Aussetzung der Einhebung im Zusammenhang mit Wiederaufnahmeanträgen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über
1. Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO,
2. Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO,
jeweils zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am brachte die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf. genannt) folgende Anträge auf Aussetzung der Einhebung ein:
1. Schriftsatz vom betreffend Umsatzsteuer 01/2019
2. Schriftsatz vom betreffend Umsatzsteuer 2/2019
3. Schriftsatz vom betreffend Lohnabgaben 2013 und 2014
4. Schriftsatz vom betreffend Umsatzsteuer 2016
5. Schriftsatz vom betreffend Feststellung von Einkünften 2016
Die gleichlautende Begründung lautet:
"Aufgrund des Antrags auf Wiederaufnahme zu obiger Steuernummer wird um Aussetzung der Einhebung im gegenständlichen Verfahren gemäß § 212a BAO bis zu endgültigen Entscheidung ersucht."
Am brachte die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf. genannt) folgende weitere Anträge auf Aussetzung der Einhebung ein:
1. Schriftsatz vom betreffend Umsatzsteuer 05/2018
2. Schriftsatz vom betreffend Umsatzsteuer 2017
Die Begründung lautet wieder:
"Aufgrund des Antrags auf Wiederaufnahme zu obiger Steuernummer wird um Aussetzung der Einhebung im gegenständlichen Verfahren gemäß § 212a BAO bis zu endgültigen Entscheidung ersucht."
Mit Bescheiden vom und wies das Finanzamt die Aussetzungsanträge mit der Begründung zurück, dass gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung nur in Verbindung mit einer Bescheidbeschwerde zulässig sei. Da in den Anträgen darauf hingewiesen werde, dass Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens eingebracht worden seien, lägen die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Einhebung nicht vor.
Mit Schriftsätzen vom und brachte die Bf. gegen die genannten Bescheide Beschwerden ein.
Die Begründung zur Beschwerde vom gegen den Bescheid vom lautet:
"Das Ansuchen war durchaus berechtigt, besonders im Hinblick auf die Vorgeschichte, die detailliert erläutert wurde. Insbesondere im Zusammenhang mit dem zwischenzeitig eingebrachten Ansuchen um Wiederaufnahme der Verfahren war unser Ansuchen gerechtfertigt. Gleichzeitig ersuchen wir nochmals um Aussetzung der Einhebung bis zur endgültigen Entscheidung gemäß § 212a BAO."
Die Begründung zur Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom lautet:
"Wir verweisen auf unser ursprünglich eingereichtes Ansuchen und die beantragte Wiederaufnahme der Verfahren, welche mittlerweile mehrfach gestellt wurden. Unser Ansuchen halten wir natürlich aufrecht und ersuchen gleichzeitig um Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO bis zur endgültigen Entscheidung in dieser Angelegenheit."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab und führte aus:
"§ 212a (1) BAO lautet:
Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.
Derzeit sind keine Bescheidbeschwerden zu den zur Aussetzung beantragten Abgaben anhängig. Ein Ersuchen um Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO ist keine Bescheidbeschwerde. Der Wiederaufnahmeantrag wurde zudem mit Bescheid vom abgewiesen.
Da die Voraussetzung für die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung somit nicht gegeben ist, erfolgte die Zurückweisung der Anträge zu Recht."
Dagegen wurde mit Eingabe vom ein Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden in einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Als Begründung werde darauf verwiesen, dass sehr wohl ein Bescheid beeinsprucht worden sei und dadurch die Zulässigkeit der Aussetzung gegeben sei. Deshalb werde der Aussetzungsantrag auch aufrecht erhalten.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Rechtslage:
Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.
Gemäß § 212a Abs. 3 BAO können Anträge auf Aussetzung der Einhebung bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (Abs. 1) gestellt werden. Sie haben die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages zu enthalten.
Weicht der vom Abgabepflichtigen ermittelte Abgabenbetrag von dem sich aus Abs. 1 ergebenden nicht wesentlich ab, so steht dies der Bewilligung der Aussetzung im beantragten Ausmaß nicht entgegen.
§ 212a Abs. 9 BAO: Für Abgabenschuldigkeiten sind
a) solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6) oder
b) soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt, Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen. Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5 oder 5a) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.
Die Einhebung einer Abgabe ist aussetzbar, wenn ihre Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt. Dies gilt nur insoweit, als mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Beschwerdepunkten angefochten wird, in denen er von einem Anbringen abweicht (bzw wenn der Bescheid amtswegig ergangen ist). Vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 212a, II. Voraussetzungen [Rz 6].
Eine Aussetzung der Einhebung setzt ua voraus, dass die Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid zurückzuführen ist, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt. Vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 212a, II. Voraussetzungen [Rz 15].
Zu den Zurückweisungen der Aussetzungsanträge:
Wesentliche Voraussetzung für die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO ist eine noch unerledigte Beschwerde gegen einen Abgabenbescheid, der von einem Anbringen abweicht oder dem kein Anbringen zugrunde liegt, das zu einer Nachforderung geführt hat.
Wie die belangte Behörde bereits zu Recht ausgeführt hat, kann die Einhebung aushaftender Abgabenschulden gemäß § 212a Abs 1 BAO nur insoweit ausgesetzt werden, als hinsichtlich der nachgeforderten Höhe dieser Abgaben eine Beschwerde anhängig ist. Ein Antrag auf Wiederaufnahme eines Verfahrens kann eine Bescheidbeschwerde als Voraussetzung für die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung nicht ersetzen. Die beantragte Wiederaufnahme eines Verfahrens stellt somit keine taugliche Grundlage dar, die Einhebung aushaftender Abgabenschulden auszusetzen.
Die Zurückweisung der Anträge erfolgte daher zu Recht.
Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung
Abschließend darf zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung festgehalten werden, dass das Unterbleiben einer (gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 BAO beantragten) mündlichen Verhandlung zwar eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstellen mag, dieser Verfahrensfehler ist jedoch - außerhalb des von Art. 51 GRC erfassten Bereichs des Unionrechts - kein absoluter (; ).
Art. 6 Abs. 1 EMRK garantiert das Recht auf ein faires Verfahren als Grundrecht. Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. die Entscheidung vom , Fall SPEIL v. Austria, Appl. 42057/98) kann das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zwar dann ausnahmsweise als mit der EMRK vereinbar angesehen werden, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen (vgl. hiezu etwa ). Solche besonderen Umstände nimmt der EGMR an, wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machen könnte (vgl. ). Es ist vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich, welcher Natur die Fragen sind, die für die Beurteilung der gegen den angefochtenen Bescheid relevierten Bedenken zu beantworten sind. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK kann dabei im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren regelmäßig unterbleiben, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt (vgl. ua). Nach der Rechtsprechung des EGMR und - ihm folgend - des VfGH kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg 18.994/2010, VfSlg 19.632/2012, ). Das Gericht kann unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR , Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z37 ff.; EGMR , Fall Miller, Appl. 55.853/00, Z29; ).
Da es im gegenständlichen Fall ausschließlich um die Frage ging, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung vorliegen, konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da kein ergänzendes Vorbringen vorstellbar ist, das zu einem anderen Ergebnis in der Sache geführt hätte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Da die an ***1*** erteilte Vollmacht keine Zustellvollmacht beinhaltet, war an den Genannten nicht zuzustellen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die eindeutige Rechtslage und höchstgerichtliche Judikatur wird verwiesen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100329.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at