Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.01.2023, RV/7102873/2022

Antraglose Arbeitnehmerveranlagung - Auslegung von Parteienanbringen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Corinna Engenhart in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Einkommensteuer für das Jahr 2016 im Wege der antraglosen Arbeitnehmerveranlagung festgesetzt.

Mit Eingabe vom über Finanz Online machte der Beschwerdeführer zusätzliche Sonderausgaben und Werbungskosten geltend.

Diese Eingabe wurde elektronisch als Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO erfasst und von der belangten Behörde mit Bescheid vom als verspätet zurückgewiesen.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid erhob der Beschwerdeführer am Beschwerde und führte begründend aus, dass er seinen "Antrag für die Arbeitnehmerveranlagung 2016" rechtzeitig innerhalb der ab laufenden fünfjährigen Frist erhoben habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde diese Beschwerde als unbegründet ab und verwies darauf, dass am kein Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung und auch keine Abgabenerklärung, die eine Aufhebung iSd § 41 Abs. 2 lit c EStG auslösen würde, eingebracht worden sei, sondern ein Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO. Eine Aufhebung gemäß § 299 BAO sei nur zulässig, wenn ein entsprechender Antrag vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Bescheides gestellt werde. Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag nach Ablauf dieser Jahresfrist und somit nicht fristgerecht gestellt.

In seinem Vorlageantrag vom führte der Beschwerdeführer begründend aus, dass er bei der Beantragung seiner Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 "so wie immer" in Finanz Online vorgegangen sei und dabei von Seiten des Programms keine Fehlermeldung erfolgt sei. Er habe seinen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung innerhalb der ihm eingeräumten Frist von fünf Jahren gestellt und habe sich in Bezug auf diese Frist auf die von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten Informationen verlassen (unter Hinweis auf "Das Steuerbuch 2022").

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Bescheid vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Einkommensteuer für das Jahr 2016 im Wege der antraglosen Arbeitnehmerveranlagung festgesetzt. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am elektronisch (in die Databox) zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die gegenständliche Eingabe des Beschwerdeführers vom . Da seine Eingabe in Finanz Online elektronisch als "Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO" erfasst wurde, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer in Finanz Online zunächst über die neben dem angefochtenen Bescheid eingeblendete Schaltfläche "Ändern" auf die Übersichtsseite "Auswahl des Antrags auf Bescheidänderung" gelangt ist und bezüglich der "Art des Antrages" die Option "Aufhebung gem. § 299 (1) BAO" (die weiteren aufgelisteten Optionen sind "Beschwerde gem. § 243 BAO", "Änderung gem. § 295a BAO", Zurücknahme der Beschwerde gem. § 256 (1) BAO" sowie "Vorlageantrag gem. § 264 (1) BAO") gewählt hat.

Der (im Feld "Freitext" eingefügte) Wortlaut der Eingabe lautet lediglich: "[Geltendmachung der Sonderausgaben und Werbungkosten]". Es scheinen keine angefügten Beilagen auf.

2. Beweiswürdigung

Der vorliegende Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und ist - abgesehen von der Frage, wie das Anbringendes Beschwerdeführers vom zu qualifizieren ist, - unstrittig.

Die Vorgangsweise der Antragstellung über Finanz Online ergibt sich aus der entsprechenden Erfahrung mit dieser Benutzeroberfläche.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

In gegenständlichen Fall ist strittig, wie das Anbringen des Beschwerdeführers vom zu qualifizieren ist, insbesondere ob es einen Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO oder einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung darstellt.

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare und zu erschließende Ziel des Parteischrittes (vgl. ; sowie vom , Ra 2020/13/0099).

Ebenso wenig wie es auf die Bezeichnung von Schriftsätzen ankommt, kann für die Beurteilung auch nicht (ausschließlich) maßgeblich sein, wie das Anbringen elektronisch von Finanz Online erfasst wird. Denn auch die elektronische Erfassung geht darauf zurück, welche Bezeichnung der Einbringer seinem Anbringen (im gegenständlichen Fall durch das Anklicken einer von mehreren Optionen bei "Art des Antrags") zugewiesen hat.

Erkennbares Ziel des gegenständlichen Anbringens des Beschwerdeführers war es, den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 dahingehend abzuändern, dass weitere geltend gemachte Werbungskosten und Sonderausgaben Berücksichtigung finden würden.

Wird gemäß § 41 Abs. 2 lit. c EStG 1988 nach erfolgter antragsloser Veranlagung innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums eine Abgabenerklärung abgegeben, so hat das Finanzamt darüber zu entscheiden und gleichzeitig den im Zuge der antragslosen Veranlagung ergangenen Bescheid aufzuheben.

Dem Steuerpflichtigem steht daher für die Abänderung von im Zuge der antragslosen Veranlagung ergangenen Bescheiden - neben der Bescheidbeschwerde gemäß § 243 BAO und dem Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO - zusätzlich die Möglichkeit des Antrags auf nochmalige Veranlagung mittels Abgabe einer Abgabenerklärung gemäß § 41 Abs. 2 lit. c EStG 1988 offen.

Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl. unter anderem ). Stehen dem Steuerpflichtigen daher - wie im gegenständlichen Fall - mehrere verfahrensrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung bzw. Abänderung eines Bescheides und zur Durchsetzung seines Rechtsstandpunkts zur Verfügung, ist davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige nicht eine Maßnahme wählt, die infolge Fristversäumnis schon von vornhinein zum Scheitern verurteilt ist, sondern einen Antrag stellen möchte, der einer inhaltlichen Erledigung zugänglich ist (vgl. ).

Im gegenständlichen Fall wurde dem Steuerpflichtigen der gegenständliche Einkommensteuerbescheid am in die Databox zugestellt. Im Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Anbringens () waren somit sowohl die Monatsfrist zur Erhebung einer Beschwerde als auch die Jahresfrist zur Erhebung eines Antrages auf Abänderung des Bescheides gemäß § 299 BAO bereits abgelaufen. Hingegen war die Frist zur Abgabe einer Abgabenerklärung gemäß § 41 Abs. 2 lit. c EStG 1988 noch offen.

Sowohl in seiner Beschwerde vom als auch seinem Vorlageantrag vom betonte der Beschwerdeführer, dass er mit seinem Anbringen vom einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung habe stellen wollen und sich der "Normalsteuerzahler" - entgegen der Ansicht der belangten Behörde- "im Paragraphendschungel" nicht auskenne.

Aufgrund dieses Vorbringens und aus den dargelegten Gründen beurteilt das Bundesfinanzgericht das Anbringen des Beschwerdeführers als Antrag auf neuerliche Veranlagung iSd § 41 Abs. 2 lit. c EStG 1988. Dass § 41 Abs. 2 lit. c EStG 1988 ausdrücklich die Abgabe einer Abgabenerklärung vorsieht und der Beschwerdeführer seinem Anbringen keine entsprechende Erklärung beigelegt hat, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Das Fehlen der Abgabenerklärung stellt jedoch einen Formmangel dar, der einer Verbesserung im Rahmen des Mängelbehebungsverfahren gemäß § 85 Abs. 2 BAO zugänglich ist.

Aus der Beurteilung des gegenständlichen Anbringens als Antrag auf neuerliche Veranlagung iSd § 41 Abs. 2 lit. c EStG 1988 ergibt sich, dass der (antragsgebundene) angefochtene Bescheid, mit dem über eine Abänderung des Einkommensteuerbescheides gemäß § 299 BAO auf Antrag abgesprochen wurde, ohne Erhebung eines entsprechenden Antrags ergangen ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Hingegen ist der Antrag auf neuerliche Veranlagung iSd § 41 Abs. 2 lit. c EStG 1988 noch unerledigt und es ist - nach allfälliger Durchführung eines Mängelbehebungsverfahrens - darüber abzusprechen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Auslegung vom Parteienanbringen ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt (vgl. ). Von dieser Rechtsprechung weicht das vorliegende Erkenntnis nicht ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102873.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at