zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.12.2022, RV/7104031/2018

Geschäftsführerhaftung gemäß §§ 9 iVm 80 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***A*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftungsinanspruchnahme gemäß §§ 9 iVm 80 BAO auf folgende Abgabenschuldigkeiten im Gesamtausmaß von € 454.682,73 eingeschränkt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
2009
457,35
Umsatzsteuer
02/10
18.566,00
Umsatzsteuer
07/10
6.583,69
Umsatzsteuer
08-11/10
57.897,95
Umsatzsteuer
12/10
2.958,89
Umsatzsteuer
03-05/11
7.000,00
Umsatzsteuer
06/11
1.228,39
Umsatzsteuer
07-09/11
9.000,00
Umsatzsteuer
12/12
1.869,16
Umsatzsteuer
01/13
1.090,46
Umsatzsteuer
02/13
1.000,00
Umsatzsteuer
03/13
1.000,00
Umsatzsteuer
2010
346.030,84

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf.) im Wesentlichen mit, dass auf dem Abgabenkonto der ***GmbH*** Abgabenrückstände in Höhe von insgesamt € 115.049,55 aushaften und uneinbringlich seien. Der Bf. sei seit ***Datum 1*** Geschäftsführer der GmbH und daher gemäß § 18 GmbHG zur Vertretung der Gesellschaft berufen.
Infolge Uneinbringlichkeit des Rückstandes werde der Bf. als gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer) der GmbH gemäß §§ 224 iVm 9 und 10 BAO zur Haftung herangezogen, es sei denn er könne beweisen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
Der Bf. werde aufgefordert, ua. anzugeben, ob im Zeitraum, in dem er Vertreter der GmbH war, aus Gesellschaftsmitteln andere anfallende Zahlungen geleistet worden seien. Sofern die GmbH bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, werde der Bf. ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen ziffernmäßig darzulegen.

Das Schreiben wurde nach erfolglosem Zustellversuch vom hinterlegt und blieb unbeantwortet.

Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Bf. gemäß §§ 9 iVm 80 BAO zur Haftung für die noch aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der ***GmbH*** im Ausmaß von € 460.313,69 zur Haftung heran. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf. im Zeitraum von ***Datum 1*** bis ***Datum 5*** zum Geschäftsführer der abgabenschuldnerischen ***GmbH*** bestellt und daher zur Vertretung der Gesellschaft berufen gewesen sei. Nachweise einer erfolgten Gläubigergleichbehandlung habe der Bf. im Zuge des Haftungsvorhaltes nicht erbracht. Es stehe somit fest, dass er der Verpflichtung, als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft für die Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben zu sorgen, zumindest leicht fahrlässig und damit schuldhaft im Sinne des § 9 BAO nicht nachgekommen sei.

Nach Einbringung von Fristverlängerungsanträgen erhob der Bf. fristgerecht am Beschwerde und beantragte die ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheides. Im Wesentlichen brachte er vor, dass es richtig sei, dass er vom ***Datum*** bis ***Datum 5*** handelsrechtlicher Geschäftsführer gewesen sei. Mit Konkurseröffnung am ***Datum 4*** sei er für alle Fälligkeiten von Steuern oder Abgaben seit ***Datum 4*** nicht mehr haftbar. Die Haftung für Steuerrückstände setze voraus, dass bei der Gesellschaft überhaupt solche Steuerobligos bestehen. Lägen keine Steuerschulden bei der Gesellschaft vor, bestehe auch keine Grundlage für eine Haftung. Der Rückstand ergebe sich aus den Fremdleistungen der Gesellschaft; die Aberkennung der bezahlten Vorsteuern widerspreche der Judikatur der Höchstgerichte, was hiermit geltend gemacht werde.
Darüber hinaus wendete der Bf. Vollstreckungsverjährung ein. Jene Abgaben und Steuern, die mehr als 5 Jahre zurückliegen, seien verjährt.
Haftungen gemäß § 224 BAO haben nach den Grundsätzen und Überlegungen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit zu erfolgen. Haftungen dürfen nur in jener Höhe vorgenommen werden, als der Haftende imstande sei, diese zu bezahlen. Der Bf. sei geschieden und für ein 8-jähriges Kind sorgfaltspflichtig. Er habe derzeit nur ein Einkommen aus einer unselbständiger Tätigkeit (€ 800 brutto) und wohne in der Mietwohnung seiner Mutter, die ihn unterstütze.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Mit Schreiben vom beantragte der Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. war vom ***Datum 1*** bis ***Datum 5*** Geschäftsführer der ***GmbH***.

Mit Beschluss des ***Gericht*** vom ***Datum 6*** (***123***) wurde der Konkurs eröffnet und mit Beschluss vom ***Datum 2*** der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben.

Die ***GmbH*** wurde am ***Datum 5*** im Firmenbuch gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Bf. zur Haftung gemäß §§ 9 iVm 80 BAO in Höhe von € 460.313,69 für folgende Abgaben heran:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
2009
457,35
Umsatzsteuer
02/10
18.566,00
Umsatzsteuer
07/10
6.583,69
Umsatzsteuer
08-11/10
57.897,95
Umsatzsteuer
12/10
2.958,89
Umsatzsteuer
03-05/11
7.000,00
Umsatzsteuer
06/11
1.228,39
Umsatzsteuer
07-09/11
9.000,00
Umsatzsteuer
12/12
1.869,16
Umsatzsteuer
01/13
1.090,46
Umsatzsteuer
02/13
1.000,00
Umsatzsteuer
03/13
1.000,00
Lohnsteuer
2011
236,88
Lohnsteuer
2012
1,65
Lohnsteuer
01-05/13
1,41
Dienstgeberbeitrag
2010
1.108,44
Dienstgeberbeitrag
2011
1.942,82
Dienstgeberbeitrag
2012
1.558,17
Dienstgeberbeitrag
01-05/13
432,00
Dienstgeberzuschlag
2011
172,69
Dienstgeberzuschlag
2012
138,50
Dienstgeberzuschlag
01-05/13
38,40
Umsatzsteuer
2010
346.030,84

Die Abgabenschuldigkeiten sind bei der ***GmbH*** uneinbringlich.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Aktenteilen, das elektronische Abgabenkonto der Primärschuldnerin und des Haftungspflichtigen, das Firmenbuch und die Ediktsdatei.

Aus dem Firmenbuchauszug der ***GmbH*** geht hervor, dass der Bf. vom ***Datum 1*** bis ***Datum 5*** Geschäftsführer der ***GmbH*** und diese am ***Datum 5*** gemäß § 40 FBG infolge von Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde. Somit steht die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten fest.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Haftungsvoraussetzungen

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegte Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO sind
- die Stellung als Vertreter der Gesellschaft,
- eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt,
- die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung
- eine abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters und
- ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung sowie
- die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (vgl. , ).

Der Bf. war vom ***Datum 1*** bis ***Datum 5*** Geschäftsführer der ***GmbH***.

Die Zahlungstermine (Fälligkeiten) der Abgabenforderungen fielen alle in die Zeit der Vertretertätigkeit des Bf. bis zur Eröffnung des Konkurses am ***Datum 6***.

Dem Einwand des Bf., dass er durch die Konkurseröffnung am ***Datum 4*** als Geschäftsführer für alle Fälligkeiten von Steuern und Abgaben seit dem ***Datum 4*** nicht mehr haftbar, sondern die Zuständigkeit oder Verantwortlichkeit des Masseverwalters gegeben sei, kann somit nicht gefolgt werden.

Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der Primärschuldnerin steht fest, da das Konkursverfahren mangels kostendeckenden Vermögens aufgehoben und die ***GmbH*** im Firmenbuch gemäß § 40 FBG gelöscht wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (zB ). Reichen die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, andernfalls haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft. Eine Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers oder eines einiger Gläubiger stellt somit eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter dar, sofern dieses Verhalten eine Verkürzung der Abgaben bewirkt hat (vgl ). Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Der Bf. wurde sowohl im Haftungsvorhalt als auch in der Begründung des Haftungsbescheides und in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung auf die Erforderlichkeit des Nachweises, dass die vorhandenen liquiden Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft verwendet werden müssen, hingewiesen. Der Haftungsvorhalt wurde nicht beantwortet und weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag eine anteilsmäßige Befriedigung der Forderungen der Gläubiger behauptet oder dargelegt. Von der Abgabenbehörde durfte eine schuldhafte Pflichtverletzung daher angenommen werden.

Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnabgaben (Dienstgeberbeiträge und -zuschläge) 2010 bis 2013 ist festzuhalten, dass diese im Haftungsbescheid in Jahresbeträgen angegeben wurden. Auch die dem Haftungsbescheid beigeschlossenen Bescheide und Beilagen enthalten keine nähere Aufgliederung der Abgabenbeträge auf monatliche Beträge. Dadurch wurde der Bf. nicht in die Lage versetzt, die von ihm als Vertreter der Primärschuldnerin zu erstellenden Liquiditätsrechnung zu den jeweiligen Fälligkeitspunkten als Nachweis der Gleichstellung der Abgabengläubiger zu erstellen und die monatliche Quote zu berechnen (; ; ). Die Dienstgeberbeiträge 2010 bis 2013 und die Dienstgeberzuschläge 2010 bis 2013 iHv insgesamt € 5.391,02 waren daher aus der Haftung auszuscheiden.
Aufgrund der geringfügigen Beträge der Lohnsteuer für die Jahre 2011, 2012 und 1-5/2013 werden diese im Rahmen des Ermessens aus der Haftung ausgeschieden.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung der nicht den Abgabenvorschriften entsprechenden Entrichtung der Abgaben der Primärschuldnerin durch den Bf. konnte das Finanzamt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zu Recht davon ausgehen, dass diese Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden, sondern ausschließlich im Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch (). Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten ().

Der Bf. wendet ein, dass eine Haftung für Steuerrückstände voraussetze, dass bei der Gesellschaft überhaupt solche Steuerobligos bestehen. Liegen keine Steuerschulden bei der Gesellschaft vor, bestehe auch keine Grundlage für eine Haftung. Der Rückstand ergebe sich aus den Fremdleistungen der Gesellschaft, welche vom Finanzamt nicht anerkannt wurden. Wurde eine UID-Nummer gültig vergeben, so bestehe in jedem Fall die Vorsteuerabzugsberechtigung. Es waren dem Bf. keine Gründe bekannt, dass die andere Firma allenfalls suspekt sei. Eine Prüfungspflicht für den Bf. bestehe nicht. So lang eine aufrechte gültige UID-Nummer vorliege, gelte dieses Unternehmen als finanzrechtlich in Ordnung. Vor Vergabe der UID-Nummer habe das Finanzamt dieses Unternehmen sorgsam geprüft und sei selbst von einer real existenten Firma ausgegangen. Dieser Prüfvorgang des Finanzamtes komme auch dem Bf. zu Gute und habe er auf diesen vertrauen können.

Da die strittigen Abgaben mit Bescheiden festgesetzt wurden, war das Finanzamt an diese gebunden und war auf die Einwendungen des Bf. gegen den Abgabenanspruch nicht einzugehen.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO vorliegen, erfolgte die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der GmbH im zu Recht.

Verjährung:

Gemäß § 238 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a BAO gilt sinngemäß.

Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Abgabenanspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Die mit Haftungsbescheid geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten wurden bis auf die Umsatzsteuer 2009, 2/10 und 7/10 nach dem fällig. Da die Verjährung gemäß § 238 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe fällig geworden ist, zu laufen beginnt - und somit frühestens mit Ablauf des -, erfolgte die Geltendmachung der Haftung mit Haftungsbescheid vom noch innerhalb der 5-jährigen Einhebungsverjährung.

Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Abgabenanspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in dem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Ua wurde am ein Rückstandsausweis ausgestellt, am ***Datum 3*** Abgabenforderungen im Insolvenzverfahren der ***GmbH*** angemeldet und am ein Haftungsvorhalt an den Bf. erlassen, welche auch die Umsatzsteuer 2009, 2/10 und 7/10 umfassten. Diese stellen jeweils eine nach außen erkennbare Amtshandlung dar, die somit die Verjährung unterbrochen haben. Mit Ablauf des und wiederum mit begann die fünfjährige Verjährungsfrist neu zu laufen, so dass der Haftungsbescheid vom innerhalb der Verjährungsfrist erlassen wurde.

Einhebungsverjährung war daher - entgegen der Ansicht des Bf. - nicht eingetreten.

Ermessen

Der Bf. wendet ein, dass Haftungen im Rahmen des Ermessens nur in jener Höhe vorgenommen werden dürfen, als der Haftende imstande ist, diese zu bezahlen. Dabei seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen zu berücksichtigen. Steuern, die bereits erkennbar in der jeweils angeführten Höhe nicht einbringlich seien, dürften nicht vorgeschrieben oder festgesetzt werden.
Der Bf. sei geschieden und für ein Kind sorgepflichtig. Er habe derzeit nur ein Einkommen aus einer halbtägigen unselbständigen Tätigkeit in Höhe von € 800 brutto. Er strebe eine Vollbeschäftigung an, wobei die Zeiten dazu ungünstig seien. In seinem Alter von über 40 Jahren sei es außerdem sehr schwer, eine Anstellung zu finden. Er wohne in der Mietwohnung seiner Mutter, die ihn unterstütze.
Nach den aufgezeigten Billigkeitserwägungen sei daher die Vorschreibung eines Haftungsbetrages für offene Steuern bei der ***GmbH*** allenfalls nur mit einem geringen oder symbolischen Betrag zulässig oder möglich.

Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Gemäß § 20 BAO ist die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichtete Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB , ) steht die Vermögens- und Arbeitslosigkeit in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung, zumal eine allfällige - zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheids bestehende - Uneinbringlichkeit beim Haftenden nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können (z.B. mit zahlreichen weiteren Judikaturnachweisen; ebenso ).

Eine allfällige persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ().

Da es auf die Vermögensverhältnisse des Haftungspflichtigen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ankommt, ging der Einwand des Bf. ins Leere.

Der Bf. war im Zeitpunkt der Fälligkeit der einzige Geschäftsführer der ***GmbH*** und somit der einzig in Betracht kommende Haftende.

Weitere Gründe, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können, wurden vom Bf. nicht vorgebracht.

Die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger erfolgte daher zu Recht und war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und liegt somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104031.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at