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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.12.2022, RV/7103660/2009

Kein Vorsteuerabzug mangels Entgeltlichkeit der erbrachten Leistung

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 226/2023 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7103660/2009-RS1
Der Vorsteuerabzug gem § 12 Abs 1 UStG 1994 setzt ua die Entgeltlichkeit der Leistungserbringung voraus. Steht von Beginn an fest, dass das in Rechnung gestellte Entgelt nicht entrichtet werden wird, mangelt es an der Entgeltlichkeit der Leistung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Albert Salzmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Fritz Pfister, Hackhofergasse 8, 1190 Wien, über die Beschwerden vom und gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr Finanzamt Österreich) betreffend
- Umsatzsteuer 2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 vom jeweils ,
- Umsatzsteuer 2006 und 2007 vom jeweils ,
- Festsetzung von Umsatzsteuer für Jänner bis März 2008, April 2008 und Mai bis Oktober 2008
vom jeweils ,
zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden vom und , insoweit diese sich gegen die genannten Bescheide richten, werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach Durchführung eines Außenprüfungsverfahrens hat das Finanzamt (FA) am Umsatzsteuerbescheide für 2001 bis 2005 erlassen.

Mit Schriftsatz des steuerlichen Vertreters vom hat die beschwerdeführende Partei (bP) gegen die genannten Bescheide Beschwerde erhoben.

Nach Durchführung eines weiteren Außenprüfungsverfahrens hat das FA am Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007, sowie drei Festsetzungsbescheide betreffend Umsatzsteuer für den Zeitraum Jänner bis Oktober 2008 erlassen.

Mit Schriftsatz des steuerlichen Vertreters vom hat die bP gegen die genannten Bescheide Beschwerde erhoben.

Mit Vorlagebericht vom hat das FA die genannten Beschwerden dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen.

Mit Verfügung des Vizepräsidenten vom wurden diese Beschwerdesachen der ursprünglich zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der Gerichtsabteilung 7021 zur Entscheidung zugewiesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Rechtsanwältin ***RA*** übernahm auf Grundlage eines Treuhandvertrages vom 70 % des Stammkapitals der bP als Treuhänderin der ***XY KEG*** (seit 5.2009 ***XY KG***; FN****). An der am gegründeten ***XY KEG*** war im Streitzeitraum ***EE*** zu 95 % als Gesellschafterin und Komplementärin beteiligt. Die restlichen 5 % wurden von ***SM*** (= Schwiegermutter von ***EE***) als Kommanditistin gehalten.
Bereits im September 2001 wurde von den Eltern von ***EE*** ein unverzinsliches "Gesellschafter-Darlehen" an die bP ausbezahlt und später als "Verbindlichkeiten ***XY KEG***" erfasst.
Seit vertritt ***EE*** die bP selbständig als alleinige Geschäftsführerin. Der Ehegatte von ***EE***, ***AA***, hat die bP nach außen vertreten (Kunden, Behörden usw; zB bei der Schlussbesprechung am ) und die Verwaltung und Organisation der bP geführt.
***EE*** hat im Streitzeitraum die bP durchgehend beherrscht und war über deren tatsächliche wirtschaftliche Situation jederzeit informiert.

Beginnend mit Oktober 2001 hat die ***XY KEG*** auf Grundlage des Konsulenten-Vertrages vom monatliche Belastungsnoten an die bP gerichtet. Laut dieser Vereinbarung übernimmt die ***XY KEG*** "im Rahmen der Gesamttätigkeit der M.A.C. die selbständige und eigenverantwortliche Abwicklung von Projekten in Abstimmung mit der Geschäftsführung der M.A.C.". Als monatliches Entgelt wurden ATS 37.000,00 (= € 9.985,00) zuzüglich Umsatzsteuer in der Vereinbarung angeführt.

Im Zeitraum Oktober 2001 bis Dezember 2021 wurden auf Grundlage dieses Konsulenten-Vertrages insgesamt Belastungsnoten iHv € 2.426.355,00 zuzüglich Umsatzsteuer iHv € 485.271,00 von der ***XY KEG*** an die bP gestellt. Die gesamte Bruttoforderung der ***XY KEG*** iHv € 2.911.626,00 haftete per unbeglichen aus. Bisher wurden auf die seit Oktober 2001 in Rechnung gestellten Beträge - sohin für einen Gesamtzeitraum von über 20 Jahren - von der bP keine Zahlungen an die ***XY KEG*** geleistet.

Da die ***XY KEG*** ihre Leistungen nach vereinnahmten Entgelt besteuert, wurden die bisher in Rechnung gestellten Leistungen nicht als Umsätze erklärt. Im Zusammenhang mit den og Belastungsnoten wurden im Streitzeitraum 2001 bis Oktober 2008 gesondert ausgewiesene Umsatzsteuerbeträge von insgesamt € 169.745 an die bP verrechnet, diese in den Umsatzsteuererklärungen bzw Umsatzsteuervoranmeldungen als Vorsteuern geltend gemacht und von der ***XY KEG*** keine korrespondierenden Umsätze erklärt.

Die ab 2007 unregelmäßig erfolgten Zahlungen der bP an die ***XY KEG***, um deren Liquidität sicher zu stellen, wurden nicht als Begleichung der offenen Belastungsnoten behandelt, sondern als Darlehen der bP an die ***XY KEG***, welche wieder zurückzuzahlen sind bzw teilweise bereits wieder zurückbezahlt wurden. Im Zeitraum 2007 bis 2021 hat die bP an die ***XY KEG*** Darlehen in der Höhe von insgesamt € 543.213,26 gewährt und wurden bis Ende 2021 davon € 172.570,93 von der ***XY KEG*** bereits zurückbezahlt. Am haftet eine Darlehensforderung der bP an die ***XY KEG*** in Höhe von 370.642,33 aus.

Der Abschluss des og Konsulenten-Vertrages, die Ausstellung der Belastungsnoten und die dargestellten Zahlungsflüsse erfolgten im Wissen, dass eine Begleichung der gelegten Belastungsnoten durch die bP nicht erfolgen wird. Eine Gegenleistung der bP für die von der ***XY KEG*** war nie beabsichtigt oder vereinbart. Die im Streitzeitraum gelegten Belastungsnoten entsprechen weder dem Inhalt noch der Höhe nach den tatsächlich erbrachten Leistungen.

2. Beweiswürdigung

Die Eigentums- und Vertretungsverhältnisse der bP ergeben sich aus dem vorliegenden Firmenbuchauszug, dem Fax der bP vom und den Treuhandverträgen vom und (siehe dazu Prüfungsfeststellung laut Niederschrift vom ; der Treuhandvertrag vom ist in den vorgelegten Akten nicht auffindbar, dessen Existenz aufgrund der Verweise im Treuhandvertrages vom nachgewiesen und unstrittig).

Der festgestellte Sachverhalt ist grundsätzlich zwischen den Verfahrensparteien unstrittig und ergibt sich aus den vorgelegten Akten sowie den im Verfahren vor dem BFG von der bP eingebrachten Stellungnahmen. Insbesondere ergeben sich die in Rechnung gestellten Beträge, ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge, offenen Forderungen der ***XY KEG*** gegenüber der bP, die von der bP an die ***XY KEG*** gewährten Darlehensbeträge sowie die darauf geleisteten Rückzahlungsbeträge aus der mittels E-Mail vom eingebrachten Stellungnahme samt Anhängen.

Das Wissen der bP darüber, dass von Beginn an eine Begleichung der gelegten Belastungsnoten von Beginn an nicht beabsichtigt war, ergibt sich einerseits aus der beherrschenden Position von ***EE***, welche erst im Zuge der Außenprüfung der Abgabenbehörde bekannt wurde (Treuhandvertrag vom ). Andererseits zeigt die Nichtbezahlung über mehr als 20 Jahre sowie die Gewährung von Liquiditäts-Darlehen der ***XY KEG*** an die bP samt deren zumindest teilweise Rückzahlung, dass ein Entgelt für die Leistungen der ***XY KEG*** nicht gewollt und auch nicht vereinbart war.

Darüber hinaus wurde der Außenprüferin eine Kostenaufschlüsselung der Treuhänderin, ***RA***, vorgelegt, aus der hervorgeht, dass es bereits im September 2001 zur Übernahme des Unternehmens der bP sowie zur Konzeption des Konsulenten-Vertrages vom gekommen ist (Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ).

Auch der Umstand, dass bereits im September 2001 ein "Gesellschafter-Darlehen" gewährt wurde, welches in weiterer Folge auf das Konto "Verbindlichkeiten ***XY KEG***" umgebucht wurde (Fax der bP vom ), zeigt, dass ***EE*** schon vor Oktober 2001 über die wirtschaftliche Situation der bP informiert war.

Der Umstand, dass über Jahrzehnte nicht näher konkretisierte Leistungen (laut Belastungs-noten wurden "Beratungsleistungen" in Rechnung gestellt, ohne deren Inhalt oder Umfang näher zu konkretisieren) zu einem gleichbleibenden Pauschalbetrag verrechnet und darauf keine Zahlungen der "Leistungsempfängerin" geleistet wurden, sprechen dafür, dass der bP als "Leistungsempfängerin" und der ***XY KG*** als "Leistungserbringung" von Beginn an klar war, dass auf diese Belastungsnoten - unabhängig vom Umfang der tatsächlich erbrachten Leistungen - keine Zahlungen erfolgen werden.

Auch der Umstand, dass weder die bP als "Leistungsempfängerin" aufgrund des ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolges, noch die ***XY KEG*** als "Leistungserbringerin" aufgrund der Nichtbezahlung der Belastungsnoten eine Kündigung bzw Anpassung des zugrundeliegenden Konsulenten-Vertrages vornahmen, spricht dafür, dass von Beginn an keine Zahlungen auf die gelegten Belastungsnoten beabsichtigt waren und die Leistungserbringung durch die ***XY KEG*** unentgeltlich erfolgt ist.

Beispielshaft wird hier das E-Mail der bP vom angführt, in welchem die bP angibt, dass die Corona-Pandemie - stärker noch als seinerzeit die Finanzkrise 2008/2009 - für einen beträchtlichen Zeitraum einen völligen Stillstand bei Unternehmensvermittlungen ausgelöst habe und jeweils etliche angebahnte Transaktionen stark verzögerte. Weder 2008/2009 noch während der Corona-Pandemie wurde aus diese Situation reagiert. Der Konsulenten-Vertrag und die Belastungsnoten blieben unabhängig vom tatsächlichen Leistungsumfang oder Erfolg unverändert, obwohl aufgrund der wirtschaftlichen Situation sowohl von der bP als Leistungsempfängerin (gleichbleibende Belastungsnoten trotz Stillstand bei Unternehmensvermittlungen) als auch von der ***XY KEG*** als Leistungserbringerin (Leistungserbringung trotz jahrelanger Nichtzahlung der Belastungsnoten) mit entsprechenden Vertragsänderungen bzw -kündung zu rechnen gewesen wäre.

Diese Beurteilung wird auch durch die Tatsache gestützt, dass die bP als "Leistungsempfängerin" an die ***XY KEG*** als "Leistungserbringerin" Darlehen zur Sicherung deren Liquidität gewährt hat und diese auch tatsächlich teilweise wieder zurückbezahlt wurden. Einerseits wurde die Nichtbezahlung der Belastungsnoten mit der Begründung der fehlenden Liquidität der bP erklärt, andererseits war die Liquidität der bP ausreichend, um Darlehen in nicht unbedeutender Höhe an die ***XY KEG*** zu gewähren. Die Rückzahlung der Darlehen zeigt, dass eine Begleichung der Belastungsnoten nicht beabsichtigt war. Die Begleichung der aushaftenden Verbindlichkeiten der bP wäre naheliegender gewesen, als eine Darlehensvereinbarung samt Rückzahlung. Diese Vorgangsweise macht nur Sinn, wenn von Anfang an beabsichtigt war, die Belastungsnoten nicht zu begleichen.

Vor dem festgestellten Sachverhalt folgt das Gericht der Schlussfolgerung der Abgaben-behörde, dass nicht ein Leistungsaustausch zwischen ***XY KEG*** und bP vorliegt, sondern vielmehr die Geltendmachung von bedeutenden Vorsteuerbeträgen und die Erhöhung von ausgleichsfähigen Verlusten in der gleichzeitig gegründeten atypisch stillen Gesellschaft der Grund für den Konsulenten-Vertrag und die laufende Legung von Belastungsnoten war.

Die bP hat zwar im Streitzeitraum nachweislich Umsätze in einem geringen Umfang getätigt und wurden entsprechende Unterlagen als Beweise vorgelegt. Es steht auch fest, dass die notwendigen Vorarbeiten von ***EE*** und ***AA*** erbracht wurden. Es ist aufgrund der unklaren und fremdunüblichen Geschäftsgestaltung zwischen der bP, der ***XY KEG*** und den genannten natürlichen Personen aber nicht (mehr) feststellbar, welche tatsächliche Leistungen wann und von wem erbracht wurden.

Die Abgabenbehörde hat im Außenprüfungsverfahren festgestellt, dass ***AA*** unentgeltlich für die bP tätig war und diese nach außen hin als Quasi-Geschäftsführer vertreten hat. ***EE*** wiederum war im Streitzeitraum nichtselbständig beschäftigt und hatte minderjährige Kinder zu betreuen, was die zeitlichen Ressourcen für Ihre Tätigkeit in der ***XY KEG*** (95%ige Komplementärin) und als beherrschende Gesellschafterin-Geschäfts-führerin deutlich beschränkte. Diese Feststellungen blieben grundsätzlich unbestritten.

Die beherrschende Stellung von ***EE***, der fehlende Interessenskonflikt bei der Legung und die unklare Formulierung der Belastungsnoten, die "unentgeltliche" Tätigkeit von ***AA*** für die bP und für die ***XY KEG*** sowie der Umstand, dass die Gesellschafter-Geschäftsführerin ***EE*** nur eingeschränkt in der Lage war, überhaupt Leistungen für die bP und die ***XY KEG*** zu erbringen, führt zum Schluss, dass die gelegten Belastungsnoten sowohl dem Inhalt als auch der Höhe nach unzutreffend sind und in diesem Sinne - wie auch bereits von der Abgabenbehörde festgestellt wurde - zum Schein erstellt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtsgrundlagen

§ 12 Abs 1 UStG 1994 idF BGBl I Nr 59/2001 lautet:
"Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2. …."

§ 12 Abs 1 UStG 1994 idF BGBl I Nr 99/2007 lautet:
"Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft;
2. …."

§ 3 Abs 1 UStG 1994 idgF lautet:
"Lieferungen sind Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann von dem Unternehmer selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden."

§ 3a Abs 1 UStG 1994 idgF lautet:
"Sonstige Leistungen sind Leistungen, die nicht in einer Lieferung bestehen. Eine sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen."

§ 1 Abs 1 UStG 1994 idgF lautet:
"Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:
1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt;
2. …."

§ 323 Abs 38 BAO lautet:
"Die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge sind vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht. Die Ausfertigung von noch vor dem verkündeten Rechtsmittelentscheidungen hat jedoch noch im Namen des unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde zweiter Instanz nach den zum geltenden Verfahrensbestimmungen zu erfolgen. …."

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Streitgegenständlich ist ausschließlich die Rechtsfrage, ob die in den Belastungsnoten für den Zeitraum Oktober 2001 bis Oktober 2008 ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge die bP zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Gem § 1 Abs 1 UStG 1994 idgF unterliegen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Unentgeltlich erbrachte Leistungen unterlegen demnach nicht der Umsatzsteuer.

Leistungen sind nur umsatzsteuerbar, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt werden. Das entspricht dem Gedanken einer Steuer auf die Einkommensverwendung: Die Steuerbarkeit von Leistungen ist nur gerechtfertigt, wenn für sie etwas aufzuwenden ist. Die Leistung muss eine Gegenleistung gegenüberstehen, es muss zu einem Leistungsaustausch kommen (). Entscheidend ist, ob eine Leistung erbracht wird, um eine andere Leistung zu erhalten ().

Die Entgeltlichkeit der Leistung ist Voraussetzung für ihre Steuerbarkeit. Zugleich ist das Entgelt Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer. Beides ist auseinander zu halten: ist die Leistung unentgeltlich, braucht nach einer Bemessungsgrundlage nicht mehr gefragt werden (Ruppe/Achatz Umsatzsteuergesetz Kommentar5, § 1 Rz 61).

Ein Vorsteuerabzug steht nur zu, wenn der andere Unternehmer eine Leistung erbringt. Vorausgesetzt wird eine entgeltliche, dh auf das Zustandekommen eines Leistungsaustausches gerichtete Leistung. Fehlt es an einer Leistung, so kann eine Vorsteuer auch dann nicht abgezogen werden, wenn eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis vorliegt und der Aussteller die Steuer gem § 11 Abs 14 schuldet ().

An einer Leistung (und daher auch an der Vorsteuerabzugsberechtigung) fehlt es nach der Rechtsprechung auch, wenn für einen in einer Rechnung zum Ausdruck gebrachten Leistungsaustausch zwischen gesellschaftsrechtlich nahestehenden Personen die Kriterien der Angehörigen-Judikatur nicht erfüllt sind ().

Im Streitzeitraum wurden von bP zwar gelegentlich Umsätze getätigt, welche aus den Arbeitsleistungen von ***1*** und Herrn ***2*** resultieren. Welchen tatsächlichen Umfang diese Arbeitsleistungen hatten und ob diese von ***1*** in ihrer Funktion als Geschäftsführerin der bP oder in ihrer Funktion als Gesellschafterin der ***AB*** oder unentgeltlich von ***AA*** erbracht worden sind, kann nicht mehr festgestellt werden. Auch ist aufgrund der pauschalen Rechnungslegen weder der konkrete Inhalt noch Umfang der Leistungen feststellbar.

Für das Gericht steht fest, dass von Beginn an keine Gegenleistung für die erbrachten Leistungen der ***XY KEG*** beabsichtigt waren. In diesem Sinne schließt sich das Gericht der Argumentation der Abgabenbehörde an, dass die ausgestellten Belastungsnoten zum Schein ausgestellt wurden und damit Vorsteuerbeträge lukriert und verrechenbare Verluste erhöht werden sollten.

Die Belastungsnoten wurden von der bP über mehr als 20 Jahre nicht beglichen. Daraus ist eine fehlende Ernsthaftigkeit in Bezug auf die Leistung des in den Belastungsnoten angeführten Entgeltes zu schließen. Die fehlende Zahlungsabsicht bewirkt, dass ein Vorsteuerabzug nicht gewährt werden kann, weil zu den notwendigen Merkmalen einer Rechnung auch gehört, dass die Rechnung das tatsächlich beabsichtigte Entgelt ausweist (vgl ).

Da ***EE*** darüber hinaus als wesentlich beteiligte Gesellschafterin-Geschäftsführerin einerseits die bP und andererseits als Mehrheitseigentümerin die ***XY KEG*** beherrscht, handelt es sich in Bezug auf die Belastungsnoten bei "Leistungserbringer" und "Leistungsempfänger" um gesellschaftsrechtlich nahestehende Personen, für die die Kriterien der Angehörigen-Judikatur zur Anwendung kommen (). Der Konsulenten-Vertrag, dessen Umsetzung bzw Beibehaltung, sowie die Rechnungslegung halten einen Fremdvergleich nicht stand. Ein fremder Dritter hätte bei gegebener wirtschaftliche Situation einen solchen Vertrag nicht abgeschlossen, geschweige denn diesen Vertrag auf Jahrzehnte in der vorliegenden Form "erfüllt".

Dafür spricht auch der Umstand, dass die bP als Leistungsempfängerin der ***XY KEG*** als Leistungserbringerin ein Darlehen gewährt, welches diese bereits teilweise zurückbezahlt hat, obwohl die Nichtbezahlung der Belastungsnoten mit der mangelnden Liquidität der bP argumentiert wird. Es ist wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, dass die bP zwar zu wenig Liquidität besäßen haben soll, um die Verbindlichkeiten aus den Belastungsnoten zu begleichen, zeitgleich aber der ***XY KEG*** ein nicht unbeträchtliches Darlehen zur Verfügung stellen konnte. Auch entspricht es nicht der Lebenserfahrung, dass eine Gläubigerin (***XY KEG***) bei ihrer Schuldnerin (bP) ein Darlehen aufnimmt und dieses zurückzahlt, anstatt dieses mit offenen Forderungen gegenzurechnen.

Nach Ansicht des Gerichts wurde diese Vorgangsweise deshalb gewählt, um einen Zufluss für die "Belastungsnoten", welcher nicht gewollt war, zu verhindern, weil die ansonsten vereinnahmten Beträge bei der ***XY KEG*** (Ist-Besteuerung) der Umsatzsteuer zu unterziehen gewesen wären.

Vor dem festgestellten Sachverhalt folgt das Gericht der Schlussfolgerung der Abgaben-behörde, dass die Geltendmachung von bedeutenden Vorsteuerbeträgen und die Erhöhung von ausgleichsfähigen Verlusten in der gleichzeitig gegründeten atypisch stillen Gesellschaft der Grund für den Konsulenten-Vertrag und die laufende Legung von Belastungsnoten waren, ohne dass ein tatsächlicher Leistungsaustausch beabsichtigt war.

Die bP hat zwar im Streitzeitraum nachweislich gelegentlich Umsätze in einem geringen Umfang getätigt und wurden entsprechende Unterlagen als Beweise vorgelegt. Es steht auch fest, dass die notwendigen Vorarbeiten von ***EE*** und ***AA*** erbracht wurden. Es ist aufgrund der unklaren und fremdunüblichen Geschäftsgestaltung zwischen der bP, der ***XY KEG*** und den genannten natürlichen Personen nicht (mehr) feststellbar, welche tatsächliche Leistungen wann und von wem erbracht wurden.

Die Abgabenbehörde hat im Außenprüfungsverfahren festgestellt, dass ***AA*** unentgeltlich für die bP tätig war und diese nach außen hin als Quasi-Geschäftsführer vertreten hat. ***EE*** wiederum war im Streitzeitraum nichtselbständig beschäftigt und hatte minderjährige Kinder zu betreuen, was die zeitlichen Ressourcen für Ihre Tätigkeit in der ***XY KEG*** (95%ige Komplementärin) und als Geschäftsführerin der bP deutlich beschränkte.
Die Abgabenbehörde kam daher zum Ergebnis, dass die von der ***XY KEG*** an die bP verrechneten Leistungen unmittelbar von ***EE*** in Ihrer Funktion als Geschäftsführerin erbracht wurden und es sich bei den von der ***XY KEG*** laufend gelegten Belastungsnoten um Scheinrechnungen handelt.

Die nicht weiter untermauerte Behauptung der bP, es sei in der Branche üblich, dass es mehrere Jahre dauere, bis einzelne Projekte abgeschlossen werden könnten, ist nicht dazu geeignet, einen Zeitraum von über 20 Jahren für die Begleichung von Forderungen zu erklären, entspricht nicht der Lebenserfahrung und stellt in Hinsicht auf den festgestellten Sachverhalt eine Schutzbehauptung dar.

Für den Bereich des Umsatzsteuerrechts kann es dahingestellt bleiben, welche Leistungen tatsächlich von der ***XY KEG*** (oder von ***EE*** bzw ***AA***) erbracht wurden oder ob die Leistungsbezeichnung im Konsulenten-Vertrag und in den Belastungsnoten die Voraussetzungen iSd § 11 Abs 1 Z 3 lit c iVm §12 Abs 1 lit a UStG 1994 für den Vorsteuerabzug erfüllen. Da die Leistungen jedenfalls unentgeltlich und damit nicht auf einen Leistungsaustausch gerichtet erbracht wurden, berechtigt die von der ***XY KEG*** in den Belastungsnoten ausgewiesene Umsatzsteuer die bP nicht zum Vorsteuerabzug.

Darüber hinaus ist aufgrund der oben dargestellten Eigentums- und Vertretungsverhältnisse auf die vorliegende Geschäftsgestaltung die Angehörigen-Judikatur des VwGH anzuwenden. Die Kriterien dieser Judikatur werden nicht erfüllt. Zu den bereits genannten fremdunüblichen Umständen kommt noch hinzu, dass im gesamten Streitzeitraum keine Maßnahmen zur Einbringung der offenen Belastungsnoten gesetzt wurden. Auch das spricht für die fehlende Entgeltlichkeit und dafür, dass die Leistungen an die bP nicht deshalb erbracht wurden, um tatsächlich das in den Belastungsnoten genannten Entgelt zu erhalten.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht strittige Rechtsfrage ist in ständiger Rechtsprechung des VwGH geklärt. Von dieser wird im vorliegenden Erkenntnis nicht abgewichen. Die (ordentliche) Revision war somit nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Vorsteuerabzug
Entgeltlichkeit
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103660.2009

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at