Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.01.2023, RV/2100615/2022

Vorsteuerabzug aus Diäten bei ausländischen Unternehmern

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100615/2022-RS1
Der Begriff „Einkommensbesteuerung“ in § 13 Abs 3 UStG 1994 ist als die tatsächliche Besteuerung des Einkommens einer natürlichen Person (mit Einkommensteuer) oder einer juristischen Person (mit Körperschaftsteuer) zu verstehen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Burtscher Wachter Wirtschaftstreuhand und Steuerberatungs- GmbH, Untere Bahnhofstraße 2, 6830 Rankweil,

über die Beschwerde vom 21. Februar 2022 gegen die Bescheide des ***FA*** vom 5. November 2021, betreffend Umsatzsteuer 2018 - 2020 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Bisheriger Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, die ***Bf1*** (im Folgenden: Bf) ist ein ausländisches Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. Die Bf. erbringt Personalgestellungsleistungen an österreichische Unternehmen.

Im Zuge der Außenprüfung für den Zeitraum 2018-2020 wurde unter Anderem festgestellt, dass die Bf. den Vorsteuerabzug für pauschale Tages- und Nächtigungsgelder, die sie ihren Dienstnehmern ausbezahlt hat iSd § 13 Abs 1 UStG 1994 geltend gemacht hat.

Da die Bf. als ausländisches Unternehmen nicht der inländischen Einkommensteuer unterliege, versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug in den angefochtenen Bescheiden mit Hinweis auf § 13 Abs. 3 UStG 1994, da keine Belege über Restaurantrechnungen oder Nächtigungen vorgelegt werden konnten.

Mit der dagegen gerichteten Beschwerde vom 21. Februar 2022 brachte die Bf. vor, dass die Vorsteuern aus pauschalen Tag- und Nächtigungsgeldern zustünden, da sie gemäß § 98 Abs 1 Z 3 5. Teilstrich EStG 1988 der österreichischen Einkommensbesteuerung unterliege und gem. § 99 Abs 1 Z 5 EStG ein Steuerabzug in besonderen Fällen durchzuführen sei.

Dass sich diese grundsätzliche Einkommensteuerpflicht aufgrund der Schrankenwirkung des anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens und des damit verbundenen Befreiungsbescheides nicht auswirke, ändere nichts an der grundsätzlichen Einkommensteuerpflicht der Bf. in Österreich.

Auch die Bezüge der Arbeitnehmer der Bf., die bei den Kunden in Österreich zum Einsatz kommen, unterliege dem Steuerabzug vom Arbeitslohn.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom 1. Juni 2022 führte das Finanzamt begründend aus:

"Dementsprechend können lediglich ausländische Unternehmer, die in Österreich der beschränkten Steuerpflicht iSd § 1 Abs. 3 EStG iVm § 98 EStG bzw. der beschränkten Steuerpflicht der ersten Art gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 iVm § 21 Abs. 1 KStG unterliegen, d.h. aufgrund einer inländischen Betriebsstätte iSd § 29 BAO, inländischer Kapitalerträge oder aufgrund von inländischem Immobilienvermögen, für Dienstreisen ihrer Arbeitnehmer in Österreich pauschale Vorsteuern aus Reisekosten geltend machen, sofern diese in Österreich der Lohnsteuerpflicht unterliegen.

Hingegen ist § 13 Abs. 3 UStG in jenen Fällen zu beachten, in denen ein ausländischer Unternehmer Dienstnehmer nach Österreich entsendet oder in Österreich beschäftigt, die unter Beachtung der entsprechenden DBA im Inland einkommensteuerpflichtig sind (zB aufgrund einer Anwesenheitszeit von über 183 Tagen im Inland oder eines Wechsels des wirtschaftlichen Arbeitgebers iRe Arbeitskräfteüberlassung) (vgl BFG 28.4.2017, RV/2100483/2015 sowie schon UFS 12.1.2012, RV/0097-G/10). Dies trifft im gegenständlichen Fall auf die Bf. zu.

Ergänzend hierzu wird auf das Erkenntnis des VwGH vom 26.2.2015, ZI. 2012/15/0067, verwiesen, worin der VwGH bei vergleichbarem Sachverhalt ausgesprochen hat, dass Vorsteuern aus pauschalen Reisekosten, die ein ausländischer Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern im Inland ausbezahlt, nicht zustehen."

Im Vorlageantrag wiederholte die Bf. ihr Vorbringen und fügte ergänzend hinzu, dass der Sachverhalt des zitierten VwGH-Erkenntnisses 2012/15/0067 nicht vergleichbar sei.

Vorgelegt wurden vom Finanzamt zwei Bescheide vom 26.1.2017 in denen auf Grund des § 5 Abs. 3 der Doppelbesteuerungsabkommen-Entlastungs-Verordnung, BGBl. Ill Nr. 92/2005 idF. BGBl. III Nr. 44/2006 festgestellt wird, "dass für Arbeitsgestellungsvergütungen, die in der Zeit vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 bezogen werden, die verordnungsgemäßen Voraussetzungen für eine abkommenskonforme Steuerentlastung an der Quelle vorliegen.

Es wird damit die Auflage verbunden, für die überlassenen Arbeitskräfte die lohnsteuerlichen Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Finanzamt wahrzunehmen.

Beschäftige, denen eine Kopie dieses Bescheides vorliegt, sind nach Maßgabe dieses Bescheides und der anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen von der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr der Abzugssteuer nach § 99 Abs. 1 Z. 5 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) befreit."

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin mit Sitz in der Schweiz erbringt Personalgestellungsleistungen an österreichische Unternehmen. Die Bf. verfügt in Österreich über keine Betriebsstätte und wird in Österreich nicht zur Körperschafsteuer veranlagt.

In den Streitjahren hat die Bf. ihren Arbeitnehmern laut aktenkundiger Lohnkonten bzw. Exel-Aufstellungen Tagesgelder iHv 26,40 und Nächtigungsgelder iHv 15 Euro ausbezahlt. Rechnungen über Speisen und Getränke bzw. Nächtigungen wurden trotz Aufforderung durch die Außenprüfung nicht vorgelegt.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und wurde von der Bf. auch nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtslage

§ 13 UStG 1994:
(1) Für eine im Inland ausschließlich durch den Betrieb veranlaßte Reise kann der Unternehmer - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 12 die auf die Mehraufwendungen für Verpflegung entfallende abziehbare Vorsteuer nur aus den nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften für die Gewinnermittlung festgesetzten Pauschbeträgen errechnen. Bei Aufwendungen für Nächtigung (einschließlich Frühstück) kann die abziehbare Vorsteuer entweder aus den für die Gewinnermittlung festgesetzten Pauschbeträgen errechnet oder in tatsächlicher Höhe durch eine Rechnung nachgewiesen werden. Aus den Pauschbeträgen ist die abziehbare Vorsteuer unter Anwendung des Steuersatzes nach § 10 Abs. 2 herauszurechnen.

(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 gelten sinngemäß, soweit ein Unternehmer einem Arbeitnehmer, dessen Einkünfte dem Steuerabzug vom Arbeitslohn im Inland unterliegen, aus Anlass einer Dienstreise im Inland oder einer Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 16b des Einkommensteuergesetzes 1988 im Inland die Mehraufwendungen für Verpflegung sowie die Aufwendungen für Nächtigung (einschließlich Frühstück) erstattet oder soweit der Unternehmer diese Aufwendungen unmittelbar selbst trägt. Sowohl im Falle der Erstattung der Mehraufwendungen für Verpflegung an den Arbeitnehmer als auch im Falle der unmittelbaren Verrechnung der Aufwendungen für die Verpflegung an den Unternehmer kann die abziehbare Vorsteuer nur aus den Tagesgeldern, die nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören oder gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b des Einkommensteuergesetzes 1988 steuerfrei sind, ermittelt werden. Bei den Aufwendungen für Nächtigung (einschließlich Frühstück) kann die abziehbare Vorsteuer entweder aus den Nächtigungsgeldern, die nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören, errechnet oder in tatsächlicher Höhe durch eine Rechnung nachgewiesen werden. Werden für Nächtigung (einschließlich Frühstück) die tatsächlichen Aufwendungen nachgewiesen, so können die Rechnungen auch auf den Namen der Person lauten, von der die Reise ausgeführt worden ist.

(3) Unternehmer, die nicht der inländischen Einkommensbesteuerung unterliegen oder deren Arbeitnehmer im Inland nicht unter den Steuerabzug vom Arbeitslohn fallen, können aus Anlaß einer Geschäfts- oder Dienstreise nur jene Vorsteuerbeträge abziehen, die in einer Rechnung (§ 11) an sie gesondert ausgewiesen werden. Im Falle der Mehraufwendungen für Verpflegung darf ein Vorsteuerabzug jedoch höchstens von den nach Abs. 1 und 2 als Tagesgeld festgesetzten Pauschbeträgen ermittelt werden.

(4) Die nach den vorstehenden Absätzen errechneten Vorsteuerbeträge können nur abgezogen werden, wenn über die Reise ein Beleg ausgestellt wird, welcher über Zeit, Ziel und Zweck der Reise, die Person, von der die Reise ausgeführt worden ist, und über den Betrag Aufschluß gibt, aus dem die Vorsteuer errechnet wird. Die Verpflichtung zur Ausstellung eines eigenen Beleges für Zwecke des Vorsteuerabzuges entfällt, wenn die erwähnten Angaben bereits aus den für die Erhebung der Einkommensteuer (Lohnsteuer) erforderlichen Unterlagen hervorgehen.

3.2. Anwendbarkeit des § 13 Abs 3 UStG 1994

Unternehmer, die nicht der inländischen Einkommensbesteuerung unterliegen oder deren Arbeitnehmer im Inland nicht unter den Steuerabzug vom Arbeitslohn fallen, können gemäß § 13 Abs 4 UStG aus Anlass einer Geschäfts- oder Dienstreise nur jene Vorsteuerbeträge abziehen, die in einer Rechnung (§ 11) an sie gesondert ausgewiesen werden.

Strittig ist, ob die Bf. "der inländischen Einkommensbesteuerung" unterliegt oder nicht.

"Einkommensbesteuerung" ist ein anderer Begriff als "Einkommensteuerpflicht". Begrifflich ist die Besteuerung als ein aktives Tun zu verstehen. "Einkommensbesteuerung" bedeutet damit die tatsächliche Besteuerung des Einkommens einer natürlichen Person (mit Einkommensteuer) oder einer juristischen Person (mit Körperschaftsteuer).

Im Beschwerdefall besteht für die Bf. eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht gem. § 1 Abs 3 Z 1 iVm § 21 Abs 1 KStG 1988 bzw.§ 98 Abs 1 Z 3 fünfter Teilstrich EStG 1988 "aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung ".

Nach Artikel 7 Z 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 64/1975 idF BGBl BGBl. III Nr. 169/2012 dürfen Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaates (Schweiz) nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat (Österreich) durch eine dort gelegene Betriebstätte ausübt. Da die Bf. über keine Betriebsstätte in Österreich verfügt, steht der Schweiz das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte zu.

Die Bf. unterliegt damit nicht der inländischen Einkommensbesteuerung - ihr Einkommen wird in Österreich nicht besteuert.

Diese Sichtweise ist nicht zuletzt deshalb geboten, weil sich die Vorsteuern gem. § 13 Abs 1 UStG 1994 aus den "für die Gewinnermittlung festgesetzten Pauschbeträgen " errechnen (vgl Ruppe/Achatz, UStG 19945, § 13 Tz 1). Wenn keine Besteuerung im Inland erfolgt, kann es im Inland auch keine für die Gewinnermittlung (tatsächlich) festgesetzten Pauschbeträge geben.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass eine Besteuerung der Arbeitnehmer im Inland unbeachtlich ist. Unternehmer, die nicht der inländischen Einkommensbesteuerung unterliegen, können Vorsteuern betreffend Reisekosten ihrer Arbeitnehmer nämlich auch dann nicht aus einkommensteuerrechtlichen Pauschbeträgen errechnen, wenn die Einkünfte ihrer Arbeitnehmer dem Steuerabzug vom Arbeitslohn im Inland unterliegen (VwGH 26.02.2015, 2012/15/0067).

Da die Bf. keine Rechnungen über Speisen und Getränke oder Nächtigungen vorlegen konnte, ist der Vorsteuerabzug aus Reiskosten nicht möglich. Die Beschwerde war daher wie im Spruch ersichtlich abzuweisen.

3.3. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall war die Revision zuzulassen, weil es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie § 13 Abs 3 UStG 1994 in Bezug auf eine beschränkte Steuerpflicht auszulegen ist.

Graz, am 10. Jänner 2023

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 13 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
VwGH 26.02.2015, 2012/15/0067
Zitiert/besprochen in
Lacha in PV-Info 8/2023, 23
Beer in ecolex 2023/615
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100615.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at