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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.12.2022, RV/1100155/2021

Einrede der Verjährung gegen endgültige Einkommensteuerbescheide nach zu Unrecht ergangenen vorläufigen Feststellungsbescheiden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2011 bis 2018 u Recht erkannt:

I. a. Der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013 wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

b. Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2018 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) war mit einer Beteiligung in Höhe von 55% unbeschränkt haftender Gesellschafter der mit Gesellschaftsvertrag vom gegründeten und zwischenzeitlich aufgelösten sowie am im Firmenbuch gelöschten ***Bf1*** KG. Kommanditistin mit einer Beteiligung in Höhe von 45% war ***Bf1-Gattin***.

In den Jahren 2011 bis 2018 erzielte die KG Einkünfte aus der Verpachtung eines Beherbergungsbetriebes sowie aus einem Weinhandel. Aufgrund der hohen Verluste aus der Verpachtungstätigkeit wurden insgesamt negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt.

Aufgrund der negativen Einkünfte erließ das Finanzamt für die Jahre 2011 bis 2016 gemäß § 200 BAO zunächst vorläufige Feststellungsbescheide.

Am wurden die vorläufigen Feststellungsbescheide für die Jahre 2011 bis 2016 gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig erklärt und für die Jahre 2017 und 2018 erste Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO erlassen, mit denen lediglich die Einkünfte aus dem seit 2013 betriebenen Weinhandel, nicht jedoch die im Zusammenhang mit der Verpachtung des Hotels Posthof stehenden Verluste erklärungsgemäß anerkannt wurden.

Nach einer Mitteilung über die gesonderte Feststellung vom selben Tag ergingen am an die Gesellschafter gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2016 und erste Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018, mit denen die Ergebnisse der Feststellungsbescheide auf die Gesellschafter übertragen wurden.

Mit Schriftsatz vom wurde sowohl gegen die Bescheide über die Feststellung der Einkünfte 2011 bis 2018 als auch gegen die abgeleiteten, an die Gesellschafter der KG gerichteten, Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2018 Beschwerde erhoben.

Die Bescheide über die Feststellung der Einkünfte 2011 bis 2018 wurden formal- und materiellrechtlich in Streit gezogen. Formalrechtlich wurde vorgebracht, die vorläufigen Bescheiden über die Feststellung der Einkünfte 2011 bis 2016 seien mangels Vorliegens einer Ungewissheit im Sinne des § 200 BAO rechtswidrig erlassen worden.

Gegen die abgeleiteten Einkommensteuerbescheide wurde eingewandt, die an ***Bf1-Gattin*** erlassenen Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 seien in Folge Verjährung rechtswidrig ergangen und ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Vorläufigkeit von Feststellungsbescheiden schlage auf abgeleitete Bescheide durch, was auch für die Frage gelte, ob die Vorläufigkeit überhaupt zulässig gewesen sei (mit Verweis auf ). Habe, wie im Beschwerdefall, bei der Erlassung vorläufiger Feststellungsbescheide keine Ungewissheit bestanden, beginne die 5-jährige Verjährungsfrist gem. § 207 BAO für die Erlassung endgültiger Einkommensteuerbescheide nach der VwGH-Rechtsprechung bereits mit Ablauf des Jahres der vorläufigen Bescheiderlassung und somit deutlich früher als bei zu Recht vorläufig erlassenen Bescheiden (vgl. nochmals mit Verweis auf ).

Die rechtswidrigen vorläufigen Feststellungsbescheide der ***Bf1*** KG für die Jahre 2011 und 2012 seien im Jahr 2013 zugestellt worden, weshalb die Verjährungsfrist für die Erlassung endgültiger Einkommensteuerbescheide an ***Bf1*** und ***Bf1-Gattin*** bereits mit Ablauf des Jahres 2013 begonnen habe. Demgemäß habe die 5-jährige Verjährungsfrist für die Einkommensteuerfestsetzung 2011 und 2012 mit Ablauf des geendet.

Da hinsichtlich der Einkommensteuer 2011 und 2012 von ***Bf1-Gattin*** offensichtlich bis auch keine verjährungsfristverlängernden Handlungen gem. § 209 BAO gesetzt worden seien, seien die an ***Bf1-Gattin*** gerichteten Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 vom daher nach eingetretener Verjährung und damit rechtswidrig erlassen worden.

Gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO wurde das Unterbeleiben einer Beschwerdevorentscheidung beantragt und die Beschwerde direkt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat wurde am wieder zurückgezogen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Rechtliche Beurteilung

1.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Aufhebung)

Gemäß § 188 BAO erlassene Feststellungsbescheide sind Grundlagenbescheide für Einkommensteuerbescheide.

Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben (§ 295 Abs. 1 erster Satz BAO).

Solche Abänderungen sind nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig (vgl. § 302 Abs. 1 BAO).

Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind (§ 252 Abs. 1 BAO).

Werden in einer Beschwerde gegen einen abgeleiteten Bescheid Einwendungen erhoben, die sich gegen den Grundlagenbescheid richten, so ist die Beschwerde abzuweisen (vgl. Ritz, BAO6, § 252 Tz 3; ; , 2000/15/0001).

Eine Ausnahme von dieser Regelung besteht allerdings hinsichtlich der Verjährung von abgeleiteten Bescheiden bei vorläufig erlassenen Feststellungsbescheiden. Denn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Frage der Verjährung der Einwand, der Feststellungsbescheid sei zu Unrecht vorläufig ergangen, weil tatsächlich keine Ungewissheit bestanden hat, auch im Einkommensteuerverfahren zu beachten.

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, grundsätzlich fünf Jahre.

Gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährung mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 200 mit Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde. Ist die Vorläufigkeit des Feststellungsbescheides aber zu Unrecht erfolgt, weil tatsächlich keine Ungewissheit bestanden hat, die einen Bescheid nach § 200 Abs. 1 BAO gerechtfertigt hätte, beginnt die fünfjährige Festsetzungsverjährungsfrist für die Einkommensteuer mit Ablauf des Jahres, in dem der vorläufige Bescheid erlassen wurde ().

Der Einwand gegen die an die ***Bf1*** KG gerichteten Feststellungsbescheide 2011 bis 2016, diese seien zu Unrecht vorläufig erlassen worden, weil keine Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 2 BAO bestanden hat, ist daher im Beschwerdefall zu beachten. Der Einwand ist auch von Relevanz, weil die Feststellungsbescheide 2011 bis 2016 mangels Ungewissheit tatsächlich zu Unrecht vorläufig ergangen sind. Dazu wird auf Beschwerdeentscheidung des , verwiesen.

Der vorläufigen Feststellungsbescheide 2011 bis 2016 sind am (für das Jahr 2011), am (für das Jahr 2012), am (für das Jahr 2013), am (für das Jahr 2014), am (für das Jahr 2015) und am (für das Jahr 2016) ergangen.

Weil in Wirklichkeit keine Ungewissheit vorgelegen hat, begann die Verjährungsfrist für die abgeleiteten Einkommensteuerbescheide mit Ablauf des Jahres, in dem die vorläufigen Bescheide ergangen sind.

Die Verjährungsfrist für die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 endete daher mit Ablauf des , jene für den Einkommensteuerbescheide 2013 endete mit Ablauf des . In diesen Jahren lagen jeweils Maßnahmen vor, die die Verjährungsfristen gemäß § 209 Abs. 1 BAO um je ein Jahr verlängert habe. Die Verjährungsfrist endete damit mit Ablauf des (für die Jahre 2011 und 2012) bzw. mit Ablauf des (für das Jahr 2013). Maßnahmen, die die Verjährungsfristen um ein weiteres Jahr verlängert hätten, sind nicht erkennbar. Die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013 vom sind daher außerhalb der Verjährungsfrist ergangen.

Da der Eintritt der Verjährung im Abgabenverfahren von Amts wegen zu beachten ist (vgl. Ritz, BAO6, § 207 Rz 4), waren dieser Umstand im Beschwerdeverfahren aufzugreifen, auch wenn die Verjährungseinrede in der Beschwerde ausdrücklich nur gegen die Einkommensteuerbescheide an ***Bf1-Gattin*** vorgebracht wurde. Die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013 vom waren daher aufzuheben.

Im Übrigen war die Beschwerde hingegen abzuweisen, weil die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz sich ausschließlich gegen die Feststellungsbescheide richteten, diese Einwände aber nur im Beschwerdeverfahren gegen diese Berücksichtigung finden konnten (und auch gefunden haben -vgl. nochmals ).

1.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit diesem Erkenntnis ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung verbunden. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100155.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at