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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.01.2023, RV/3100126/2020

Verdeckte Ausschüttung, Liquidationsgewinn

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BKS Steuerberatung GmbH & Co KG, Untere Hauptstr 10, 3150 Wilhelmsburg an der Traisen, gegen den am zu Steuernummer ***BF1StNr1*** ausgefertigten Bescheid der belangten Behörde ***FA***, nunmehr Finanzamt Österreich, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2016 zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruchs dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die belangte Behörde hat mit dem am ausgefertigten Bescheid die Einkommensteuer für das Jahr 2016 mit € 118.271,00 festgesetzt. Im Bescheid ist die Steuer auf Kapitalerträge aus in- und ausländischen Kapitalanlagen mit € 116.708,36 ausgewiesen. In der Bescheidbegründung wird dazu ausgeführt:

Als Geschäftsführer der Firma ***GmbH1*** wurde ein Gesellschafterverrechnungskonto mit einem Stand von mindestens € 424.386,77 aufgebaut. Es wurdekein Nachweis erbracht, ob es zu einer Rückzahlung der € 424.386,77 an die ***GmbH1*** gekommen ist. Spätestens mit Löschung der ***GmbH1*** am ist es zum Wegfall dieser Verbindlichkeit gegenüber der ***GmbH1*** gekommen. Dadurch ist es zu einer Vermögensvorteilszuwendung gekommen, die dem besonderen Steuersatz von 27,5% in Österreich unterliegt.

2. Mit Schreiben vom hat die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde erhoben und Folgendes vorgebracht:

Es ist unbestritten, dass der Stand des Gesellschafterverrechnungskontos zum mit demo.a. Betrag von EUR 424.386,77 beträgt. Laut den uns vorliegenden Unterlagen ist dieser Stand auchzum unverändert. Zum hat sich ein Stand von EUR 119.875,07 ergeben.

Unserem Klienten ist nicht bewusst, wie sich dieser Stand zum jeweiligen Bilanzstichtag ergibt, weiler keine "Privatentnahmen" in dieser Höhe getätigt hat. Der Stand des Verrechnungskontos kann vonIhm nur so erklärt werden, dass bei den betrieblich veranlassten Zahlungen keine Belege beigebrachtwerden konnten und daher die Buchungen vom deutschen Steuerberater gegen das Gesellschafterverrechnungskonto erfolgten.

Aus unserer Sicht ergibt sich jedoch, dass selbst für den Fall, dass der o.a. Betrag seine Richtigkeithat, dieser mit Stichtag 31,12.2009 und Herrn ***Bf1*** zuzurechnen ist und nicht erst mit.

Diese Rechtsansicht ergibt sich der aktuellen und ständigen Rechtsprechung des BFG und desVwGH zum Gesellschafter-Verrechnungskonto und verdeckte Gewinnausschüttung (zuletzt BBI2019, Heft 8/201Ö und der dort angeführten Judikatur). Tatsache ist, dass es keine schriftlicheVereinbarung zwischen unserem Klienten und der Gesellschaft gibt. Somit liegt auch kein Darlehen vor.

3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde mit der am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen und diese wie folgt begründet:

Herr ***Bf1*** war bis Gesellschafter der deutschen Firma ***GmbH2*** und übertrug mit seinen Geschäftsanteil um 1 € an Frau ***1***, die denGeschäftsanteil treuhänderisch für Herrn ***Bf1*** hält (Treuhandvertrag vom ).

Herr ***Bf1*** bleibt auch nach Abtretung seines Geschäftsanteils Geschäftsführer der deutschen ***GmbH2***. Er erhält dafür kein Geschäftsführergehalt, tätigt aber Entnahmen aus derGmbH, die über sein Verrechnungskonto gebucht werden. Mit Ende 2011 weist die ***GmbH2*** eine Forderung von € 424.386,77 gegenüber Herrn ***Bf1*** aus.

Bei Herrn ***Bf1*** wurde in Österreich eine Betriebsprüfung für die Jahre 2009 bis 2011durchgeführt, die mit Bericht vom ohne Feststellungen abgeschlossen wurde. Indiesem Prüfungsverfahren wurde die aufrechte Forderung der deutschen ***GmbH2*** vonSeiten Herrn ***Bf1*** nicht in Abrede gestellt.

Auch auf den Vorhalt vom bezüglich der Einkommensteuer 2014 wurde nochgeantwortet, dass die deutsche ***GmbH2*** noch existent ist - d.h. auch die Forderungexistiert noch.

Nachdem in weiterer Folge keine Mitteilung darüber, was mit dem Verrechnungskonto passiertist (Rückzahlung oder Nachlass) und auch keine Ermittlung für die Liquidationsbesteuerung derdeutschen ***GmbH2*** vorgelegt worden ist, muss davon ausgegangen werden, dass mitLöschung der deutschen GmbH im Firmenbuch mit auch die Forderung der GmbHgegenüber Herrn ***Bf1*** erloschen ist. Im Zuge des Ergänzungsansuchens vom wurden auch keine Nachweise über die Zahlungen der Forderungen in einem Jahr vor 2016 vorgelegt.

Der Liquidationserlös unterliegt beim Anteilsinhaber in seinem Wohnsitzstaat der Besteuerung, wobei der besondere Steuersatz von 27,5% zur Anwendung gelangt.

Der Liquidationsgewinn wird, weil keine Unterlagen diesbezüglich vorgelegt worden sind, inHöhe des Wegfalles der Forderung in Höhe von € 424.386,77 abzüglich des einbezahltenGeschäftsanteiles in Höhe von € 25.000,00 festgesetzt.

Nachdem bisher immer an der bestehenden Forderung festgehalten worden ist(Betriebsprüfung 2009 - 2011, Vorhaltsbeantwortung EST 2014), wird der imBeschwerdeantrag behauptete endgültige Zufluss in den Jahren 2009 und 2010 nichtanerkannt.

Die endgültige Vorteilsgewährung ist erst mit Wegfall der Forderung gegeben, wobei dieserZeitpunkt ident mit der Löschung der GmbH im Firmenbuch ist.

4. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers hat mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt. Gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 BAO wurde die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie gemäß § 274 BAO die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

5. Das Bundesfinanzgericht hat die Bescheidbeschwerde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

6. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers hat mit Schreiben vom den Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat und den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

II. Sachverhalt

Folgender Sachverhalt ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts entscheidungswesentlich und erwiesen:

1. Der Beschwerdeführer hat mit notarieller Urkunde vom den Geschäftsanteil von € 25.000,00 an der ***GmbH2*** an Frau ***1*** übertragen. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug € 25.000,00, sodass die Erwerberin Alleingesellschafterin dieser GmbH wurde. Der Wert des Geschäftsanteils wurde von den Vertragsparteien mit € 1,00 angegeben.

2. Mit Treuhandvertrag vom vereinbarten der Beschwerdeführer (Treugeber) und Frau ***1*** (Treuhänder), dass der Treuhänder sämtliche Rechte an dem vorbezeichneten Geschäftsanteil im eigenen Namen, aber nach den Weisungen und für alleinige Rechnung des Treugebers in dessen Interesse ausübt.

3. Im Jahresabschluss der ***GmbH2*** zum ist der Beschwerdeführer als einzelvertretungsbefugter Geschäftsführer der GmbH ausgewiesen. Unter "sonstige Vermögensgegenstände" weist der Jahresabschluss ein "Verrechnungskonto Gesellschafter" zum mit € 119.875,07 und zum mit € 5.508,87. Im Dezember 2011 hatte das "Verrechnungskonto Gesellschafter" einen Saldo (Soll) von € 424.386,77.

4. Der letzte Jahresabschluss der ***GmbH2*** wurde für 2009 erstellt. Laufend gebucht wurde bis zum . Zu diesem Zeitpunkt wurde die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft eingestellt. Das deutsche Finanzamt hat auf Basis von Schätzungen noch Steuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2013 erlassen.

5. Das deutsche Amtsgericht ***5*** hat am die ***GmbH2*** wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.

III. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist nach der Aktenlage erwiesen und unbestritten. Punkt II.1. und 2. Sind mit den Notariatsurkunden ***6*** und ***7*** des Notars ***2*** ***3*** (FA-Akt ON 07) belegt. Punkt II.3. ergibt sich aus dem Jahresabschluss zum (FA-Akt ON 8 und 9) und der Aufstellung "Summen und Salden (pro Monat) Dezember 2011" (FA-Akt ON 10 und 11). In der Bescheidbeschwerde führt die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers zudem aus, dass der Stand des Gesellschafterverrechnungskontos (bereits) zum unbestritten € 424.386,77 beträgt und dieser Stand auch zum unverändert ist. Punkt II.4. ist mit den Angaben der deutschen Steuerberater ***4*** belegt, die der belangten Behörde mit der Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom zur Kenntnis gebracht wurden (FA-Akt ON 21). Punkt II.5. bezeugt der Auszug aus dem deutschen Unternehmensregister (FA-Akt ON16).

IV. Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 27 Abs. 1 EStG 1988 sind Einkünfte aus Kapitalvermögen unter anderem Einkünfte aus der Überlassung von Kapital (§ 27 Abs. 2 EStG 1988) und Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 3 EStG 1988).

2. Zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital gehören gemäß § 27 Abs. 2 lit. a EStG 1988 Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. § 27 Abs. 2 lit. a EStG 1988 erfasst offene und verdeckte Gewinnausschüttungen aus Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften (; Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16 § 27 Tz 26 und 39 ff). Der Zufluss einer verdeckten Gewinnausschüttung beim Gesellschafter tritt im Zeitpunkt der Bereicherung ein ().

3. Zu den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gehören gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern, deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen im Sinne des § 27 Abs. 2 EStG 1988 sind. Als Veräußerung im Sinne des § 27 Abs. 3 EStG 1988 gilt gemäß § 27 Abs. 6 Z 3 EStG 1988 auch der Untergang von Anteilen auf Grund der Auflösung (Liquidation) oder Beendigung einer Körperschaft. Gemäß § 27a Abs. 3 Z 2 lit. c EStG 1988 sind als Einkünfte im Falle der Liquidation (§ 27 Abs. 6 Z 3 EStG 1988) der Unterschiedsbetrag zwischen dem Abwicklungsguthaben und den Anschaffungskosten anzusetzen.

4. Das Bundesfinanzgericht teilt die von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vertretenen Ansicht nicht, der Beschwerdeführer habe im Jahr 2016 einen Liquidationsgewinn "in Höhe des Wegfalls der Forderung in Höhe von € 424.386,77 abzüglich des einbezahlten Geschäftsanteils in Höhe von € 25.000,00" erzielt. Die ***GmbH2*** wurde wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht, womit davon auszugehen ist, dass im Beschwerdejahr kein Abwicklungsguthaben mehr vorhanden war. Daher konnte der Beschwerdeführer 2016 keine positiven Liquidationseinkünfte im Sinne des § 27 Abs. 6 Z 3 EStG 1988 erzielen. Die Sachlage lässt den Schluss zu, dass verdeckte Ausschüttungen in den Jahren 2009 bis 2011 erfolgten. Dass dem Beschwerdeführer nicht bewusst war, wie sich der Stand des Verrechnungskontos zum jeweiligen Bilanzstichtag ergeben hat, weil er "keine Privatentnahmen in dieser Höhe getätigt hat" (so die Ausführungen in der Bescheidbeschwerde) ist nicht glaubwürdig. Der Beschwerdeführer war in diesem Zeitraum Geschäftsführer der Gesellschaft und hatte durch den Treuhandvertrag wirtschaftlich die Stellung eines Alleingesellschafters. Die Entwicklung des Verrechnungskontos, das Anwachsen von rund € 5.000 auf rund € 424.000 innerhalb der kurzen Zeit von zwei Jahren, zusammen mit der unglaubwürdigen Unkenntnis über die relevante Sachlage trotz der Stellung als wirtschaftlicher Alleingesellschafter und Geschäftsführer legt nahe, dass in den Jahren 2009 und 2010 verdeckt Ausschüttungen an den Beschwerdeführer vorlagen. Im Beschwerdejahr können diese aber nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert werden. Somit war spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Bescheid gemäß § 279 Abs. 1 BAO abzuändern.

V. Bemessungsgrundlagen und Höhe der Abgabe

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer für das Jahr 2016 betragen:

VI. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren im Beschwerdefall nicht entscheidend. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

Innsbruck, am

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