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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.01.2023, RV/7105617/2018

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Andrea Pamperl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf (nunmehr Finanzamt Österreich) jeweils vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 und 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In seinen Arbeitnehmerveranlagungen 2014 und 2015, jeweils vom beantragte der Beschwerdeführer Kosten für Familienheimfahrten für 2014 in Höhe von 2.450 Euro und für 2015 in Höhe von 2.100 Euro sowie Kosten für doppelte Haushaltsführung für 2014 und für 2015 in Höhe von jeweils 2.500 Euro. Mit Einkommensteuerbescheid 2014 und 2015, jeweils vom wird jeweils der Pauschbetrag für Werbungskosten in Höhe von 132 Euro berücksichtigt. Begründend wird jeweils ausgeführt, dass Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers von der Wohnung am Arbeitsort zum Familienwohnsitz nur dann Werbungskosten seien, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorlägen. Dies sei dann der Fall, wenn dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, so würden Kosten für Familienheimfahrten nur vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden können. Als vorübergehend würde bei einem verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Steuerpflichtigen ein Zeitraum von zwei Jahren angesehen. Da im vorliegenden Fall die Voraussetzungen nicht zutreffen würden, könnten die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.

In seiner Beschwerde vom gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 führt der Beschwerdeführer aus, die beantragten Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung seien nicht berücksichtigt worden. Er überlege die Möglichkeit schon im Herbst 2017 in Pension zu gehen zu nutzen. Beigelegt wird eine Bestätigung der Pensionsversicherungsanstalt vom , wonach bis zum April 2017 insgesamt 476 Versicherungsmonate, davon 473 Beitragsmonate der Pflichtversicherung festgestellt würden. Das Anfallsalter sei das vollendete 65. Lebensjahr, die Anspruchsvoraussetzungen für die Alterspension seien zum Stichtag erfüllt. Nach den Übergangsbestimmungen zum ASVG (Hacklerregelung) habe der Beschwerdeführer das Anfallsalter mit Vollendung des 744. Lebensmonats (62 Jahre) erreicht. Nach diesen Bestimmungen könne jedoch kein weiterer möglicher Pensionssichtag festgestellt werden, weil die erforderlichen Voraussetzungen bis zum gewünschten Stichtag bzw. bis zum Anfallsalter für die Alterspension nicht erfüllt werden könnten. Die Korridorpension könne frühestens nach Vollendung des 62. Lebensjahres beansprucht werden. Die Voraussetzungen für diese Leistung würden im Fall des Beschwerdeführers zum Stichtag erfüllt, wenn er ab Mai 2017 noch 4 Versicherungsmonate erwerbe.

Mit Beschwerdevorentscheidung 2014 und 2015, jeweils vom , werden die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 als unbegründet abgewiesen. Begründend wird jeweils ausgeführt:

"Gemäß § 16 Abs. 1 EStG sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Betrage nicht abgezogen werden.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG dürfen bei den einzelnen Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeitsort und Familienwohnsitz nicht abgezogen werden, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen.

Aufwendungen für Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz sind im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG gesetzten Grenzen Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen.

Unter ,doppelter Haushaltsführung' sind folglich jene Aufwendungen zu verstehen, die dem Steuerpflichtigen durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushaltes an einem außerhalb des Familienwohnsitzes gelegenen Beschäftigungsortes erwachsen. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen

•von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder

•die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsort nicht privat veranlasst ist oder

•die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden kann.

Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 Kilometer entfernt ist. Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ist zB unzumutbar:

•Wenn der Ehegatte (im Falle der eheähnlichen Gemeinschaft der Partner) des Steuerpflichtigen am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Flohe von mehr als 6000 € jährlich erzielt. Bei Einkünften unter 6000 € liegt dennoch Unzumutbarkeit der Verlegung vor, wenn diese Einkünfte mehr als ein Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen ausmachen.

Auf Grund der vorliegenden und beigebrachten Unterlagen wurde festgestellt, dass die Gattin keiner aktiven Erwerbstätigkeit mehr nach geht.

Die beantragten Aufwendungen waren daher nicht als erhöhte Werbungskosten gem. § 16 EStG 1988 anzuerkennen, sondern gem § 20 EStG 1988 den nichtabzugsfähigen Ausgaben zuzuordnen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen."

Mit Vorlageantrag vom beantragt der Beschwerdeführer die Entscheidung betreffend die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 durch das Bundesfinanzgericht.

Im Vorlagebericht vom führt das Finanzamt aus, dass aus Sicht der Finanzbehörde keine Gründe für eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort vorliegen würden (Gattin übe keine Erwerbstätigkeit am Familienwohnsitz aus, volljährige Tochter, der Beschwerdeführer sei aktiver Arbeitnehmer in Österreich). Deshalb seien die Aufwendungen im Zusammenhang mit doppelter Haushaltsführung und Familienheimfahrten für die Jahre 2014 und 2015 nicht zu berücksichtigen.

Mit Beschluss vom des Bundesfinanzgerichts wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, geeignete Unterlagen vorzulegen, aus denen die Manifestation der Überlegung, bereits im Herbst 2017 in Pension zu gehen deutlich wird, insbesondere die Bekanntgabe über den Pensionsantritt beim Arbeitgeber sowie den Antrag bei der zuständigen Pensionsstelle. Diesen Beschluss beantwortet der Beschwerdeführer folgendermaßen: "In Beantwortung Ihres Schreibens möchte ich mitteilen dass ich am in Pension gegangen bin." Beigefügt wurde eine entsprechende Bestätigung. Mit Beschluss vom wurde der Beschwerdeführer vom Bundesfinanzgericht aufgefordert, Belege und Unterlagen betreffend der geltend gemachten Werbungskosten vorzulegen. Mit Schreiben vom führt der Beschwerdeführer aus, dass es sich bei den deklarierten Werbungskosten um jene für die Führung zweier Haushalte (in Wien und in Polen) und Fahrtkosten von der Arbeitsstätte Wien nach Polen handeln würde. Es seien 7-8 Jahre vergangen und nicht alle Unterlagen hätten erhoben werden können, z.B. Ausgaben für den Unterhalt eines Einfamilienhauses, also Zahlungen für Strom, Gas und notwendige Lebensmittel. Vorgelegt wurden Erlagscheine für die Mietwohnung in Wien, handschriftliche Aufstellungen des Beschwerdeführers über die Fahrten von Wien nach Polen und ein nicht übersetztes Schriftstück in polnischer Sprache, wobei es sich nach Angaben des Beschwerdeführers um die Grundsteuer in Polen handeln würde. Zudem wurden zwei Schreiben der Firma ***1*** vorgelegt, wonach die Fahrtkosten je Fahrt für die Strecke Krakau-Wien-Wien-Krakau im Jahr 2014 70 Euro gekostet hätte und im Jahr 2015 60 Euro.

Mit Beschluss vom des Bundesfinanzgerichts wurde der belangten Behörde die Möglichkeit, Stellung zu den Unterlagen und den Vorbringen des Beschwerdeführers zu nehmen. Diese teilt mit Schreiben vom mit, dass keine Stellungnahme erfolgen wird.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist in den Streitjahren in Österreich als Schweißer beschäftigt. Er ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Der Familienwohnsitz befindet sich in Krakau. Die Ehegattin des Beschwerdeführers war im Streitzeitraum nicht arbeitstätig.

Die Kosten für die Mietwohnung in Wien betrugen im Jahr 2015 162,79 Euro monatlich.

Die Fahrtkosten des verwendeten Verkehrsmittels betrug je Hin- und Rückfahrt von der Arbeitsstätte zum Wohnort in Polen und zurück im Jahr 2015 insgesamt 60 Euro.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Steuerakt und den vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers. Sie sind zwischen den Parteien unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Demgegenüber dürfen bei den einzelnen Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung nicht abgezogen werden:

1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.

2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

[…]

e) Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen.

Als Arbeits(Tätigkeits-)Ort ist jener Ort zu verstehen, der eine persönliche Anwesenheit zur Arbeitsleistung erfordert, sodass der Steuerpflichtige an diesem Ort wohnen muss (). Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet. Ab dem Veranlagungsjahr 2014 definiert § 4 PendlerVO (BGBl II 276/2013) den Begriff des Familienwohnsitzes. Demnach liegt ein Familienwohnsitz dort, wo ein Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen und einen eigenen Hausstand hat.

Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann. Jedenfalls unzumutbar beurteilte der VwGH eine Strecke von 130 km (). Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass sich der Familienwohnsitz des Bf. in Krakau befindet und daher eine tägliche Heimfahrt aufgrund der Entfernung des Beschäftigungsortes vom Familienwohnsitz unzumutbar ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) ist die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. etwa ; , 2010/15/0124; vgl auch Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG: Kommentar, § 16, 21. Lfg, Jänner 2020, Rz 202). Unterhält ein Steuerpflichtiger einen vom Beschäftigungsort entfernten Familienwohnsitz, und ist in einem Streitjahr die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes unzumutbar, sind die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung der Aufwendungen für Familienheimfahrten gegeben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob in einem früheren Zeitraum, insbesondere bei Eingehen der Beschäftigung (am neuen Beschäftigungsort), die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung gegeben war. Die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in einem Streitjahr hängt nämlich nicht davon ab, ob in einem Vorjahr die Verlegung des Wohnsitzes zumutbar gewesen ist. Wenn dem Abgabepflichtigen im Streitjahr die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes nicht zumutbar ist, macht es keinen Unterschied, ob die Unzumutbarkeit bereits früher vorlag oder nicht ().

Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines (Ehe)Partners haben (vgl. z.B. ; , 2000/13/0083). Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektivem Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. ).

Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass nach einer gewissen Zeit, die nicht schematisch, sondern stets im Einzelfall zu beurteilen ist, es dem Steuerpflichtigen in aller Regel zumutbar ist, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab. Spätestens nach einem Zeitraum von zwei Jahren hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchen Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird (vgl. Ebner in Jakom, EStG, 2022, § 16, Rz 56 "Doppelte Haushaltsführung" mit Verweis auf die LStR und Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG: Kommentar, § 16, 21. Lfg. Jänner 2020, Rz 202/14).

Unzumutbarkeit wurde etwa dann angenommen, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit bis zu vier bis fünf Jahren befristet ist (vgl. und , 2008/15/0296). Unzumutbar wurde die Verlegung des Familienwohnsitzes bei einem 60-jährigen Arbeitnehmer, der seine Tätigkeit aufgrund von halbjährlich befristeten Dienstverträgen bis zu seinem 65. Lebensjahr fortsetzte, angesehen, wenn von vornherein feststeht, dass er die Berufstätigkeit spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellt (vgl. die oben zitierte E des ).

Wenn bei bevorstehenden Pensionierungen davon auszugehen ist, dass der Steuerpflichtige noch höchstens fünf Jahre berufstätig sein wird und dann an den Familienwohnsitz zurückkehren wird, kann eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes vorliegen (; , 2008/15/0296, vgl auch Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer: Kommentar, § 16 Abs 1 Z 9, 65. Lfg, Dez. 2017, Rz 79). In seinem Erkenntnis vom (siehe oben) führt der VwGH aus, dass es nicht darauf ankommt, ob die kurzfristige Beendigung des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers wahrscheinlich war, denn der VwGH hat bereits bei einem Fall eines (unverheirateten) Steuerpflichtigen, der für die Dauer von fünf Jahren zu Ausbildungszwecken an einem Ort, von dem aus die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zugemutet werden konnte, nichtselbständig tätig gewesen ist, ausgesprochen, dass bei einer nur vorübergehenden, im Zusammenhang mit einem Berufsabschluss stehenden Tätigkeit, anders als bei einer auf unbestimmte Dauer erfolgten Versetzung, die Beibehaltung des Familienwohnsitzes dann auch in einer Dauer von vier Jahren vertretbar erscheint, wenn der Beschwerdeführer beabsichtigt, den Beruf anschließend am Familienwohnsitz auszuüben und entsprechende Vorbereitungen für die Zeit nach dem Berufsabschluss bereits getroffen werden. Diesem höchstgerichtlichen Erkenntnis vom , 88/14/0081, liegt der Gedanke zugrunde, dass die Verlegung des Wohnsitzes dann nicht zumutbar ist, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit auf vier bis fünf Jahre befristet ist. Es war in diesem Fall daher davon auszugehen, dass einem Arbeitnehmer nach Erreichen des 60. Lebensjahres die Verlegung des Wohnsitzes an den Tätigkeitsort nicht zumutbar ist, wenn von vornherein feststeht, dass er die Berufstätigkeit - wie dies der allgemeinen Übung entspricht - spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellen wird.

Es ist Sache des Steuerpflichtigen der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist ein einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegeben Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen ( mwN; , 2000/13/0083).

Einkommensteuer 2015:

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer am das 60. Lebensjahr erreicht. Nach der Rechtsprechung des VwGH, ist die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungs-/Tätigkeitsort bei einem Arbeitnehmer nach Erreichen des 60. Lebensjahres gegeben, wenn von vornherein feststeht, dass er die Berufstätigkeit spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellen wird. Da die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen ist (vgl. bereits oben), kommt es nicht darauf an, ob die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes in früheren Zeiträumen gegeben war oder nicht. Im vorliegenden Fall war davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer spätestens mit Erreichung des 65. Lebensjahres in Pension gehen wird. Die Kosten und Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten stehen im Kalenderjahr 2015 daher dem Grunde nach zu.

Der Beschwerdeführer beantragt im Kalenderjahr 2015 Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 2.100 Euro und Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.500 Euro. Als Nachweis legt er Zahlungsbelege für Miete in Wien in Höhe von 162,79 Euro monatlich vor. Zudem ein Schriftstück vom der Firma ***1***, wonach für eine Fahrt Polen-Österreich-Polen-Österreich 60 Euro im Jahr 2015 zu bezahlen waren. In einer Aufstellung des Beschwerdeführers führt er handschriftlich an, an welchen Tagen die Fahrten nach/von Polen und Wien stattgefunden hätten, ohne dies jedoch belegmäßig nachzuweisen. Demnach hätten 35 Fahrten im Jahr 2015 stattgefunden (außerhalb der Urlaubszeiten etwa 3x monatlich). Weiters wird ein nicht übersetztes Schriftstück aus dem Jahr 2022 in polnischer Sprache vorgelegt, das sich nach Angaben des Beschwerdeführers auf die Grundsteuer in Polen beziehen würde.

Als Werbungskosten aus einer doppelten Haushaltsführung kommen nur die unvermeidbaren Mehraufwendungen in Betracht, die dem Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss (vgl. ). Daher können Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen an seinem Familienwohnort entstehen, nicht als Kosten der doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden. Die Kosten für die Miete der Wohnung in Wien in Höhe von 1.953,48 Euro (162,79 Euro monatlich) können als Werbungskosten abgezogen werden.

Abzugsfähige Kosten für Familienheimfahrten sind jene Fahrtkosten, die durch das tatsächlich benutzte Verkehrsmittel anfallen. Nach Ebner (Ebner in Jakom, EStG, 2022, § 16, Rz 56 unter "Doppelte Haushaltsführung" mit Verweis auf ) besteht über die anzuerkennende Häufigkeit der Familienheimfahrten keine gesetzliche Regelung, weshalb sie im Einzelfall zu prüfen sei. Dabei seien insbesondere die Distanz zwischen den beiden Wohnsitzen und die familiären Verhältnisse zu berücksichtigen (mit Verweis auf ). Nach Ansicht des VwGH sind wöchentliche Familienheimfahrten eines Dienstnehmers zwischen Arbeitsort und Wohnsitz dann nicht anzunehmen, wenn die Anzahl der Familienheimfahrten mit Rücksicht auf die Entfernung bzw. die dadurch erwachsenen Kosten als völlig unüblich zu bezeichnen wäre (). Die Entfernung zwischen der Arbeitsstätte des Beschwerdeführers und seinem Familienwohnsitz betragen etwa 600 km. Nach Ansicht des VwGH besteht keine Lebenserfahrung, dass eine Entfernung von 600 km Personen vom Aufsuchen ihres Familienwohnsitzes für ein arbeitsfreies Wochenende abhält (). Die Kosten für 35 Familienheimfahrten im Jahr 2015 in Höhe von 2.100 Euro (35 Fahrten zu je 60 Euro) können daher berücksichtigt werden.

Einkommensteuer 2014:

Im Veranlagungsjahr 2014 war der Beschwerdeführer 59 Jahre alt. In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, dass er bereits im Jahr 2017 überlegt hätte, im Herbst 2017 in Pension zu gehen. Das Bundesfinanzgericht hat den Beschwerdeführer aufgefordert, geeignete Unterlagen vorzulegen, aus denen die Manifestation dieser Überlegung deutlich wird. Dazu wurde vom Beschwerdeführer allerdings nichts vorgebracht. Einzig ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt aus dem Jahr 2017 wurde im Zuge der Beschwerde vorgelegt. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass derartige Überlegungen bereits im Jahr 2014 existiert hätten. Weitere Nachweise wurden nicht vorgelegt. Die diesbezügliche Beschwerde war aus diesem Grund abzuweisen.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung folgt der einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl die im Entscheidungstext angeführten Erkenntnisse). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7105617.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at