Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.01.2023, RV/6100319/2022

Anerkennung von behinderungsbedingt erforderlichen Pflegeheimkosten als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Wegen Nichtabgabe einer Einkommensteuererklärung und Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestands erfolgte die Einkommensteuerveranlagung des Beschwerdeführers für 2020 von Amts wegen und wurde die Einkommensteuer 2020 mit Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Österreich (im Folgenden bezeichnet als "belangte Behörde") vom festgesetzt mit 3.081,00 Euro.

Mit am über das FinanzOnline Portal gegen den vorgenannten Bescheid eingebrachter Beschwerde wurde die Berücksichtigung von Sonderausgaben (Versicherungsprämien und -beiträge freiwillige Kranken-, Unfall-, Lebensversicherung, Hinterbliebenenversorgung und Sterbekassen, Pensionskassenbeiträge, freiwillige Höherversicherung im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung) im Gesamtbetrag von 1.526,76 beantragt. Weiters wurden unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel wie zum Beispiel Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel oder Kosten der Heilbehandlung wie ärztliche Kosten, Medikamente im Gesamtbetrag von 5.877,32 Euro als außergewöhnliche Belastung bei Behinderung geltend gemacht. Der Beschwerdebegründung zufolge setzen sich diese Kosten zusammen aus 175,20 Euro Rezeptgebühren, 5.129,52 Euro Heimkosten, 536,80 Euro Zahnarztkosten und 35,80 Euro sonstige Heilkosten.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben und Sonderausgaben im Betrag von 381,69 Euro (Viertel der Aufwendungen für Personenversicherungen, Wohnraumschaffung und -Sanierung Topf-Sonderausgaben) berücksichtigt. Zudem wurden 450,72 Euro als nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, dass die beantragten außergewöhnlichen Belastungen um die erhaltenen steuerfreien Zuschüsse (zB Pflegegeld) zu kürzen seien. Die nachgewiesenen Kosten seien daher um das erhaltene Pflegegeld gekürzt worden.

Am wurde daraufhin über das FinanzOnline Portal ein Vorlageantrag eingebracht und darin im Wesentlichen ergänzend vorgebracht, dass die Heimkosten monatlich ca 3.600,- Euro ausmachen würden und das Pflegegeld bei den beantragten Kosten bereits abgezogen worden sei. Dem Vorlageantrag beigelegt war ein Sammelbeleg der ***Gemeinde1*** betreffend die dem Beschwerdeführer für das Seniorenheim ***Ort1*** in Rechnung gestellten Beträge. Zudem waren in dem Sammelbeleg "Zuzahlungen" der BH ***Bezirk1*** ausgewiesen.

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und wurde von der belangten Behörde eine Abänderung des angefochtenen Bescheides (Verböserung) beantragt. Begründend wurde dazu wie folgt ausgeführt: Aus dem Lohnzettel der PVA gehe hervor, dass dem Beschwerdeführer ein Pflegegeld von 5.426,60 Euro zugeflossen ist. Vom Beschwerdeführer habe nicht dargelegt werden können, dass dieser Betrag unrichtig ist. Der Betrag sei daher von den außergewöhnlichen Belastungen abzuziehen. Weiters abzuziehen sei eine Haushaltsersparnis von 156,96 Euro monatlich (für drei Monate im Pflegeheim 470,88 Euro). Somit würden keine nachgewiesenen Kosten aus der eigenen Behinderung zur Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen verbleiben. Laut einer internationalen DAC 1-Kontrollmitteilung, die dem Finanzamt mittlerweile vorliege, habe der Beschwerdeführer weiters eine deutsche Sozialversicherungsrente iHv 1.812,24 Euro bezogen. Diese sei gem Art 18 Abs 2 iVm Art 23 Abs 2 DBA Deutschland in Österreich zum Progressionsvorbehalt heranzuziehen.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde die BH ***Bezirk1*** gemäß § 158 BAO zusammengefasst um Auskunft ersucht, worum es sich bei den im gemeinsam mit dem Vorlageantrag vorgelegten Sammelbeleg der ***Gemeinde1*** ausgewiesenen Zuzahlungen der BH ***Bezirk1*** handelt.

Daraufhin teilte die BH ***Bezirk1*** dem Bundesfinanzgericht mit Schreiben vom mit, dass es sich bei den vom Seniorenheim ***Ort1*** als "Zuzahlung BH…" bezeichneten Positionen um die ab Oktober 2020 zuerkannten Sozialhilfeleistungen gem § 17 des Salzburger Sozialhilfegesetzes (S.SHG) handle. Ab November 2020 sei eine Überleitung (Zession) der Pensionsbezüge und des Pflegegeldes des Beschwerdeführers zugunsten der BH ***Bezirk1*** (als Vertreterin des Landes Salzburg als Sozialhilfeträger) erfolgt. Die diesbezüglichen Rechtsgrundlagen fänden sich in § 324 ASVG und § 13 Bundespflegegeldgesetz.

Zudem übermittelte die BH ***Bezirk1*** dem Bundesfinanzgericht folgende Bescheide:

  1. Bescheid der BH ***Bezirk1*** vom betreffend Sozialhilfeleistungsanspruch des Beschwerdeführers für Oktober 2020

  2. Geänderter Bescheid der BH ***Bezirk1*** vom betreffend Sozialhilfeleistungsanspruch des Beschwerdeführers für Oktober 2020

  3. Bescheid der BH ***Bezirk1*** vom betreffend Sozialhilfeleistungsanspruch des Beschwerdeführers für November 2020

  4. Bescheid der BH ***Bezirk1*** vom betreffend Sozialhilfeleistungsanspruch des Beschwerdeführers für Dezember 2020

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde dem Beschwerdeführer zusammengefasst mitgeteilt, dass nach der Maßgabe der vorläufigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens davon auszugehen sei, dass sich die im Jahr 2020 vom Beschwerdeführer getragenen Kosten für das Seniorenheim ***Ort1*** auf 7.083,67 Euro belaufen. Davon sei noch eine Haushaltsersparnis von insgesamt 470,88 Euro sowie das im Jahr 2020 bezogene Bundespflegegeld von insgesamt 5.426,60 Euro abzuziehen. Es verbleibe somit ein Betrag von 1.186,19 Euro. Zudem wurde der Beschwerdeführer um Mitteilung ersucht, ob ihm im Jahr 2020 auch vor Umzug in das Seniorenheim ***Ort1*** Ende September bereits behinderungsbedingte Pflegekosten erwachsen sind, für die das Pflegegeld verwendet wurde und ob bzw inwieweit die beantragten Zahnarztkosten und sonstigen Heilkosten mit seiner Behinderung in Zusammenhang stehen.

Daraufhin wurde dem Bundesfinanzgericht vom Sohn des Beschwerdeführers im Namen seines Vaters mitgeteilt, dass die "Heilkosten Zahnarzt" nicht in Verbindung mit der Behinderung des Beschwerdeführers stehen würden. Zudem seien im Jahr 2020 aufgrund der Mobilitätseinschränkung des Beschwerdeführers zusätzliche Pflegekosten in Zusammenhang mit betreutem Wohnen im Gesamtbetrag von 411,32 Euro erwachsen und wurde dem Bundesfinanzgericht eine diesbezügliche Rechnung des Vereins ***Pflegedienstleister1*** vorgelegt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom teilte das Bundesfinanzgericht der belangten Behörde mit, dass auf der Grundlage der vom Bundesfinanzgericht durchgeführten ergänzenden Ermittlungen vorläufig davon ausgegangen werde, dass die BVE der belangten Behörde vom in folgenden Punkten abzuändern sein wird und wurden der belangten Behörde die diesbezüglichen Aktenteile zur Einsicht übermittelt:

  1. Nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung: 1.597,52 Euro

  2. Außergewöhnliche Belastungen, bei denen der Selbstbehalt zu berücksichtigen ist: 572,60 Euro

  3. Progressionserhöhung durch deutsche Rente (1.812,24 Euro)

Zudem wurde die belangte Behörde um Übermittlung einer entsprechenden Abgabenberechnung ersucht.

Daraufhin teilte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht mit Schreiben vom mit, dass zu den mit Beschluss vom mitgeteilten Sachverhaltsfeststellungen bzw den avisierten Abweichungen zur BVE vom Finanzamt keine Einwände erhoben werden und wurde dem Bundesfinanzgericht eine entsprechende Abgabenberechnung übermittelt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der im Jahr 1937 geborene Beschwerdeführer ist stark bewegungsbeeinträchtigt und liegt das Ausmaß der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit bei 70%. Im Jahr 2020 bezog der Beschwerdeführer für die Monate Jänner bis einschließlich September Bundespflegegeld für die Pflegestufe 3; ab Oktober 2020 bezog der Beschwerdeführer Bundespflegegeld für die Pflegestufe 4. In Summe betrug das im Jahr 2020 vom Beschwerdeführer bezogene Bundespflegegeld 5.426,60 Euro.

Bis zum hatte der Beschwerdeführer seinen gemeldeten Hauptwohnsitz an der Adresse ***Bf1-Adr2***. In diesem Zeitraum nahm der Beschwerdeführer aufgrund seiner körperlichen Behinderung Pflegeleistungen des Vereins ***Pflegedienstleister1***, ***Adresse3***, in Anspruch und bezahlte der Beschwerdeführer im Jahr 2020 für diese Leistungen in Summe 411,32 Euro.

Ab bewohnte der Beschwerdeführer das Seniorenheim ***Ort1***, ***Bf1-Adr***, und war diese Unterbringung durch die Pflegebedürftigkeit des Beschwerdeführers veranlasst. Im Jahr 2020 bezahlte der Beschwerdeführer direkt an das Seniorenheim ***Ort1*** Kosten von insgesamt 4.206,71 Euro. Darüber hinaus waren auch die von der Bezirkshauptmannschaft ***Bezirk1*** an das Seniorenheim ***Ort1*** gezahlten Sozialhilfeleistungen anteilig vom Beschwerdeführer zu tragen. Konkret hatte der Beschwerdeführer von diesen Zahlungen in den Monaten November und Dezember 2020 jeweils eine Eigenleistung von 1.438,48 Euro zu tragen. In Summe beliefen sich die im Jahr 2020 vom Beschwerdeführer getragenen Kosten für das Seniorenheim ***Ort1*** somit auf 7.083,67 Euro. Nach Abzug der mit der Heimunterbringung verbundenen Haushaltsersparnis (156,96 Euro pro Monat; in Summe für das Jahr 2020 somit 470,88 Euro) und nach Abzug des Bundespflegegeldes (5.426,60 Euro) verbleibt von diesen Heimkosten ein Betrag von 1.186,19 Euro.

Die vom Beschwerdeführer im Jahr 2020 bezahlten Zahnarztkosten und sonstigen Heilbehandlungskosten (in Summe 572,60 Euro) stehen nicht in Zusammenhang mit der Behinderung des Beschwerdeführers.

Die Summe der vom Beschwerdeführer im Jahr 2020 erfolgten Zahlungen für Versicherungsprämien und -beiträge (freiwillige Kranken-, Unfall-, Lebensversicherung, Hinterbliebenenversorgung und Sterbekassen), Pensionskassenbeiträge und freiwillige Höherversicherung im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung betrug 1.526,76 Euro.

Der Beschwerdeführer erhielt im Jahr 2020 neben seinen österreichischen Pensionsbezügen auch Rentenzahlungen im Gesamtbetrag von 1.812,24 Euro von der Deutschen Rentenversicherung Bund.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf den von der belangten Behörde vorgelegten Aktenteilen und den vom Bundesfinanzgericht durchgeführten, unter Punkt I beschriebenen Beweisaufnahmen. Die Sachverhaltsfeststellungen wurden den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom Bundesfinanzgericht im Zuge des von ihm durchgeführten Ermittlungsverfahrens vorgehalten. Es wäre somit gegebenenfalls Sache der Parteien gewesen, sich mit dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen auseinander zu setzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen. Da den Sachverhaltsfeststellungen weder von der beschwerdeführenden Partei noch von der Amtspartei entgegengetreten wurde, können diese gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen

3.1.1. Rechtsgrundlagen

Nach § 34 Abs 1 Satz 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.

Nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach § 34 Abs 4 Satz 1 EStG 1988 wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (Abs 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen selbst und eines Sanierungsgewinnes (§ 36) zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Gemäß § 34 Abs 6 EStG 1988 können ua folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

§ 35 Abs 1 EStG 1988 lautet wie folgt:

"§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners (§ 106 Abs. 3) oder

- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu."

Nach § 35 Abs 5 EStG 1988 können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs 6).

Auf Grund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430, deren § 1 - soweit für den Beschwerdefall relevant - folgenden Wortlaut hat:

"§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

...

so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt.

(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen."

§ 2 Abs 1 der genannten Verordnung bestimmt ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten zu berücksichtigende Pauschbeträge pro Kalendermonat als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung bei näher genannten Krankheiten, während § 3 der Verordnung im ersten Absatz für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, zur Abgeltung der Mehraufwendungen für gesonderte Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, einen monatlichen Freibetrag festsetzt und im zweiten Absatz für einen Gehbehinderten mit einer mindestens 50 %igen Erwerbsminderung, der über kein eigenes Kraftfahrzeug verfügt, die Berücksichtigung der Aufwendungen für Taxifahrten bis zu einem monatlichen Betrag anordnet. Nach § 4 dieser Verordnung sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

3.1.2. Erwägungen

Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit von Kosten der Heilbehandlung nach § 4 der Verordnung BGBl 1996/303 ist, dass diese in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Kosten der Heilbehandlung ohne Abzug eines Selbstbehalts sind somit nur dann zu berücksichtigen, wenn Krankheitskosten als unmittelbare Folge aus einer Behinderung vorliegen (vgl , mwN).

Bei den vom Beschwerdeführer im Jahr 2020 getragenen Zahnarztkosten und sonstigen Heilbehandlungskosten (in Summe 572,60 Euro) ist folglich - mangels Nachweis eines Zusammenhangs mit der Behinderung des Beschwerdeführers - ein Selbstbehalt zu berücksichtigen. Da das Einkommen des Beschwerdeführers vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen mehr als 14.600,- Euro beträgt und sich der Selbstbehalt somit gemäß § 34 Abs 4 EStG 1988 auf 10% des Einkommens des Beschwerdeführers beläuft, sind insoweit bei der Ermittlung des Einkommens des Beschwerdeführers keine außergewöhnlichen Belastungen abzuziehen.

Betreffend die dem Beschwerdeführer im Jahr 2020 erwachsenen Pflege- und Heimkosten ist wie folgt auszuführen:

Aus der Bestimmung des § 35 EStG 1988 ergibt sich, dass aus dem Titel einer Behinderung entstehende Kosten grundsätzlich entweder in Form eines Freibetrages nach § 35 Abs 3 EStG 1988 (gestaffelt nach dem auf Grund einer amtlichen Bescheinigung iSd § 35 Abs 4 leg cit nachzuweisenden Grad der Behinderung) oder (wahlweise) in tatsächlicher Höhe als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Kosten einer Behinderung können bereits im Zusammenhang mit einer Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit entstehen, wenn jemand - behinderungsbedingt - nicht mehr in der Lage ist, den Haushalt selbst zu führen und daher auf eine Betreuung, wie sie in einem Alters- oder Pflegeheim typisch ist, angewiesen ist. In diesem Fall steht es dem behinderten Steuerpflichtigen iSd § 35 EStG 1988 nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch frei, die tatsächlichen Kosten einer Heimunterbringung (auch in Form der Unterkunft und Verpflegung, soweit diese Kosten über die Haushaltsersparnis hinausgehen) als außergewöhnliche Belastung geltend zu machen (vgl zum Ganzen , mwN).

Vor diesem Hintergrund können im vorliegenden Fall die dem Beschwerdeführer erwachsenen, die erhaltenen pflegebedingten Geldleistungen (hier: Bundespflegegeld) und die Haushaltsersparnis übersteigenden Pflege- und Heimkosten ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden (vgl zum Ganzen auch Vock in Jakom EStG 2020 § 35 Rz 13 mwN). Ein Freibetrag gemäß § 35 Abs 3 EStG 1988 kann im Beschwerdefall demgegenüber von vorneherein nicht berücksichtigt werden, da dieser gemäß § 35 Abs 1 EStG 1988 nur dann zustünde, wenn der Beschwerdeführer keine pflegebedingte Geldleistung erhalten würde und ist das oben beschriebene Wahlrecht im Beschwerdefall somit insoweit eingeschränkt.

3.2. Sonderausgabenviertel

§ 18 Abs 3 EStG 1988 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung lautet:

"In Ergänzung des Abs. 1 wird bestimmt:

Ausgaben im Sinne des Abs. 1 Z 2, 3 und 5 kann der Steuerpflichtige auch dann absetzen, wenn er sie für seinen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) und für seine Kinder (§ 106) leistet.

Für Ausgaben im Sinne des Abs. 1 Z 2 bis 4 mit Ausnahme der Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung und vergleichbarer Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen besteht ein einheitlicher Höchstbetrag von 2 920 Euro jährlich. Dieser Betrag erhöht sich

- um 2 920 Euro, wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdiener- oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht und/oder

- um 1 460 Euro bei mindestens drei Kindern (§ 106 Abs. 1 und 2). Ein Kind kann nur bei der Anzahl der Kinder eines Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. Kinder, die selbst unter das Sonderausgabenviertel fallende Sonderausgaben geltend machen, zählen nicht zur Anzahl der den Erhöhungsbetrag vermittelnden Kinder.

Sind diese Ausgaben insgesamt

- niedriger als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel der Ausgaben, mindestens aber der Pauschbetrag nach Abs. 2, als Sonderausgaben abzusetzen,

- gleich hoch oder höher als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel des Höchstbetrags als Sonderausgaben abzusetzen (Sonderausgabenviertel).

Beträgt der Gesamtbetrag der Einkünfte mehr als 36 400 Euro, vermindert sich das Sonderausgabenviertel gleichmäßig in einem solchen Ausmaß, dass sich bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 60 000 Euro ein absetzbarer Betrag in Höhe des Pauschbetrages nach Abs. 2 ergibt. "

Da der Gesamtbetrag der Einkünfte im vorliegenden Fall nicht mehr als 36.400,- Euro beträgt, ist nach der Maßgabe der oa gesetzlichen Bestimmungen - in Übereinstimmung mit der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde - ein Viertel der vom Beschwerdeführer getätigten Ausgaben, somit ein Betrag von 381,69 Euro, als Sonderausgaben abzusetzen.

3.3. Deutsche Rentenbezüge

Die vom Beschwerdeführer im Jahr 2020 von der Deutschen Rentenversicherung Bund erhaltenen Zahlungen dürfen gemäß Art 18 DBA Deutschland zwar nur in Deutschland besteuert werden. Gemäß Art 23 Abs 2 lit d DBA Deutschland dürfen allerdings Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden (Progressionsvorbehalt).

Gemäß § 2 EStG 1988 unterliegt das gesamte in- und ausländische Einkommen der Einkommensteuer. Bei der Anwendung des Progressionsvorbehaltes wird das (Gesamt-)Einkommen nach den Vorschriften des österreichischen EStG ermittelt und wird auf die der Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte jener Steuersatz angewendet, der sich auf das gesamte in- und ausländische Einkommen ergibt (vgl zB , mwN).

Betreffend die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes wird auf das beiliegende Berechnungsblatt verwiesen.

3.4. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen waren, folgt das Bundesfinanzgericht der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 34 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 4 Satz 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 Abs. 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 18 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100319.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at