Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Zustellung in die Databox nicht zur Kenntnis genommen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hinsichtlich des Rückforderungsbescheides Familienbeihilfe Juni 2019 bis Februar 2021, SVNR: ***SVNR***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am richtete das Finanzamt folgenden Bescheid an die Beschwerdeführerin (Bf.):
Rückforderungsbescheid Einzahlung
- Familienbeihilfe (FB)
- Kinderabsetzbetrag (KG)
für die Kinder
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Art der Beihilfe Zeitraum von - bis
(Nach-und Vorname) … Juni 2019 - Feb. 2021
Der Rückforderungsbetrag beträgt
…
Rückforderungsbetrag gesamt: € 5.851,50
Sie sind verpflichtet, diesen Betrag
- gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3
Einkommensteuergesetz 1988 zurückzuzahlen.
Die Rückzahlung hat bis auf Widerruf an das Finanzamt Österreich zu erfolgen. Die Fälligkeit des Rückforderungsbetrages entnehmen Sie der Buchungsmitteilung, die - falls Sie einer elektronischen Zustellung zugestimmt haben - in Ihre FinanzOnline-NACHRICHTEN, andernfalls gesondert per Post zugestellt wird.
Begründung
Zu (Tochter) V…:
Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessen Zeitraums antritt.
Da Ihre Tochter V… ab Juni 2019 keine Prüfungen mehr abgelegt hat, wurde das Studium nicht mehr ernsthaft und zielstrebig betrieben. Die Familienbeihilfe ist daher zurückzuzahlen.
Zu (jüngere Tochter):
Sie haben für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen. Im Rückforderungsbetrag ist die anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten, für die Sie im Rückforderungszeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten haben (§ 8 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Zu (Sohn) …:
[wie betreffend die jüngere Tochter]
Die Bf. stellte am folgenden ,Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Standgemäß § 71 AVG' und holte die Bescheidbeschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom nach:
1. Sachverhalt und bisheriger Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wird die Familienbeihilfe inklusive Kinderabsetzbetrag für meine Tochter V… und die Geschwisterstaffel für … und … in der Höhe von 5.851,50 Euro rückgefordert. Gegen diesen Bescheid erhebe ich hiermit Beschwerde, da sich die Rückforderung als rechtswidrig herausstellt.
2. Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 71 AVG
§ 71 Abs 1 und 2 AVG sieht vor, dass gegen die Versäumung einer Frist binnen zwei Wochen auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist, wenn (Z 1) die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder (Z 2) die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
Der Rückforderungsbescheid vom langte am in meinem Online-Postfach über Finanzonline ein. Ich erhielt jedoch keinen Brief per Post und auch keine Verständigung per E-Mail über das Einlangen des Bescheides, weshalb ich vom Rückforderungsbescheid erst am zufällig Kenntnis erlangte.
Ich erhielt bisher die Schreiben und Bescheide des Finanzamtes immer per Post nach Hause, weshalb ich davon ausgegangen bin und auch ausgehen dürfte, dass ein Rückforderungsbescheid ebenfalls per Post einlangen würde. Ich erhielt nicht einmal eine Verständigungs-E-Mail über das Einlangen des Bescheides.
Da ich vorhatte meine Arbeitnehmerinnenveranlagung für das Kalenderjahr 2020 zu machen, sah ich zufällig den Rückforderungsbescheid auf Finanzonline, mit dem ich keinesfalls rechnen konnte. Da ich die Bescheide in der Vergangenheit immer per Post erhalten hatte, hatte es auch keinen Grund gegeben vorher in mein Finanzonline Portal zu schauen. Sobald ich vom Rückforderungsbescheid Kenntnis erlangt hatte, setzte ich alle weiteren Schritte in Bewegung und kann nun hiermit die begründete Beschwerde einreichen.
Mich trifft daher kein oder nur ein geringfügiges Verschulden. Ich stelle somit einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, da ich durch das Versäumen der Beschwerdefrist gegen den Rückforderungsbescheid vom einen Rechtsnachteil erleide. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist in meinem Fall zulässig, da das Ereignis, welches zur Fristversäumnis führte, für mich unvorhersehbar war.
Die neue ständige Rechtsprechung betrachtet jedes Geschehen, insbesondere auch psychische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, Irrtum, auch unrichtige rechtliche Beurteilung der Rechtslage bzw. Rechtsirrtum oder Unkenntnis der Rechtslage als relevantes Ereignis im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, 2014, Rz 629).
3. Nachgeholtes Rechtsmittel: Bescheidbeschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom
Hiermit erhebe ich, (Bf.), Versicherungsnummer …, gegen den an mich adressierten Bescheid (Ordnungsbegriff: …) über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge des Finanzamtes Österreich vom , davon Kenntnis erlangt am , fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 243 Bundesabgabenordnung (BAO) und begründe diese wie folgt.
[Begründung]
Das Finanzamt erließ den beschwerdegegenständlichen Bescheid wie folgt:
Der Antrag von Frau (Bf.), wohnhaft … vom betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO bezüglich des Zeitraumes Juni 2019 bis Februar 2021 wird abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Grundlagen:
§ 245 BAO - Einbringen der Beschwerde:
Beschwerdefrist ist ein Monat ab Bekanntgabe des Bescheides und beginnt mit der Zustellung des Bescheides zu laufen. Die Monatsfrist endet grundsätzlich am gleichen Tag wie die Zustellung nur einen Monat später.
Wurde der Bescheid über Finanz Online zugestellt ist für den Beginn des Fristenlaufs der Zeitpunkt des Einlangens in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers bei Finanz Online auschlaggebend, also der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox.
Irrelevant für den Zustellungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des tatsächlichen Einsehens der Databox durch den FON-Teilnehmer (z.B. öffnen, lesen, ausdrucken des Bescheides).
§ 308 BAO - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Zur Beseitigung eines Rechtsnachteiles für den Abgabepflichtigen, ist dieser Verfahrenstitel unter den folgenden Voraussetzungen anzuwenden:
• Es wurde eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt.
• Aus diesem Umstand ergibt sich ein Rechtsnachteil für den Abgabepflichtigen.
• Der Grund für die Versäumung liegt in einem unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis.
• Den Abgabepflichtigen trifft an der Versäumung kein grobes Verschulden.
• Es wird rechtzeitig der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO gestellt.
Der Wiedereinsetzungsantrag muss binnen drei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Da es sich hierbei um eine gesetzliche Frist i.S.d. § 110 BAO handelt, ist diese nicht verlängerbar.
Unter einem Ereignis ist in den meisten Fällen ein Vorgang in der Außenwelt zu verstehen
(z.B. Naturereignis, Krankheit,...). Ebenso ist darunter aber ein psychischer Vorgang (vergessen, verschreiben, irren, ...) zu subsumieren.
Als unvorhergesehen ist ein Ereignis dann zu beurteilen, wenn damit nicht gerechnet werden konnte und unter Bedachtnahme der persönlich zumutbaren Aufmerksamkeit mit dem Eintritt eines solchen Ereignis nicht zu rechnen war.
Die Unabwendbarkeit kommt damit zum Ausdruck, wenn mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, der Eintritt des Ereignisses nicht abwendbar bzw. zu verhindern ist. Rechtsunkenntnis und/oder Rechtsirrtümer stellen daher grundsätzlich gemäß dieser Terminologie keine Wiedereinsetzungsgründe dar.
Würdigung:
Der Rückforderungsbescheid vom gilt mit Einlangen in der Databox als zugestellt.
Es liegt kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO vor.
Ihr Antrag musste daher abgewiesen werden.
Die Beschwerde wurde mit folgender Begründung erhoben:
1. Sachverhalt und bisheriger Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe inklusive Kinderabsetzbetrag für meine Tochter V… und die Geschwisterstaffel für … und … in der Höhe von 5.851,50 Euro rückgefordert. Da ich nicht rechtzeitig Kenntnis von der Rückforderung erlangte, brachte ich mit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und erhob im Zuge dessen gegen die Rückforderung Beschwerde. Nun erhielt ich am die Abweisung der Wiedereinsetzung vom und erhebe somit rechtzeitig dagegen Beschwerde, da sich sowohl die Abweisung der Wiedereinsetzung als auch die Rückforderung an sich als rechtswidrig herausstellt (siehe Beilagen).
2. Fehlende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen in der Wiedereinsetzung
Mit Abweisungsbescheid vom , mir zugestellt am , wurde meine Wiedereinsetzung vom abgewiesen. Die Ablehnung wird folgendermaßen begründet:
"Rechtliche Grundlagen: (...) Wurde der Bescheid über Finanz Online zugestellt ist für den Beginn des Fristenlaufs der Zeitpunkt des Einlangens in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers bei Finanz Online ausschlaggebend, also der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox. Irrelevant für den Zustellungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des tatsächlichen Einsehens der Databox durch den FON Teilnehmer (...). (...)
Würdigung: Der Rückforderungsbescheid vom gilt mit dem Einlangen in der Databox als zugestellt. Es liegt kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO vor. Ihr Antrag musste abgewiesen werden.
Es wurde daher inhaltlich gar nicht auf mein Vorbringen eingegangen, das ich hier noch einmal anführen möchte. In meinem Fall liegt nämlich ein unvorhersehbares Ereignis vor, an dem mich kein grobes Verschulden trifft.
§ 308 Abs 1 und 3 BAO sieht vor, dass gegen die Versäumung einer Frist binnen 3 Monaten auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von 3 Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde eingebracht werden. Bei Versäumung der Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen. Und genau das habe ich getan.
Der Rückforderungsbescheid vom langte am in meinem Online-Postfach über Finanzonline ein. Davon hatte ich jedoch keine Kenntnis. Ich erhielt auch keinen Brief per Post und auch keine Verständigung per E-Mail über das Einlangen des Bescheides in der Databox, weshalb ich vom Rückforderungsbescheid erst am zufällig Kenntnis erlangte. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt also nichts über die Zustellung der Rückforderung in der Databox.
Da ich vorhatte meine Arbeitnehmerinnenveranlagung für das Kalenderjahr 2020 zu machen, sah ich zufällig am den Rückforderungsbescheid auf Finanzonline. Zu diesem Zeitpunkt war auf FinanzOnline die elektronische Zustellung aktiviert und die Benachrichtigung per E-Mail nicht angeklickt. Darüber war ich verwundert und geschockt zugleich. Meiner Erinnerung nach habe ich der Umstellung auf elektronische Zustellung nie aktiv zugestimmt. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, wissentlich die Einstellung auf elektrische Zustellung zu ändern und schon gar nicht ohne die Benachrichtigung per E-Mail einzustellen. Diese Einstellung habe ich danach auch sofort wieder geändert. Ich kann mir also nicht erklären, weshalb die Zustellung in der Databox in meinem Finanz Online Konto angeklickt war.
Da ich die Bescheide in der Vergangenheit immer per Post erhielt, hatte es auch keinen Grund gegeben vorher in mein Finanzonline Portal zu schauen. Interessant ist auch, dass ich selbst nach dem Einlangen des Rückforderungsbescheides am (von der ich ja keine Kenntnis hatte) weiterhin Schreiben des Finanzamtes per Post erhalten habe (z.B.: am die Zahlungsanforderung oder auch am das Schreiben "Mitteilung über den Wegfall des Anspruches auf Familienbeihilfe betreffend meinen Sohn …). Ich ging also weiterhin davon aus und durfte dies auch, dass alle nötigen Zustellungen per Post einlangen würden.
Sobald ich vom Rückforderungsbescheid Ende Juli 2021 Kenntnis erlangt hatte, setzte ich alle weiteren Schritte in Bewegung und beantragte die Wiedereinsetzung und brachte Beschwerde ein.
Selbst wenn die Behörde davon ausgeht, dass mich ein Verschulden trifft, kann lediglich von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden, was wiederum einer Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages nicht entgegensteht.
Daher stellte ich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, da ich durch das Versäumen der Beschwerdefrist gegen den Rückforderungsbescheid vom einen Rechtsnachteil erleide.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist in meinem Fall zulässig, da das Ereignis, welches zur Fristversäumnis führte, für mich unvorhersehbar war. Ich hatte keinen Grund davon auszugehen, dass in meiner Databox Bescheide zugestellt würden.
Die neue ständige Rechtsprechung betrachtet jedes Geschehen, insbesondere auch psychische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, Irrtum, auch unrichtige rechtliche Beurteilung der Rechtslage bzw. Rechtsirrtum oder Unkenntnis der Rechtslage als relevantes Ereignis im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, 2014, Rz 629).
3. Nachgeholtes Rechtsmittel: Bescheidbeschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom
Hiermit erhebe ich, (Bf.), Versicherungsnummer …, gegen den an mich adressierten Bescheid (Ordnungsbegriff: …) über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge des Finanzamtes Österreich vom , davon Kenntnis erlangt am , fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 243 Bundesabgabenordnung (BAO) und begründe diese wie folgt:
[Begründung]
Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung wie folgt:
Sachverhalt:
Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe für Ihre Tochter V…, geboren am
… .09.1996 für den Zeitraum von Juni 2019 bis Februar 2021 rückgefordert, da sie ihr Studium nicht mehr ernsthaft und zielstrebig betrieben hat.
Am haben Sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen.
Am haben Sie eine Beschwerde eingebracht. In Ihrer Beschwerde führen Sie aus, dass Sie keine Kenntnis von dem in FinanzOnline zugestellten Rückforderungsbescheid hatten und daher eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gerechtfertigt ist.
Gesetzliche Grundlagen:
Die Beschwerdefrist beträgt gemäß § 245 BAO einen Monat ab Zustellung des Bescheides.
Wurde der Bescheid über FinanzOnline zugestellt, ist für den Beginn des Fristenlaufs der Zeitpunkt des Einlangens des Bescheides in der Databox ausschlaggebend.
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110 BAO) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten.
Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß § 308 Abs. 3 BAO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung "binnen einer Frist von drei Monaten" nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde, bei der die Frist wahrzunehmen war, bei Versäumung einer Berufungsfrist oder einer Frist zur Stellung eines "Vorlageantrages" (§ 276 Abs. 2 BAO) bei der Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz eingebracht werden. Spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller die versäumte Handlung nachzuholen.
Würdigung:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu bewilligen, wenn die Partei
durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten.
Unvorhergesehen ist ein Ereignis nur dann, wenn es die Partei nicht einberechnet hat und sie dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl Ritz, BA06 [2017] § 308 Tz 9 mwN). Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte (vgl Ritz, BA06 [2017] § 308 Tz 910 mwN).
Bei Unkenntnis darüber, dass ein Bescheid in FinanzOnline zugestellt wurde, liegt kein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis vor.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Der Vorlageantrag wurde mit folgender Begründung eingebracht:
1. Sachverhalt und bisheriger Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe inklusive Kinderabsetzbetrag für meine Tochter V… und die Geschwisterstaffel für … und … in der Höhe von 5.851,50 Euro rückgefordert (Beilage 1: Rückforderungsbescheid vom ).
Da ich nicht rechtzeitig Kenntnis von der Rückforderung erlangte, brachte ich mit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und erhob im Zuge dessen gegen die Rückforderung Bescheidbeschwerde (Beilage 2: Wiedereinsetzung und nachgeholtes Rechtsmittel vom ).
Am erhielt ich die Abweisung der Wiedereinsetzung vom und erhob am dagegen Beschwerde (Beilage 3: Abweisungsbescheid vom und Beilage 4: Bescheidbeschwerde und nachgeholtes Rechtsmittel vom ). Gegen die am eingelangte erneute Ablehnung mittels Beschwerdevorentscheidung vom (Beilage 5: Beschwerdevorentscheidung vom ), stelle ich nun folgenden Vorlageantrag. Sowohl die Abweisung der Wiedereinsetzung als auch die Rückforderung der Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag und Geschwisterstaffel stellen sich als rechtswidrig heraus.
2. Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften
a. Begründungspflicht
Gemäß § 93 Abs 3 lit a Bundesabgabenordnung (BAO) sind Bescheide zu begründen. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu aus: "Nach der ständigen Rechtsprechung muss die Bescheidbegründung erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet." ( mwN).
Die Begründung in der vorliegenden Beschwerdevorentscheidung ist sehr kurz gehalten:
"Bei Unkenntnis darüber, dass ein Bescheid in FinanzOnline zugestellt wurde, liegt kein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis vor." Damit geht die Behörde überhaupt nicht auf meine ausführliche Erklärung der Situation ein. Jedenfalls erfüllt die Begründung des Bescheides nicht die Anforderungen, welche der VwGH an die Begründung von Bescheiden anlegt. Insbesondere wird aus der vorliegenden Beschwerdevorentscheidung nicht ausreichend ersichtlich, welchen Sachverhalt auf Grund welcher Beweise die Behörde festgestellt hat. Völlig im Unklaren bleibt für mich auch, wodurch die Behörde zum Ergebnis gelangt, dass mich an der Unkenntnis der Bescheideinlangung ein gröberes Verschulden als ein (zulässiger) minderer Grad des Versehens trifft.
Insgesamt hat die Behörde den ablehnenden Bescheid bzw. die Beschwerdevorentscheidung unzureichend begründet, sodass sie dadurch den Bescheid mit Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, die sich im Ergebnis zu meinen Ungunsten auswirkt, belastet hat.
b. Amtswegige Ermittlungspflicht - Verletzung des Parteiengehörs
Gemäß § 115 Bundesabgabenordnung (BAO) trifft die Abgabenbehörde die Pflicht, die "Fälle zu erforschen und von Amts wegen der (gemeint: die) tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln", welche sie ihren Entscheidungen zu Grunde liegt.
Die Abgabenbehörde hat diesen Grundsatz im vorliegenden Verfahren verletzt. Die Behörde hat die von mir angeführten Argumente nicht ausreichend gewürdigt bzw. gänzlich ignoriert. Die Begründung ist schematisch und besteht offensichtlich aus Textbausteinen. Hätte die Behörde meine Ausführungen gewürdigt, hätte sie erkannt, dass mich kein Verschulden daran trifft, dass ich den Rückforderungsbescheid zu spät entdeckt habe. In weiterer Folge hätten meine sachlichen Argumente gegen die Rückforderung der Familienbeihilfe vorgebracht werden können. Sollte das Bundesfinanzgericht noch Bedarf an weiteren Unterlagen haben, stehe ich gerne jederzeit zur Vorlage weiterer Unterlagen zur Verfügung. Gerne bin ich auch telefonisch in dieser Sache erreichbar.
Insgesamt hat die Behörde den zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und geprüft, sodass sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, die sich im Ergebnis zu meinen Ungunsten auswirkt, belastet hat. Sie hat darüber hinaus sämtliche meiner Eingaben ignoriert bzw. sich nicht in einer erkennbaren Weise damit auseinandergesetzt, sodass sie auch mein Recht auf Parteiengehör verletzt hat.
3. Inhaltliche Rechtswidrigkeit
§ 308 Abs 1 und 3 BAO sieht vor, dass gegen die Versäumung einer Frist binnen 3 Monaten auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung, einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von 3 Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde eingebracht werden. Bei Versäumung der Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen. Und genau das habe ich getan.
Der Rückforderungsbescheid vom langte am in meinem Online-Postfach über Finanzonline ein. Davon hatte ich jedoch keine Kenntnis. Ich erhielt auch keinen Brief per Post und auch keine Verständigung per E-Mail über das Einlangen des Bescheides in der Databox, weshalb ich vom Rückforderungsbescheid erst am zufällig Kenntnis erlangte. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt also nichts über die Zustellung der Rückforderung in der Databox.
Da ich vorhatte meine Arbeitnehmerveranlagung für das Kalenderjahr 2020 zu machen, sah ich zufällig am den Rückforderungsbescheid auf Finanzonline. Zu diesem Zeitpunkt war auf FinanzOnline die elektronische Zustellung aktiviert und die Benachrichtigung per E-Mail nicht angeklickt. Darüber war ich verwundert und geschockt zugleich. Meiner Erinnerung nach habe ich der Umstellung auf elektronische Zustellung nie aktiv zugestimmt. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, wissentlich die Einstellung auf elektrische Zustellung zu ändern und schon gar nicht ohne die Benachrichtigung per E-Mail einzustellen. Ich kann mir also nicht erklären, weshalb die Zustellung in der Databox auf diese Art und Weise in meinem Finanz Online Konto angeklickt war.
Zu diesem Zeitpunkt änderte ich die Einstellung sofort und entschied mich für folgende Einstellungen, um derartiges in Zukunft zu vermeiden:
- "Ich verzichte auf die elektronische Zustellung gemäß 5b Abs. 3 FOnV 2006"
- "Ich möchte eine E-Mail-Verständigung über den Bearbeitungsstand meiner Arbeitnehmerveranlagung erhalten"
- "Ich möchte eine E-Mail-Verständigung über die monatliche Auszahlung von Familienleistungen (Familienbeihilfe) erhalten."
- "Ich aktiviere die Zusendung von Zahlungsanweisungen: Buchungsmitteilungen und Benachrichtigungen über Vierteljahresfälligkeiten werden inklusive Zahlungsanweisungen postalisch zugestellt"
Da ich Bescheide, Schreiben oder sonstige Informationen des Finanzamtes in der Vergangenheit immer per Post erhielt, hatte es auch keinen Grund gegeben vorher in mein Finanzonline Portal zu schauen.
Ich hätte also nicht damit rechnen können, dass ohne Verständigung online zugestellt wird. Meine Antworten an das Finanzamt wurden ebenfalls ausschließlich eingeschrieben per Post verschickt.
Ich erinnere mich beispielsweise an mehrere Schreiben zur Einreichung von weiteren Informationen an das Finanzamt, wie die Studienbestätigung für meine Töchter V… oder …,
die ich per Post erhielt. Auch die Information, dass für meinen Sohn … keine Familienbeihilfe mehr gezahlt wird, da er mit dem Zivildienst beginnen wird, erhielt ich per Post. Einige ebenfalls per Post erhaltene Schreiben wurden ausgefüllt und an das Finanzamt retourniert. Als Beilage schicke ich alle Schreiben, die ich per Post erhalten habe und die ich noch gefunden habe {Beilage 6: Gesammelte per Post erhaltene Schreiben des Finanzamtes).
Aufgrund dieser Gesamtsituation ging ich also davon aus und durfte dies auch, dass alle nötigen Zustellungen per Post einlangen würden. Sobald ich vom Rückforderungsbescheid Ende Juli 2021 Kenntnis erlangt hatte, setzte ich alle weiteren Schritte in Bewegung und beantragte die Wiedereinsetzung und brachte Beschwerde ein, die nun abgelehnt wurde.
Selbst wenn die Behörde davon ausgeht, dass mich ein Verschulden trifft, kann lediglich von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden, was wiederum einer Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrags nicht entgegensteht. Daher stellte ich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, da ich durch das Versäumen der Beschwerdefrist gegen den Rückforderungsbescheid vom einen Rechtsnachteil erleide. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist in meinem Fall zulässig, da das Ereignis, welches zur Fristversäumnis führte, für mich unvorhersehbar war. Ich hatte keinen Grund davon auszugehen, dass in meiner Databox Bescheide zugestellt würden.
Die neue ständige Rechtsprechung betrachtet jedes Geschehen, insbesondere auch psychische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, Irrtum, auch unrichtige rechtliche Beurteilung der Rechtslage bzw. Rechtsirrtum oder Unkenntnis der Rechtslage als relevantes Ereignis im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (; Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, 2014, Rz 629).
4. Nachgeholtes Rechtsmittel: Bescheidbeschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom
Hiermit erhebe ich, (Bf.), gegen den an mich adressierten Bescheid … über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge des Finanzamtes Österreich vom , davon Kenntnis erlangt am , fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 243 Bundesabgabenordnung (BAO) und begründe diese wie folgt:
[Begründung]
Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Aufgrund einer als nicht ernsthaft und zielstrebig angenommenen Berufsausbildung wurde die Familienbeihilfe von der Bf für das Kind Verena für den Zeitraum Juni 2019 - Februar 2021 mit Bescheid vom zurückgefordert. Der Bescheid wurde am über Finanzonline in die Databox der Bf zugestellt.
Am brachte die Bf einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und in diesem Zusammenhang die (nachgeholte) Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid ein.
Aufgrund der Ausführungen der Bf (und in Ermangelung eines Rückscheins) wird die eingebrachte Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrag als rechtzeitig angesehen.
Beweismittel:
Siehe Inhaltsverzeichnis
Stellungnahme:
§ 308 Abs 1 BAO regelt, dass gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Die Beschwerdeführerin sieht darin, dass sie vom Rückforderungsbescheid keine Kenntnis erlangt hat, weil die Zustellung in die DataBox und nicht per Post erfolgt und ihr auch keine Benachrichtigung über die Zustellung zugegangen ist, ein "unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis".
Die Bf hat sich als Teilnehmerin von FinanzOnline registriert und hatte auch Kenntnis vom Bestehen einer DataBox. Sie hat allerdings weder auf die elektronische Zustellung verzichtet, noch ausreichende Maßnahmen gesetzt, dass sie zeitgerecht Kenntnis über elektronische Zustellungen erlangt (Verständigung per E-Mail).
Dabei handelt sie nicht nur schuldhaft, sondern geht dieses Verschulden über einen minderen Grad des Versehens hinaus.
Diesbezüglich wird auf das jüngst ergangene Erkenntnis des zu GZ RV/3100020/2021 hingewiesen, das einen gleichgelagerten Fall behandelt und die betreffende Beschwerde als unbegründet abweist.
Aufgrund der Ausführungen und des Fehlens eines Wiedereinsetzungsgrund wird beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Informationshalber wird mitgeteilt, dass mit der Erledigung der Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid bis zur Entscheidung des BFG abgewartet wird.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Am richtete das Finanzamt ein Schreiben "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" an die Bf.
Am langte das ausgefüllte Schreiben an das Finanzamt zurück.
Am erließ das Finanzamt den oben auszugsweise wiedergegebenen Rückforderungsbescheid.
Dieser Bescheid wurde der Bf. am in ihre FinanzOnline- Databox elektronisch zugestellt.
Der Bf. war bekannt, dass sie eine DataBox hat (Wiedereinsetzungsantrag, Beschwerde).
Über die o.a. Zustellung erfolgte keine gesonderte Verständigung über E-Mail, da die Bf. zwar eine E-Mail-Adresse bekannt gegeben hat (laut Abgabeninformationssystemabfrage: …hotmail.com), eine derartige Verständigung jedoch von ihr in FinanzOnline nicht aktiviert wurde.
Der Rückforderungsbescheid wurde rechtskonform und gültig, am , zugestellt.
Die einmonatige Frist zur Einbringung einer Beschwerde wurde versäumt - Beschwerde wurde erst am erhoben.
Rund 2 Monate vor der in Rede stehenden Databox- Zustellung am war der Bf. -am - die "FB Mitteilung mit Einstellung" vom im Wege "FON Versendet" worden (Ausdruck aus dem Familienbeihilfensystem FABIAN); das war im Familienbeihilfeverfahren das erste an die Bf. elektronisch versendete Dokument, weil
- die Umstellung auf das neue Familienbeihilfeverfahren- System FABIAN (erst) im März 2021
erfolgte (bis dahin waren alle Ausgänge per Post in Papierform zugestellt worden) und
- eine elektronische Zustellung angemerkt war (was bei der Bf. der Fall war - siehe die im
nachfolgenden Absatz angeführten Arbeitnehmerveranlagungen) (Mitteilung des
Finanzamtes an das BFG).
Die elektronischen FinanzOnline Databox- Zustellungen der Arbeitnehmerveranlagungsbescheide an die Bf. waren wie folgt:
Jahre 2014 und 2015: über FinanzOnline in die Databox jeweils am zugestellt
Jahr 2016: über FinanzOnline am in die Databox zugestellt
Jahr 2017: über FinanzOnline am in die Databox zugestellt
Jahr 2018: über FinanzOnline am in die Databox zugestellt
Jahr 2019: über FinanzOnline am in die Databox zugestellt
Die von der Bf. per Post erhaltenen Schreiben des Finanzamtes waren (Vorlageantrag, Beilage 6):
- : Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe
- : Familienbeihilfenbezug für Ihr Kind/Ihre Kinder
- : Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe
- : Familienbeihilfenbezug für Ihr Kind/Ihre Kinder
- : Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe
- : Schreiben - Anspruchsüberprüfung
- : Zahlungsaufforderung
- : Zahlungserinnerung
- : Erinnerung der Abgabe der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020
Als die Bf. - am (oder allenfalls in den Tagen davor; vgl. Wiedereinsetzungsantrag) - vorhatte ihre Arbeitnehmerinnenveranlagung für das Kalenderjahr 2020 zu machen, sah sie "zufällig den Rückforderungsbescheid auf Finanzonline" (Angabe der Bf. im Wiedereinsetzungsantrag).
Das Kenntniserlangen des Rückforderungsbescheides auf Finanzonline veranlasste die Bf. dazu, die diesbezügliche (FinanzOnline-)Einstellung danach sofort zu ändern (Vorbringen der Bf. iZm dem Vorbringen: "Meiner Erinnerung nach habe ich der Umstellung auf elektronische Zustellung nie aktiv zugestimmt. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, wissentlich die Einstellung auf elektrische Zustellung zu ändern und schon gar nicht ohne die Benachrichtigung per E-Mail einzustellen. Diese Einstellung habe ich danach auch sofort wieder geändert.").
Am 12. August und am - somit nach dem Zeitpunkt des Sehens des Rückforderungsbescheides auf Finanzonline und nach dem Stellen des Wiedereinsetzungsantrages - erhielt die Bf. Schreiben des Finanzamtes per Post:
die "Zahlungsanforderung" und das Schreiben "Mitteilung über den Wegfall des Anspruches auf Familienbeihilfe betreffend meinen Sohn" (Beschwerdevorbringen).
Der Arbeitnehmerveranlagungsbescheid betreffend das Jahr 2020 wurde der Bf. am in Papierform per Post zugestellt (welche Feststellung mit dem o.a. Vorbringen der Bf. im Einklang steht, wonach sie das Kenntniserlangen des Rückforderungsbescheides auf Finanzonline dazu veranlasst habe, die diesbezügliche (FinanzOnline-)Einstellung sofort zu ändern und stimmen damit das Ergebnis der Abgabeninformationssystemabfrage und die Mitteilung des Finanzamtes an das BFG überein).
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf den angeführten Unterlagen bzw. Grundlagen und sind unstrittig. Weiterer Ausführungen bedarf es daher nicht.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
§ 308 BAO bestimmt:
Abs. 1: Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110 BAO) … ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten … . Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Abs. 3: Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war …, eingebracht werden. … Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.
Eine lediglich leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. Ritz, BAO6, § 217 Tz. 44 mwN).
Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt ().
§ 5b der FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006), BGBl. II Nr. 97/2006 idgF lautet:
(1) Die Abgabenbehörden haben nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.
(2) Jeder Teilnehmer, der an der elektronischen Form der Zustellung über FinanzOnline teilnimmt, hat in FinanzOnline eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er über die elektronische Zustellung informiert werden möchte. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen E-Mailadresse nicht gehindert.
(3) Teilnehmer, die Unternehmer im Sinne des § 3 Z 20 des Bundesstatistikgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 163/1999, sind und die wegen Überschreiten der Umsatzgrenze zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet sind, haben an der elektronischen Zustellung über FinanzOnline teilzunehmen und können auf diese nicht verzichten. Andere Teilnehmer können in FinanzOnline auf die elektronische Form der Zustellung verzichten. Zu diesem Zweck ist ihnen bei ihrem ersten nach dem erfolgenden Einstieg in das System unmittelbar nach erfolgreichem Login die Verzichtsmöglichkeit aktiv anzubieten. Die Möglichkeit zum Verzicht ist auch nach diesem Zeitpunkt jederzeit zu gewährleisten. Wenn sie nicht zur Teilnahme an der elektronischen Zustellung verpflichtet sind, können die in § 2 Abs. 2 genannten Parteienvertreter den Verzicht für die Zustellungen in ihren eigenen Angelegenheiten und davon getrennt für die Zustellungen in den Angelegenheiten als Parteienvertreter erklären.
(3a) Ein in FinanzOnline abgegebener Verzicht auf die elektronische Zustellung verliert für Teilnehmer, die gemäß Abs. 3 erster Satz zur Teilnahme an der elektronischen Zustellung verpflichtet sind, seine Wirksamkeit.
(4) Vor dem erteilte Zustimmungen zur elektronischen Zustellung im Sinn des § 97 Abs. 3 vierter Satz BAO in der Fassung vor BGBl. I Nr. 22/2012 bleiben bis zu einem allfälligen Verzicht nach Abs. 3 zweiter Satz wirksam, wobei Abs. 3 dritter Satz nicht anzuwenden ist.
(5) Wurde vor dem keine Zustimmung zur elektronischen Zustellung im Sinn des § 97 Abs. 3 vierter Satz BAO in der Fassung vor BGBl. I Nr. 22/2012 erteilt, darf eine elektronische Zustellung an die in Abs. 3 zweiter Satz genannten Teilnehmer nicht vor dem in Abs. 3 dritter Satz genannten Zeitpunkt erfolgen.
(6) Abweichend von Abs. 1 kann die Abgabenbehörde von der elektronischen Form der Zustellung an einen Teilnehmer, dessen Verzicht auf die elektronische Zustellung seine Wirksamkeit gemäß Abs. 3a verloren hat, so lange absehen, bis der Teilnehmer vom Wirksamwerden der Verpflichtung zur Teilnahme an der elektronischen Zustellung unmittelbar nach einem erfolgreichen Login in das Portal FinanzOnline in Kenntnis gesetzt wurde.
Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind (und damit gemäß § 98 Abs. 2 BAO als zugestellt gelten), ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat (). Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch die FinanzOnline-Teilnehmerin (z.B. Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an (vgl. Ritz, aaO, § 98 Tz. 4 mwN).
Im Erkenntnis vom , RV/3100480/2020, erwog das Bundesfinanzgericht:
Es wäre der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar gewesen, entsprechende Dispositionen zwecks Feststellung von Zustellungen in der Databox zu treffen, wie etwa die Einrichtung einer E-Mail-Verständigung in FinanzOnline oder die regelmäßige Prüfung der Databox auf Eingänge. Dies hat sie jedoch unterlassen. Wenn die Beschwerdeführerin anlässlich des Einstiegs in FinanzOnline die Hinweise betreffend Zustellung und Einrichtung einer Benachrichtigungsfunktion nicht beachtet hat, so geht dies zu ihren Lasten.
Indem die Beschwerdeführerin die Anmeldung in FinanzOnline ohne Widerspruch der elektronischen Zustellung vorgenommen hat und in der Folge - wie sie selbst im Vorlageantrag ausführt - nie genutzt hat, liegt es in ihrer Verantwortung, wenn aufgrund der Nichtbeachtung von in die Databox zugestellten Bescheiden Säumnisfolgen eintreten, dies umso mehr, als der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer juristischen Kenntnisse und beruflichen Erfahrungen die Notwendigkeit der Beachtung behördlicher Hinweise auch im Online-Verkehr zweifellos bekannt war.
Auch die von der Beschwerdeführerin am der Post erteilte Abwesenheitsmitteilung vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Diese Abwesenheitsmitteilung betraf RSa- und RSb-Briefe, welche nicht nur bei Finanzbehörden, sondern auch bei allen anderen Behörden und Gerichten Verwendung finden können. Bei Beachtung der entsprechenden Hinweise anlässlich des Einstieges in FinanzOnline wäre der Beschwerdeführerin bekannt gewesen, dass neben allfälligen RSa- und RSb-Zustellungen eben auch mit elektronischen Zustellungen in die Databox zu rechnen war.
Waren im Familienbeihilfeverfahren bis zur Umstellung auf das neue System FABIAN im März 2021 alle Ausgänge des Finanzamtes per Post in Papierform zugestellt worden und wurden erst mit Umstellung auf das neue System auch im Familienbeihilfeverfahren alle Dokumente elektronisch zugestellt; sofern eine elektronische Zustellung angemerkt war (was bei der Bf. der Fall war), und veranlasste die Bf. laut ihren eigenen Angaben aufgrund des Rückforderungsbescheides die Beendigung der elektronischen Zustellung, wurden (im Familienbeihilfeverfahren) nur im Zeitraum März 2021 bis Ende Juli/Anfang August 2021 elektronische Zustellungen vorgenommen. Die erste elektronische Zustellung betraf die am erfolgte "FB Mitteilung mit Einstellung" vom , die nächste rund 2 Monate danach die in Rede stehende Databox- Zustellung am .
Die von der Bf. zur Stützung ihres Vorbringens vorgelegten "von der Bf. per Post erhaltenen Schreiben des Finanzamtes" betreffen zum einen den Zeitraum vor Umstellung des Familienbeihilfeverfahrens auf das neue System FABIAN im März 2021 (Schreiben vom bis ) und zum anderen den Zeitraum nach Veranlassung der Beendigung der elektronischen Zustellung durch die Bf. Ende Juli/Anfang August 2021 (Schreiben vom bis ).
Das Vorbringen der Bf.: "Da ich vorhatte meine Arbeitnehmerveranlagung für das Kalenderjahr 2020 zu machen, sah ich zufällig am den Rückforderungsbescheid auf Finanzonline. Zu diesem Zeitpunkt war auf FinanzOnline die elektronische Zustellung aktiviert und die Benachrichtigung per E-Mail nicht angeklickt. Darüber war ich verwundert und geschockt zugleich. Meiner Erinnerung nach habe ich der Umstellung auf elektronische Zustellung nie aktiv zugestimmt. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, wissentlich die Einstellung auf elektrische Zustellung zu ändern und schon gar nicht ohne die Benachrichtigung per E-Mail einzustellen. Ich kann mir also nicht erklären, weshalb die Zustellung in der Databox auf diese Art und Weise in meinem Finanz Online Konto angeklickt war." lässt sich mit den obigen Feststellungen und den darauf basierenden Erwägungen nicht in Einklang bringen. Bezüglich der Arbeitnehmerveranlagungen waren die elektronischen Zustellungen bereits jahrelang erfolgt (für die 6 Jahre 2014 bis 2019), im Familienbeihilfeverfahren handelte es sich (nach der ersten elektronischen Zustellung am ) um die (rund 2 Monate danach erfolgte) zweite elektronische Zustellung. Folgt man dem Vorbringen der Bf., bleibt seitens der Bf. unbeantwortet, ob sie auch weder die Bescheide der Arbeitnehmerveranlagungen noch die elektronische Zustellung am zur Kenntnis genommen hatte. Von einem der Bf. im Zusammenhang mit der elektronischen Zustellung vom unterlaufenen Fehler, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht, kann nicht gesprochen werden. Abschließend sei bemerkt: Beim Erstatten des Vorbringens der Bf., sie habe "weiterhin Schreiben des Finanzamtes per Post erhalten … (z.B.: am die Zahlungsanforderung oder auch am das Schreiben "Mitteilung über den Wegfall des Anspruches auf Familienbeihilfe betreffend meinen Sohn …). Ich ging also weiterhin davon aus und durfte dies auch, dass alle nötigen Zustellungen per Post einlangen würden." wird übersehen, dass die elektronische Zustellung durch die Bf. Ende Juli/Anfang August 2021 beendet wurde
(Beschwerde: "die Einstellung auf elektrische Zustellung … habe ich danach auch sofort wieder geändert"); das Vorbringen vermag daher den Standpunkt der Bf. nicht zu stützen.
Zusammenfassend ist daher zu sagen, dass die Beurteilung des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung: "Bei Unkenntnis darüber, dass ein Bescheid in FinanzOnline zugestellt wurde, liegt kein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis vor." gemäß den obigen Ausführungen nicht als unzutreffend zu erkennen ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden auf der Sachverhaltsebene zu lösenden Fall nicht gegeben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103422.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at