Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.02.2023, RV/2100502/2022

Familienbeihilfen-Anspruch ab dem zweiten Studienjahr

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom
gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Oktober 2018 bis Februar 2022, SV-Nr. ***1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Zeitraum Oktober 2018 bis September 2019 betrifft, ersatzlos aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe stellte das Finanzamt fest, dass die Tochter der Beschwerdeführerin das Bachelorstudium Pharmazeutische Wissenschaften an der Universität ***2*** nicht abgeschlossen hat und ab eine Ausbildung in der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege des Landes ***3*** begonnen hat.

In der Folge wurde vom Finanzamt am folgender Bescheid erlassen:


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Name des Kindes
VNR/Geb.dat.
Art der
Beihilfe
Zeitraum von - bis
Kind2
***4***
FB
FB
Aug. 2021 - Feb. 2022
Okt. 2018 - März 2021
Kind1
***5***
FB
KG
Okt. 2018 - Feb. 2022
Okt. 2018 - Feb.2022
Kind3
***6***
FB
Okt. 2018 - Feb. 2022

"Zu Kind2:

Sie haben für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen. Im Rückforderungsbetrag ist die anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten, für die Sie im Rückforderungszeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten haben (§ 8 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Zu Kind1:

Familienbeihilfe steht bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu.
Wann gilt die Ausbildung als ernsthaft und zielstrebig?
• Das Kind verwendet die volle Zeit dafür
• Das Kind tritt in angemessener Zeit zu Prüfungen an
Bei Ihrem Kind trifft das nicht zu.
Im o.g. Zeitraum hat Ihre Tochter Prüfungen in folgendem Ausmaß abgelegt:
Wintersemester 2018 7,5 ECTS, Sommersemester 2019 4,5 ECTS, Wintersemester 2019 5,5 ECTS, Sommersemester 2020 6 ECTS, Wintersemester 2020 6 ECTS, Sommersemester 2021 und Wintersemester 2021 keine einzige positive Prüfung.
Somit kann nicht von einem ernsthaften und zielstrebigen Studium gesprochen werden.

Zu Kind3:

Sie haben für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen. Im Rückforderungsbetrag ist die anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten, für die Sie im Rückforderungszeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten haben (§ 8 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967)."

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht die Beschwerde und führte in der Begründung aus:
"Das FLAG sowie dessen Durchführungsrichtlinien sehen vor, dass nach dem ersten Studienjahr ein Mindeststudienerfolg von 16 ECTS nachzuweisen ist. Im weiteren Studienverlauf ist dann nur noch ein "ernsthaftes und zielstrebiges Studium" nachzuweisen. Was genau darunter zu verstehen ist, wurde nicht in einer je Semester oder Studienjahr zu erbringenden Anzahl an ECTS-Punkten festgelegt. Der Gesetzgeber entspricht damit dem Umstand, dass sich Studienverläufe in der Realität individuell und nicht linear vollziehen, wodurch auf eine im Durchschnitt der studierten Semester erbrachte Mindeststudienleistung abgestellt wird. So kann zielstrebig auch sein, wenn pro inskribiertem Semester eine Prüfung abgelegt wird und wohl sind auch nicht erfolgreiche Prüfungsantritte darunter zu subsumieren, da auch dann von einer ernsthaften Studienaktivität auszugehen ist. In der Gesamtschau eines typischen Studienverlaufs ergeben sich dadurch erfolgreichere Semester mit mehr ECTS und weniger erfolgreiche Semester, in denen nur eine geringere Anzahl an ECTS erbracht werden kann. Es kommt demnach vielmehr auf eine zielstrebige Studienaktivität, denn auf ein Mindestmaß an ECTS-Punkten an.
Die Vorgehensweise des Finanzamts, welches offenbar auf einen Mindeststudienerfolg von 8 ECTS pro Semester bzw. 16 ECTS pro Studienjahr abstellt, findet in dieser Form keine Deckung im Gesetzes-bzw. Verordnungstext, sodass eine Rückforderung für den gesamten Zeitraum als nicht gerechtfertigt erscheint. Die Tatsache, dass im vergangenen Semester nur negativ absolvierte Prüfungsantritte vorliegen, relativiert sich insofern, als meine Tochter sich auch in diesem Zeitraum intensiv mit Studieninhalten auseinandergesetzt hat. Aufgrund des Pandemiegeschehens fanden Lehrveranstaltungen im SS 2021 fast ausschließlich online statt, wodurch Lehre und Lernerfolg wesentlich erschwert waren.
Als naturwissenschaftliches Grundlagenstudium ist das Bachelorstudium Pharmazie hinsichtlich seiner Inhalte sowie der formalen Struktur, insbesondere aufgrund der bestehenden Voraussetzungsketten als zeitintensives Studium zu werten, das hohe Ansprüche an die Studierenden stellt. Die Kapazitätsengpässe bei den Laborübungen sind diesem Studium immanent und sind kausal für teilweise erhebliche Studienverzögerungen und den geringen Studienerfolg, die von den Studierenden nicht schuldhaft zu vertreten sind, sondern vielmehr in der universitären Organisation begründet sind
."
Beigelegt wurde die Bestätigung der Universität ***2*** vom für eine fehlende Lehrveranstaltungsbeurteilung der Tochter, auf Grund Nichtzulassung zur Lehrveranstaltung Morphologie und Systematik der Arzneipflanzen "wegen fehlender ECTS".

Im Zuge eines Vorhalteverfahrens, in dem die Bf. ersucht wurde eine Bestätigung der Universität der von der Tochter positiv und negativ absolvierten Prüfungen vorzulegen, teilte die Bf. mit, dass ihre Tochter sämtliche Ausbildungen im medizinischen Bereich gemacht habe und machen werde sowie dass keine ihrer Ausbildungen verloren sei, da sie das Erlernte in jedem Arbeitsgebiet brauchen könne und übermittelte folgende Studienerfolgsbestätigungen:

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Bei einer Berufsausbildung im Rahmen eines Studiums, d.h. bei Besuch einer in § 3 Studienförderungsgesetz (StudFG) 1992 genannten Einrichtung, sind die Anspruchsvoraussetzungen nur dann erfüllt, wenn die im zweiten bis letzten Satz des § 2 Abs. 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 näher festgelegten Voraussetzungen vorliegen. Nach dieser Bestimmung gelten die im StudFörderungsGesetz 1992 angeführten Regelungen auch für die Gewährung der Familienbeihilfe. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nur dann, wenn nach § 16 StudFG 1992 ein günstiger Studienerfolg vorliegt.
Ein günstiger Studienerfolg liegt vor, wenn der Studierende
1. sein Studium zielstrebig betreibt,
2. die vorgesehene Studienzeit nicht wesentlich überschreitet und
3. Nachweise über Absolvierung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen vorlegt (§§ 20 bis 25 StudFG).
Der Familienbeihilfenanspruch für volljährige Kinder hat nach dieser Gesetzesbestimmung somit zur Voraussetzung, dass das volljährige Kind in Berufsausbildung steht. Eine Berufsausbildung liegt dann vor, wenn sich der Studierende nach außen erkennbar ernstlich und zielstrebig um Studienfortgang und den Studienabschluss bemüht. Ein derartiges Bemühen manifestiert sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur im laufenden Besuch der angebotenen Lehrveranstaltungen, sondern und insbesondere auch dadurch, dass die Prüfungen, die in der Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, abgelegt werden () bzw. zu diesen zumindest angetreten wird ().
Alleine der laufende Besuch von Lehrveranstaltungen reicht nicht aus, um eine Berufsausbildung annehmen zu können (zB. ).
Maßstab für die Bemessung des Studienerfolges sind die ECTS Punkte, die den durchschnittlichen Gesamtaufwand für Studierende pro Studienjahr angeben.
Das Arbeitspensum für ein Studienjahr umfasst generell Studienleistungen von 60 ECTS Punkten. Bei dem It. FLAG 1967 erforderlichen Leistungsnachweis von (nur) 16 ECTS Punkten handelt es sich lediglich etwas mehr als die Hälfte des für ein Semester festgelegten Aufwandes, der bei der Familienbeihilfe in Bezug auf ein ganzes Studienjahr gilt.
Da die Familienbeihilfe eine Familienleistung im klassischen Sinne und keine unmittelbare Form der Studienförderung darstellt, wird das niedrig angesetzte Anforderungsniveau als vertretbar erachtet.
Ihre Tochter
Kind1 begann im Wintersemester 2017/18 das Bachelorstudium Pharmazeutische Wissenschaften. Der für den Fortbezug der Familienbeihilfe erforderliche Nachweis aus dem 1. Studienjahr wurde erbracht.
Ihre Tochter legte ab dem Wintersemester 2018/19 folgende Prüfungen ab:
Wintersemester 2018/2019 7,5 ECTS, Sommersemester 2019 4,5 ECTS, Wintersemester 2019/2020 5,5 ECTS, Sommersemester 2020 6 ECTS, Wintersemester 2020/2021 6 ECTS. Im Sommersemester 2021 und im Wintersemester 2021/2022 legte sie keine einzige Prüfung ab. Im März 2022 erfolgte die Abmeldung vom Studium.
In Ihrer Beschwerde geben Sie an, dass Ihre Tochter negative Prüfungen abgelegt hat. In dem von Ihnen vorgelegten Leistungsnachweis scheint jedoch keine einzige negative Prüfung auf.
Lt. Bestätigung der
-- Universität ***2***, Formular Beih 14a wurde Kind1 im 8. Semester (Sommersemester 2021) auf Grund der fehlenden ECTS Punkte nicht zur Lehrveranstaltung Morphologie und Systematik der Arzneipflanzen zugelassen.
Die Corona Pandemie begann im März 2020. Es ist nicht erkennbar, dass auf Grund der Pandemie ein Leistungsabfall entstanden ist. Es wurden seit dem Wintersemester 2018 kontinuierlich wenig Prüfungen absolviert.
Im Zeitraum Oktober 2018 bis Februar 2022 liegt kein ernsthaftes und zielstrebiges Studium im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 vor
."

Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und wiederholte die Ausführungen in der Begründung der Beschwerde. Ergänzend teilte die Bf. mit, dass ihre Tochter sämtliche Ausbildungen im medizinischen Bereich gemacht habe und machen werde und dass keine ihrer Ausbildungen verloren sei, da sie das Erlernte in jedem Arbeitsgebiet brauchen könne. Der Wunsch der Tochter sei ein Medizinstudium, das Ergebnis des Aufnahmetests an der Medizinischen Universität ***2*** vom werde beigelegt (Gesamtwert von 65,71% und Rangplatz 788).

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die am xx.xx.1999 geborene Tochter der Beschwerdeführerin, begann im Wintersemester 2017/18 das Bachelorstudium "Pharmazeutische Wissenschaften" an der Universität ***2***.

Im 1. Studienjahr (WS 2017/18 und SS 2018) legte sie Prüfungen im Ausmaß von 23,5 ECTS-Punkten ab.
Im 2. Studienjahr (WS 2018/19 und SS 2019) legte sie Prüfungen im Ausmaß von 7,5 ECTS-Punkten ab.
Im 3. Studienjahr (WS 2019/20 und SS 2020) legte sie Prüfungen im Ausmaß von 11,5 ECTS-Punkten ab.
Im 4. Studienjahr (WS 2020/21 und SS 2021) legte sie Prüfungen im Ausmaß von 6 ECTS-Punkten ab (die letzte Prüfung fand am statt).
Danach trat die Tochter zu keinen Prüfungen mehr an (siehe Bestätigung des Studienerfolges vom ).
Eine Abmeldung vom Studium erfolgte am .

Am nahm die Tochter am Aufnahmetest für das Medizinstudium teil.

Ab begann die Tochter eine Ausbildung in der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege des Landes ***3***.

Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Oktober 2018 bis Februar 2022 zurückgefordert.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe
[…]
lit. b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl. I 118/2015 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Während im FLAG keine nähere Definition enthalten ist, was allgemein unter Berufsausbildung zu verstehen ist, gibt § 2 Abs. 1 lit b (zweiter bis letzter Satz) genau vor, unter welchen Voraussetzungen sich ein studierendes Kind in Berufsausbildung befindet (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 53).

Als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr gilt die Aufnahme als ordentlicher Hörer (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 59).

Der Aufwand für ein Studienjahr beträgt 60 ECTS-Punkte (entspricht einem Jahres-Arbeitspensum von 1500 Echtstunden).
Der laut FLAG erforderliche Leistungsnachweis von 16 ECTS-Punkten orientiert sich an den acht Semesterstunden. Es handelt sich um etwas mehr als die Hälfte des für ein Semester festgelegten Aufwandes, der bei der Familienbeihilfe in Bezug auf ein ganzes Studienjahr gilt. Dem Zweck der Familienbeihilfe entsprechend sind die Anforderungen des Leistungsnachweises - im Vergleich zum StudFG - geringer.
Da es sich bei der Familienbeihilfe um eine Familienleistung im klassischen Sinne und um keine unmittelbare Form der Studienförderung handelt, ist das relativ niedrig angesetzte Anforderungsniveau vertretbar (115/ME 23. GP zu Z 1); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 70).

Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht, wenn für das vorhergehende Studienjahr die Ablegung
- einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums (Medizinstudium) oder
- von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums


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-
im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder
-
im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten

nachgewiesen wird (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 67).

Der Nachweiszeitraum für den Studienerfolg ist das vorhergehende Studienjahr. Alle abgelegten Prüfungen, vom Beginn des ersten Semesters bis zum Ende der Zulassungsfrist für das den zwei Semestern folgenden Semester sind zu berücksichtigen (also bis 30. November des Folgejahres; s ). Dabei kommt es nicht auf das Ablegen einer Prüfung in einem Studienjahr oder Semester an, sondern auf die Zuordnung einer allenfalls in diesem Semester in der vorlesungsfreien Zeit oder erst im Folgesemester abgelegten Prüfung zu einem bestimmten Semester (vgl. zur Zuordnung einer innerhalb der Nachfrist abgelegten Prüfung zu einem vorangegangenen Semester auch ). Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit b dreizehnter Satz ist der Nachweis über die erfolgreiche Ablegung von Prüfungen durch Bestätigungen der in § 3 des StudFG 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Entscheidend ist daher, welchem Semester (Studienjahr) die Prüfungen in der Bestätigung zugerechnet werden (s ); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 71).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, hat der Gesetzgeber für Berufsausbildungen, die an einer in § 3 StudFG aufgezählten Einrichtung betrieben werden, das Vorliegen einer Berufsausbildung exakt definiert und dabei die Studiendauer und die erzielten Prüfungserfolge als entscheidend angesehen (vgl. ua ). Im genannten Erkenntnis hat der Gerichtshof auch deutlich ausgeführt, dass der Familienbeihilfenanspruch für ein Folgejahr im Wege einer ex-ante-Betrachtung zu prüfen ist. Nur wenn feststehen würde, dass das Studium zB bereits während eines Semesters (Studienjahres) vorzeitig endgültig abgebrochen worden wäre, käme es zu einem Wegfall des an sich auf Grund der erbrachten Studienleistungen des Vorjahres bestehenden Familienbeihilfenanspruches (vgl. auch und ).

Im vorliegenden Fall hat die Tochter der Bf. im ersten Studienjahr (WS 2017/2018 und SS 2018) - nach der Semesterzuordnung in der Bestätigung des Studienerfolges vom - 23,5 ECTS erreicht, weshalb Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das 2. Studienjahr (WS 2018/2019 und SS 2019) besteht. Der Abbruch des Studiums erfolgte erst später am .

Der Rückforderungsbescheid war daher bezogen auf den Zeitraum Oktober 2018 bis September 2019 aufzuheben.

Da aber die Tochter ab dem 2. Studienjahr (WS 2018/2019 und SS 2019) - also bereits lange vor Pandemiebeginn im März 2020 - den erforderlichen Studienerfolgsnachweis nicht mehr erbringen konnte (siehe Sachverhalt), besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ab dem 3. Studienjahr.
Nachweise für die behaupteten Prüfungsantritte mit negativer Beurteilung wurden trotz Aufforderung durch das Finanzamt nicht vorgelegt. Eine Nichtzulassung zu einer Prüfung "wegen fehlender ECTS" ist hier bei der Beurteilung, ob eine Berufsausbildung vorliegt, nicht von Bedeutung, da es sich nicht um einen Prüfungsantritt handelt.

Auch das vorgelegte Ergebnis im Aufnahmeverfahren an der Medizinischen Universität ***2*** der Tochter (Medizin-Aufnahme-Test am ) - ein Medizinstudium wurde nicht begonnen - kann nach der ständigen Rechtsprechung einen Familienbeihilfen-Anspruch nach dem FLAG nicht begründen:
In mehreren Studien ist nunmehr Voraussetzung für die Aufnahme als Student, dass vor dem eigentlichen Studienbeginn eine Aufnahmeprüfung abgelegt wird. Paradebeispiel hierfür sind die Aufnahmeprüfungen für das Medizinstudium, wobei hier hinzukommt, dass bei diesen Prüfungen Wissen bzw. Fähigkeiten getestet werden, die überhaupt nichts mit dem im späteren Studium vermittelten Fachwissen zu tun haben. Einer tatsächlichen Ausbildung vorangehende Schritte einer Bewerbung einschließlich eines Tests und eines Bewerbungsgesprächs stellen aber noch keine Ausbildung dar. Im Falle des Unterbleibens der Ausbildung (weil der Bewerber nicht aufgenommen wurde - wobei es unerheblich ist, ob mangels hinreichender Qualifikation etwa auf Grund eines negativen Testergebnisses bei der Bewerbung oder "lediglich infolge Platzmangels") wird diese Berufsausbildung eben nicht iSd § 2 Abs. 1 lit e begonnen (; , Ro 2016/16/0018); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 45).

Die Beschwerde war daher für den Zeitraum Oktober 2019 bis Februar 2022 abzuweisen.

Der Bezieher der Familienbeihilfe wird in der Mitteilung des Finanzamtes darauf aufmerksam gemacht, dass Änderungen der Verhältnisse, die nach Gewährung der Familienbeihilfe eingetreten sind und die bewirken, dass der Anspruch auf die gewährte Familienbeihilfe erlischt und damit kein Bezug der Familienbeihilfe mehr gegeben ist, umgehend dem Wohnsitzfinanzamt bekannt zu geben sind.
Mit diesem Hinweis wird der Bezieher der Familienbeihilfe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihn eine Verpflichtung trifft, Tatsachen oder Änderungen, die Einfluss auf den Anspruch und damit auf die Auszahlung der Familienbeihilfe haben, dem Wohnsitzfinanzamt ohne zeitliche Verzögerung mitzuteilen.

Aus § 26 Abs. 1 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl. etwa ; , 1019/77; , 2006/15/0076; , 2008/15/0323; , 2009/15/0089; , 2008/15/0329; , 2007/13/0120; , 2012/16/0047).
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an (vgl. etwa ; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; , 2005/13/0142); (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 12f).

Die Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht bezogener Beihilfen ist also von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft. § 26 Abs. 1 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat.

Insofern kann das Vorbringen der Bf. in der Beschwerde und im Vorlageantrag den Beschwerdestandpunkt nicht zum Erfolg verhelfen.

Bezüglich der Kinderabsetzbeträge ist festzustellen, dass diese gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 dann gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige auch Familienbeihilfe bezieht. Der Kinderabsetzbetrag ist somit derart mit der Familienbeihilfe verknüpft, dass ein unrechtmäßiger Bezug der Familienbeihilfe auch den gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlten Kinderabsetzbetrag unrechtmäßig macht. Die Kinderabsetzbeträge waren somit zusammen mit der Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG zurückzufordern.

Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da der vorliegende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung beurteilt wurde und das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht.

Graz, am

Zusatzinformationen


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