtfach, 7 ECTS)
Modul SA3: Sprachausbildung 3 (Pflichtfach, 9 ECTS)
Modul SA4: Sprachausbildung 4 (Pflichtfach, 6 ECTS)
Modul KW: Kulturwissenschaft (Pflichtfach, 9 ECTS)
Modul LW: Literaturwissenschaft (Pflichtfach, 14 ECTS)
Modul SW: Sprachwissenschaft (Pflichtfach, 14 ECTS)
Modul WA: Wissenschaftliches Arbeiten (Pflichtfach, 3 ECTS)
Modul RS: Zweite/dritte romanische Sprache (gebundenes Wahlfach, 10 ECTS)
Modul FA: Fachprüfungen (Pflichtfach, 10 ECTS)
Modul AM: Abschlussmodul (Pflichtfach, 10 ECTS)
Bachelorarbeit (Pflichtfach, 5 ECTS)
Gebundene Wahlfächer: Fachspezifischer Teil des Basismoduls aus dem zweiten Studienfach oder Ergänzungsfach (9 ECTS)
Gebundene Wahlfächer: Lehrveranstaltungen aus dem zweiten Studienfach oder Ergänzungsfach (15 ECTS)
Gebundene Wahlfächer: Fakultätsweiter Teil des Basismoduls (& ECTS)
Freie Wahlfächer (37 ECTS)
(4) Gebundene Wahlfächer:
a. Zweites Studienfach
Außer den fachspezifischen Pflichtfächern sind aus einem der folgenden Bachelorstudien 24 ECTS-Anrechnungspunkte gebundene Wahlfächer zu absolvieren (zweites Studienfach):
- Alte Geschichte und Altertumskunde
- Anglistik/Amerikanistik
-Archäologie (klassische und provinzialrömische Archäologie)
- Bosnisch/Kroatisch/Serbisch
- Europäische Ethnologie
- Germanistik
- Geschichte
- Kunstgeschichte
- Latein
- Philosophie
- Romanistik (Französisch)
- Romanistik (Italienisch)
- Russisch
- Slowenisch
- Sprachwissenschaft
b. Im Rahmen der gebundenen Wahlfächer kann anstelle der in lit. a angeführten Studien das Ergänzungsfach Portugiesisch gewählt werden.
…
c. …
Ergänzungsfächer, die in anderen Curricula definiert sind und von Studierenden zur Gänze absolviert wurden, können im Einzelfall für die gebundenen Wahlfächer anerkannt werden.
Die Absolventinnen und Absolventen sind gemäß § 1 (4) des Curriculum zu einem sofortigen Berufseinstieg in einer Reihe von Bereichen befähigt. Besonders geeignete Berufsfelder und konkrete Arbeitsmöglichkeiten sind:
- Kulturvermittlung im interkulturellen Kontext
- Öffentlichkeits- und Medienarbeit
- Internationale Kooperation im Bereich Bildung und Wissenschaft
- Bibliotheks- und Archivwesen
- Verlagswesen und Buchhandel
Darüber hinaus eröffnet das Studium - fallweise in Verbindung mit Zusatzqualifikationen, die durch entsprechende Gestaltung des Studiums im Bereich der freien und gebundenen Wahlfächer oder durch Zusatzausbildungen erworben werden können - die Möglichkeit beruflicher Tätigkeit und Entfaltung in Institutionen der Aus- und Weiterbildung, im Tourismus- und Freizeitbereich, in der Unterhaltungsindustrie, im Verkehrs- und Transportwesen, in der Politik, der Verwaltung und im Rechtsbereich, im diplomatischen Dienst, in Wirtschaft und im Handel, sowie in Banken und Versicherungen mit Beziehungen zu spanischsprachigen Ländern.
Der Studienplan an der Universität Klagenfurt ist in folgende Fächer gegliedert (§ 5 des Curriculum):
Romanistisches Grundstudium (Pflichtfach, 12 ECTS)
Sprachliches Grundstudium (Pflichtfach, 22 ECTS)
Sprachliches Aufbaustudium (Pflichtfach, 24 ECTS)
Romanistische Kulturstudien (Pflichtfach, 12 ECTS)
Romanistische Sprachwissenschaft (Pflichtfach, 22 ECTS)
Romanistische Literaturwissenschaft (Pflichtfach, 22 ECTS)
Zweite romanische Sprache (Gebundenes Wahlfach I, 10 ECTS)
Romanistisches Erweiterungsfach (Gebundenes Wahlfach II, 20 ECTS)
Ergänzungsfach (Gebundenes Wahlfach III, 14 ECTS)
Freie Wahlfächer (10 ECTS)
Bachelorarbeit (8 ECTS)
Fachprüfung (4 ECTS)
Als mögliche Berufsfelder zählt § 2 (2) des Curriculum auf:
- Archiv- und Bibliotheksdienst;
- Arbeit als Verlagslektor/in;
- Tätigkeiten im Kulturbereich;
- internationale Kooperationen im Bereich Bildung und Wissenschaft;
- Tätigkeit als Übersetzer/in;
- Tätigkeit in der außerschulischen und betrieblichen Weiterbildung;
- Tätigkeit im Bereich der Massenkommunikation (Presse, Rundfunk, Fernsehen), in der Werbebranche und im Freizeit- und Tourismusbereich;
- grenzüberschreitende Koordinationsarbeit bzw. Öffentlichkeitsarbeit in Betrieben, Körperschaften, Behörden und Vereinen;
- linguistisch orientierte Berufe: Entwicklung von Lexika, Lehrwerken etc.
- Tätigkeit im Bereich der Computerlinguistik
Es trifft zwar zu, dass an der Universität Klagenfurt Portugiesisch als zweite Fremdsprache (gebundenes Wahlfach) nicht angeboten wird, jedoch sind weite Teile der Studien beider Universitäten deckungsgleich.
So beinhalten beide Studien als Pflichtfächer eine Sprachausbildung (Sprachausbildung I-IV an der Universität Graz und sprachliches Grund- und Aufbaustudium in Klagenfurt), Kulturwissenschaft, Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft.
Bei beiden Studien muss bzw. kann eine zweite Sprache als Wahlpflichtfach belegt werden. In Graz ist dabei die Wahl von Portugiesisch möglich, in Klagenfurt kann Portugiesisch angerechnet werden. In beiden Studien handelt es sich um ein gebundenes Wahlfach und somit nicht um den Kernbereich des Studiums.
Eine Spezialisierung auf Portugiesisch als Zweitsprache kann zwar von Vorteil sein, jedoch werden an der Universität Klagenfurt ebenfalls verschiedenste Fremdsprachen angeboten. Allein aufgrund des mangelnden Angebots der Fremdsprache Portugiesisch kann nicht auf eine fehlende Gleichwertigkeit geschlossen werden.
Auch die Berufsaussichten stimmen weitestgehend überein: Aus den Studienplänen ist ersichtlich, dass nach Abschluss des Studiums in annähernd denselben Berufsfeldern gearbeitet werden kann (zB Kulturvermittlung, Internationale Kooperation im Bereich Bildung und Wissenschaft, Bibliotheks- und Archivwesen, Verlagswesen, im Tourismus- und Freizeitbereich, Medienarbeit)
Das Bundesfinanzgericht geht daher von vergleichbaren Studien aus.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss
- außergewöhnlich sein (Abs. 2)
- zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und
- die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 werden außergewöhnliche Belastungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes durch Abzug eines Pauschbetrages von € 110,00 pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
Voraussetzungen zur steuerlichen Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung sind in Auslegung des § 34 Abs. 8 EStG 1988 das grundsätzliche Vorliegen einer Berufsausbildung (hinsichtlich des Ziels der Ausbildung und im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit des Betreibens), das Fehlen einer vergleichbaren Ausbildung im Einzugsbereich des Wohnortes des Kindes sowie das tatsächliche Tragen von Mehraufwendungen aufgrund des Studiums.
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob im Einzugsbereich des Wohnortes (***Z***) eine vergleichbare Ausbildung fehlt.
Da - wie oben bereits dargestellt - durch das Romanistikstudium an der Universität Klagenfurt eine vergleichbare Ausbildung im Nahebereich des Wohnortes vorliegt, war der Pauschbetrag von € 110,00 pro Monat nicht zu berücksichtigen.
Der Kinderfreibetrag für die Tochter ***A*** war - wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom erfolgt - zu berücksichtigen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Darüber hinaus liegt betreffend Vergleichbarkeit der Studien eine Tatfrage vor. Da somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist die Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.4100235.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at