§ 68 Abs. 1 iVm Abs. 5 EStG 1988: Gefahrenzulage und Erschwerniszulage bei biomedizinischer Labortätigkeit
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N., Adr.Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom
betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016, Steuernummer xxx, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) erzielte im Beschwerdejahr 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In ihrer am eingebrachten Einkommensteuererklärung 2016 findet sich auf Seite 4 folgender handschriftlicher Vermerk: "2 Beilagen:1 Antrag um Rückerstattung der Steuer der Erschw.zulage 1. Bescheid - Aufhebung gem. § 300 BAO". Laut Vorlagebericht der belangten Behörde vom seien die Beilagen aber nicht mitübermittelt worden.
Die belangte Behörde erließ am den Einkommensteuerbescheid 2016 (Arbeitnehmerveranlagung) und setzte die Einkommensteuer iHv. -305,00 Euro (Gutschrift) fest. Im angehängtem Lohnzettel wurde u.a. ein Betrag iHv. 433,62 als steuerfreier Bezug (Kz 215) ausgewiesen.
Die Bf. brachte mit Schreiben vom Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 ein, da die übermittelten Beilagen nicht berücksichtigt und erwähnt worden seien. Die beiden Beilagen würden mit der Beschwerde nochmals übermittelt.
In der Beilage 1, datiert , beantragte die Bf. die "Rückerstattung der Steuer der Erschwerniszulage für 2016" und begründete diesen Antrag wie folgt: Sie sei BMA in der Z. Ort2. Mit ihrem Gehalt beziehe sie eine Erschwerniszulage aufgrund der Tätigkeiten die sie ausübe. Diese Erschwerniszulage sei seit sie denken könne immer steuerfrei gewesen. Mit sei die Erschwerniszulage plötzlich steuerpflichtig geworden. Aufgrund der vielen Einsprüche und Beschwerden sei diese Zulage dann bei einem Angestellten in Oberösterreich (Zuständigkeit im Finanzamt Y) wieder auf Beschluss des BFG steuerfrei gestellt worden. Da das als Musterverfahren für die BMAs der Z. gelte, und sie den gleichen Job ausübe, wie der Angestellte in Oberösterreich, ersuche sie um Rückerstattung der Steuer der Erschwerniszulage für 2016.
Als Beilage 2 wurde der "Bescheid - Aufhebung gemäß § 300 Bundesabgabenordnung" des Finanzamtes Y zu StNr xxx btr. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht zu RV/5100340/2019 vom vorgelegt. Darin wird u.a. begründet, dass aufgrund der Feststellungen im Zuge der Begehung bei dem Arbeitgeber Z. in Ort1 und den dabei niederschriftlich festgehaltenen Aussagen des Vorgesetzten, für welche Tätigkeiten die Erschwerniszulage gem. § 63 Abs 1 VBG iVm § 112 Abs 1 GehG ausbezahlt werde, festgestellt worden sei, dass der im Jahr 2017 am Jahreslohnkonto als Erschwerniszulage B pfl. ausgewiesene Gehaltsbestandteil im konkreten Einzelfall entsprechend dem Beschwerdevorbringen gem. § 68 EStG steuerfrei zu stellen sei.
Die belangte Behörde erließ mit folgendes Ergänzungsersuchen: "Für die Beschwerdeerledigung betreffend der Steuerfreistellung gem. § 68 EStG benötigt das Finanzamtfolgende Informationen/Unterlagen:Nachdem dem Finanzamt die übermittelten Lohnzettel als Berechnungsgrundlage für eineBescheiderstellung zur Verfügung stehen, werden Sie ersucht, einen berichtigten Lohnzettel zuübermitteln.Falls Sie diesem Ersuchen nicht nachkommen, kann Ihrer Beschwerde nicht stattgegeben werden."
Die Bf. reichte über FinanzOnline am das Antwortschreiben ein, übermittelte den Jahreslohnzettel von 2016 und ergänzte, dass sie im Zweifel sei, ob das richtig sei. Die belangte Behörde würde einen berichtigten Lohnzettel verlangen. Die Bf. hingegen hätte nur diesen einen und sie wisse nicht, wo sie einen korrigierten Lohnzettel hernehmen solle. Vielleicht liege hier ein Mißverständnis vor.
Dem Schreiben war der Jahreslohnzettel für 2016 beigefügt.
Die belangte Behörde wies in Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom
ab. Durch das Beschwerdeverfahren sei die Aktenlage erneut geprüft und der Beschwerdepunkt einer für die Bf. zu Unrecht besteuerten Erschwerniszulage It. Aktenlage überprüft worden. In Folge der Beschwerdebearbeitung sei die Bf. unter Wahrung des Parteiengehörs aufgefordert worden einen berichtigten Lohnzettel zu übermitteln. Da die Bf. dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, und auch seitens des Dienstgebers kein berichtigter Lohnzettel übermittelt worden sei, habe es zu keiner steuerlichen Änderung zum Erstbescheid kommen können.
Die Bf. brachte über FinanzOnline am den Antrag die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen ein (Vorlageantrag).
In einem angehängten Schreiben führte die Bf. aus, dass sie für ihre Tätigkeit im Labor eine Zulage nach § 112 Gehaltsgesetz erhalte. Diese Vergütung sei dem Grunde bzw. dem wirtschaftlichen Gehalt (§ 21 BAO) nach eine Gefahrenzulage aufgrund ihrer Tätigkeit im Labor. Dazu würden folgende zeitlich überwiegende Tätigkeiten des Arbeitstages zählen:
1.) Arbeiten mit biologischen Gefahrenstoffen der Klasse 2
2.) Hantieren von Arbeitsstoffen gem. § 42 Abs. 1 ASchG (zB krebserzeugende erbgutverändernde, fortpflanzungsgefährdende Stoffe) oder mit Giften.
Nach § 68 Abs. 1 EStG 1988 seien Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge insgesamt bis 360,00 Euro monatlich steuerfrei.
Unter Gefahrenzulagen seien nach § 68 Abs. 5 EStG 1988 jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt würden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umstanden erfolgten, die infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe von Gasen, Dämpfen Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen würden.
Aus § 68 Abs. 5 EStG 1988 ergebe sich, dass unter Gefahrenzulagen Arbeitgeberleistungen zu verstehen seien, welche deshalb bezahlt würden, weil entweder auf Grund direkter Beeinträchtigungen ("infolge der schädlichen Einwirkungen von .. ") oder potentieller Gefährdungen ("infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr ") ein Risiko für Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit der Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer bestehe. Es bestehe beim Hantieren auch dann eine reale Gefahr, welche die Auszahlung einer steuerfreien Zulage dem Grunde nach rechtfertige, wenn bei Einhaltung der Sicherheitsnormen ein unmittelbares "In-Kontakt-Kommen" nicht regelmäßig der Fall sein werde.
Würde nämlich das (überwiegende) Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 68 Abs. 5 EStG 1988 immer dann zu verneinen sein, wenn durch die Einhaltung der entsprechenden Schutzbestimmungen ein tatsächlich unmittelbarer körperlicher Kontakt mit tatsächlich gesundheitsschädigenden Materialen im Regelfall nicht gegeben sei, wäre der sich aus dem Bestehen einer Gefahr beziehende Teil der Bestimmung des § 68 Abs. 5 EStG 1988 sinnentleert. Die Bezugnahme auf den Begriff "Gefahr" bedeute aber gerade, dass eine tatsächlich schädliche Einwirkung (noch) nicht erfolgt sei, dies aber möglich sei.
Die Bf. verwies in Folge auf die Entscheidungen ; 2012/13/0084, . RV/3100091/2011, und UFS Wien vom . RV/1685-W/04, und darauf, dass es sich aufgrund ihrer Tätigkeit eindeutig um eine Gefahrenzulage handeln würde, die entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen des § 68 Abs. 1 bzw. § 68 Abs. 5 EStG steuerfrei sei.
Weiters legte die Bf. eine Arbeitsplatzbeschreibung der Z. vom vor.
Die belangte Behörde legte am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte im Vorlagebericht unter Punkt Sachverhalt aus, dass § 68 Abs. 5 EStG 1988 zur Steuerfreiheit eine schädliche Einwirkung von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder anderen Gefahren, die zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen, erfordere. Zudem sei erforderlich, dass diese Zulagen auf Grund gesetzlicher Vorschriften ausbezahlt würden. Die Bezeichnung einer Zulage sei für ihre steuerliche Behandlung nicht ausschlaggebend. Werde eine Zulage zB als Erschwerniszulage bezeichnet, wobei eine nicht anderweitig berücksichtigte Gefährdungskomponente abgegolten werde, könnten diese Zulagen in einem angemessenen Rahmen als Gefahrenzulagen steuerfrei behandelt werden. Dies würde auch für Zulagen allgemeiner Art, die nicht ausdrücklich als Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen bezeichnet würden, gelten. Grundsätzlich obliege die Beurteilung, ob eine Erschwernis- oder Gefahrenzulage vorliege dem Dienstgeber. Eine Vergleichbarkeit der Tätigkeit der Bf. mit jener der Partei im Verfahren zu GZ. RV/5100340/2019 sei seitens der Bf. behauptet worden, eine Bestätigung des Dienstgebers zum Tätigkeitsbereich der Bf. liege jedoch nicht vor. Eine solche könnte in Form einer Arbeitsplatzbeschreibung oder - vorzugsweise - durch die Übermittlung eines bereits im Vorhaltewege angeforderten berichtigten Lohnzettels erfolgen. Nachdem die Z. bereits in das zitierte Verfahren, in dem auch umfangreiche Sachverhaltsermittlungen durchgeführt worden seien, eingebunden gewesen sei und über die Erledigung in diesem Fall Kenntnis erlangt haben müsse, sei davon auszugehen, dass der Dienstgeber am Ehesten beurteilen könne ob die konkrete Tätigkeit der Bf. im Jahr 2016 die Tatbestandsvoraussetzungen des § 68 Abs. 5 EStG erfüllt habe. Dies sei auch aus dem Grund anzunehmen, weil derselbe Sachverhalt bis heute laufend durch eine größere Anzahl ihrer Dienstnehmer verwirklicht werden müsste.
Das Bundesfinanzgericht richtete mit Schreiben vom die Aufforderung an die Bf., das Jahreslohnkonto 2016 und den Nachweis, dass die materiellen Voraussetzungen einer Erschwernis iSd § 68 Abs. 5 zweiter Teilstrich EStG 1988 (Vorliegen einer außerordentlichen Erschwernis) oder einer Gefahr iSd § 68 Abs. 5 dritter Teilstrich EStG 1988 (Vorliegen einer typischen Berufsgefahr) gegeben sind, durch eine entsprechende Bestätigung des Dienstgebers zu erbringen.
Die Bf. übermittelte mit Antwortschreiben vom den Jahreslohnzettel 2016 und das ausgefüllte Formular "Erschwerniszulage - Antrag auf Feststellung der steuerlichen Behandlung der Vergütung gem. § 112 GehG (Gehaltsgesetz) für Vertragsbedienstete im K-Schema", datiert .
Im Formblatt wurde durch Ausfüllen und Ankreuzen der entsprechenden Felder angegeben:
Die Erschwerniszulage werde ab gewährt, die Bf. sei im Hygiene- und Qualitätslabor Ort2 tätig.
In Folge wird erklärend ausgeführt, dass eine steuerbegünstigte Erschwerniszulage dann zustehe, wenn der/die Mitarbeiterin die überwiegende Zeit (mehr als die Hälfte) seines/ihres täglichen Beschäftigungsausmaßes einer Erschwernis / Gefahr ausgesetzt sei. Nicht anspruchsberechtigt auf eine steuerbegünstigte Erschwerniszulage sei, wer, auch wenn er (sie) gelegentlich mit derartigen Erschwernis in Berührung gerät, überwiegend mit der Wahrnehmung anderer Aufgaben, insbesondere Verwaltungsaufgaben, betraut sei. Für diese Fälle gelange die Erschwerniszulage steuerpflichtig zur Anweisung. Diese stehe 12 Mal im Jahr zu und werde gleichzeitig mit den fixen Monatsgehältern ausbezahlt.
Daran anschließend wurde in der Rubrik "Erschwerniszulage - Vergütung gem. § 112 GehG" ausgefüllt und angekreuzt:
"... Der / Die Mitarbeiterin ist einer außerordentlichen Belastung bzw. einer Gefährdung von Leben oder Gesundheit ausgesetzt, weil: ...
arbeitet mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 2-4:
Mutagen, teratogen, kanzerogene Proben
Der / Die Mitarbeiterin ist bei auftragsgemäßer Wahrnehmung der ihm (ihr) übertragenen Aufgaben"
[angekreuzt wurde] "überwiegend (- steuerbegünstigt)mit den oben markierten Arbeiten betraut."
Am Ende des Formulars wird "gültig ab " ausgewiesen.
Da von der Bf. kein Auszug des Jahreslohnkontos 2016 vorgelegt wurde, erließ das Bundesfinanzgericht ein entsprechendes Auskunftsverlangen gem. §§ 2a iVm 143 BAO an die Arbeitgeberin (Z. GmbH).
Die Z. GmbH legte mit Schreiben vom das Jahreslohnkonto 2016 vor, aus welchem u.a. ersichtlich ist, dass im Jahr 2016 eine "Erschwerniszul. B. pfl." iHv. 1.659,60 Euro ausbezahlt wurde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. ist im Beschwerdejahr 2016 als biomedizinische Analytikerin bei der Z. GmbH (Z.) in Ort2 tätig. In der vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung (siehe BFG Akt OZ 6, Vorlageantrag, Seite 5) sind als "Aufgabe und Ziele" der Tätigkeiten der Bf. angeführt:
"Durchführung von mikrobiologischen Tests und Untersuchungen mit Schwerpunkt im Bereich der Qualitätskontrolle von Arzneimitteln
Selbständige Planung von Prüfungen, Auswertung der Ergebnisse, Entwicklung von Verfahren und denen Validierung
Umsetzung von QM-Vorgaben in der Abteilung und Qualitätssicherung zur Erhaltung dar GMP-Zertifizierung, des FDA Approvals und der Akkreditierung nach ISO 17025
Durchführung der Kalibrierung und Qualifizierung in der Abteilung gemäß GMP und FDA Forderungen
Optimale administrative Betreuung der Abteilungsagende"
In der Rubrik "Tätigkeiten, die zur Erfüllung der Aufgaben und Ziele notwendig sind" wird ausgeführt:
"Probenaufnahme und Registrierung, Zuteilung zu der jeweiligen Prüfvorschrift
Quantitativer und qualitativer Nachweis von Bakterien und Pilzen in Arzneimitteln
Durchführung von Hygieneuntersuchungen und Umgebungskontrollen: Abstriche, Abklatsche, Luftkeimmessungen
Identifizierung der Erreger
Überprüfung von medizinischen Produkten auf Endotoxine
Verwaltung einer Stamm Sammlung und deren Konservierung und Lagerung
Administration der Labormateriallen bzw, Reagenzien der OE
Qualitätskontrolle der Im Haus und extern hergestellten NÖhmnedlen
Qualifizierung, Kalibrierung und Betreuung von Laborgeräten und Durchführen von systernerhaltenden Arbeiten
Selbstständiges Erstellen von QM Dokumenten
Umsetzung von QM-Aufgaben In der Abteilung
Untersuchung von Mikrobiologischen Umgebungskontrollen
Verwaltung von Suchtgiften".
Die Bf. erhielt laut Jahreslohnkonto im Beschwerdejahr 2016 eine Gefahrenzulage iHv. 433,62 Euro, ausgewiesen als "Gefahrenzulage %v.V2 f", und 39,42 Euro, ausgewiesen als "Gefahrenzulage %v.V2 p", sowie eine Erschwerniszulage iHv. 1.659,62 Euro, ausgewiesen als "Erschwerniszul. B pfl.", ausbezahlt.
Die Gefahrenzulage iHv. 433,62 Euro wurde von der Arbeitgeberin der Bf. steuerfrei behandelt und wurde im Lohnzettel unter "steuerfreie Bezüge (215)" ausgewiesen.
Die im Lohnkonto als Erschwerniszulage bezeichnete Vergütung gemäß § 112 GehG wurde von der Arbeitgeberin nach dem Tarif versteuert und wurde auch nicht im Lohnzettel unter der Kennziffer 215 (steuerfreie Bezüge) ausgewiesen.
Beschwerdegegenständlich ist die Frage, ob diese im Jahre 2016 an die Bf. durch die Z. GmbH ausbezahlte Erschwerniszulage iHv. 1.659,62 Euro (Vergütung nach § 63 Abs. 1 VBG iVm § 112 Abs. 1 GehG) ebenfalls unter die Steuerbegünstigung des § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu subsumieren ist oder nicht.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
§ 68 EStG 1988 lautet auszugsweise:
(1) Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge sind insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei....
(3) Soweit Zulagen und Zuschläge durch Abs. 1 und 2 nicht erfaßt werden, sind sie nach dem Tarif zu versteuern....
(5) Unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sind jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die
- in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken,
- im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen, oder
- infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.
Diese Zulagen sind nur begünstigt, soweit sie
1. auf Grund gesetzlicher Vorschriften,
2. auf Grund von Gebietskörperschaften erlassener Dienstordnungen,
3. auf Grund aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,
4. auf Grund der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegten Arbeitsordnung,
5. auf Grund von Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind,
6. auf Grund von Betriebsvereinbarungen, die wegen Fehlens eines kollektivvertragsfähigen Vertragsteiles (§ 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden,
7. innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern
gewährt werden.... "
Gem. § 63 Abs. 1 VBG gebührt den Vertragsbediensteten des Entlohnungsschemas K eine Vergütung. Der Anspruch auf diese Vergütung richtet sich mit der Maßgabe nach § 112 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956, daß an die Stelle der Gehaltsstufen Entlohnungsstufen treten.
§ 112 Abs. 1 GehG 1956 lautet (auszugsweise): "Den Beamten des Krankenpflegedienstes gebührt für die mit ihrer Dienstleistung verbundenen Belastungen ein monatliche Vergütung. Diese Vergütung beträgt: (….)."
Die Begünstigung für Erschwerniszulagen nach § 68 Abs. 5 zweiter Teilstrich EStG 1988 setzt nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut ist, die eine außerordentliche Erschwernis darstellen. Der Arbeitnehmer muss also während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die eine außerordentliche Erschwernis darstellen (vgl. ).
Von Arbeiten unter "außerordentlicher Erschwernis" kann nur dann gesprochen werden, wenn sie sich entweder selbst als außerordentlich schwierig erweisen, unter außerordentlich schwierigen Bedingungen auszuführen oder besonders dringlich sind (; ). Allerdings setzt jede höher qualifizierte Tätigkeit im Berufsleben auch höhere geistige und psychische Belastungen voraus (Ebner in Jakom EStG15, § 68 Rz 7 und die dort zitierte VwGH-Judikatur).
Der Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen muss innerhalb der jeweiligen Berufsgruppe gezogen werden (vgl. ).
Der Nachweis, um welche Arbeiten - im Beschwerdefall also um welche Arbeiten unter "außerordentlicher Erschwernis" - es sich im Einzelnen gehandelt hat und - hinsichtlich des Erfordernisses des "Überwiegens" - wann sie geleistet wurden, ist vom Abgabepflichtigen zu erbringen (vgl. ).
Unterlässt es der Abgabepflichtige, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen überprüfbaren Nachweise zu erbringen, ist die Abgabenbehörde nicht gehalten, von sich aus (eigene) Ermittlungen anzustellen (vgl. ).
Die Bf. hat im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht, dass die von ihr zu verrichtenden Arbeiten unter einer außerordentlichen Erschwernis erfolgt seien. Auch aus der von der Bf. vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung lassen sich keine Hinweise dafür entnehmen, dass die von der Bf. verrichteten Arbeiten im Vergleich zu den allgemeinen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis dargestellt hätten. Es wurde von der Bf. vielmehr argumentiert, dass die strittige Zulage tatsächlich eine Gefahrenzulage darstelle (vgl. BFG-Akt OZ 6, Vorlageantrag, Begründung: "... Diese Vergütung ist dem Grunde bzw. dem wirtschaftlichen Gehalt ... nach eine Gefahrenzulage ... aufgrund meiner Tätigkeit handelt es sich eindeutig um eine Gefahrenzulage, die entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen des § 68 Abs. 1 bzw. § 68 Abs. 5 EStG steuerfrei ist...).
Von der Arbeitgeberin wurde die Erschwerniszulage entsprechend steuerpflichtig behandelt (siehe BFG-Akt OZ 17, Jahreslohnkonto 2016).
Für das Bundesfinanzgericht sind daher die Voraussetzungen für eine als steuerfei zu behandlende Erschwerniszulage nicht gegeben.
Die Bf. ist aber - wie soeben ausgeführt - der Ansicht, bei der strittigen Vergütung handle es sich dem Grunde nach bzw. dem wirtschaftlichen Gehalt nach um eine Gefahrenzulage.
Wie schon im Vorlagebricht angeführt, ist die Bezeichnung einer Zulage für ihre steuerliche Behandlung nicht ausschlaggebend ist (vgl. Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG22, Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, Rz 26).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat die Steuerbefreiung für Gefahrenzulagen gem. § 68 Abs. 5 dritter Teilstrich EStG 1988 zur Voraussetzung, dass die zu leistenden Arbeiten - worunter nur die vom Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses schlechthin (insgesamt) zu erbringende Arbeitsleistung verstanden werden kann - überwiegend unter Umständen ausgeführt werden, die zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen. Die Frage der Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit ist also nicht allein anhand jener Arbeiten zu untersuchen, mit denen diese Gefährdung verbunden ist. Vielmehr ist bezogen auf die gesamten vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten innerhalb eines Lohnzahlungszeitraums iSd § 77 EStG 1988 zu prüfen, ob sie überwiegend eine solche Gefahrenlage bewirken. Es müssen also in zeitlicher Hinsicht die Tätigkeiten, die mit einer Gefahrenlage verbunden sind, überwiegen. Die Begünstigung des § 68 Abs. 1 iVm Abs. 5 EStG 1988 setzt u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichtet, die überwiegend unter Umständen erfolgen, welche die eben angeführten Voraussetzungen erfüllen. Der Arbeitnehmer muss also während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die zwangsläufig eine außerordentliche Erschwernis oder Gefahr darstellen ().
Es muss vom Steuerpflichtigen nachgewiesen werden, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt hat und wann sie geleistet wurden ().
Das Bundesfinanzgericht stellt nicht in Abrede, dass das Arbeiten mit biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppen 2-4 grundsätzlich ein potenzielles Gefahrenmoment in sich birgt (siehe Website der Arbeitsinspektion, https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Arbeitsstoffe/
Arbeitsstoffe_2/Biologische_Arbeitsstoffe.html, abgerufen am ), das als typische Berufsgefahr in Form einer Gefahrenzulage abgegolten wird (vgl. ).
Für diese Arbeiten wurde der Bf. im Beschwerdejahr, wie aus dem vorgelegten Lohnzettel und dem Jahreslohnkonto ersichtlich, eine solche Gefahrenzulage steuerfrei ausgezahlt.
Anhaltspunkte dafür, dass durch die vom Arbeitgeber als Erschwerniszulage bezeichnete und von der auszahlenden Stelle steuerpflichtig belassene Erschwerniszulage der Bf. (siehe vorgelegtes Lohnkonto 2016) eine nicht bereits ohnehin von der gewährten steuerfreien Gefahrenzulage berücksichtigte zusätzliche Gefährdungskomponente abgegolten wurde ist der Aktenlage nicht zu entnehmen und hat Derartiges, etwa durch die Benennung weiterer, nicht bereits entsprechend abgegoltener berufstypischer Gefahrensituationen, auch die Bf. nicht vorgebracht.
Betreffend des im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Formulars "Antrag auf Feststellung der steuerlichen Behandlung gem. § 112 GehH" ist festzuhalten, dass dieses wie ausgewiesen erst "ab " gültig ist und somit im Gegensatz zum - nach Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht von der Arbeitgeberin vorgelegten - Lohnkonto 2016, in welchem die Erschwerniszulage durch die Arbeitgeberin als steuerpflichtig behandelt wurde, nicht das Beschwerdejahr 2016 betreffen kann.
Schließlich ist wiederholend darauf zu verweisen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vom Abgabepflichtigen nachgewiesen werden muss, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt hat und wann sie geleistet wurden (nochmals ). Ein solcher von der Judikatur geforderter Nachweis wurde aber von der Bf. nicht erbracht (keine Vorlage des Lohnkontos und der zugehörigen Grundaufzeichnungen), sondern wurde von der Bf. lediglich ausgeführt, dass die Arbeit im Labor die "zeitlich überwiegende Tätigkeiten des Arbeitstages" sei.
Zu den von der Bf. im Vorlageantrag angeführten Judikaten wird ausgeführt:
Im Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom , 2012/13/0084, hat das Höchstgericht ausgesprochen, dass der Kontakt mit infektiösen Substanzen in einem orthopädischen Spital keine Gefahrenzulage rechtfertigt (vgl. Kirchmayr/Schaunig, a.a.O., Rz 34).
Im Verfahren , war strittig, ob die ausbezahlte Gefahrenzulage steuerbegünstigt ist oder nicht. Im gegenständlichen Beschwerdefall ist aber - wie oben ersichtlich - die als solche bezeichnete "Gefahrenzulage" unstrittig steuerfrei ausbezahlt worden.
Im BFG-Verfahren vom , RV/5100340/2019, wurde vom Bundesfinanzgericht eine verfahrensleitende Verfügung (= Beschluss lt. § 300 Abs 1 lit b BAO) zur Durchführung eines Verfahrens gemäß § 300 BAO erlassen und nicht mit Erkenntnis (= Sachentscheidung), in welchem über eine Rechtsfrage inhaltlich abgesprochen wird, entschieden. Aufgrund des Beschlusses hat das Finanzamt Y in Folge den angefochtenen Bescheid gem. § 300 BAO aufgehoben und einen neuen Sachbescheid erlassen. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass im konkreten Einzelfall eine Steuerfreistellung der beschwerdegegenständlichen Vergütung erfolgte.
Das Bundesfinanzgericht hat jedoch in vergleichbaren Beschwerdefällen in mehreren Erkenntnissen auch inhaltlich abgesprochen und das Begehren von biomedizinischen Analytikerinnen auf steuerliche Begünstigung der als Erschwerniszulage bezeichneten Vergütung als unbegründet abgewiesen, siehe ; ; .
Da hinsichtlich der strittige Vergütung die gem. § 68 EStG 1988 geforderten Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerfreiheit nicht gegeben sind, wurde die Erschwerniszulage zur Recht gem. § 68 Abs. 2 EStG 1988 zum Tarif versteuert.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das Bundesfinanzgericht bei der Beurteilung der Frage, ob die gegenständliche Erschwerniszulage der begünstigten Besteuerung gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 unterliegt, nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG vor und ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 68 Abs. 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 68 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 63 Abs. 1 VBG, Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl. Nr. 86/1948 § 112 Abs. 1 GehG, Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54/1956 § 68 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 68 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100695.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at