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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 05.01.2023, RV/7100043/2023

Ein per E-Mail (vermeintlich) gestellter Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist ist unwirksam

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Seywald in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***2***, (Beschwerdeführerin, Bf.), vertreten durch ***1*** LL.M., über die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom (Eingangsdatum ) gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 des Finanzamtes Österreich vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Die Beschwerdeführerin (abgekürzt: Bf.) brachte am ihre Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung) für das Jahr 2021 beim Finanzamt Österreich ein.

Das Finanzamt Österreich erließ an die Bf. den angefochtenen, mit datierten Einkommensteuerbescheid 2021.

***1*** LL.M. (Enkel der Bf.) beantragte für die Bf. per E-Mail vom eine Verlängerung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den am zugestellten Einkommensteuerbescheid 2021 vom bis .

Mit Schreiben vom (Eingangsstempel ) erhob ***1*** LL.M. für die Bf. Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 vom ; als Beilage hierzu wurde eine Vollmacht der Bf. für ***1*** LL.M. vom eingebracht. Die Vollmacht umfasst die Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten vor den zuständigen Behörden und Gerichten inkl. der Einbringung von Rechtsmitteln.

Das Finanzamt Österreich erließ eine mit datierte Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO, mit welcher die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 vom als nicht fristgerecht gemäß § 260 BAO zurückgewiesen wurde.

Dagegen brachte ***1***, LL.M. für die Bf. mit Schreiben vom (Eingangsstempel ) einen Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht (Bundesfinanzgericht) gemäß § 264 BAO) ein.

Das Finanzamt legte die Beschwerde und andere Aktenteile betreffend den Verfahrensablauf am an das Bundesfinanzgericht vor.

Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes (BFG)

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob mit dem Schreiben vom ausdrücklich genug ein Antrag gemäß § 299 BAO zur Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2021 vom gestellt worden ist, denn das BFG darf zum derzeitigen Verfahrensstand nicht über einen derartigen Antrag gemäß § 299 BAO entscheiden. Der derzeitige Verfahrensstand gibt dem BFG nur die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde vom . Über den Vorlageantrag wird nicht gesondert entschieden; vielmehr hat der rechtzeitige Vorlageantrag bewirkt, dass über die Beschwerde vom noch nicht endgültig entschieden ist. Dies wiederum ermöglicht dem BFG die vorliegende Entscheidung über die Beschwerde vom .

Zum derzeitigen Verfahrensstand darf auch das Finanzamt nicht über einen allfälligen Antrag gemäß § 299 BAO entscheiden, denn § 300 Abs. 1 BAO verunmöglicht ab der Vorlage der Beschwerde an das BFG am dem Finanzamt jegliche Änderung am Einkommensteuerbescheid 2021. Erst wenn das BFG über die vorgelegte Beschwerde entschieden haben wird, was mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses erfolgt, kann das Finanzamt wieder etwas am Einkommensteuerbescheid 2021 ändern. Das seitens der Bf. gewünschte zeitliche Vorziehen einer Maßnahme nach § 299 BAO ist also nicht möglich.

§ 85 Abs. 1 BAO bestimmt: "Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben)."

Ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde ist ein Anbringen zur Geltendmachung des Rechtes auf Verlängerung der Beschwerdefrist gemäß § 245 Abs. 3 BAO und muss folglich schriftlich eingebracht werden. Im Abgabenverfahrensrecht bedeutet "schriftlich" in Verfahren hinsichtlich der Bundesfinanzverwaltung: Auf Papier geschrieben bzw. gedruckt und körperliche Einbringung des Schriftstückes bei der (Bundes)Abgabenbehörde oder beim BFG. Die in § 86a BAO noch vorgesehenen Einbringungsmethoden per Fernschreiben bzw. Telegramm sind obsolet, weil in Österreich der Fernschreibdienst und Telegramme abgeschafft worden sind. Der Bundesminister für Finanzen hat auf der Grundlage von § 86a BAO mit Verordnungen bestimmt, dass schriftliche Eingaben an Finanzämter und das BFG per Telekopierer (traditionelles Telefax, sogenanntes "E-Fax" eher nicht) möglich sind, und dass schriftliche Eingaben an Finanzämter per FinanzOnline erfolgen können. Es gibt jedoch keine Verordnung, die E-Mails zulässt. § 86b BAO lässt zwar unter Umständen E-Mails zu, betrifft jedoch nur die Erhebung von Landes- und Gemeindeabgaben. Die weitergehende Zulässigkeit von E-Mails in Verfahrens nach AVG etc. ist hier auch nicht anwendbar.
Also kann dem Vorbringen seitens der Bf., dass § 86a BAO die Einbringung per E-Mail zuließe, nicht gefolgt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine E-Mail (in den von der Bundesfinanzverwaltung geführten Abgabenverfahren und auch im daran anschließenden Rechtsmittelverfahren) derart nichtig, dass hinsichtlich ihr nicht einmal ein Mängelbehebungsverfahren (Verbesserungsverfahren) durchgeführt werden darf. (Vgl. Ellinger et al., § 86a BAO
E 9: "Da § 85 und § 86a und die aufgrund § 86a ergangenen Verordnungen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vorsehen, kommt einer E-Mail die Eigenschaft einer Eingabe auch dann nicht zu, wenn das Finanzamt ein derartiges Anbringen (zunächst) in Bearbeitung nimmt (vgl ). ; -83 und 2019/15/85, Ra 2019/15/0087, Ra 2019/15/0089 und die Beschlüsse jeweils und Ra 2019/15/0109."
aaO E 10: "Wie der VwGH im Erkenntnis vom , 2012/16/0082, näher ausgeführt hat, kommt einer E-Mail im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung gemäß § 85 zugängliche Eingabe handelt. Ein mit E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen abhängig ist, etwa eine Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu fällen, die von einem Rechtsmittel abhängig ist. Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt (vgl auch , und ). ; -83 und 2019/15/85, Ra 2019/15/0087, Ra 2019/15/0089 und die Beschlüsse jeweils und Ra 2019/15/0109."

Dem Vorbringen seitens der Bf., dass an das Finanzamt eine E-Mail zur Beantwortung des Ergänzungsersuchens geschickt worden sei und der E-Mail-Verkehr mit dem Finanzamt ersichtlich funktioniere, ist zu entgegnen: Der Inhalt einer E-Mail und seiner Anhänge kann von dem Finanzamt bzw. dem BFG in seiner Entscheidung von Amts wegen berücksichtigt werden, denn die Beweismittel sind an sich unbeschränkt. (Vgl. auch Ellinger et al., Anm. 10 zu § 86a BAO) Die Zuleitung von Beweismitteln an das Finanzamt oder das BFG per E-Mail ist eben keine sogenannte "Prozesserklärung", wie sie ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist darstellt.

Der hier gegenständliche, per E-Mail (vermeintlich) gestellte Fristverlängerungsantrag vom ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht wirksam gestellt.

Die gemäß § 245 Abs. 1 BAO einmonatige Beschwerdefrist gegen den am zugestellten Einkommensteuerbescheid 2021 endete am Mittwoch, um 24:00 Uhr. Die dagegen eingebrachte, gegenständliche Beschwerde vom erweist sich somit als nicht fristgericht eingebracht.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine (Bescheid)beschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde. Es ist nicht möglich, mittels eines solchen Beschlusses am Einkommensteuerbescheid 2021 etwas zu ändern.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung basiert auf der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu E-Mails. Eine (ordentliche) Revision ist somit nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 86a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100043.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at