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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.01.2023, RV/7101044/2022

1. Scheidungsverfahren außergewöhnliche Belastung, 2. Alleinerzieherabsetzbetrag im Jahr der Scheidung, 3. Werbungs- und Krankheitskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.


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Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Bezugsauszahlende Stelle
Stpfl. Bezüge (245)
AB
4.815,44 €
CD
18.595,59 €
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte
-333,55 €
23.077,48 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
23.077,48 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Viertel der Aufwendungen für Personenversicherungen, Wohnraumschaffung und -sanierung (Topf-Sonderausgaben)
-730,00 €
Zuwendungen gem. § 18 (1) Z 7 EStG 1988
-120,00 €
Kirchenbeitrag
0,00 €
KrankheitskostenSelbstbehaltes (§34 (4) EStG 1988)
-339,73
+339,73
Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind gem. § 106a Abs. 1 EStG 1988
-440,00 €
Einkommen
21.787,48 €
Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
0% für die ersten 11.000,00
0,00 €
25% für die weiteren 7.000,00
1.750,00 €
35% für die restlichen 3.787,48 €
1.325,62 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
3.075,62 €
Verkehrsabsetzbetrag
-400,00 €
Alleinerzieherabsetzbetrag
-494,00 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
2.181,62 €
Die Steuer für sonstige Bezüge beträgt:
0% für die ersten 620,00 €
0,00 €
6% für die restlichen 3.033,22
181,99 €
Einkommensteuer
2.363,61 €
Anrechenbare Lohnsteuer (260)
-2.577,62 €
+0,01 €
Festgesetzte Einkommensteuer
-214,00 €

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog im streitgegenständlichen Jahr ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2018 beantragte die Bf. den Alleinerzieherabsetzbetrag, Werbungskosten in Höhe von € 333,55 (Arbeitsmittel in Höhe von € 19,35 und sonstige Werbungskosten in Höhe von € 314,20), außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 339,73 (Krankheitskosten in Höhe von € 204,73 und für den Sohn in Höhe von € 135,00) sowie sonstige außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren (Anwaltskosten) in Höhe von € 4.442,87.

Mit Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) vom wurden zunächst alle geltend gemachten Kosten anerkannt. Lediglich der Alleinerzieherabsetzbetrag wurde nicht anerkannt, da die Bf. im Veranlagungsjahr mehr als 6 Monate in einer Gemeinschaft mit einem Ehepartner gelebt habe.

Mit Eingabe vom erhob die Bf. rechtzeitig gegen den oa Bescheid Beschwerde und begehrte ua die Anerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bescheidbegründung nicht richtig sei. Tatsache sei, dass die Scheidung am rechtskräftig geworden sei. Ihr Gatte habe im Veranlagungsjahr nachweislich nicht in der gemeinsamen Wohnung gewohnt, sondern im Haus seiner Mutter. Sie habe am den Mietvertrag für eine neue Wohnung (Adr. Bf.) unterzeichnet und bezogen. Daher sei der Sachverhalt lt. LStRL Rz 779ff als Tatbestandsmerkmal maßgebend und dem Alleinerzieherabsetzbetrag sei stattzugeben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die oa Werbungskosten und die außergewöhnliche Belastung nicht zuerkannt. Begründend wurde ausgeführt:

"In Ihrer Beschwerde wurde der Alleinerzieherabsetzbetrag beantragt. Angeführt wurde, dass Sie vom Ehemann getrennt gelebt haben, da der Ehemann nachweislich bei seiner Mutter und nicht mit Ihnen im gemeinsamen Haushalt gewohnt hat.

Da dies nicht dem Aktenstand des Finanzamtes entsprach, wurden Sie mit Ergänzungsersuchen vom aufgefordert, die getrennte Haushaltsführung nachzuweisen. In diesem Ergänzungsersuchen wurden Sie auch aufgefordert, Ihre steuerlichen Abschreibungen (Werbungskosten, außergewöhnliche Belastungen) nachzuweisen. Die Frist zur Beantwortung war der .

Das Ergänzungsersuchen wurde per RSb versendet und am persönlich übernommen. Das Ergänzungsersuchen wurde nicht beantwortet.

Alleinerzieherabsetzbetrag:

Gem. § 33 EStG steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag dann zu, wenn für zumindest 1 Kind für mehr als 6 Monate im Kalenderjahr die Familienbeihilfe bezogen wurde und für mehr als 6 Monate kein gemeinsamer Haushalt mit einem (Ehe)Partner bestand.

Da kein Nachweis über eine getrennte Haushaltsführung für das Jahr 2018 vorgelegt wurde, konnte der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag nicht gewährt werden.

Werbungskosten und außergewöhnliche Belastungen:

Es wurden Werbungskosten (Arbeitsmittel: € 19,34, sonstige Werbungskosten: € 314,20) und außergewöhnliche Belastungen (Krankheitskosten € 204,73, andere außergew. Belastungen: € 4.442,87, Krankheitskosten Kind: € 135.-) beantragt.

Trotz Aufforderung (s. oben) erfolgte kein Nachweis über diese Abschreibungen.

Die Werbungskosten und die außergewöhnlichen Belastungen können daher nicht gewährt werden, bzw. muss eine Rückforderung erfolgen."

Festzuhalten ist, dass der Vorhalt vom nachweislich am zugestellt wurde.

Mit Eingabe vom stellte die Bf. rechtzeitig einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und verzichtete darin ausdrücklich auf die Geltendmachung des Alleinerzieherabsetzbetrages, da die geforderten Nachweise betreffend des Wohnsitzwechsels des Ex-Gatten nicht erbracht werden können, da dieser nicht bereit sei den offiziellen Wohnsitzwechsel zu bestätigen.

Hinsichtlich der vom Finanzamt nicht anerkannten Werbungskosten und außergewöhnlichen Belastungen lege sie diesem Schreiben die geforderten Nachweise bei.

Betreffend Werbungskosten teile sie mit, dass sie als Ordinationsmanagerin tätig sei und daher auch von zu Hause oder unterwegs erreichbar sein müsse. Dazu benötige sie ein eigenes rein beruflich genutztes Handy und einen zu 50% beruflich genutzten Internetzugang. Der Arbeitgeber habe diese Dinge nicht zur Verfügung gestellt.

Zu den außergewöhnlichen Belastungen sei zu ergänzen, dass die Scheidung wegen des alleinigen Verschuldens ihres Ex-Ehegatten erfolgte sei und ihr das Scheidungsverfahren durch die Klage ihres Ex-Ehegatten aufgezwungen worden sei. Sie lege diesbezüglich auch das Scheidungsurteil bei.

Ergänzend sei noch festzuhalten, dass aufgrund des seit langem zerrütteten Verhältnisses mit ihrem Ex-Gatten die geforderten Nachweise betreffend seines Wohnsitzwechsels nicht erbracht werden können, da er nicht bereit sei den offiziellen Wohnsitzwechsel zu bestätigen. Auf die Geltendmachung des Alleinerzieherabsetzbetrags für 2018 wird daher verzichtet.

Abschließend stellte die Bf. einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat.

Mit Bericht vom legte das Finanzamt Österreich die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor und beantragte hinsichtlich der nachgewiesenen Aufwendungen von Werbungskosten und Krankheitskosten die Anerkennung, hinsichtlich der Berücksichtigung der Anwaltskosten im Scheidungsverfahren begehrte das Finanzamt die Abweisung.

Im Zuge des Verfahrens vor dem BFG teilte die Bf. telefonisch mit, dass es keine - wie dem Erkenntnis des , zugrundeliegenden - außergewöhnlichen Umstände (Körperverletzung usw.) gegeben hat. Die Bf. betonte noch einmal, dass ihr das Scheidungsverfahren durch die Klage des Ex-Mannes aufgezwungen worden sei (s. AV vom ).

Mit Eingabe vom verzichtete die Bf. auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass dem steuerlichen Vertreter die Vollmacht entzogen worden sei und die Bf. erbitte nun eine Zustellung an sie.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. beantragte im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung den Alleinerzieherabsetzbetrag, Werbungskosten (Arbeitsmittel iHv € 19,34, sonstige Werbungskosten iHV € 314,20) außergewöhnliche Belastungen (Krankheitskosten iHv € 204,73, Krankheitskosten Kind iHv € 135,00) und andere außergewöhnliche Belastungen iHv € 4.442,87 (Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren).

Das Finanzamt anerkannte zunächst alle geltend gemachten Kosten außer dem Alleinerzieherabsetzbetrag.

In der Beschwerdevorentscheidung wurden die Krankheitskosten und Werbungskosten nicht mehr berücksichtigt. Ebenso wurden die außergewöhnliche Belastung (Scheidungsverfahren) und der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht anerkannt.

Im Zuge des Vorlageantrages brachte die Bf. entsprechende Nachweise für die oa Werbungskosten und Krankheitskosten. Auf die Geltendmachung des Alleinerzieherabsetzbetrages wurde seitens der Bf. im Vorlageantrag ausdrücklich verzichtet.

Im Vorlagebericht beantragte das Finanzamt die Anerkennung der nachgewiesenen Aufwendungen von Werbungs- und Krankheitskosten, hinsichtlich der Berücksichtigung der Anwaltskosten im Scheidungsverfahren begehrte das Finanzamt die Abweisung.

Im Scheidungsurteil ***1*** vom wurde wie folgt ausgeführt:

"…Gemäß § 55 Abs. 1 EheG kann jeder Ehegatte wegen tiefgreifender und unheilbarer Zerrüttung der Ehe die Scheidung begehren, wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit 3 Jahren aufgehoben ist. Gemäß § 61 Abs. 3 ist auf Antrag des Beklagten im Urteil auszusprechen, wenn der Kläger die Zerrüttung alleine oder überwiegend verschuldet hat.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien eingestanden, dass die häusliche Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren aufgehoben ist und sich der Kläger gegenüber der Beklagten lieb und interessenslos verhalten hat. Daraus resultiert einerseits, dass der Tatbestand des § 55 Abs. 1 EheG erfüllt ist. Andererseits ergibt sich daraus, dass den Kläger an der Zerrüttung der Ehe das alleinige Verschulden trifft."

2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

2.1. Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastung:

Die rechtlichen Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung dieser Ausgaben als außergewöhnliche Belastung sind in § 34 EStG 1988 geregelt.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, wenn sie außergewöhnlich (Abs.2) und zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) sind und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Aufwendungen sind nach Abs. 2 nur insoweit außergewöhnlich, als sie höher sind als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und gleicher Vermögensverhältnisse erwachsen.

Nach § 34 Abs. 3 erwächst eine Belastung zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Eine Belastung erwächst nicht zwangsläufig, wenn sie sonst unmittelbare Folge eines Verhaltens ist, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat ( betr. Aufwendungen im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung; Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG, § 34 Tz. 26).

Aus der Wortfolge, ".....wenn er (der Steuerpflichtige) sich ihr.....nicht entziehen kann", ergibt sich, dass hier freiwillig getätigte Aufwendungen ebensowenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden, oder sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat ().

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem kürzlich ergangenen Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0047, ausgeführt:

"…Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erwachsen Prozesskosten im Allgemeinen nicht zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG 1988; eine allgemeine Regel lässt sich allerdings bei aufgezwungener Prozessführung nicht aufstellen. Zwangsläufigkeit von Prozesskosten wird stets dann verneint, wenn die Prozessführung auf Tatsachen zurückzuführen ist, die von Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (vgl. ,mwN).

Selbst wenn eine aufgezwungene Prozessführung vorliegt, sind damit verbundene Anwaltskosten grundsätzlich nicht zwangsläufig, wenn im geführten Verfahren keine absolute Anwaltspflicht besteht (vgl. R0 2018/13/0002, mwN): Eine Zwangsläufigkeit kann allerdings gegeben sein, wenn im konkreten Fall das Einschreiten eines Rechtsanwaltes trotz fehlender Anwaltspflicht aus besonderen Gründen unbedingt erforderlich ist (vgl. ; , Ro 2018/13/0002)…."

In diesem Zusammenhang wurde von der Bf. vorgebracht, dass die Scheidung wegen des alleinigen Verschuldens ihres Ex-Gatten erfolgt sei und ihr das Scheidungsverfahren durch die Klage ihres Ex-Gatten aufgezwungen worden sei.

Im Erkenntnis vom , Ro 2018/13/0002, hat der VwGH zur Frage einer "aufgezwungenen" Prozessführung in einem Kontaktrechtsstreit Folgendes ausgeführt, dass je nach Lage des Falles eine "aufgezwungene" Prozessführung vorliegen kann(vgl. , VwSlg. 8846/F). Allerdings sind die damit verbundenen (auch außergerichtlichen) Rechtsanwaltskosten - mangels Anwaltspflicht- grundsätzlich nicht zwangsläufig.

Nach Ansicht des BFG bedeutet dies, dass nur bei Vorliegen besonders außergewöhnlichen Sachverhaltskostellationen das Kriterium der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten erfüllt sein kann.

Ein solch außergewöhnlicher Fall lag dem Erkenntnis zugrunde, wie sich aus dem entsprechenden Sachverhalt ergibt (entnommen aus ): "…Wie bereits oben angeführt wurde, brachte die nunmehr bereits geschiedene Frau von Herrn Bw am die Scheidungsklage ein und erstattete zahlreiche Strafanzeigen. Das bedeutet, dass Herrn Bw zahlreiche Prozesse aufgezwungen wurden. Unser Klient wollte keine Scheidung. Er war von der Entscheidung seiner Frau völlig überrascht, da er seine Ehe für glücklich hielt. Herr Bw war somit zwangsläufig gezwungen, sich gegen die zahlreichen Strafanzeigen, gegen die Schmerzensgeldklage und gegen rund 20 Exekutionsanträge zur Wehr zu setzen. Die Inhalte dieser Anzeigen waren Körperverletzung, gefährliche Drohungen, Mordabsichten gegenüber den Kindern, Entführungsabsichten, Unterhaltsverletzungen, Treuelosigkeit, soziale Isolierung, Verschweigung der Einkommens- und Vermögenslage, Geldentzug, ständige Erniedrigungen, keine Geschenke, keine Gratulation zu Geburtstagen und Hochzeitstagen bis hin zum Vorwurf des andauernden lieblosen Verhaltens. Gerne sind wir bereit entsprechende Unterlagen (Anzeigen, Honorarnoten ...) vorzulegen. Nicht nur die völlig unerwartete Scheidungsklage, sondern vor allem der Inhalt der diversen Anzeigen sowie die örtliche Trennung von seinen drei minderjährigen Kindern stellten für unseren Klienten eine persönliche Tragödie dar. Im Zuge der diversen Verfahren wurden alle Anschuldigungen Schritt für Schritt widerlegt. Alle Strafverfahren wurden entweder eingestellt oder endeten mit einem Freispruch, das bedeutet Herr Bw obsiegte bei den diversen Verfahren."

Der VwGH hat in diesem Fall der außergewöhnlichen Vorgeschichte mit den massiven Anschuldigungen eine besondere Bedeutung beigemessen: "Geht es um die Kosten des Steuerpflichtigen in - wie im vorliegenden Fall - gegen ihn angestrengten Prozessen im Zusammenhang mit der Scheidung, und mündeten die Auseinandersetzungen letztlich in eine einvernehmliche Scheidung, so ist zu prüfen, ob der Steuerpflichtige freiwillig das Risiko eines nicht eindeutig erfolgversprechenden Rechtsstreites eingegangen ist, statt von vornherein eine einvernehmliche Scheidung anzustreben (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom , 84/14/0007, ÖStZB 1986, 214; Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 34 Einzelfälle, Stichwort Prozesskosten). Die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Einzelheiten betreffend den Verlauf der Auseinandersetzungen und das Fehlen von Handlungsalternativen bis kurz vor der einvernehmlichen Scheidung wären für die Prüfung der Frage, ob ihm die geltend gemachten Belastungen "zwangsläufig erwachsen" waren, daher von Bedeutung gewesen (vgl. auch das - eine aktive Klagsführung betreffende - hg. Erkenntnis vom , 89/13/0037, und die dem Erkenntnis vom , 90/13/0034, offenbar zugrunde liegende Annahme eines ehewidrigen Verhaltens und überwiegenden Verschuldens des damaligen Beschwerdeführers)."

Vergleicht man den Sachverhalt, der zu der Entscheidung , geführt hat, mit dem vorliegenden Sachverhalt, muss man bei objektiver Betrachtung nach Ansicht des BFG zum Ergebnis gelangen, dass derartige außergewöhnliche Situationen und Anschuldigungen, die ein kostenintensives "Wehren" als zwangsläufig erscheinen lassen, aus dem vorliegenden Sachverhalt nicht entnommen werden kann.

Aus Sicht der Bf. ist es verständlich, dass sie sich eines rechtlichen Beistandes bedient hat, nachdem sich der Ehegatte rechtsfreundlich vertreten ließ. Das bedeutet aber nicht, dass die Inanspruchnahme eines anwaltlichen Beistandes als außergewöhnlich einzustufen wäre, geschweige denn als zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG 1988.

Zusammenfassend betrachtet entspricht der hier streitgegenständliche Fall dem Standardfall einer Ehescheidung.

Dafür spricht nach Ansicht des BFG auch die Tatsache, dass die Ehe nachweislich zerrüttet war und die Ehegemeinschaft seit mehr als 3 Jahren aufgehoben war. Damit bestand für die Bf. keine notwendige und zwangsläufige Veranlassung einen rechtlichen Beistand hinzuzuziehen, zumal in Österreich bei Scheidungsverfahren keine absolute Anwaltspflicht besteht (s.§ 27 Abs. 2 ZPO iVm § 49 Abs.2 Z 2a SN vgl. auch § 29 Abs. 1 ZPO; VwGH Ra 2020/13/0047). Besondere Gründe dafür, dass trotz fehlender Anwaltspflicht das Einschreiten eines Rechtsanwaltes unbedingt erforderlich gewesen wäre, sind für das BFG aus der Aktenlage nicht ersichtlich und auch seitens der Bf. wurde nur vorgebracht, dass ihr die Prozessführung durch die Klage ihres Ex-Gatten aufgezwungen worden sei und keine außergewöhnlichen Umstände (Körperverletzung usw.) vorgelegen sind.

Damit ist aber auch schon das Schicksal der Beschwerde entschieden:

Eine Belastung erwächst nach der bereits zitierten höchstgerichtlichen Judikatur nicht zwangsläufig, wenn sie unmittelbar Folge eines Verhaltens ist, zu dem sich die Bf. aus freien Stücken entschlossen hat. Die damit im Zusammenhang angefallenen Kosten der Prozessführung können daher nicht als zwangsläufig im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 angesehen werden.

2.2. Werbungskosten:

Das BFG schließt sich der Meinung des Finanzamtes hinsichtlich Anerkennung der mit Belegen nachgewiesenen Werbungskosten an.

2.3. Krankheitskosten:

Auch in diesem Punkt schließt sich das BFG der Meinung des Finanzamtes an, dass die geltendgemachten Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind.

Allerdings ist im Zusammenhang mit den Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung darauf hinzuweisen, dass diese iHv € 339,73 unter dem Selbstbehalt der Bf. für außergewöhnliche Belastung in Höhe von € 2.289,66 liegen und daher keine steuerliche Auswirkung haben.

2.4. Alleinerzieherabsetzbetrag:

Einem Alleinerzieher steht gem. § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Alleinerzieher ist ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1 EStG 1988) mehr als sechs Monate nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt.

Grundsätzlich vorauszuschicken ist, dass lt. den Erläuterungen zur Regierungsvorlage die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages nicht zur Abgeltung von Unterhaltspflichten vorgesehen ist, sondern vielmehr dem Umstand Rechnung trägt, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Person, die alleinstehend Kinder aufzuziehen hat, geringer ist als bei einer in Partnerschaft lebenden Person. Offensichtlich und wohl auch zu Recht geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich durch die Lebensgemeinschaft die finanzielle Lage von Alleinerziehern verbessert. Unmaßgebend dabei ist, ob das Kind (die Kinder) ein gemeinsames Kind (gemeinsame Kinder) ist (sind).

Gem. § 106 Abs. 3 EStG 1988 ist (Ehe)Partner eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit der er mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 33 Abs. 4 EStG 1988 liegt dann vor, wenn zwei Personen in einer Lebensgemeinschaft zusammenleben und das gemeinschaftliche Zusammenleben auf Dauer angelegt ist.

Das Finanzamt gewährte der Bf. den Alleinerzieherabsetzbetrag mit der Begründung nicht, dass kein Nachweis über eine getrennte Haushaltsführung für das Jahr 2018 vorgelegt wurde.

Nach Ansicht des BFG ist dem jedoch entgegenzuhalten, dass aus dem Scheidungsurteil vom klar hervorgeht, dass die häusliche Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren aufgehoben ist. Daraus ergibt sich, dass die Bf. im Jahr 2018 mehr als sechs Monate nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner gelebt hat.

Die Bf. erfüllt daher nach Ansicht des BFG alle Voraussetzungen für die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall lagen keine Rechtsfragen vor, denen grundsätzliche Bedeutung zukam. Vielmehr hing der Beschwerdefall von der Lösung der nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfrage ab.

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise







ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101044.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at