Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 17.01.2023, RV/7500079/2022

Einstellung aufgrund Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Verwaltungsstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Alexander Maximilian Pflaum, Rechte Bahngasse 10 Tür 19D, 1030 Wien, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 1 und Tarifpost D1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, idF des LGBl. Nr. 57/2019, in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Abgabenstrafen, vom , Zahl ***1*** beschlossen:

I. Gem. § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gem. § 52 Abs. 1 und 8 VwGVG iVm § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die beschwerdeführende Partei keine Kosten des verwaltungsgerichtlichen Strafverfahrens zu tragen.

III. Gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom , Zahl ***1***, wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***Firma1*** mit Sitz in ***Adr1***, von , 11:40 Uhr bis , 23:05 Uhr, vor der Liegenschaft ***Adr2***, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch die Abstellung von Mulden (mit div. Müll gefüllt) im Ausmaß von 8 m² genutzt, wobei er hierfür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe und dadurch die Gebrauchsabgabe für den Monat Juni 2020 bis zum iHv € 96,00 verkürzt und dadurch eine Verwaltungs-übertretung gem. § 1 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 1 und Tarifpost D1 des GAG vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der derzeit geltenden Fassung, in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 des VStG begangen.

Er wurde deswegen gem. § 16 Abs. 1 des GAG vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der derzeit geltenden Fassung, zu einer Geldstrafe von € 50,00, in Nichteinbringungsfall 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde gem. § 64 VStG ein Betrag von € 10,00 bestimmt.

Zudem wurde ausgesprochen, dass gem. § 9 Abs. 7 VStG die ***Firma1*** für die mit diesem Bescheid verhängte Geldstrafe, die Verfahrenskosten sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen zur ungeteilten Hand hafte.

Als Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer trotz Aufforderung den Mieter der gegenständlichen Mulde nicht bekanntgegeben habe und daher seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei, zumal er behauptet habe, der Mieter sei als Bauführer vertragsmäßig für die Einhaltung der behördlichen Vorschriften verantwortlich gewesen und nicht die ***Firma1*** als Vermieter der Mulde.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer frist- und formgerecht Beschwerde und betonte noch einmal, dass die ***Firma1*** weder Bauführer noch Gebraucher iSd § 9a Abs. 1 GAG gewesen sei und deshalb auch nicht nach dem GAG belangt werden könne. Zudem gab der Beschwerdeführer den Bauführer, in dessen Auftrag die Mulde aufgestellt wurde, bekannt und verwies zugleich, dass er dies bereits im Zuge der Aufforderung durch die belangte Behörde gemacht habe, die besagte E-Mail aber wohl untergegangen sei.

Im Parallelverfahren RV/7500080/2022 trat zutage, dass im streitgegenständlichen Zeitraum als verantwortlicher Beauftragter der ***Firma1*** ***Name1*** bestellt war. Gegen diesen wurde wegen derselben Verwaltungsübertretung ein behördliches Strafverfahren eingeleitet, welches mit Erkenntnis des , mit Schuldspruch abgeschlossen wurde. In diesem Verfahren bestätigte sich, dass ***Name1*** als verantwortlicher Beauftragter fungiert habe.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Festgestellter Sachverhalt

Vor der Liegenschaft ***Adr2***, wurde von , 11:40 Uhr bis , 23:05 Uhr, öffentlicher Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch Abstellung einer Mulde im Ausmaß von 8 m² genutzt, wobei hierfür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet wurde.

Die Mulde stand im Eigentum der ***Firma1***, deren handelsrechtliche Geschäftsführer der Beschuldigte und ***Name2*** waren. Als verantwortlicher Beauftragter gem. § 9 Abs. 2 VStG war seit ***Name1*** bestellt. Als Bauführerin fungierte die ***Firma2***, ***Adr3***.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den Parallelverfahren hinsichtlich ***Name1*** (RV/7500312/2022) und ***Name2*** (RV/7500080/2022). Die Bestellung des ***Name1*** zum verantwortlichen Beauftragten ist der Bestellungsurkunde vom zu entnehmen. Demnach erstreckt sich seine Verantwortlichkeit, bis auf wenige hier nicht zutreffenden Ausnahmen, auf die Einhaltung von sämtlichen, mit dem Betrieb zusammenhängenden, gesetzlichen Verwaltungsvorschriften.

Rechtliche Erwägungen

Gem. § 50 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

Gem. § 45 Abs. 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn (…) 2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;(…).

Gem. § 44 Abs. 2 VwGVG entfällt die Verhandlung, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Gem. § 1 Abs. 1 des GAG ist für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist. Dies gilt nicht, soweit es sich um Bundesstraßengrund handelt.

Gem. § 9 Abs. 1a GAG ist derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1) gemäß angeschlossenem Tarif benutzt, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, sowie derjenige, der nach § 5 zur Beseitigung der Einrichtungen verpflichtet ist und diese nicht nachweislich beseitigt, haben - unbeschadet der §§ 6 und 16 - die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten. Die Abgabe ist durch Bescheid festzusetzen. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten sinngemäß. Wird die Gebrauchserlaubnis nachträglich erteilt, so ist die vom Abgabepflichtigen nach diesem Absatz bereits entrichtete Abgabe anzurechnen.

Gem. § 16 Abs. 1 GAG sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 21.000 Euro zu bestrafen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird.

Gem. § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristischePersonen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nichtanderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind,strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Gem. § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit essich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, aufVerlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen alsverantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder fürbestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortungfür die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlichabgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zuverantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Gem. § 9 Abs. 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

Gem. § 9 Abs. 6 VStG bleiben die zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des Abs. 1 sowie Personen im Sinne des Abs. 3 trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten - unbeschadet der Fälle des § 7 - strafrechtlich verantwortlich, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben.

Gem. § 9 Abs. 7 VStG haften juristische Personen und eingetragene Personengesellschaftensowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen für die über die zur Vertretung nach außenBerufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige inGeld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

Da es erwiesen ist, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ***Name1*** als verantwortlicher Beauftragter gem. § 9 Abs. 2 VStG der ***Firma1*** bestellt war, ging die Verantwortung hinsichtlich der Einhaltung der Verwaltungsvorschriften auf diesen über. Das dahingehende Verfahren gegen ihn endete auch mit einer Bestrafung seiner Person. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer dennoch strafrechtlich verantwortlich wäre.

Daher war der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verfahren gem. § 50 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG spruchgemäß einzustellen. Folglich ist auch keine Haftungsinanspruchnahme der ***Firma1*** gegeben.

Gem. § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Kostenentscheidung

Gem. § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Gem. § 52 Abs. 8 VwGVG sind dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

Da der Beschwerde Folge gegeben wurde, waren keine Kosten des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens festzusetzen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor, weil es um Sachverhaltsfragen ging und die Streitpunkte - unter Zugrundlegung der vorhandenen Rechtsprechung - im Wege der freien Beweiswürdigung zu lösen waren.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 9 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 1 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7500079.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at