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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 23.11.2021, RV/7103023/2021

Keine Akteneinsicht einer Kammer in einen Akt eines Nichtmitglieds auf Grund fehlender Parteistellung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend den Antrag auf Akteneinsicht der Antragstellerin, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH, Bauernmarkt 2, 1010 Wien, vom , beschlossen:

Der Antrag wird mangels Legitimation als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Begründung

Antrag auf Akteneinsicht durch die Antragstellerin

Die Antragstellerin Antragstellerin hat durch ihre rechtsfreundliche Vertretung am , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , einen Antrag auf Akteneinsicht in den Akt GZ. RV/71017775/2019 unter Hinweis auf den Unterbrechungsbeschluss vom gestellt.

Beschwerdeverfahren des gegenständlichen Aktes, in den Einsicht begehrt wurde

Das dem Antrag auf Akteneinsicht zu Grunde liegende Beschwerdeverfahren zwischen der beschwerdeführenden Partei MD PWS ***Bf1*** GmbH und Co KG und der zuständigen Abgabenbehörde - mittlerweile Finanzamt Österreich - wurde gemäß § 122 Abs. 11 WKG 1998 unterbrochen und zur Klärung der Frage, ob die beschwerdeführende Partei in den Jahren 2003 bis 2015 Mitglied der Antragstellerin war, dem Präsidenten der Antragstellerin zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Wien über die Mitgliedschaft der beschwerdeführenden Partei bei der Antragstellerin vom

In der Folge wurde die Entscheidung über die Beschwerde bis zur Beendigung
des inzwischen beim Landesverwaltungsgericht Wien anhängigen Verfahrens betreffend Abgabe für Mitglieder ausgesetzt.

Am erging das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Wien zur Geschäftszahl VGV-162/006/2548/2019-4, in dem es dem Beschwerdebegehren der MD-PWS stattgab und den Bescheid, mit dem die Abgabe für die Jahre 2014 bis 2018 von der Antragstellerin vorgeschrieben wurde, aufhob.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass bei der beschwerdeführenden Partei die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft bei der Antragstellerin nicht vorliegen würden.

Rechtsgrundlage für eine allfällige Parteistellung der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren

Gemäß § 126 Abs. 2 WKG wurde mit BGBl. I Nr. 73/2017 folgende Bestimmung eingeführt:

"Kammerumlagen stellen Abgaben im Sinne der Bundesabgabenordnung dar, weshalb die entsprechenden Verfahrensvorschriften insoweit anzuwenden sind, als das Wirtschaftskammergesetz keine abweichenden Bestimmungen enthält. In Verfahren, in denen die Rückzahlung entrichteter Kammerumlagen begehrt wird, haben die Bundeskammer und die jeweils betroffene(n) Landeskammer(n) Parteistellung. Wird ein Rechtsmittel erhoben, mit dem die Umlagepflicht dem Grunde nach bestritten wird, so ist das Verfahren zu unterbrechen und die Frage dem Präsidenten der zuständigen Landeskammer zur Entscheidung vorzulegen. § 128 Abs. 3 und 5 ist sinngemäß anzuwenden."

Die Gesetzesmaterialien 2142/A XXV. GP - Initiativantrag dazu begründen diese Bestimmung nur kurz wie folgt:

"Zu Z 25 (§ 126 Abs. 2)

Die geltende Rechtslage, der zufolge der Bundes- und der jeweiligen Landeskammer in Verfahren, in denen die Kammerumlage zurückgefordert wird, keine Parteistellung zukommt, hat sich als unbefriedigend erwiesen, da sie zur Konsequenz hat, dass über Finanzmittel von Körperschaften öffentlichen Rechts abgesprochen wird, die regelmäßig vom Verfahren nichts erfahren und daher nicht über die Möglichkeit verfügen, relevante Einwendungen zu erheben."

Zusammenfassend wurde nach Unterbrechung bzw. Aussetzung des Verfahrens gerichtlich rechtskräftig festgestellt, dass keine Kammermitgliedschaft bei der Antragstellerin bestanden hat - damit kann auch keine Parteistellung der Kammer in einem Verfahren eines Nichtmitglieds vorliegen.

Es ist auch zu hinterfragen, ob es sich bei angefochtenen Bescheiden aufgrund einer Lohnsteuerprüfung, bei der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vorgeschrieben wird, überhaupt um ein laut § 126 Abs. 2 WKG "…Verfahren, in denen die Rückzahlung entrichteter Kammerumlagen begehrt wird…" handelt. Dazu ist festzuhalten, dass die Bundesabgabenordnung unter Rückzahlung nur die §§ 239 bis 241 BAO versteht, die auf den gegenständlichen Fall nicht zutreffen. Demzufolge ist dieses Tatbestandsmerkmal des § 126 Abs. 2 WKG nicht gegeben.

Auf Grund dieser Voraussetzungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die ex lege in § 126 Abs. 2 WKG normierte Parteistellung überhaupt gegeben sein kann:

Jedenfalls kann Parteistellung aber nur für ein Kammermitglied in Frage kommen.

Die gerichtliche Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Wien hat aber zweifelsfrei ergeben hat, dass keine Kammermitgliedschaft vorliegt.

Demzufolge kann auch keine Parteistellung vorliegen.

Um dem von der Antragstellerin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung gestellten Antrag auf Akteneinsicht Folge leisten zu können, ist Parteistellung aber zwingend Voraussetzung, da nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der überwiegenden Literaturauffassung ausschließlich Parteien bzw. ihre Vertreter das Recht auf Akteneinsicht haben (siehe Ritz, BAO6, zu § 90 BAO, Rz 1).

Darüberhinaus wird auch angemerkt, dass es in Hinblick auf § 48a BAO und die Wahrung der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht der ***Bf1*** nicht unbedenklich wäre, einem Antragsteller, der im betroffenen Beschwerdeverfahren nicht beteiligt und mit der beschwerdeführenden Partei nicht einmal durch eine Kammermitgliedschaft verbunden war, Zugang zu Daten zu gewähren, die der abgabenrechtlichen Geheimhaltung unterliegen.

Demzufolge kann daher aus den oben genannten Gründen dem Antrag auf Akteneinsicht nicht Folge geleistet werden und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur gegenständlichen Rechtsfrage der Auslegung des § 126 Abs. 2 WKG keine Rechtsprechung in Hinblick auf Parteistellung in einem Verfahren, bei dem keine Mitgliedschaft bei einer Akteneinsicht begehrenden Kammer gibt es keine einschlägige Rechtsprechung, weder des Bundesfinanzgerichtes noch seitens des Verwaltungsgerichtshofes.

Demzufolge ist die Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§§ 239 bis 241 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103023.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
JAAAC-32729