Operationskosten und Sonderklassegebühren als außergewöhnliche Belastungen?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden insoweit einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Am brachte die Beschwerdeführerin die Arbeitnehmerveranlagung 2019 ein und beantragte unter anderem die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen mit Selbstbehalt (Krankheitskosten) i.H.v. € 13.904,35.
2. Mit Ersuchen um Ergänzung vom gleichen Tag ersuchte das Finanzamt die Beschwerdeführerin um Zusendung der Rechnungen betreffend die außergewöhnlichen Belastungen, die Bezeichnung der Aufwendungen sowie die erhaltenen Ersätze.
Daraufhin legte die Beschwerdeführerin den Großteil der angeforderten Belege vor.
3. Mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom erkannte das Finanzamt an außergewöhnlichen Belastungen Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes i.H.v. € 7.160,89 an und berücksichtigte den Selbstbehalt in gleicher Höhe. Begründend führte das Finanzamt aus, eine Absetzung von Medikamenten und Geräten könne nur aufgrund einer ärztlichen Verordnung als Krankheitskosten erfolgen. Hinsichtlich des Reha-Aufenthaltes wäre eine Haushaltsersparnis von € 109,83 abzuziehen, der übrige Betrag von € 316,68 sei durch die Zahlung der Versicherung abgedeckt. Die Kosten für die Kleidung im Zusammenhang mit diesem Aufenthalt stellten keine Krankheitskosten dar. Die Kosten für die Aufzahlung Sonderklasse könnten nicht als Krankheitskosten berücksichtigt werden. Da die Aufwendungen niedriger als der für die Beschwerdeführerin gültige Selbstbehalt i.H.v. € 8.330,91 seien, seien die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen nicht berücksichtigt worden.
4. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom . Die Beschwerdeführerin brachte vor, die Krankheitskosten würden eine Rechnung i.H.v. € 11.000 der Klinik ***2*** enthalten. Dabei handle es sich um eine Sonderklassenrechnung für eine Behandlung, welche medizinisch erforderlich gewesen sei. Das Gutachten von Dr. ***1*** werde beigelegt.
5. Am erließ das Finanzamt ein weiteres Ersuchen um Ergänzung. Darin wies es darauf hin, dass die Kosten für notwendige medizinische Behandlungen grundsätzlich durch den jeweiligen Krankenversicherungsträger übernommen würden. Die gegenständlichen Kosten für den Aufenthalt und die Operation in der Klinik ***2*** seien daher nur dann absetzbar, wenn durch ein eindeutiges medizinisches Attest nachgewiesen werden könne, dass der durchgeführte Eingriff aufgrund triftiger medizinischer Gründe nicht auch in einem allgemeinen Krankenhaus auf der normalen Klasse durchgeführt werden hätte können. Die triftigen medizinischen Gründe müssten in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit größeren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden.
Die Beschwerdeführerin legte daraufhin nochmals das Gutachten von Dr. ***1*** vor.
6. In der Beschwerdevorentscheidung vom kürzte das Finanzamt die Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes auf € 1.922,07 und berücksichtigte den Selbstbehalt in gleicher Höhe. Nach Anführung der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründete das Finanzamt die Abweisung damit, dass der Nachweis, dass höhere Aufwendungen als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen würden, nur dann als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen getragen würden, nicht erbracht worden sei und somit die Zwangsläufigkeit der Ausgaben nicht nachgewiesen worden wäre. Die Kosten für die Operation seien daher ausgeschieden worden.
7. Mit Schreiben vom brachte die Beschwerdeführerin einem Vorlageantrag ein. Grund für die Wahl der Sonderklasse sei die Dringlichkeit der Operation gewesen. Sie habe bereits mit der Beschwerde ein Gutachten des behandelnden Arztes vorgelegt, als Ergänzung reiche sie nun auch noch ein Gutachten ihres Hausarztes ein. Die Beschwerdeführerin ersuche um Zurechnung der Sonderklasse-Ausgaben zu ihren Krankheitskosten.
Die erwähnten Gutachten wurden dem Vorlageantrag beigelegt.
8. Im Vorlagenbericht vom beantragte das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde, da den getätigten Aufwendungen die Zwangsläufigkeit fehle und somit die gesamten Kosten für die Operation und die Behandlung in der Sonderklasse nicht zugesprochen werden könnten.
9. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde der gegenständliche Akt dem bisher zuständig gewesenen Richter gemäß § 9 Abs 9 BFGG abgenommen und der Gerichtsabteilung ***6*** zugewiesen.
10. Im weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht legte die Beschwerdeführerin zudem noch eine Neurochirurgische Begutachtung von Dr. ***3*** und ein Schreiben des Dr. ***1*** vom vor und erläuterte telefonisch und per Mail den Ablauf ihrer Wirbelsäulenbeschwerden.
11. Diese Unterlagen wurden an das Finanzamt zur Kenntnis übermittelt. Dieses gab am eine Stellungnahme dazu ab.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1. Die Beschwerdeführerin ist am in Bereich der Halswirbelsäule wegen eines sequenzierten Bandscheibenvorfalles und einer daraus resultierenden heftigen Schmerzsymptomatik sowie auch Gefühlsstörung im rechten Arm in der Klinik ***2*** operiert worden (siehe Bestätigung zur Vorlage beim Finanzamt vom von Dr. ***1***).
2. Die Beschwerdeführerin hat sich in der Zeit vom 24.07.- in der Klinik ***2*** aufgehalten. Dafür hat sie insgesamt € 11.000,00 bezahlt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Sonderklasse-Aufzahlung pauschal iHv € 5.761,18 (inkl 10 % USt) und dem OP-Honorar inkl. Pooldotation iHv € 5.238,82. Der Krankenkassen-Anteil ist von der Klinik ***2*** bereits direkt abgerechnet worden (siehe Rechnung der Klinik ***2*** vom ).
3. Bei der Klinik ***2*** handelt es sich um ein Privatkrankenhaus (siehe www.linz.***2***.at, abgefragt am ).
4. Ein (weiteres) Zuwarten mit der Durchführung der Operation an der Halswirbelsäule war medizinisch nicht vertretbar.
5. Die konkrete Wartezeit auf einen Operationstermin in einem öffentlichen Krankenhaus konnte die Beschwerdeführerin nicht nachweisen. Insbesondere hat sie nicht nachgewiesen, dass diese länger als einen Monat (die Zeit, die sie auf einen Termin bei den ***2*** gewartet hat) betragen hätte.
2. Beweiswürdigung
1. Gemäß § 167 Abs. 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde im Übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Die Abgabenbehörde muss dieser Rechtsprechung zufolge den Bestand einer Tatsache nicht im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn nachweisen (vgl zB ; Ritz/Koran, BAO7 § 167 Rz 8 mwN).
2. Der Sachverhalt ergibt sich aufgrund der in Klammer angeführten, aktenkundigen Unterlagen und aufgrund folgender Überlegungen:
Der Steuerpflichtige, der eine Begünstigung, somit auch eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung, in Anspruch nimmt, hat im Allgemeinen selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe dafür einzeln anzuführen und zumindest glaubhaft zu machen sind (vgl mwN).
a. Zu der Feststellung, dass ein Zuwarten mit der Durchführung einer Operation bei der Beschwerdeführerin medizinisch nicht vertretbar war, ist wie folgt auszuführen:
Der behandelnde Arzt Dr. ***1*** bestätigt am , "aufgrund der neurologischen Ausfälle ist eine zeitliche Dringlichkeit zur Durchführung der Operation im Vordergrund gestanden". Die Beschwerdeführerin hat sich für die Operation in der Klinik ***2*** "wegen der raschen Terminisierung zur Wiedererlangung der neurologischen Funktionen entscheiden".
Insbesondere wurde die Notwendigkeit und Dringlichkeit von der Beschwerdeführerin durch Vorlage eines - ihr eigenes Vorbringen stützendes - von ihrem behandelnden Arzt Dr. ***1*** am verfasstes Schreiben, dem zufolge "die Operation zeitnahe erfolgen musste" und "ein weiteres Abwarten … aus medizinischer Sicht nicht vertretbar" war, glaubhaft gemacht. Als Begründung führte der Arzt die "ausgeprägte Kompression vom Rückenmark und der abgehenden Nervenwurzel" sowie "bereits einsetzende und rasch progrediente neurologische Ausfallerscheinungen" an, sodass "ein weiteres Abwarten aufgrund von weiteren neurologischen Ausfallerscheinungen, insbesondere motorische Lähmungen, aus medizinischer Sicht nicht vertretbar" war.
Die Dringlichkeit der Operation deckt sich auch mit der neurologischen Begutachtung des Dr. ***3*** vom , in der dieser ausführt, dass der pathomorphologische Befund der Beschwerdeführerin "bei zufälligem Schleudertrauma der HWS zu myelärer Läsion mit Querschnittsymptomatik führen" kann. Die HWS-MRI-Bilder vom und vom würden im Vergleich einen "voluminös minimalen Rückgang von dem Diskusprolaps" zeigen. Diese bildgebenden Kontrolluntersuchungen im Abstand von ca. 2 Monaten haben keine Resorptionstendenzen von diesem großen Diskusprolaps C5/6 ergeben. Daher empfiehlt er eine ventrale Dekompression und Implantation der funktionellen Disc Prothese im Rahmen einer Operation.
Somit war die Operation medizinisch erforderlich und dringlich; ein Zuwarten mit der Operation war medizinisch nicht vertretbar.
b. Folgende Überlegungen waren betreffend die Wartezeit auf einen Operationstermin in einem öffentlichen Krankenhaus ausschlaggebend:
Die Beschwerdeführerin hat auf den Termin bei den ***2*** ca. einen Monat warten müssen (siehe Telefonat mit der Beschwerdeführerin am ) und ist am operiert worden (siehe Bestätigung zur Vorlage beim Finanzamt vom von Dr. ***1***).
Laut den Angaben der Beschwerdeführerin hat sie von Dr. ***3*** bei ihrem Termin in seiner Privatordination Ende Mai/Anfang Juni 2019 die Auskunft erhalten, dass die Wartezeit auf einen Operationstermin für sie in einem öffentlichen Spital ca. vier Monate betrage (siehe Telefonat mit der Beschwerdeführerin am ).
Es ist zwar richtig, dass Dr. ***3*** im Streitzeitraum auch in der ***4*** operierte (siehe Neurochirurgische Begutachtung des Dr. ***3*** vom ) und als Operateur in diesem Krankenhaus über die Vergabe von Operationsterminen Bescheid wissen musste, jedoch konnte die Beschwerdeführerin ihre Angaben durch keinerlei Nachweise belegen. Vielmehr räumt sie selbst ein, dass sie sich, nachdem sie sich für die Durchführung der Operation entschieden hatte, nicht um einen Operationstermin in einem öffentlichen Krankenhaus bemüht hat (siehe Telefonat mit der Beschwerdeführerin am ).
Vor diesem Hintergrund vermag das ärztliche Attest des Hausarztes der Beschwerdeführerin vom , in dem dieser bestätigt, dass die "Patientin in keinem KH mit Kassenvertrag einen frühzeitigen Termin bekam", die Angaben der Beschwerdeführerin nicht zu untermauern, da sie sich eben gar nicht darum bemüht hatte, einen Operationstermin in einem öffentlichen Krankenhaus zu erhalten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine Gefälligkeitsbestätigung des Hausarztes handelt.
In diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben darf auch das Vorbringen des Finanzamtes im Vorlagebericht vom , deren Erhalt die Beschwerdeführerin bestätigt hat. Darin nimmt das Finanzamt auf § 16 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz Bezug. Dort ist in Abs. 1 lit. d geregelt, dass für die ärztliche Behandlung von Patienten und Patientinnen in einem Spital ausschließlich der Gesundheitszustand maßgeblich ist. Somit ist auch bei der Vergabe der Operationstermine ausschließlich auf diesen abzustellen (vgl. auch ).
Auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Mail vom , dass sie sich bereits im Vorhinein um einen Termin in der ***4*** bemüht habe, um eine zweite Meinung einzuholen, und erst für August 2019 telefonisch einen Termin für ein Erstgespräch bekommen habe, vermag das Gericht nicht vom Vorliegen einer längeren Wartezeit auf einen Operationstermin in einem öffentlichen Krankenhaus zu überzeugen, da sich die Wartezeiten auf Termine in Ambulanzen wesentlich von denen auf einen Operationstermin unterscheiden können.
In den anderen von der Beschwerdeführerin vorgelegten ärztlichen Schreiben wird lediglich die Dringlichkeit der Operation hervorgehoben, Angaben zu allfälligen Wartezeiten in öffentlichen Krankenhäusern werden nicht gemacht.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin den Nachweis, dass sie in einem öffentlichen Krankenhaus länger auf einen Operationstermin hätte warten müssen als bei den ***2***, nicht erbracht hat.
Somit ist auf den Einwand des Finanzamtes in der Stellungnahme vom , die von der Beschwerdeführerin angegebene Wartezeit sei nicht repräsentativ, da es sich lediglich um die Wartezeit eines einzigen Krankenhauses handle, die eine fundierte Aussage über allfällig kürzere Wartezeiten in öffentlichen Krankenhäusern nicht zulasse, nicht mehr näher einzugehen.
Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
1. Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss dabei außergewöhnlich sein (Abs. 2), zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
2. Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst dem Steuerpflichtigen eine Belastung zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen oder naher Angehöriger gelegen sein (zB ).
Allerdings ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen. Bloße Wünsche, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen reichen nicht, um die Zwangsläufigkeit zu rechtfertigen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind. Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, § 34 EStG 1988 Anhang II - ABC Tz 35; ; ).
Grundsätzlich ist in einem von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlten öffentlichen Krankenhaus bzw. in der allgemeinen Gebührenklasse eine ordnungsgemäße und ausreichende Krankenbehandlung gewährleistet. Durch den Entschluss eines Steuerpflichtigen, sich in der Sonderklasse allgemein öffentlicher Krankenanstalten, in Privatkrankenhäusern oder durch Ärzte ohne Kassenvertrag, gegenüber der allgemeinen Gebührenklasse eines Krankenhauses behandeln zu lassen, entstehen wesentlich höhere Kosten, welchen nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen als zwangsläufig entstanden angesehen werden können. Bloße Wünsche oder Vorstellungen des Betroffenen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung stellen noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen dar, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen. Die triftigen medizinischen Gründe müssen vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (vgl ).
3. Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
4. Unzweifelhaft sind der Beschwerdeführerin durch ihre Operation in der Klinik ***2*** Kosten für eine Heilbehandlung entstanden, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht getragen wurden. Diese sind nach der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nur in begründeten Ausnahmefällen anziehbar, nämlich dann, wenn für die Aufwendungen triftige medizinische Gründe wie oben erläutert vorliegen.
Im vorliegenden Fall ergeben sich zwar Gründe, die eine medizinische Behandlung erforderlich machen. Die Operation ist dringend notwendig gewesen, weil der Beschwerdeführerin ansonsten eine Zunahme der neurologischen Ausfälle mit weiteren motorischen Lähmungen und im schlechtesten Fall bei einem Sturz eine Querschnittslähmung gedroht haben. Hätte die Beschwerdeführerin auf einen Operationstermin länger warten müssen, hätte sie somit mit ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen rechnen müssen.
Die höheren Kosten für eine Behandlung in einem Privatkrankenhaus wären allerdings nur dann als zwangsläufig erwachsen anzusehen, wenn die Behandlung in einem öffentlichen Krankenhaus zu gesundheitlichen Nachteilen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden, geführt hätte. Da aber nicht festgestellt werden kann, wann die Beschwerdeführerin in einem öffentlichen Krankenhaus einen Operationstermin bekommen hätte, weil sie sich um keinen solchen bemüht hatte, kann auch nicht beurteilt werden, ob dieser Termin später als jener bei den ***2*** gewesen wäre und ob in der Folge eine allfällige längere Wartezeit zu gesundheitlichen Nachteilen geführt hätte. Somit können aber die ihr durch die Operation in der Klinik ***2*** entstanden höheren Kosten nicht als zwangsläufig entstanden angesehen werden.
Die Kosten der Operation und der Unterbringung in der Klinik ***2*** stellen somit keine außergewöhnlichen Belastungen iSd § 34 EStG 1988 dar.
5. Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 idF BGBl I 103/2019 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, "soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt." Die im gegenständlichen Fall anzuerkennenden Belastungen in Höhe der anzuerkennenden € 1.922,07 übersteigen den nach der Maßgabe des § 34 Abs. 4 EStG 1988 berechneten Selbstbehalt im Betrag von € 8.330,91 nicht.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5101153.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at