Geschäftsführerhaftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Robert Philipp Arthur Igali-Igalffy, Landstraßer Hauptstraße 34 Tür 12A, 1030 Wien, über die Beschwerden vom und gegen die Haftungsbescheide des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom und betreffend Geschäftsführerhaftung für Kommunalsteuern und Dienstgeberabgaben 2012-2017 sowie Kommunalsteuer 2016 zu den Zahlen ***Zl*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Beschwerdeführers und von RA Mag. Robert Igali-Igalffy für den Beschwerdeführer sowie von Clemens Tomandl und Dr. Desiree Auer-Wächter für den Magistrat der Stadt Wien zu Recht erkannt:
I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Der Beschwerdeführer wird zur Kommunalsteuer in Höhe von € 11.104,28 und zur Dienstgeberabgabe in Höhe von € 214,08 herangezogen. Eine Aufgliederung des Haftungsbetrages findet sich am Ende der Entscheidung, die einen Bestandteil des Spruches bildet.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bericht vom schloss das Finanzamt Wien 4/5/10 eine lohnabhängige Prüfung bei der ***Primärschuldnerin*** (Primärschuldnerin) für den Zeitraum 2012 bis 2015 ab. Gegenstand dieser Prüfung war auch die Kommunalsteuerprüfung der Jahre 2012 bis 2015, die einen Kommunalsteuerfehlbetrag von € 10.616,08 ergab.
Am nahm der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) eine Niederschrift mit einer Mitarbeiterin einer Bilanzbuchhaltungs-KG auf. Darin wurde vermerkt, dass die Kommunalsteuer der Monate Jänner bis April 2017 insgesamt € 178,38 und die Dienstgeberabgabe € 64 betrage und dass seit Mai 2017 keine Dienstnehmer von der Primärschuldnerin mehr beschäftigt wurden.
Mit Bericht vom schloss das Finanzamt Wien 4/5/10 eine lohnabhängige Prüfung bei der Primärschuldnerin für den Zeitraum 2016 ab, die einen Kommunalsteuerfehlbetrag von € 917,36 feststellte.
Vorhalt 1
Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass Kommunalsteuern und Dienstgeberabgaben der Primärschuldnerin aushaften, wodurch seine Haft- und Zahlungspflicht gegeben wäre.
Bescheid 1
Mit Haftungsbescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung von Kommunalsteuern und Nebengebühren in Höhe von € 10.490,67 sowie von Dienstgeberabgabe samt Nebengebühren in Höhe von € 214,08.
Beschwerde 1
Am langte die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid bei der belangten Behörde ein. Die Beschwerde lautet:
"***Bf1*** wurde als vormaliger Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** in Liquidation FN 371409s mittels Haftungsbescheides der Magistratsabteilung 6 vom , welcher ihm am zugestellt wurde, zur Haftung von Abgabenschuldigkeiten herangezogen.
Der Haftungsbescheid wird seinem gesamten Umfang nach gekämpft und dessen ersatzlose Aufhebung begehrt.
Bescheide sind nachvollziehbar zu begründen. Der Haftungsbescheid kommt dieser Begründungsverpflichtung nicht nach. Vielmehr erschöpft sich die Behörde darin, Gesetzesstellen anzuführen.
Im Haftungsbescheid ist die behauptete Haftung des vormaligen Geschäftsführers der Firma ***Primärschuldnerin*** in Liquidation unter Hinweis auf die Gesetzeslage konstruiert.
Dem Haftungsbescheid fehlt jegliches nachvollziehbares Vorbringen, worin das haftungsrelevante Verhalten des Geschäftsführers liegen soll. Wenn überhaupt ein schuldhaftes Verhalten angeführt wäre, so ist anzumerken, dass kein schuldhaftes Verhalten seitens des Beschwerdeführers gesetzt wurde.
Ab dem Zeitpunkt wo dieser festgestellt hat, dass die Firma in Konkurs geht, wurden von ihm überhaupt keine Schulden mehr bezahlt.
Unter Hinweis auf obige Ausführungen wird daher begehrt die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und in dieser den Haftungsbescheid mangels Vorliegen der Voraussetzungen aufzuheben, in eventu teilweise aufzuheben."
Schuldenregulierungsverfahren
Mit Beschluss des BG Innere Stadt vom ***Datum1*** wurde über den Beschwerdeführer ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Innerhalb der Anmeldefrist (bis ) meldete die belangte Behörde einen Betrag in Höhe von € 11.640,46 (bestehend aus € 10.704,75 und € 935,71) an. Mit Beschluss des Bezirksgerichts vom ***Datum2*** wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und die belangte Behörde als Insolvenzgläubigerin aufgefordert, dem Treuhänder eine Kontoverbindung bekannt zu geben. Dieser Aufforderung ist die belangte Behörde mit Schreiben vom nachgekommen.
Vorhalt 2
Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass "Kommunalsteuer lt GPLA" aus dem Jahr 2016 der Primärschuldnerin aushaftet, wodurch seine Haft- und Zahlungspflicht gegeben wäre.
Bescheid 2
Mit Haftungsbescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung für Kommunalsteuern Jänner bis Dezember 2016 und Nebengebühren in Höhe von € 935,71 heran.
Beschwerde 2
Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer nachfolgende Beschwerde: "Innerhalb offener Frist erhebt der Beschwerdeführer gegen den vorgenannten Haftungsbescheid vom des Magistrats der Stadt Wien Magistratsabteilung 6 zu Zahl ***Zl***, mit welchem ihm als Geschäftsführer der Firma ***Primärschuldnerin*** i.L.. vorgeworfen wird, er hätte sich haftbar gemacht, den Rückstand in der Höhe von EUR 935,71 an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen der ***Primärschuldnerin*** i.L für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2016 nicht entrichtet zu haben.
Innerhalb offenstehender offenstehender Frist wird
Beschwerde
erhoben.
Der Haftungsbescheid wird zur Gänze angefochten- und dessen ersatzlose Aufhebung begehrt.
Als Beschwerdegründe werden unrichtige rechtliche Beurteilung sowie Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Ad1) unrichtige rechtliche Beurteilung
Mittels Beschlusses des BG Innere Stadt Wien vom ***Datum1*** wurde das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen von Herrn ***Bf1*** eröffnet.
Der Akt wurde beim BG Innere Stadt Wien zu ***GZ*** bearbeitet.
Der angebotene Zahlungsplan wurde nicht angenommen.
Mit Beschluss vom ***Datum2*** wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Das Schuldenregulierungsverfahren ist rechtskräftig aufgehoben.
Irgendein schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers der ***Primärschuldnerin*** wurde im Zuge des Schuldenregulierungsverfahren nicht festgestellt.
Von einer schuldhaften Verletzung im Sinne des § 6a Abs.1 des Kommunalsteuergesetzes der dem Vertreter auferlegten Pflichten kann gegenständlich auch nicht gesprochen werden.
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 hat daher den § 6a Abs. 1 Kommunalsteuergesetz unrichtig angewendet.
Ad2) Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften
Bescheide sind nachvollziehbar zu begründen und muss von amtswegen der wesentliche Entscheidungssachverhalt festgestellt werden.
Die amtswegige Erforschungspflicht und die Verpflichtung den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln, wurde gegenständlich verletzt.
Der Bescheid hält lediglich fest, dass der nunmehrige Beschwerdeführer Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** war und dass der Rückstand laut Rückstandsausweis gegen den Primärschuldner uneinbringlich sein soll.
Es ist daher falsch, wenn der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 von einem schuldhaften Verhalten des Geschäftsführers der ***Primärschuldnerin*** ausgeht.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der bestehende Rückstand beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 nicht durch schuldhaftes Verhalten durch den Geschäftsführer und nunmehrigen Beschwerdeführer entstanden ist.
Ad3) Unzulässigkeit des Rechtsweges
Mit Beschlusses des BG Innere Stadt Wien zu GZ ***GZ*** vom ***Datum1*** wurde das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen von Herrn ***Bf1*** eröffnet.
Eine Haftung ohne Vorliegen von Verschulden ist gesetzlich nicht vorgesehen und verweist der Bescheid nur auf Gesetzesstellen, aber nicht auf den Einzelfall.
Einen Haftungsbescheid zu erlassen trotz Vorliegens einer vorherigen Insolvenzeröffnung ist unzulässig. Der einzig zulässige Verfahrensschritt wäre ein Antrag gemäß § 197 Abs. 2 IO zu stellen.
Aus oben angeführten Gründen werden daher gestellt folgende
Anträge
das Bundesfinanzgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen und in dieser den bekämpften Bescheid ersatzlos aufheben."
Vorhalt
Mit Schreiben vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer darauf hin, dass im Rahmen "Gemeinsamer Prüfungen lohnabhängiger Abgaben" durch das zuständige Finanzamt Abfuhrdifferenzen festgestellt und Nachverrechnungen durchgeführt wurden. Zum Nachweis einer behaupteten Gläubigergleichbehandlung wurde der Beschwerdeführer eingeladen, entsprechende Nachweise beizubringen. Beigelegt waren Aufstellungen, aus denen ersichtlich ist, wie sich die haftungsgegenständlichen Beträge auf die einzelnen Zeiträume verteilen.
Mit Stellungnahme vom gab der Beschwerdeführer bekannt, dass eine Gläubigergleichbehandlungsberechnung nicht möglich wäre und im Hinblick auf das Abschöpfungsverfahren daher nicht vorgelegt wird.
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Beschwerden vom und vom als unbegründet abgewiesen. Die Begründung lautet wie folgt:
"Gemäß § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 - KommStG 1993, BGBl. Nr. 819/1993, in der derzeit geltenden Fassung, haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Gemäß § 6a Abs. 1 des Dienstgeberabgabegesetzes, LGBI. für Wien Nr. 17/1970, in der derzeit geltenden Fassung, haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.
Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen; sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Zu den im § 80 Abs. 1 BAO genannten Personen gehören auch die Geschäftsführer der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die gemäß § 18 Abs. 1 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBI. Nr. 58/1906, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten haben. Voraussetzungen für die Haftung sind also:
Eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung.
Dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenforderungen tatsächlich bestehen, steht nach der Aktenlage fest. Weiters steht unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Gesellschaft zu dem im § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehört.
Ferner wird nicht bestritten, dass die angeführten Abgabenrückstände bei der Gesellschaft uneinbringlich sind, da die Primärschuldnerin am im Firmenbuch gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.
Dazu wird Folgendes festgestellt:
Der Beschwerdeführer war im haftungsrelevanten Zeitraum wie festgestellt alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer und ab Abwickler und Liquidator der Primärschudlnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO iVm § 6a Komm$tG und § 6a DienstgeberabgabeG.
Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die GmbH durch den Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Mit der Bestellung zum Geschäftsführer wird auch die Pflicht zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Vorschriften übernommen. Der Geschäftsführer hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die er verwaltet, entrichtet werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war. Für die Haftung nach § 6a KommStG und nach § 6a des Wiener Landesgesetzes über die Dienstgeberabgabe gilt nichts anderes (vgl. , vom , 2011/16/0187 mwN).
Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. VWGH vom , 2011/16/0187).
Für die abgabenrechtliche Gläubigergleichbehandlung ist ein etwaiges schuldhaftes Verhalten im Schuldenregulierungsverfahren des Beschwerdeführers nicht relevant. Die abgabenrechtliche Gläubigergleichbehandlung ist aber ausschließlich im Haftungsverfahren zu prüfen und nicht im Schuldenregulierungsverfahren des Beschwerdeführers.
Es ist ferner Aufgabe des Vertreters, nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich war, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, die Gründe darzutun hat, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden kann, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist.
In den Beschwerden wird im Wesentlichen angegeben, dass seitens des Beschwerdeführers kein schuldhaftes Verhalten gesetzt worden sei. Auch im Schuldenregulierungsverfahren sei kein schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers der ***Primärschuldnerin*** festgestellt worden.
Ab dem Zeitpunkt wo der Beschwerdeführer festgestellt habe, dass die Firma in Konkurs gehe, seien vom Beschwerdeführer überhaupt keine Schulden mehr bezahlt werden.
Der Beschwerdeführer wurde daher mit Schreiben vom aufgefordert, zum Nachweis dafür, dass er den Abgabengläubiger nicht benachteiligt hat, monatliche Liquiditätsaufstellungen für den Zeitraum Jänner 2012 bis Juni 2017 vorzulegen.
Dieser Aufforderung ist der Beschwerdeführer jedoch nicht nachgekommen mit der Begründung, dass ihm die Unterlagen nicht mehr vorliegen.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wäre es dem Beschwerdeführer noch als Vertreter der Primärschuldnerin oblegen gewesen, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften -- jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. , vom , 2010/16/0019, mwN, vgl. Stoll, BAO, S. 128). Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der erschwerten Einbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind (vgl. VWGH vom , 2009/16/0181).
Bereits mit Parteiengehör vom wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass der Rückstand aufgrund "Gemeinsamer Prüfungen aller lohnabhängigen Abgaben" (GPLA) durch das zuständige Finanzamt hervorgekommen sind. Die Nachforderungen ergaben sich auf Grund von Abfuhrdifferenzen, Nachverrechnungen für nicht in voller Höhe abgerechneter Geschäftsführerbezüge, pauschalen Nachverrechnungen von Reinigungskräften, Lohnnebenkosten für hinzugeschätzten Lohnaufwand aufgrund einer Betriebsprüfung. Für das Jahr 2016 wurde die Bemessungsgrundlage gemäß § 184 BAO mangels Unterlagen geschätzt. Kopien der Niederschriften wurden jeweils an ***Bf_Vertreter*** übergeben, welcher nicht nur der rechtsfreundliche Vertreter der Primärschuldnerin war, sondern auch der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers ist. Dem Beschwerdeführer wurde daher mit Schreiben vom vorgehalten, dass die Behörde davon ausgeht, dass dieser Kenntnis von diesen Niederschriften bzw. Prüfungsergebnissen hat. Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme vom nicht widersprochen.
Die Beträge für das Jahr 2017 wurde dem Bericht über die "Vorläufige Feststellung der Abgabenbeträge vom " entnommen. Diese Abgabenbeträge wurde von der Abgabenprüfgruppe der Magistratsabteilung Rechnungs- und Abgabenwesen im Beisein der steuerlichen Vertretung der Primärschuldnerin erhoben.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde jedoch nicht den Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war.
Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Missachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen. Der Beschwerdeführer hätte Sorge tragen müssen, dass die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet wird.
Die Abgabenbeträge sind nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung zu entrichten.
Auf Grund dieser Tatsachen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."
Vorlageantrag
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde wie folgt:
"[…]
Primär wird auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen. Der Magistrat der Stadt Wien berücksichtigt die folgenden Argumente nicht:
Mittels Beschlusses des BG innere Stadt Wien vom ***Datum1*** wurde das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen von Herrn ***Bf1*** eröffnet.
Der Akt wurde beim BG Innere Stadt Wien zu ***GZ*** bearbeitet.
Der angebotene Zahlungsplan wurde nicht angenommen. Mit Beschluss vom ***Datum2*** wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Das SchuIdenregulierungsverfahren ist rechtskräftig aufgehoben.
Irgendein schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers der ***Primärschuldnerin*** wurde im Zuge des Schuldenregulierungsverfahren nicht festgestellt.
Bescheide sind nachvollziehbar zu begründen und muss von amtswegen der wesentliche Entscheidungssachverhalt festgestellt werden.
Die amtswegige Erforschungspflicht und die Verpflichtung den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln wurde gegenständlich verletzt.
Der Bescheid hält lediglich fest, dass der nunmehrige Beschwerdeführer Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** war und dass der Rückstand laut Rückstandsausweis gegen den Primärschuldner uneinbringlich sein soll.
Es ist daher falsch. wenn der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 von einem schuldhaften Verhalten des Geschäftsführers der ***Primärschuldnerin*** ausgeht.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der bestehende Rückstand beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 nicht durch schuldhaftes Verhalten durch den Geschäftsführer und nunmehrigen Beschwerdeführer entstanden ist. Wie der Erstbehörde bekannt, wurde mit Beschluss des BG Innere Stadt Wien zu GZ ***GZ*** vom ***Datum1*** das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen von Herrn ***Bf1*** eröffnet.
Einen Haftungsbescheid zu erlassen trotz Vorliegens einer vorherigen Insolvenzeröffnung ist unzulässig.
Der einzig zulässige Verfahrensschritt wäre ein Antrag gemäß § 197 Abs. 2 IO zu stellen.
Dies ist niemals geschehen und wurde von der Erstbehörde verabsäumt. Wäre das Organ der belangten Behörde seiner Pflicht im Ermittlungsverfahren den maßgebenden Sachverhalt festzustellen nachgekommen, dann wäre es zu keinen Vorschreibungen gemäß den bekämpften Einkommenssteuerbescheiden und Anspruchszinsen sowie dem Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 2020 gekommen [sic!].
Aus anwaltlicher Vorsicht wird ausdrücklich die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung begehrt.
Der Behörde sind sohin Verfahrensmängel und eine unrichtige rechtliche Beurteilung anzulasten."
Mündliche Verhandlung
Zum mangelnden Verschulden des Beschwerdeführers führte der Vertreter des Beschwerdeführers aus, dass er an Morbus Crohn leide und deshalb seine Arbeiter nicht mehr so überprüfen konnte, wie zuvor. Darüber hinaus litt die Gattin des Beschwerdeführers an Depressionen, die schließlich zum Selbstmord geführt hatten.
Der Vertreter der belangten Behörde führte aus, dass es keine Abgabenfestsetzungsbescheide gibt und Pfändungsgebühren anfallen, wenn der Exekutionsdienst tätig wird, obwohl die Wahrscheinlichkeit, Vermögen zu pfänden, gering gewesen sein wird.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** (Primärschuldnerin). Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom (GZ: ***GZ2***) wurde ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet. Am wurde die Primärschuldnerin aus dem Firmenbuch gelöscht.
Am ***Datum1*** wurde vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien ein Schuldenregulierungsverfahren über den Beschwerdeführer eröffnet (GZ: ***GZ***). Ein angebotener Zahlungsplan wurde nicht angenommen. Mit Beschluss vom ***Datum3*** wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet.
Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer zur Haftung als Geschäftsführer der Primärschuldnerin für Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen in Höhe von € 10.490,67 und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen in Höhe von € 214,08 der Jahre 2012 bis April bzw Juni 2017 herangezogen.
Mit einem weiteren Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer zur Haftung als Geschäftsführer der Primärschuldnerin für Kommunalsteuer 2016 herangezogen.
Ein Gläubigergleichbehandlungsnachweis wurde nicht erbracht. Als Folge der Löschung der Primärschuldnerin im Firmenbuch sind die Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.
Ein Säumniszuschlagsbescheid wurde nicht erlassen. Ein Bescheid zur Festsetzung von Pfändungsgebühren wurde nicht erlassen. Weder Kommunalsteuer- noch Dienstgeberabgabenbescheide wurde erlassen.
Beweiswürdigung
Aus dem Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin geht hervor, dass der Beschwerdeführer die Primärschuldnerin während der gesamten Zeit ihrer Existenz selbständig vertreten hat. Die Feststellungen zum Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin gründen sich auf die Eintragungen im Firmenbuch, in die Einsicht genommen wurde. Daraus geht hervor, dass mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde.
Die Feststellungen zum Schuldenregulierungsverfahren des Beschwerdeführers gründen sich auf eine Einsichtnahme in die Insolvenzdatei zur Geschäftszahl ***GZ***. Daraus ist ersichtlich, dass die Bekanntmachung des Schuldenregulierungsverfahrens am ***Datum1*** erfolgte und am ***Datum2*** das Abschöpfungsverfahren eingeleitet wurde, zumal ein Zahlungsplan nicht angenommen wurde. Mit Beschluss vom ***Datum3*** wurde das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben und das Abschöpfungsverfahren eingeleitet.
Die Feststellungen zu den beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheiden gründen sich auf die Einsichtnahme in diese Erledigungen, welche die belangte Behörde zusammen mit dem Vorlagebericht vorgelegt hatte. Weder im Vorlagebericht erwähnt noch Teil des vorgelegten Verwaltungsaktes waren Bescheide über die Festsetzung von Säumniszuschlägen oder ein Bescheid über die Festsetzung von Pfändungsgebühren. Schließlich hat sich im Zuge der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass keine Bescheide erlassen wurden und dass Pfändungsversuche wohl schon im Vorfeld als erfolglos einzustufen waren.
Die Feststellung zur Uneinbringlichkeit der Abgaben ergibt sich bereits aus den Ausführungen, die dem Firmenbuchauszug zu entnehmen sind. Aus dem Schreiben des Beschwerdeführers vom geht hervor, dass eine Berechnung zur Gläubigergleichbehandlung nicht vorgelegt wird.
Rechtslage
§ 80 BAO lautet:
2. Vertreter.
§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
§ 224 BAO lautet:
2. Geltendmachung von Haftungen.
§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.
(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.
§ 6a Kommunalsteuergesetz 1993 lautet:
Haftung
§ 6a.(1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.
(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.
(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
§ 6a Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (LGBl. Nr. 05/1979 idgF) lautet:
§ 6a.(1) Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO gilt sinngemäß.
(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.
(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.
Rechtliche Beurteilung
Die Haftung nach § 6a KommStG und § 6a Dienstgeberabgabengesetz ist eine Gefährdungshaftung. Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die erschwerte Einbringung der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden, seine Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für erschwerte Einbringung. Der unbestimmte Rechtsbegriff "nicht ohne Schwierigkeiten" ist so auszulegen, dass nur bei erheblichen Schwierigkeiten, die in ihrer Intensität so geartet sind, wie die Schwierigkeiten, die sich für das Einbringen der Abgabenforderungen im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergeben, die Tatbestandsvoraussetzung für die Haftung gegeben ist. Die Tatsache, dass ein Verschulden des Haftungspflichtigen und schwere Einbringlichkeit beim Abgabepflichtigen als weitere Tatbestandsvoraussetzungen hinzutreten müssen, damit die Haftung des Vertreters besteht, zeigt, dass auch von einer unsachlich-überschießenden Regelung nicht die Rede sein kann ().
Pflichtverletzung:
Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Ein bestellter Geschäftsführer hat die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB , und vom ; zur Haftung eines "willfährigen" Geschäftsführers vgl. weiters das Erkenntnis vom mwN).
Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört,
- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.
Die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Beschwerdeführer besteht darin, dass die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstagen unterlassen wurde. Sowohl nach § 6a KommStG als auch § 6a Dienstgeberabgabegesetz tritt die Haftung nicht nur bei Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, sondern auch bei Verletzung sonstiger Pflichten ein.
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre.
Bei Selbstbemessungsabgaben, zu denen die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe zählen, ist für die Frage der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten eines Vertreters des Abgabepflichtigen maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (). Mit einem Vorbringen, dass sich die Haftungsbeträge erst aus Nachforderungen als Folge abgabenbehördlicher Prüfungen ergeben haben, wird keine Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides aufgezeigt. Die Verpflichtung zur Entrichtung der genannten Abgaben ist nämlich bereits vor Bescheiderlassung ex lege eingetreten ().
Abgabenbescheid - Beschwerde:
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten.
Grundlagenbescheide hinsichtlich Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe gibt es keine, weil die belangte Behörde solche Bescheide nicht erlassen hat. Dasselbe gilt für Bescheide hinsichtlich der Festsetzung von Säumniszuschlägen und Pfändungsgebühren.
Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid vorangegangen ist. Auf die "Fälligstellung" durch solche Bescheide kommt es nicht an, weil die in Rede stehende Steuer als Selbstbemessungsabgabe von der Primärschuldnerin nicht erst im Jahr der bescheidmäßigen Festsetzung einzubehalten und abzuführen gewesen wäre. Wurde bei Selbstbemessungsangaben noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO oder gemäß § 202 BAO erlassen, so ist im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch (seine Höhe) abzusprechen (; ).
§ 11 Abs 2 KommStG normiert die Pflicht des Unternehmers, die Kommunalsteuer für jeden Monat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.
Gemäß § 11 Abs 3 Satz 2 KommStG hat die Gemeinde Kommunalsteuerbescheide zu erlassen, wenn
-) ihr kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wird oder
-) sich die Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
Dabei handelt es sich um keine Ermessensbestimmung. Von der Erlassung eines solchen Abgabenbescheides kann nur dann abgesehen werden, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung binnen drei Monaten ab Einreichung der Abgabenerklärung berichtigt.
Gemäß § 201a BAO ist bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine bescheidmäßig Festsetzung gemäß § 201 BAO von einer solchen Festsetzung abzusehen, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Selbstberechnung berichtigt. Für die Dienstgeberabgabe gelten die §§ 201 iVm 201a BAO. Der Abgabenanspruch entsteht grundsätzlich unabhängig von der behördlichen Tätigkeit und setzt daher keine diesbezügliche Bescheiderlassung voraus.
Aus den Berichten über die durchgeführten Außenprüfungen geht hervor, dass einerseits Geschäftsführerbezüge in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen waren und andererseits sachverhaltsmäßig festgestellt wurde, dass ausländische (selbständige) Reinigungskräfte als Dienstnehmer zu behandeln sind und dass Zahlungen für ausländische Leistungserbringer nicht anerkannt werden konnten und demnach von der Beschäftigung eigener Dienstnehmer auszugehen war. Diesen Feststellungen der Außenprüfung hat der Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise etwas entgegnet.
Gemäß § 6 Abs 1 Z 3 bzw Z 5 F-VG sind ausschließliche Landesabgaben solche, deren Ertrag ganz den Ländern zufließt und ausschließliche Gemeindeabgaben solche, deren Ertrag ganz den Gemeinden zufließt. Gemäß § 16 Abs 1 Z 2 Finanzausgleichsgesetz 2017 ist die Kommunalsteuer eine ausschließliche Landes(Gemeinde)abgabe. Gemäß § 217a Z 2 BAO, eine Sondervorschrift für Landes- und Gemeindeabgeben, werden Säumniszuschläge im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig. Allerdings gibt es im beschwerdegegenständlichen Sachverhalt keinen Säumniszuschlagsbescheid.
Ist ein Abgabenbescheid dem Primärschuldner gegenüber nicht ergangen, dann muss sichergestellt sein, dass dem in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen, wenn schon nicht vom "Bescheid über den Abgabenanspruch", so doch von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis verschafft wird ().
Im Ergebnis ist der geltend gemachte Säumniszuschlag für Kommunalsteuer in Höhe von € 218,51 zu hoch, weil den Beschwerdeführer kein Verschulden hinsichtlich der Säumnis für einen Säumniszuschlag trifft, der gegenüber der Primärschuldnerin nie festgesetzt wurde (vgl ) und somit keine Fälligkeit aufweist. Eine Abgabenfestsetzung wäre jedenfalls möglich gewesen, zumal die Primärschuldnerin erst im Jänner 2018, also nach Erlassung des Haftungsbescheides vom im Firmenbuch gelöscht wurde.
Gemäß § 26 AbgEO hat der Abgabenschuldner für Amtshandlungen des Vollstreckungsverfahrens Gebühren zu entrichten, die zu Beginn der jeweiligen Amtshandlung fällig werden. Gemäß § 26 Abs 5 AbgEO sind Gebühren und Auslagenersätze mit Bescheid festzusetzen. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass nicht jede im Vollstreckungsverfahren gesetzte Amtshandlung den Abgabenschuldner zum Kostenersatz gemäß § 26 AbgEO verpflichtet. Vielmehr ist bei der Entscheidung über die Kostenersatzpflicht zu prüfen, ob die von der Abgabenbehörde unternommene Vollstreckungshandlung überhaupt der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente. Handlungen, die sich von vornherein als objektiv ungeeignet darstellen, begründen keine Kostenpflicht.
Aus dem historischen Firmenbuchauszug ist ersichtlich, dass am das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde. Aus einem Ausdruck von elektronisch gespeicherten Notizen im EDV-System der belangten Behörde finden sich zwischen Juli 2014 und Juli 2017 keine Einträge. Erst im Juli 2017 wurde auf eine Niederschrift vom verwiesen, aus der hervorgeht, dass die Primärschuldnerin seit 5/2017 keine Dienstnehmer mehr beschäftigte. Weder aus den Notizen noch aus dem sonstigen Akteninhalt der belangten Behörde ist ersichtlich, welche Amtshandlungen des Vollstreckungsverfahrens im Juni 2017 gesetzt worden wären. Abgesehen davon wäre eine solche Amtshandlung nicht erfolgversprechend und auch nicht zweckmäßig gewesen.
Der Beschwerde war daher in diesem Punkt Folge zu geben.
Kausalität:
Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Die Inanspruchnahme als Haftender setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die erschwerte Einbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ). Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ).
Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (zB ). Er hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen.
Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits bezogen zu führen (; ). Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. ; ). Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom eingeladen, einen Gläubigergleichbehandlungsnachweis vorzulegen, zumal in der Beschwerde vorgebracht wurde, dass kein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers vorliege und dass ab einem bestimmten Zeitpunkt, der jedoch in der Beschwerde vom nicht genau bezeichnet ist, gar keine Schulden mehr bezahlt worden wären. Im Schreiben vom gab der Beschwerdeführer an, dass ihm die Unterlagen der Primärschuldnerin nicht mehr vorliegen. Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Solche Unterlagen wären bereits bei Entstehung der Zahlungspflicht und nicht vollständiger Entrichtung zu sichern gewesen wären (vgl. ).
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die erschwerte Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Ein Haftungsbescheid wirkt insoweit konstitutiv, als erst durch seine Erlassung der Haftende zum Gesamtschuldner wird (zB ; ). Der Haftungsbescheid ist ein nicht vom Willen des Insolvenzschuldners abhängiges Element, das die Forderung endgültig zum Entstehen bringt. Das Vorliegen eines Haftungsbescheids ist insolvenzrechtlich (nur) als aufschiebende Bedingung für das Bestehen des Anspruchs zu werten ().
Da das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers wurde am ***Datum1*** eröffnet; das pflichtwidrige Verhalten des Beschwerdeführers lag zu diesem Zeitpunkt bereits vor. Insofern wäre die Haftungsschuld in diesem Insolvenzverfahren als bedingte Forderung anzumelden gewesen, selbst wenn die Haftung noch nicht mittels Haftungsbescheides geltend gemacht wurde. Eine solche Forderungsanmeldung hat die belangte Behörde mit Schreiben vom abgegeben.
Ermessen:
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Selbst der Umstand, dass eine Haftungsschuld letztlich nur zum Teil eingebracht werden kann, steht deren (ungekürzten) Geltendmachung nicht entgegen (). Soweit auf eine persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der Abgaben aufzeigt werden soll, ist darauf zu verweisen, dass ein solcher Umstand im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ist (). Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf (). Die ältesten Abgabenansprüche sind im Jahr 2012 entstanden und im Jahr 2017 geltend gemacht worden. Insofern liegt beschwerdegegenständlich noch keine im Ermessenswege zu berücksichtigende lange Verfahrensdauer vor.
Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war damit für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.
Ergebnis:
Im Ergebnis besteht die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer in folgendem Ausmaß zu Recht:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag |
Kommunalsteuer | 2012 | 1.806,02 |
2013 | 5.571,11 | |
2014 | 2.245,64 | |
2016 | 385,77 | |
2016 lt GPLA | 917,36 | |
1-2/2017 | 178,38 | |
Dienstgeberabgabe | 2021 | 136,08 |
2013 | 14,00 | |
1-4/2017 | 64,00 | |
11.318,36 |
Revisionszulassung
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400014.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at