Nichtbefolgung Mängelbehebungsauftrag
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019 und 2020 beschlossen:
I)
Die Beschwerde gilt gemäß § 85 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) als zurückgenommen.
II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Die Beschwerde fällt in die Zuständigkeit des Fachgebietes FE 2 und damit in die Zuteilungsgruppe 7002. Auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie der Gerichtsabteilung 7013 zur Entscheidung zugewiesen.
1. Aktenstand
Die bekämpften Erstbescheide vom ergingen nachdem die Beschwerdeführerin (kurz Bf.) trotz Aufforderung vom keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte. Sie wurden laut den Angaben der Bf. am (mit normalem Fensterkuvert) zugestellt und rechtzeitig mit Beschwerden (via FinanzOnline) vom bekämpft. Die Begründung der Beschwerden lautete nur:
"Hiermit lege ich Beschwerde gegen den im Betreff genannten Bescheid vom ein. Die Belege habe ich Ihnen per Post geschickt."
Mit Mängelbehebungsauftrag vom wies das Finanzamt Österreich (kurz FA) die Bf. darauf hin, dass den Beschwerden
die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird,
die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden,
und eine Begründung fehlen.
Das FA forderte die Bf. auf, die angeführten Mängel gemäß § 85 Abs. 2 BAO bis zum zu beheben. Bei Versäumung dieser Frist gelte das Anbringen als zurückgenommen.
Den Akten ist keine Reaktion der Bf. auf diese Aufforderung zu entnehmen.
Das FA erließ daraufhin zwei mit datierte Beschwerdevorentscheidungen und erklärte die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 als zurückgenommen. Die Bf. habe dem Auftrag, die Mängel Ihrer Beschwerde zu beheben, nicht entsprochen. Daher sei gem. § 85 Abs. 2 BAO mit Bescheid auszusprechen, dass die Beschwerden als zurückgenommen gelten.
Die Bf. beantragte am via FinanzOnline die Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht und führte aus:
"In Bezug auf Ihr Schreiben vom . Ich habe am Beschwerde gegen den Bescheid vom eingereicht und die Belege, die zu berücksichtigen sind mit der Post an Sie geschickt. Warum werden diese Belege nicht berücksichtigt."
Im Anschluss daran schrieb die Bf. am (Eingangsstempel ) an das FA z.H. Frau ***VN*** ***Bearbeiterin FA***, einer im Bereich der Abgabensicherung tätigen Bediensteten:
"Ich beziehe mich auf Ihr Schreiben vom , das ich erst am erhalten habe mit einem anderen Schreiben vom Finanzamt vom . Wie kann das sein, dass es fast 2 Wochen dauert bis die Schreiben bei mir ankommen? In Ihrem Schreiben fordern Sie die Bezahlung des Rückstands auf meinem Abgabekonto. Ich war vom bis im Krankenhaus und in der REHA in ***Ort A***. Leider habe ich bemerkt, dass meine an Sie gesendeten Rechnungen betreffend meiner Krankheitskosten 2019 und 2020 wieder, wie bereits bei der Berechnung von 2017 und 2018, nicht berücksichtigt wurden. Es ist sehr schade, dass so mit 75jähjgen Bürgern umgegangen wird. Ich kenne mich leider im Steuerwesen nicht sehr gut aus, jedoch hilft mir die Tochter meiner Freundin. Sie hat alles sortiert und die Rechnungen betreffend 2016-2020 an sie gesendet. Die Kosten wurden nur bei der Berechnung von 2016 berücksichtigt. Da ich im Juli auch schon bereits von Ihnen eine Zahlungsaufforderung bekommen habe und ich Angst bekommen habe, habe ich alles bezahlt, obwohl, wie mir die Tochter meiner Freundin jetzt gesagt hat, dass die Rechnungen nicht berücksichtigt waren. Ich werde alle Rechnungen nochmal an Sie schicken und bitte um Berücksichtigung."
Das FA legte die Beschwerden mit an das Bundesfinanzgericht vor und stellte den Akteninhalt dar. Es wies darauf hin, weder in der Scanstelle des Finanzamtes Österreich noch bei Fr. ***Bearbeiterin FA*** lägen Unterlagen von der Bf. auf.
Zur Veranlagung 2016 wurde angemerkt, dass die Bf. mit Beschwerde die Berücksichtigung vom Kirchenbeitrag und von Krankheitskosten beantragt habe. Die Krankheitskosten hätten jedoch den Selbstbehalt nicht überstiegen und seien somit ohne steuerliche Auswirkung geblieben.
Das FA wies darauf hin, dass es dann, wenn ein berechtigter Mängelbehebungsauftrag nicht beantwortet wird, verpflichtet sei die Zurücknahme der Berufung (gemeint wohl Beschwerde) festzustellen. Die Beweislast für das Einlangen eines Schriftstückes bei der Behörde treffe den Absender. Selbst wenn Unterlagen (Belege und Rechnungen) der Bf. eingetroffen wären, hätte dies nach Ansicht des FA vermutlich nicht zu einer vollständigen Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages geführt, sodass die Beschwerden weiterhin als zurückgenommen gelten würden.
Das FA beantragte abschließend, die Beschwerden als zurückgenommen zu erklären.
Das Bundesfinanzgericht forderte die Bf. mit Beschluss vom bis zur Ergänzung des Aktenstandes auf. Es hielt fest, dass es unstrittig sei, dass der Beschwerde nicht zu entnehmen war, in welchen Punkten die Einkommensteuerbescheide angefochten werden, welche Änderungen beantragt werden und warum dies so ist. Die Bf. habe zwar im Vorlageantrag behauptet, sie habe die angeforderten Belege mit der Post an das FA geschickt, sie habe aber nicht vorgebracht, dass die notwendigen Erklärungen abgegeben worden seien. Beim FA seien nach den Recherchen des FA weder Belege noch irgendwelche Schreiben dazu ein.
Im Schreiben an die Abgabensicherung sei zwar behauptet worden, die Tochter einer Freundin habe alles sortiert und die Rechnungen betreffend 2016-2020 an das FA gesendet, es sei aber niemals vorgebracht worden, dass auch ein Schreiben mit der Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden, sowie einer Begründung angeschlossen gewesen sei.
Auffällig sei, dass für das Jahr 2016 aufgrund eines Vorhaltes vom tatsächlich am (also noch vor der Aufforderung durch das FA zur Abgaben der Einkommensteuererklärungen 2019 und 2020 vom ) Belege eingereicht worden seien. Unter diesen Belegen fände sich zwar eine Bestätigung über bezahlte Kirchenbeiträge für 2016 bis 2021, aber keine weiteren Belege für die Streitjahre. Die Bf. wurde deshalb zur Beantwortung der folgenden Fragen bzw. um Vorlage der folgenden Unterlagen aufgefordert:
[Anforderung 1]Welche konkreten Belege sollen von Ihnen an das FA geschickt worden sein?
[Anforderung 2]Haben sie die Belege allein oder mit einem Begleitschreiben an das FA gesendet?
[Anforderung 3]Falls es ein solches Begleitschreiben gab, legen Sie bitte eine Kopie vor.
[Anforderung 4]Legen Sie bitte einen Nachweis vor, aus dem hervorgeht,
- auf welchem Weg (Einwurf in Postkasten, Einschreiben bei der Post)
- Sie wann genau
- welche konkreten Belege und
- welche konkreten Schreiben
an das Finanzamt gesendet haben sollen.
Weiters wies das Bundesfinanzgericht darauf hin, dass die Kirchenbeiträge in den bekämpften Bescheiden 2019 und 2020 zur Gänze berücksichtigt worden seien. Krankheitskosten könnten sich im Regelfall nur dann auswirken, wenn sie einen Selbstbehalt übersteigen, der in den Jahre 2019 und 2020 für die Bf. gem. § 34 Abs. 3 EStG 1988 grundsätzlich 12% des Einkommens (inkl. Sonderzahlungen) vor Abzug außergewöhnlicher Belastungen betrug. Nur dann, wenn die selbst zu tragenden Kosten diesen Selbstbehalt überschritten, könnten sich Zahlungen einkommensteuerlich auswirken. Der Selbstbehalt errechne sich nach dem Akteninhalt mit den folgenden Werten:
Am verständigte das FA das Bundesfinanzgericht davon, dass die Bf. mit Schriftsatz vom (Eingangsstempel des FA vom ) Behandlungsrechnungen etc. über insgesamt EUR 2.876,55 für 2017, EUR 305,68 für 2018, EUR 902,07 für 2019 und EUR 913,18 für 2020 nachgereicht habe.
Am erreichte das Bundesfinanzgericht ein undatiertes Schreiben der Bf. folgenden Inhalts:
"Anbei die von Ihnen geforderten Unterlagen. Ich bin 75 Jahre alt und mir ist auch bewusst, dass ich einen Betrag bezahlen muss. Nur das grundsätzliche Vorgehen von seitens des Finanzamtes ist unerhört. Es wird innerhalb eines Jahres ein Gesamtbetrag von ca. € 17.000,00 für 5 Jahre rückwirkend gefordert, nur weil verabsäumt wurde, die Beträge jedes Jahr zu fordern. Ich habe bis dato noch nie in meinem Leben eine Einkommenssteuererklärung gemacht, weil ich mich leider nicht auskenne, und dadurch den Staat wahrscheinlich auch viel Geld geschenkt habe. Dieses Jahr habe ich die erste Aufforderung zum Abgeben einer Steuererklärung bekommen, die Jahre zuvor wurde mir keine Aufforderung geschickt. Da ich mich nicht ausgesehen habe und der Service beim Finanzamt nicht unbedingt freundlich und hilfsbereit ist bzw. es schier unmöglich ist jemanden telefonisch zu erreichen, habe ich die Tochter einer Freundin um Hilfe gebeten. Ich habe mehrere Schreiben an das Finanzamt geschickt und das meiste hat die Tochter über das Finanzonline eingegeben (das ist ja für Sie ersichtlich). Die letzten zwei Schreiben habe ich mit Rückschein an das Finanzamt geschickt, da ja immer wieder gesagt wurde, dass diese nicht angekommen sind. Die Briefe vom Finanzamt kommen auch gar nicht oder sehr verspätet an. Da sollte man auch mal was an der Organisation machen. Ich habe auch um eine Aufstellung der Forderungen gebeten und wie meine letzten Zahlungen verbucht worden sind, diese habe ich auch bis dato nicht erhalten."
Dazu legte die Bf. Kopien von Belegen für die Jahre 2017 bis 2020 vor. Die auf 2019 und 2020 entfallenen Beträge liegen dabei weit unter dem oben errechneten Selbstbehalt.
Diesem Schreiben waren weder Postaufgabescheine angefügt noch beinhaltete es die Behauptung, dass die Fragen im Mängelbehebungsauftrag des FA rechtzeitig beantwortete worden wären.
2. Rechtslage
§ 250 Abs. 1 BAO sieht vor, dass eine Bescheidbeschwerde vier Bestandteile zu enthalten hat:
a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d) eine Begründung.
Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde zwar nicht zur Zurückweisung, sie hat aber dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Nur dann, wenn die Mängel rechtzeitig behoben werden, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht (§ 85 Abs. 2 BAO).
Wird einem (rechtmäßigen) Mängelbehebungsauftrag
nicht zeitgerecht,
überhaupt nicht oder
unzureichend entsprochen (z.B. ),
so ist mit Bescheid (Zurücknahmebescheid; vgl. z.B. Ritz in Stoll-FS, 355) auszusprechen, dass die Eingabe (hier die Beschwerde) als zurückgenommen gilt (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 85 Tz 18).
Die Beweislast für das Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde trifft nach der Judikatur den Absender (Hinweis auf ). Hierfür reicht der Beweis der Postaufgabe nicht (vgl. ; , 2010/17/0067; , 2008/13/0149; , 2009/13/0001). Auch wenn üblicherweise der Post übergebene, nicht bescheinigte Briefsendungen den Adressaten erreichen, ersetzt diese Erfahrungstatsache den Beweis des Einlangens nicht (Ritz/Koran, BAO7, § 108 Tz 10 unter Hinweis auf ; vgl auch , JBl 1984, 487)
3. Rechtliche Würdigung
Hier steht fest, dass der Beschwerde neben einer Begründung Angaben darüber fehlten, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden.
Der Bf. wurde vom FA mit Mängelbehebungsauftrag vom zur Behebung dieser Mängel bis aufgefordert, was ohne Reaktion der Bf. blieb. Auch nachdem die Beschwerde mangels Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages mit zwei Beschwerdevorentscheidungen vom als zurückgenommen erklärt worden waren, bestritt die Bf. in den beiden Vorlagenanträgen nicht, dass dieser Mängelbehebungsauftrag an sie zugestellt wurde. Sie brachte nur vor, sie habe Beschwerde eingebracht und die Belege, die zu berücksichtigen sind, mit der Post an das FA geschickt.
Einen Nachweis über diese Tatsache sowie darüber, dass neben den Belegen auch eine Begründung sowie eine Erklärung in welchen Punkten der Bescheid angefochten werde und welche Änderungen beantragt werden, eingebracht wurden, blieb die Bf. - auch noch nach der Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht - schuldig.
Die Beschwerde war deshalb zwingend als zurückgenommen zu erklären, weshalb die Absetzbarkeit der Zahlungen, die von der Bf. mit dem Schriftsatz vom vorgelegt wurden, nicht mehr zu beurteilen waren. Das Bundesfinanzgericht erlaubt sich dennoch den Hinweis, dass sich die Zahlungen nur dann auswirken hätten können, wenn sie den oben dargestellten Selbstbehalt überstiegen hätten.
4. Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).
Gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.
Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100399.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at