Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.02.2023, RV/2100072/2021

Die Aufrechnung von negativen Masseforderungen mit unberichtigten Masseforderungen ist nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zulässig. Eine Auszahlung des strittigen Teils des Abgabenguthabens an die Insolvenzmasse war daher nicht möglich.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückzahlung an Grunderwerbsteuer in Höhe von 13.824,10 € Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am wurde über das Vermögen der Beschwerdeführerin (Bf.) beim Bezirksgericht ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und der einschreitende Rechtsanwalt zum Masseverwalter bestellt.

Zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung hafteten 107.673,02 € an Abgabenschuldigkeiten bei einem anderen Finanzamt aus. Es waren dies 90.327 € (E 2014), 10.412 € (E 2015), 3.104 € (E 2016), 50,40 € (ZO 2017), 3.540,64 € (ZI 2014) und 238,98 € (ZI 2015).

Die Schuldnerin hatte einen Sanierungsplanvorschlag eingebracht, der wieder zurückgezogen wurde. Nach Schlussverteilung wurde das Schuldenregulierungsverfahren mit Beschluss vom aufgehoben.

Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom wurde der ursprüngliche Grunderwerbsteuerbescheid vom gemäß § 17 GrEStG aufgehoben und die seinerzeitige Grunderwerbsteuer in Höhe von 13.824,10 € gutgeschrieben. Dieser Bescheid wurde dem Masseverwalter zugestellt.

Mit Antrag vom begehrte der Masseverwalter die Rückzahlung des ausgewiesenen Grunderwerbsteuerguthabens. Das Finanzamt wies den Antrag teilweise ab und führte aus, das Guthaben sei gemäß § 215 Abs. 2 BAO zur teilweisen Tilgung der bei einer anderen Abgabenbehörde bestehenden Abgabenschuldigkeiten zu verwenden. Aus dem Abgabenkonto geht hervor, dass mit Abgabenschulden in Höhe von 13.219,86 aufgerechnet und lediglich ein Betrag von 604,24 € rückgezahlt wurde.

In seiner Beschwerde führte der Masseverwalter gegen den angefochtenen Bescheid Folgendes aus:

"Die Behörde beziffert nicht in welcher Höhe das Guthaben zur Tilgung bei einer anderen Abgabenbehörde bestehenden Abgabenschuldigkeit verwendet sein soll, noch gibt sie an um welche Schuld es sich handelt.
Es wäre jedenfalls der gesamte Betrag in die Insolvenzmasse zu bezahlen gewesen.
Allenfalls nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anerlaufene Steuerschulden können nicht gegengerechnet werden."

In ihrer Beschwerdevorentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass der bf. Rückzahlungsantrag materiell als Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides zu deuten sei. Die hier strittige Abgabengutschrift sei als Massegutschrift d.h. der negative Abgabenanspruch sei mit dem Datum des Gerichtsurteils vom (nach der Insolvenzeröffnung am ) entstanden.

Beim Finanzamt xx hafteten offene Masseforderungen d.h. Forderungen (Abgabenansprüche), die nach der Insolvenzeröffnung entstanden seien, aus. Ebenso hafte beim Finanzamt yy eine eine Finanzstrafe für 12/2018 aus.

Da auf Grund der insolvenzrechtlichen Bestimmungen Massegutschriften mit Masseforderungen aufrechenbar seien, sei die Beschwerde abzuweisen. Weiters ist eine Berechnung angeschlossen, wie die Aufrechnung erfolgt sei.

Mit Schriftsatz vom stellte der Masseverwalter den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und führte u.a. aus:

"Das Finanzamt führt in seiner Beschwerdevorentscheidung aus, dass die Beschwerde deshalb als unbegründet abgewiesen wurde, da beim Finanzamt xx offene Masseforderungen, das heißt Forderungen nach Insolvenzeröffnung entstanden sind, aushaften.
Dem ist entgegenzuhalten, dass ungeachtet des Umstandes, dass Masseforderungen beim Finanzamt aushaften, die Wirkung des Gerichtsurteiles vom nicht auf den Zeitpunkt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit abstellt, sondern ausspricht, dass der Vertrag vom aufgehoben wurde.
Die Insolvenzmasse ist daher so zu stellen, als ob der genannte Übergabsvertrag niemals abgeschlossen worden wäre. Die seinerzeit vor Insolvenzeröffnung beglichene Steuer ist daher zurückzubezahlen.
Die seinerzeit vor Insolvenzeröffnung entrichtete Steuer kann daher nicht allenfalls offenen Masseforderungen gegenüberstehen."

In der weiteren Folge wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vorgelegt. In ihrer Stellungnahme führte die belangte Folgendes aus:
"Die Vorlage der Beschwerde erfolgt unter Bezugnahme auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung mit dem Antrag auf Abweisung und Bestätigung, dass die Verrechnung auf die dort ausgewiesenen Abgabenschulden (Abgabenmasseforderungen) rechtens erfolgte, da es sich wie bei den Abgaben auf die verrechnet wurde auch bei der Gutschrift um eine handelt, die nach Eröffnung des Konkurses entstanden ist (Massegutschrift).

Für die Aufrechnung mit Masseforderungen gegen Forderungen der Masse gelten nicht die

Vorschriften der §§ 19, 20 IO, sondern nur die allgemeinen Bestimmungen des ABGB (vgl. RISJustiz RS0033974).

Nach Insolvenzeröffnung entstandene Gutschriften können daher grundsätzlich mit Abgabenmasseforderungen verrechnet werden. Masseunzulänglichkeit gemäß § 124a IO wurde nicht vorgebracht.
Wenn im Vorlageantrag vorgebracht wird, der aufgehobenen Erwerbsvorgang, für den die Steuer erstattet wurde, sei bereits aus 2014, womit eingewendet wird, es handle sich um eine Insolvenzforderung bzw. -gutschrift, so ändert dies nichts an der Beurteilung, da der Rückerstattungsanspruch gem. § 17 GrEStG einen eigenständigen, unter bestimmten Voraussetzungen zustehenden, der Abgabenschuld gegenläufigen Erstattungsanspruch darstellt, der voraussetzt, dass
1. ein GrESt-Erwerb rückgängig gemacht wurde und
2. ein Antrag auf Erstattung gestellt wird. Beide dieser Voraussetzungen sind aber zweifellos erst nach Eröffnung des Konkurses im Jahr 2020 entstanden. Deshalb stellt die Gutschrift eine Massegutschrift dar, die auf die Abgabenmasseforderung zu verrechnen war.

Im Übrigen bestünden auch noch ältere Abgabeninsolvenzforderungen in weit höherem Maß (siehe ausgesetzte Beträge FA xx). Wäre die Gutschrift als Insolvenzgutschrift zu beurteilen, wäre dafür Aufrechenbarkeit gem. §§ 19, 20 IO und Verrechenbarkeit auch mit diesen älteren Abgabenforderungen gegeben.
Vor Insolvenzeröffnung entstandene Gutschriften können ohne Einschränkung mit Abgabenmasseforderungen verrechnet werden. Masseforderungen werden vom Aufrechnungsverbot des § 20 Abs. 1 IO nicht tangiert (in diesem Sinn zur Aufrechnung von vor Insolvenzeröffnung entstandenen Gutschriften siehe auch RAE, Rz 154). Die vor Insolvenzeröffnung entstandenen Gutschriften werden allerdings in erster Linie mit Abgabeninsolvenzforderungen verrechnet; die Verrechnung mit aushaftenden Abgabenmasseforderungen ist nur dann geboten, wenn der - vor Insolvenzeröffnung entstandenen - Gutschrift keine Abgabeninsolvenzforderung gegenübersteht.

Die Umbuchung vom Abgabenkonto, die zur Reduzierung des rückzahlbaren Betrags führte war daher nach Ansicht des Finanzamts aber jedenfalls rechtens.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Rückgängigmachung eines vor der Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Rechtsgeschäfts führte auf Grund eines bedingt durch ein nach Insolvenzeröffnung ergangenes Gerichtsurteil ausgelösten Antrages zu einer Gutschreibung der seinerzeitig entrichteten Grunderwerbsteuer. Die belangte Behörde sah diesen Abgabenanspruch als negative Masseforderung an und verrechnete diese mit aushaftenden Masseforderungen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt als solcher ist als unstrittig anzusehen und ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage und Abgabenverrechnungsdaten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtsquellen

BAO (Bundesabgabenordung)

§ 214 BAO
(1) In den Fällen einer zusammengefaßten Verbuchung der Gebarung sind Zahlungen und sonstige Gutschriften, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen; an die Stelle des Fälligkeitstages hat der davon abweichende zuletzt maßgebliche gesetzlich zustehende oder durch Bescheid zuerkannte Zahlungstermin zu treten. Haben mehrere Abgabenschuldigkeiten denselben Fälligkeitstag oder denselben davon abweichenden Zahlungstermin und reicht ein zu verrechnender Betrag zur Tilgung aller gleichzeitig zu entrichtenden Abgabenschuldigkeiten nicht aus, so hat die Verrechnung bei demselben Zahlungstermin auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten und bei demselben Fälligkeitstag auf die früher verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu erfolgen. Abgabenschuldigkeiten, für welche ein Pfandrecht besteht, gelten als dem Fälligkeitstag nach jüngste verbuchte Abgabenschuldigkeiten, es sei denn, das Pfandrecht wurde vertraglich eingeräumt. Die Verbuchung von Abgabenschuldigkeiten ist ohne unnötigen Aufschub und in einer von sachlichen Gesichtspunkten bestimmten Reihenfolge vorzunehmen.

(2) In den Fällen einer gemäß § 201 Abs. 4 zusammengefaßten Festsetzung von Abgaben gilt Abs. 1 mit der Maßgabe, daß als Fälligkeitstag der gesamten Abgabennachforderung der Fälligkeitstag der jüngsten zusammengefaßt festgesetzten Abgabenschuldigkeit anzusehen ist.

(3) Die in Bewilligungen von Zahlungserleichterungen vorgesehenen Zahlungstermine sind bei Anwendung des Abs. 1 nur dann maßgeblich, wenn im Zeitpunkt der Zahlung oder sonstigen Gutschrift diese Bewilligung wirksam ist oder ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz für die den Gegenstand der Bewilligung bildenden Abgaben besteht.
Eine Verrechnung auf Abgabenschuldigkeiten, deren Einhebung ausgesetzt ist, darf nur nach Maßgabe des § 212a Abs. 8 erfolgen.
(4) Dem der Abgabenbehörde auf dem Zahlungsbeleg bekannt gegebenen Verwendungszweck entsprechend zu verrechnen sind Zahlungen, soweit sie
a) Abgabenschuldigkeiten oder
b) im Finanzstrafverfahren oder im Abgabenstrafverfahren verhängte Geldstrafen oder Wertersätze oder sonstige hierbei angefallene Geldansprüche betreffen.

Dies gilt sinngemäß für die Verwendung sonstiger Gutschriften, soweit sie im Zusammenhang mit einer in den Abgabenvorschriften vorgesehenen Selbstbemessung oder Einbehaltung und Abfuhr von Abgaben entstehen.

(5)Wurde eine Verrechnungsweisung im Sinn des Abs. 4erteilt und wurde hiebei irrtümlich eine unrichtige Abgabenart oder ein unrichtiger Zeitraum angegeben, so sind über Antrag die Rechtsfolgen der irrtümlich erteilten Verrechnungsweisung aufzuheben oder nicht herbeizuführen; dies gilt nicht für die vor der Antragstellung durchgeführten Einbringungsmaßnahmen und die im Zusammenhang mit diesen angefallenen Nebengebühren. Der Antrag kann nur binnen drei Monaten ab Erteilung der unrichtigen Verrechnungsweisung gestellt werden.
Dies gilt sinngemäß, soweit eine Verrechnungsweisung im Sinn des § 214
Abs. 4 irrtümlich nicht erteilt wurde.
(6)
Zahlungen und sonstige Gutschriften, die unter Bezugnahme auf eine Mahnung, im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens oder auf Grund eines SEPA-Lastschriftmandats erfolgen, sind in erster Linie mit Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen, die Gegenstand der Mahnung, des Vollstreckungsverfahrens oder des SEPA-Lastschriftmandats sind.
(7)
In den Fällen einer zusammengefaßten Verbuchung der Gebarung gemäß § 213Abs. 4 sind Zahlungen für Rechnung eines Gesamtschuldners, der nicht alle zusammengefaßt verbuchten Abgaben schuldet, ausschließlich auf die ihn betreffenden verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen, wenn auf dem Zahlungsbeleg ausdrücklich eine diesbezügliche Widmung verfügt wurde. Soweit sich durch nachträgliche Abänderung oder Aufhebung eines maßgeblichen Abgaben- oder Haftungsbescheides erweist, daß die für Rechnung eines Gesamtschuldners zu verrechnen gewesenen Beträge die Abgaben übersteigen, für die er in Anspruch zu nehmen war, ist der übersteigende Betrag durch Umbuchung aus der zusammengefaßten Verbuchung der Gebarung herauszulösen. Wurde eine Widmung irrtümlich nicht verfügt, so gilt Abs. 5 sinngemäß mit der Maßgabe, dass der Antrag binnen drei Monaten ab nachträglicher Abänderung oder Aufhebung des maßgeblichen Abgaben- oder Haftungsbescheides zulässig ist.
(8)
Eine sich aus einem Abgabenbescheid ergebende sonstige Gutschrift ist auf die den Gegenstand des Bescheides betreffenden verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen; ein sodann noch verbleibender Teil der sonstigen Gutschrift ist für den Fall, daß der Abgabenbescheid die Festsetzung von Vorauszahlungen für einen kürzeren Zeitraum als ein Kalenderjahr zum Gegenstand hat, auf gleichartige, dasselbe Kalenderjahr betreffende ältere verbuchte Vorauszahlungsschuldigkeiten zu verrechnen. Wird ein Abgabenbescheid ohne gleichzeitige Neufestsetzung der Abgabe aufgehoben oder wird durch Bescheid ausgesprochen, daß die Voraussetzungen für eine Abgabenfestsetzung nicht vorliegen, so ist eine sich daraus ergebende sonstige Gutschrift in gleicher Weise zu verrechnen.
(9)
Unbeschadet der Vorschriften in den Abs. 1 bis 8 kann eine Aufrechnung (§ 1438 ff ABGB) von Forderungen der Abgabenbehörden mit Gegenforderungen des Schuldners mit Bescheid verfügt werden.

§ 215 BAO
(1) Ein sich aus der Gebarung (§ 213) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
(2) Verbleibt nach der in Abs. 1 vorgesehenen Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde des Bundes ein Guthaben, ist dieses zunächst zur Tilgung dieser Behörde bekannter und fälliger Abgabenschuldigkeiten des Abgabepflichtigen bei einer anderen Abgabenbehörde des Bundes zu verwenden, soweit deren Einhebung nicht ausgesetzt ist. In weiterer Folge ist ein solches Guthaben zur Tilgung dieser Behörde bekannter fälliger Geldstrafen, Wertersätze sowie im Finanzstrafverfahren angefallener sonstiger Geldansprüche bei einer Finanzstrafbehörde zu verwenden. Die für Zwecke dieser Tilgung erforderliche Verarbeitung von personenbezogenen Daten, wie insbesondere der automationsunterstützte Datenaustausch zwischen den beteiligten Behörden, ist zulässig.
(3) Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so ist ein nach Anwendung der Abs. 1 und 2 noch verbleibendes Guthaben unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen zugunsten derjenigen zu verwenden, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes im eigenen Namen über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.
(4) Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.

§ 216 BAO
Mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) ist über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

Amtswegige Umbuchungen (§ 215 Abs. 1) oder Überrechnungen (§ 215 Abs. 2) auf andere Abgabenkonten dürfen nur zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten erfolgen. Die Überrechnung hat nach § 215 Abs. 2 nur zur Tilgung bei der Abgabenbehörde "bekannter" Schuldigkeiten zu erfolgen. Die Umbuchung (Überrechnung) nach § 215 Abs. 1 und 2 hat gegebenenfalls zwingend zu erfolgen (kein Ermessen; Stoll, BAO, 2308; ; , 97/14/0166; -I/08; , RV/3392-W/11; ; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 215 Anm. 4).

§ 214 Abs. 9 idF BGBl I 2019/91 wurde in AB 686 BlgNR 26. GP, 33, wie folgt begründet: "Nach der Judikatur des VwGH () sind im öffentlichen Recht mangels spezieller Vorschriften über die rechtlichen Voraussetzungen einer Aufrechnung die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts heranzuziehen. Für die Aufrechnung war bislang ein Bescheid nicht erforderlich. Dies spricht nach Ellinger/Sutter/Urtz (BAO3, § 214 Anm. 59) dafür, dass dieser auch künftig nicht konstitutiv für eine Abgabenentrichtung per Aufrechnung sein soll. Insofern sprechen die Erläuterungen wohl auch bewusst von der "Zulässigkeit einer bescheidmäßigen Aufrechnungserklärung".

Den Aufrechnungsvorschriften des Insolvenzrechts kommt der Vorrang vor den Verrechnungsregeln der BAO zu (; , 2010/17/0256; , 2011/15/0188).
Diese waren jedoch gegenständlich nicht anzunehmen, da die negative Abgabenforderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist und somit als negative Masseforderung zu werten war. Daher sind ausschließlich die (normalen) Aufrechnungsvorschriften des bürgerlichen Rechts anzuwenden. Die Verrechnung dieser negativen Masseforderungen erfolgte mit unberichtigten Masseforderungen, die von der Bf. außerhalb des Insolvenzverfahrens zu berichtigen gewesen wären und ihnen kommt keine Begünstigung allfälliger quotenmäßiger Befriedigung zu.

Selbst wenn man sich der Ansicht der Bf. anschließe (Qualifizierung als vor Konkurseröffnung entstandene negative Abgabenforderung), ist für sie im gegenständlichen Fall nichts gewonnen, denn es hafteten wie eingangs erwähnt, weit über den Aufrechnungsbetrag aushaftende Konkursforderung gegenüber, die aufrechenbar gegenüberstünden. Im Falle eines angenommenen Sanierungsplanes mit einer Insolvenzquote wären die nur quotenmäßig zu entrichtenden Konkursforderungen der Abgabenbehörde gekürzt und die Masseforderungen vollständig zu befriedigen gewesen. Eine solche Vorgangsweise wäre für die Bf. noch nachteiliger gewesen, daher erscheint ihr Vorbringen nicht stimmig und eher vom Versuch einer Vergrößerung der verfügbaren Konkursmasse auf Kosten der Allgemeinheit zu tragen gewesen zu sein.

Daher war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 215 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 214 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1438 ff ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 215 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100072.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at