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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.03.2022, RV/6100377/2018

Keine Beschwerde gegen Wiederaufnahmsbescheid, Abgabenfestsetzung nach Eintritt der Verjährung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, im Verfahren betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Gebühren und Gebührenerhöhung 2012 und über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Gebühren und Gebührenerhöhung 2012, Erfassungsnummer ***123*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.

II. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Gebühren und Gebührenerhöhung wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am brachte der Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf.) beim Magistratischen Bezirksamt ***MA*** in ***X*** einen Antrag auf Feststellung der formellen Befähigung als "Berufsfotograf" ein.

Mit Bescheid des Magistratischen Bezirkamtes vom wurde die Ausübung untersagt.

Nach Aufnahme eines amtlichen Befundes über die Verkürzung von Stempel- und Rechtsgebühren, weil die Gebühr für die Gewerbeanmeldung iHv € 74,60 nicht entrichtet wurde, erließ die belangte Behörde am den entsprechenden Gebührenbescheid und setzte gleichzeitig eine Gebührenerhöhung iHv € 37,30 gemäß § 9 GebG fest.

Gegen den Gebührenbescheid wurde Berufung erhoben, welche nach Erlassung einer abweisenden Berufungsvorentscheidung und Einbringung eines Vorlageantrages mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom abgewiesen wurde.

Mit Schriftsatz vom stellte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme betreffend die mit Bescheid vom vorgeschriebenen Gebühren einschließlich Gebührenerhöhung, da das Amt der Landesregierung mit Berufungsbescheid vom festgestellt habe, dass das Schreiben des Bf. an den Magistrat vom keine Gewerbeanmeldung sei. Mit diesem Berufungsbescheid sei ein Vorfragentatbestand entstanden, der im Gebührenverfahren zu einer anders lautenden Entscheidung geführt hätte.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme ab.

Nach Einbringung einer fristgerechten Berufung gab die belangte Behörde mit Berufungsvorentscheidung vom dem Berufungsbegehren statt und hob den angefochtenen abweisenden Bescheid vom auf. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Durch den Umstand, dass die Rechtsmittelbehörde in der Berufungsentscheidung vom (Anmerkung: Berufungsentscheidung des Amtes der ***X*** Landesregierung vom ) die Feststellung getroffen hat, dass die Eingabe vom nicht als Gewerbeanmeldung zu qualifizieren ist, liegt kein Ansuchen um Erteilung einer Befugnis oder Anerkennung einer Befähigung oder sonstigen Voraussetzung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor. Insoweit hat die dafür zuständige Behörde über eine im Verfahren betreffend die Festsetzung der Eingabegebühr und Gebührenerhöhung als Vorfrage zu beurteilenden Umstand anders entschieden. Daher liegen die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens vor. Die Entscheidung über den Antrag der Wiederaufnahme des Verfahrens ergeht gesondert."

Ebenfalls mit Datum erging gesondert der Wiederaufnahmebescheid betreffend des Verfahrens, welches die mit Bescheid der belangten Behörde vom festgesetzten Gebühren und Gebührenerhöhung betraf, und ein neuer Sachbescheid, in welchem für die Eingabe vom Eingabegebühr gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG sowie Beilagengebühr und Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG festgesetzt wurde.

Mit Schriftsatz vom brachte der Bf. Berufung "gegen die am erteilte Berufungsvorentscheidung ein und beantragte eine Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz".

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Beschwerde (Berufung) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid vom betreffend Abweisung des Wiederaufnahmeantrages aufgehoben.

Am erließ die belangte Behörde erneut einen Wiederaufnahmebescheid (Spruchpunkt 1) und neuen Gebühren- und Gebührenerhöhungsbescheid (Spruchpunkt 2), welche nun Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht sind.

Gegen Spruchpunkt 2 erhob der Bf. mit Schriftsatz vom Beschwerde, da keine kostenpflichtige Eingabe vorliege, aus dem Spruch nicht erkennbar sei, auf welchen Vorgang sich die vorgeschriebene Gebühr beziehe und die Gebührenvorschreibung bereits verjährt sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid und Bescheid im wiederaufgenommenen Verfahren ab. Im Wesentlichen führte sie begründend aus, dass dem Bescheid zu entnehmen sei, dass der Bescheid vom aufgehoben worden sei und der angefochtenen Bescheid diesen ersetze. Damit sei in Verbindung mit der in der Rechtssache ergangenen Berufungsentscheidung vom konkretisiert, dass die Gebühr für die Eingabe vom beim Magistrat ***X*** und die dazu vorgelegten Beilagen erhoben worden sei. Verjährung sei nicht eingetreten, da eine Bewilligung des Antrages auf Wiederaufnahme erfolgte und dies auch nach Eintritt der Verjährung zulässig sei.

Der Bf. beantragte rechtzeitig mit Schriftsatz vom die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am brachte der Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf.) beim Magistratischen Bezirksamt ***MA*** in ***X*** einen Antrag auf Feststellung der formellen Befähigung als "Berufsfotograf" ein.

Mit Bescheid des Magistratischen Bezirkamtes vom wurde die Ausübung untersagt.

Am erließ die belangte Behörde einen Gebührenbescheid über € 74,60 und einen Bescheid über eine Gebührenerhöhung iHv € 37,90.

Mit Schriftsatz vom stellte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme betreffend die mit Bescheid vom festgesetzten Gebühren.
Der Antrag auf Wiederaufnahme wurde zunächst von der belangten Behörde abgewiesen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Berufung statt und hob den Abweisungsbescheid auf. Ebenfalls mit erließ die belangte Behörde einen Wiederaufnahmebescheid aufgrund des Antrages vom und einen neuen Gebühren- und Gebührenerhöhungsbescheid.

Gegen die Berufungsvorentscheidung brachte der Bf. Vorlageantrag ein. Gegen den Wiederaufnahmebescheid und neuen Gebühren- und Gebührenerhöhungsbescheid wurde kein Rechtsmittel eingebracht.

Das Bundesfinanzgericht gab mit Erkenntnis vom der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid statt und hob diesen auf.

Am erließ die belangte Behörde einen Wiederaufnahmebescheid von Amts wegen (Spruchpunkt 1) und neuen Gebühren- und Gebührenerhöhungsbescheid (Spruchpunkt 2).

Gegen Spruchpunkt 2 erhob der Bf. mit Schriftsatz vom Beschwerde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid und Bescheid betreffend Gebühren- und Gebührenerhöhungsbescheid im wiederaufgenommenen Verfahren ab.

In den Jahren 2016 und 2017 wurden keine Verlängerungshandlungen gesetzt.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt und Verfahrensgang ergeben sich aus dem von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Akt, insbesondere aus den Eingaben des Bf. und den Bescheiden der belangten Behörde und sind unstrittig.

Verlängerungshandlungen in den Jahren 2016 und 2017 konnten dem Akt nicht entnommen werden und wurden in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom auch nicht ins Treffen geführt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Bescheidbeschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Wurde der angefochtenen Bescheid von einer hierfür nicht zuständigen Behörde erlassen, hat eine ersatzlose meritorische Aufhebung zu erfolgen. Eine ersatzlose meritorische Aufhebung iSd § 279 Abs. 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (vgl. ; ; ; Ritz, BAO7, § 279 Rz 5).

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde vorlag, bewirkt eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit der Abgabenbehörde (vgl. ).

Der Bf. hat mit Schriftsatz vom eindeutig (nur) gegen Spruchpunkt 2 des kombinierten Wiederaufnahme- und Gebührenbescheides Beschwerde erhoben. Da es sich um mehrere getrennt anfechtbare Spruchpunkte handelt, ist dies zulässig.

Mangels Beschwerde (auch) gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens (Spruchpunkt 1), war die belangte Behörde unzuständig, eine Beschwerdevorentscheidung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zu erlassen.

Die Beschwerdevorentscheidung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens war daher ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Stattgabe)

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei den Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957 drei Jahre. Die Verjährung beginnt gem. § 208 Abs. 1 lit a BAO in den Fällen des § 207 Abs. 2 grundsätzlich mit dem Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Die Gebührenschuld entsteht gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 GebG bei den übrigen Eingaben in dem Zeitpunkt, in dem die das Verfahren in einer Instanz schriftlich ergehende abschließende Erledigung über die in der Eingabe enthaltenen Anbringen zugestellt wurden.

Gemäß § 209 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen werden.

Gemäß § 209a Abs. 2 BAO steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages abhängt und der Antrag vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde. Die Verjährung steht der Abgabenfestsetzung auch dann nicht entgegen, wenn eine Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO vor Ablauf der Frist des § 304 lit. b beantragt oder durchgeführt wird.

Gemäß § 304 lit. b BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung nur zulässig, wenn sie innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.

Die das Verfahren in einer Instanz abschließende Erledigung erging mit abweisenden Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes am ; somit begann die Verjährungsfrist mit Ablauf des zu laufen und trat die Verjährung nach 3 Jahren grundsätzlich mit ein und verlängerte sich aufgrund der Bescheiderlassungen im Jahr 2013 um ein Jahr bis . Verlängerungshandlungen in den Jahren 2016 und 2017 erfolgten nicht.

Der kombinierte Gebühren- und Gebührenerhöhungsbescheid wurde am erlassen. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährung bereits eingetreten.

Mit Bescheid vom wurde eindeutig eine Wiederaufnahme von Amts wegen verfügt. Ein eindeutiger Spruch ist einer Auslegung nicht zugänglich (vgl ), so dass dieser mit der Beschwerdevorentscheidung vom nicht auf eine Wiederaufnahme auf Antrag berichtigt werden konnte.

Darüber hinaus wurde der Antrag auf Wiederaufnahme bereits mit Wiederaufnahmebescheid vom rechtskräftig erledigt und liegt somit kein offenes Anbringen (mehr) vor, das zur Abgabenfestsetzung nach Eintritt der Verjährung berechtigen würde.

Da weder der Wiederaufnahmebescheid noch der Gebühren- und Gebührenerhöhungsbescheid vom angefochten wurde, war auch die 3-jährige Frist des § 304 lit. b BAO abgelaufen.

Da im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits Verjährung eingetreten war und die Voraussetzungen des § 209 a Abs. 2 BAO nicht vorlagen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 279 BAO ersatzlos aufzuheben.

3.3. Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis folgt der angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung und dem eindeutigen Gesetzeswortlaut. Es liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor und ist eine Revision daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100377.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at