Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 04.01.2023, RV/6100506/2018

Außenwirkung eines Bescheides als Mindesterfordernis

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***Vertr1***, ***Vertr1Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nun Finanzamt Österreich) vom betreffend Pfändung einer Geldforderung 2018, ***Abgabenkontonr***, beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit einem als "Bescheid - Pfändung einer Geldforderung" bezeichneten Schreiben, adressiert an das Finanzamt Salzburg-Stadt, vom hat das Finanzamt Salzburg-Stadt ein Guthaben des Abgabenschuldners bei der ***StNr*** in Höhe von EUR 1.316,86 gemäß § 65 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) gepfändet.

Grundlage für die Pfändung war der Sicherstellungsauftrag vom .

Gegen den Pfändungsbescheid hat ***Bf*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) durch seinen Vertreter am Beschwerde erhoben und die ersatzlose Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit beantragt.
In der Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, der Bf habe zu keinem Zeitpunkt eine Finanzstraftat begangen und sei an einer solchen auch nicht beteiligt gewesen.
Er sei bei der ***GmbH*** vom bis als "Mädchen für alles" und sodann ab bis Ende Juni 2017 im Büro beschäftigt gewesen. Umsatzsteuerverkürzungen oder sonstige Abgabenverkürzungen außerhalb der genannten Zeiträume könnten ihm schon aus diesem Grund nicht angelastet werden.
Der Bf sei unselbständig beschäftigt und zu keinem Zeitpunkt (faktischer) Geschäftsführer oder Gesellschafter des genannten Unternehmens gewesen und auch bei keinen anderen Gesellschaften direkt oder indirekt in irgendeiner Form beteiligt gewesen. Er sei auch nicht leitend tätig gewesen, nirgendwo Nutznießer gewesen und an keinen Gewinnen oder Verlusten beteiligt gewesen. Informationen über Gewinn oder Verlust habe er nie gehabt.
Ob und in welchem Ausmaß Malversationen oder Abgabenverkürzungen von Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer oder Kapitalertragsteuer bestanden haben, vermag der Bf nicht zu beurteilen. Umsatzmanipulationen habe er nicht vorgenommen und sei auch kein "Computergenie". Für die Weitergabe von Geldsackerln könne dem Bf nicht vorsätzliche oder schuldhafte Verletzung von Abgabenvorschriften oder Beteiligung an solchen vorgeworfen werden. Die Erlassung eines Bescheides - Pfändung einer Geldforderung - sei unbillig und unzweckmäßig. Der Bf sei (bis ) nie umsatzsteuerpflichtig gewesen, wäre untergeordnet beschäftigt gewesen und sei an keiner Umsatzsteuerverkürzung beteiligt gewesen, weder als unmittelbarer Täter noch als Beteiligter.
Auf die Ausführungen betreffend Übergabe von Immobilien ist nicht einzugehen, da dies nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Die Beschwerde des Bf vom gegen den oa Sicherstellungsauftrag ist vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/6100189/2018, als unbegründet abgewiesen worden. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom ist die Beschwerde von der Abgabenbehörde als unbegründet abgewiesen worden.
Bei den gepfändeten Forderungen handle es sich um grundbücherlich nicht sichergestellte Geldforderungen. Die Pfändung durch die Finanzbehörde wäre daher grundsätzlich zulässig. Ob der Bf eine Finanzstraftat begangen habe oder nicht, sei im Verfahren betreffend die Pfändung der Geldforderung nicht zu beurteilen.

Mit Schreiben vom hat der Bf durch seinen Vertreter beantragt, das Bundesfinanzgericht möge über seine Bescheidbeschwerde entscheiden.

Mit Urteil vom ***September*** 2020, ***GZ***, hat das ***LG*** den Bf schuldig gesprochen, als Beitragstäter nach § 11 3. Fall Finanzstrafgesetz (FinStrG) die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und 2 lit b FinStrG begangen zu haben. Er wurde unter Anwendung von § 21 Abs 1 und 2 FinStrG nach § 33 Abs 5 FinStrG jeweils in den zu den Tatzeitpunkten gültigen Fassungen zu einer Geldstrafe von EUR 400.000,00, im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 5 Monaten, verurteilt.
Nach § 26 Abs 1 FinStrG wurde ein Teil der verhängten Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren in Höhe von EUR 100.000,00 bedingt nachgesehen.
Hinsichtlich des Tatvorwurfes, er habe dazu beigetragen, dass es unterlassen wurde, die Jahressteuererklärung 2016 einzureichen, wodurch eine Verkürzung der Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer bewirkt worden sei, sowie durch die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer zu bewirken und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hat, und zwar für die Monate Juni und Juli 2017, wurde der Bf freigesprochen (kein Schuldbeweis).
Nach § 26 Abs 2 FinStrG wurde dem Bf die Weisung erteilt, binnen einem Jahr nach Rechtskraft näher genannte Beträge, für die er zur Haftung herangezogen werden kann (§§ 9 und 11 BAO), dem Finanzamt Salzburg-Stadt zu entrichten.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 3 AbgEO idmF bestimmt:

"(1) Die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände und der Gemeinden zu erhebenden öffentlichen Abgaben, Beiträge und Nebenansprüche werden nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 im finanzbehördlichen oder gerichtlichen Vollstreckungsverfahren eingebracht.

(2) Eine Vollstreckung auf bewegliche körperliche Sachen, auf grundbücherlich nicht sichergestellte Geldforderungen und auf Ansprüche auf Herausgabe und Leistung beweglicher körperlicher Sachen kann im finanzbehördlichen oder gerichtlichen Vollstreckungsverfahren durchgeführt werden.

(3) Bei allen übrigen Vollstreckungsarten ist nur ein gerichtliches Vollstreckungsverfahren zulässig. Die Durchführung eines solchen Verfahrens schließt die gleichzeitige Durchführung eines finanzbehördlichen oder gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens gemäß Abs. 2 nicht aus. Das Verfahren zur Erlangung eines Vermögensverzeichnisses ist, wenn der Abgabenschuldner der Aufforderung nach § 31a nicht entspricht, nach den Bestimmungen der §§ 47 bis 49 EO abzuführen.

(4) Finanzbehördliche Vollstreckungsverfahren im Sinne dieses Bundesgesetzes sind jene Verfahren, die die Abgabenbehörden (Abs. 1) zur Einbringung und Sicherung öffentlicher Abgaben selbst durchzuführen haben."

Gemäß § 65 Abs 1 AbgEO erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, dass das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.

Die Pfändung ist mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen (§ 65 Abs 3 AbgEO).

§ 66 AbgEO idmF lautet:

"Wird auf eine Geldforderung Vollstreckung geführt, die dem Abgabenschuldner wider die Republik Österreich oder gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts gebührt, so ist das Zahlungsverbot der Stelle, die zur Anweisung der betreffenden Zahlung berufen ist, und auch dem Organe (Kasse oder Rechnungsdepartement, Rechnungsabteilung), das zur Liquidierung der dem Abgabenschuldner gebührenden Zahlung berufen ist, zuzustellen. Mit der Zustellung des Zahlungsverbotes an die anweisende Stelle ist die Pfändung als bewirkt anzusehen. Inwiefern das liquidierende Organ infolge eines empfangenen Zahlungsverbotes die Auszahlung fälliger Beträge an den Abgabenschuldner vorläufig zurückzuhalten befugt ist, bestimmt sich nach den dafür bestehenden Vorschriften."

Verwaltungsakte, somit auch Bescheide, ergehen nur "im Außenverhältnis", richten sich also an "Rechtsunterworfene" (siehe Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, Seite 506 ff).
Anders als die Weisung wirkt der Bescheid nicht nur innerhalb des Verwaltungsapparats.

Mit "Bescheid" vom ordnet das Finanzamt Salzburg-Stadt gegenüber dem Finanzamt Salzburg-Stadt zur Sicherung der Haftungsschuld des Bf im Umfang von EUR 1.316,86 die Pfändung des Guthabens bei der ***StNr*** in genannter Höhe an.
Dieser Verwaltungsakt vom ist zwar als "Bescheid" bezeichnet, gilt jedoch nicht als Bescheid, obwohl er den Anschein eines solchen erweckt oder sogar mit einer darauf gerichteten Absicht erlassen wurde. Akte mit Bescheidintention, die die Mindesterfordernisse (zB Außenwirkung) nicht erfüllen, sind als Bescheide absolut nichtig.

Die Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner bildet den konstitutiven Akt, mit dem das Pfandrecht zu Gunsten der Republik Österreich (des betreibenden Gläubigers) begründet wird, weshalb der Zustellung des Verfügungsverbotes an den Abgabenschuldner (den Verpflichteten) nur deklarative Wirkung zukommt. Auch in Fällen, in denen die Abgabenbehörde auf Grund eines Guthabens des Abgabenschuldners selbst als Drittschuldner anzusehen ist, bedarf es der Erlassung des Zahlungsverbotes (sog Zweitverbot), um das Pfandrecht an dem Guthaben zu begründen (vgl - 0115; , 2000/15/0067).

Für gepfändete Guthaben ist nach den Richtlinien für die Abgabeneinhebung (Rz 814) § 215 Abs 1 und 2 nicht anwendbar.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall - insbesondere im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des VwGH - nicht erfüllt.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 65 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 65 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 3 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 66 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100506.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at