Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 13.01.2023, RV/3300002/2022

Rechtzeitigkeit einer an das Bundesfinanzgericht adressierten, allerdings bei der Abgabenbehörde eingebrachten Beschwerde (§§ 150 ff FinStrG)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3300002/2022-RS1
Der Gesetzgeber wollte das Amt für Betrugsbekämpfung offensichtlich vollumfänglich in den Anwendungsbereich des § 54a Abs. 1 BAO aufnehmen. Dass diese Bestimmung in Finanzstrafsachen – und somit einem erheblichen Teil der Verfahren dieses Amtes – nicht zur Anwendung kommen soll, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, da dies dem erklärten Ziel des Gesetzes zuwiderliefe.
RV/3300002/2022-RS2
Wird im Finanzstrafverfahren eine Eingabe an das Bundesfinanzgericht adressiert, aber beim Finanzamt Österreich eingebracht, so erfolgt deren Weiterleitung an das Bundesfinanzgericht auf Gefahr des Einschreiters, sofern die Einbringung nicht in einer gemeinsamen Einbringungsstelle der Finanzverwaltung und des Bundesfinanzgerichtes erfolgte.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Straferkenntnis des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl ***GZ***, beschlossen:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 156 Abs. 4 FinStrG als verspätet zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang / Sachverhalt

Mit Straferkenntnis des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl ***GZ***, wurde über den Beschwerdeführer (Bf.) wegen versuchter Abgabenverkürzung nach § 33 Abs. 1 iVm § 13 FinStrG eine Geldstrafe in Höhe von € 4.500,00 verhängt. Das Straferkenntnis wurde dem Bf. nachweislich am zugestellt.

In der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses wird zur Einbringung der Beschwerde insbesondere Folgendes ausgeführt: "Gegen dieses Straferkenntnis können Sie das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erheben. Die Beschwerde ist schriftlich oder mündlich zu Protokoll bei der Finanzstrafbehörde zu erheben, die das angefochtene Erkenntnis erlassen hat. […] Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats ab Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses erhoben werden."

Am legte der Bf. ein als "Wiederspruch/Revision" betiteltes Schreiben, das als Beschwerde gemäß § 150 ff FinStrG anzusehen ist, in den Briefkasten des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Tirol Ost, Standort ***Bezirkshauptstadt*** ein. Auf dem Umschlag war dieses wie folgt adressiert: "An das Bundesfinanzgericht, Republik Österreich, Innrain 32, 6020 Innsbruck, Austria". Das Schreiben, welches sich im Umschlag befand, ist wie folgt adressiert: "An das Bundesfinanzgericht, Republik Österreich". Das Amt für Betrugsbekämpfung ist weder auf dem Umschlag noch an irgendeiner Stelle im gegenständlichen Beschwerdeschreiben erwähnt.

Der Umschlag wurde samt Schreiben zwecks Scanning gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 BAO innerhalb des Finanzamtes Österreich an die Dienststelle Wien 8/16/17, Marxergasse 4b, 1030 Wien übermittelt. Am wurden Umschlag und Schreiben von dieser Dienststelle mit den Vermerken "Irrläufer" und "Betrifft Bundesfinanzgericht" an die Dienststelle Innsbruck weitergeleitet. Am langte die Sendung bei der Außenstelle Innsbruck des Bundesfinanzgerichtes ein.

Mit Schreiben vom wurden sämtliche Unterlagen vom Bundesfinanzgericht zwecks Durchführung des Vorverfahrens und Erstellung eines Vorlageberichtes an das Amt für Betrugsbekämpfung übermittelt. Am erfolgte schließlich die Vorlage der Beschwerde und des Aktes durch die belangte Behörde.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft und widerspruchsfrei aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Zustellnachweis des Straferkenntnisses, dem Beschwerdeschreiben samt Kuvert und den jeweils darauf angebrachten Eingangsstempeln.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung)

Gemäß § 150 Abs. 3 FinStrG sind Beschwerden bei der Behörde einzubringen, die das angefochtene Erkenntnis erlassen hat. Eine Beschwerde gilt auch als rechtzeitig eingebracht, wenn sie innerhalb der Beschwerdefrist beim Bundesfinanzgericht eingebracht worden ist. Die Einbringung bei einer anderen Stelle gilt nur dann als rechtzeitig, wenn die Beschwerde noch vor Ablauf der Beschwerdefrist einer zuständigen Behörde oder dem Bundesfinanzgericht zukommt. Die Rechtsmittelbelehrung im Straferkenntnis weicht nicht von der Rechtslage ab, weshalb § 140 Abs. 4 FinStrG nicht anwendbar ist.

Mit dem 2. Finanz-Organisationsreformgesetz, BGBl. I Nr. 99/2020, wurden in § 54a Bundesabgabenordnung (BAO) neue Regelungen zu Unterstützungsleistungen innerhalb der Bundesfinanzverwaltung geschaffen. Abweichend von der Grundregel, wonach die Weiterleitung von Anbringen, die bei einer unzuständigen Behörde eingebracht werden, auf Gefahr des Einschreiters erfolgt (insoweit übereinstimmend § 53 BAO und § 150 Abs. 3 FinStrG), normiert § 54a Abs. 1 Z 1 BAO, dass schriftliche Anbringen (im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO) fristwahrend beim Finanzamt Österreich eingebracht werden können, wenn sie "an die zuständige Einrichtung der Bundesfinanzverwaltung gerichtet" sind.

Fraglich ist, ob § 54a BAO im Finanzstrafverfahren überhaupt zur Anwendung gelangen kann. § 56 Abs. 2 FinStrG normiert nämlich für Anbringen etc. die subsidiäre Geltung (nur) des 3. Abschnittes der BAO und von § 114 Abs. 3 BAO. § 54a BAO ist von diesem Verweis nicht umfasst. Dennoch ist § 54a Abs. 1 BAO nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch im Finanzstrafverfahren anzuwenden: Dafür spricht insbesondere, dass diese Bestimmung ausdrücklich auch für das Amt für Betrugsbekämpfung gilt. Der Gesetzgeber erließ das 2. Finanz-Organisationsreformgesetz einschließlich § 54a BAO zur Schaffung einer "schlanke[n] Struktur der Bundesfinanzverwaltung" (ErlRV 110 BlgNR XXVII. GP, 1). Er wollte das Amt für Betrugsbekämpfung offensichtlich vollumfänglich in den Anwendungsbereich des § 54a Abs. 1 BAO aufnehmen. Dass diese neue Bestimmung in Finanzstrafsachen - und somit einem erheblichen Teil der Verfahren dieses Amtes - nicht zur Anwendung kommen soll, kann dem Gesetzgeber nicht zugesinnt werden, da dies dem erklärten Ziel des Gesetzes zuwiderliefe.

In den parlamentarischen Materialien wird zu § 54a Abs. 1 BAO ausgeführt, "dass schriftliche Anbringen, die innerhalb offener Frist beim Finanzamt Österreich eingebracht wurden und an die zuständige Einrichtung der Bundesfinanzverwaltung gerichtet - also richtig adressiert - sind, vom Finanzamt Österreich fristwahrend entgegen zu nehmen sind. Das betrifft schriftliche Anbringen, die entweder per Post verschickt, oder in den Amtspostkasten des Finanzamts Österreich eingeworfen oder persönlich einem Organ des Finanzamts Österreich abgegeben werden." (ErlRV 110 BlgNR XXVII. GP, 1, Hervorhebungen vom erkennenden Richter)

Das gegenständliche Beschwerdeschreiben war an das Bundesfinanzgericht und somit nicht an eine Einrichtung der Bundesfinanzverwaltung im Sinne des § 49 BAO adressiert, weshalb dem Bf. das Privileg des § 54a Abs. 1 Z 1 BAO nicht zugutekommen kann.

Nichts anderes kann aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu gemeinsamen Einbringungsstellen verschiedener Behörden (etwa ) abgeleitet werden. Diese Judikaturlinie geht auf ein Erkenntnis eines verstärkten Senates zurück, worin ausgeführt wurde, dass eine Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters dann nicht in Betracht kommt, wenn zwei Behörden dieselbe Einbringungsstelle haben (, Slg. Nr. 9181/A). Dieser Fall liegt hier allerdings nicht vor. Am Standort ***Bezirkshauptstadt*** des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Tirol Ost, ist nämlich keine Außenstelle des Bundesfinanzgerichtes eingerichtet und kann die dortige Einbringungsstelle schon deshalb nicht als gemeinsame Einbringungsstelle der Finanzverwaltung und des Bundesfinanzgerichtes angesehen werden.

Die Weiterleitung des gegenständlichen Beschwerdeschreibens vom Finanzamt Österreich an das Bundesfinanzgericht erfolgte somit auf Gefahr des Bf. Als seine Beschwerde beim Bundesfinanzgericht (oder allenfalls bei der gemeinsamen Einbringungsstelle der Dienststelle Innsbruck des Finanzamtes Österreich und der Außenstelle Innsbruck des Bundesfinanzgerichtes) einlangte, war die Beschwerdefrist bereits abgelaufen. Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der gegenständliche Beschluss befasst sich mit der Anwendbarkeit von § 54a BAO im Finanzstrafverfahren und mit dem Verhältnis dieser neuen Bestimmung zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich gemeinsamer Einbringungsstellen mehrerer Behörden. Zu diesen Rechtsfragen fehlt, soweit erkennbar, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb die Revision zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 54a Abs. 1 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 150 Abs. 3 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 56 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 49 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3300002.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at