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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 19.12.2022, RV/7103206/2022

Verspätet erhobener Vorlageantrag gegen Beschwerdevorentscheidungen, die teilweise ohne erhobene Beschwerde ergangen sind

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Seywald in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend

  • Beschwerde (ursprünglich Berufung) vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf vom zu St.Nr. alteStNr,

  • am beim Finanzamt eingelangter Vorlageantrag gegen die Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf vom zu Steuernummer alteStNr hinsichtlich Einkommensteuer 2009, 2010 und 2011,

  • Vorlage der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 durch das Finanzamt Österreich an das Bundesfinanzgericht (BFG) am ,

  • Vorlagebericht des Finanzamtes Österreich vom zu nunmehriger Steuernummer ***BF1StNr1*** hinsichtlich der eingebrachten Beschwerde (damals: Berufung) vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 vom sowie hinsichtlich nicht eingebrachter Beschwerden vom gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 vom ,

beschlossen:

Der am beim Finanzamt eingelangte Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidungen vom hinsichtlich Einkommensteuer 2009, 2010 und 2011 wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 264 Abs. 4 lit. e und § 264 Abs. 5 BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Die Beschwerdeverfahren betreffend die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 sowie betreffend die nicht erhobenen Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 werden eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Das Finanzamt Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf erließ Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009, 2010 und 2011, welche mit datiert waren, an Herrn ursprünglicherBf, der gegen den Einkommensteuerbescheid für 2009 Beschwerde (damals: Berufung) erhob.

Das Finanzamt Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf erließ drei (teilweise stattgebende) Berufungsvorentscheidungen, welche nunmehr als Beschwerdevorentscheidungen anzusehen sind und mit datiert waren, hinsichtlich Einkommensteuer 2009 und Einkommensteuer 2010 und Einkommensteuer 2011 an Herrn ursprünglicherBf.

Dagegen brachte Herr ursprünglicherBf einen Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht, hier: Bundesfinanzgericht) ein, welcher laut Aktenlage am beim Finanzamt einlangte.

Am wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform inklusive der Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsreform (Ersetzung des bisherigen Unabhängigen Finanzsenates durch das Bundesfinanzgericht) wirksam. Die neuen Bestimmungen sind, soweit sie Beschwerden betreffen, auch auf alle am unerledigten Berufungen anzuwenden (§ 323 Abs. 23 BAO).

Per wurden die Aufgaben der bisherigen Finanzämter auf das Finanzamt Österreich bzw. auf das Finanzamt für Großbetriebe übertragen. Im vorliegenden Fall (Kleinbetrieb und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) ist zweifellos das Finanzamt Österreich nunmehr zuständig.

Das Finanzamt Österreich legte am die von Herrn ursprünglicherBf erhobene Beschwerde (ursprünglich Berufung) vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf vom an das Bundesfinanzgericht (BFG) vor. Zugleich erstattete das Finanzamt Österreich einen Vorlagebericht an das BFG, in welchem auch vermeintliche Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 angeführt waren. Dieser Vorlagebericht wurde im Sinne des § 265 Abs. 4 BAO auch Herrn ursprünglicherBf als Beschwerdeführer übermittelt.

Durch Veröffentlichung in der Insolvenzdatei (Ediktsdatei) wurde am TT. Oktober 2022 kundgemacht, dass über Herrn ursprünglicherBf ein Konkursverfahren eröffnet wurde und MV als Masseverwalter eingesetzt wurde.

Das BFG richtete an das Finanzamt Österreich und an MV als Masseverwalter des ursprünglichen Berufungswerbers/Beschwerdeführers einen mit datierten Vorhalt (verfahrensleitenden Beschluss), mit welchem dem Masseverwalter eine Kopie des Vorlageberichtes übermittelt wurde und beiden Parteien Folgendes vorgehalten wurde:
"das Finanzamt Österreich (Rechtsnachfolger des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf) hat am an das Bundesfinanzgericht (BFG) einen Vorlagebericht (Beilage A für den Masseverwalter) gesendet, in welchem es um Beschwerden (ursprünglich: Berufungen) des ursprünglicherBf gegen die Einkommensteuerbescheide für 2009, 2010 und 2011 geht.
Mit dem Vorlagebericht wurde auch eine elektronisch beim Finanzamt eingebrachte Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 vom an das BFG vorgelegt. Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 wurden nicht an das BFG vorgelegt, weil es keine solchen Beschwerden gibt. Vielmehr ist einer behördeninternen E-Mail vom zu entnehmen, dass die für 2009 eingebrachte elektronische Berufung 1:1 auch auf die Jahre 2010 und 2011 umgelegt worden sei, da für diese Jahre der gleiche Sachverhalt vorliege und anzunehmen gewesen sei, dass sich die Berufung auch gegen die Jahre 2010 und 2011 richte.
Nach meiner Ansicht ist es jedoch nicht möglich, auf derartige Weise Berufungen hinsichtlich der Jahre 2010 und 2011 zu fingieren.
Tatsächlich und rechtlich wurde nur eine Beschwerde (ursprünglich: Berufung) an das
Bundesfinanzgericht vorgelegt, nämlich diejenige hinsichtlich 2009.
Zur Begründung ist aus /Ro 2015/15/0001 zu zitieren: "Der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes unterliegt nach diesen Bestimmungen die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde. …
Der Vorlagebericht dient hingegen - wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht - bloß dazu, um den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. …
Auch ist es nicht der Vorlagebericht, der den Lauf der Entscheidungsfrist auslöst; die Entscheidungsfrist beginnt vielmehr mit der Vorlage der Beschwerde. …
Wenn der Vorlagebericht andere (oder zusätzliche oder auch weniger) anzufechtende Bescheide bzw. erhobene Rechtsmittel nennt als jene, die vorgelegt werden, so wird das Bundesfinanzgericht diesen Widerspruch aber aufzuklären haben (§ 115 BAO)."
Dieser Vorhalt des BFG dient dem Vorgehen nach § 2a iVm § 115 BAO.
Das Finanzamt Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf erließ teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidungen (jetzt: Beschwerdevorentscheidungen), die mit datiert waren (+3 Werktage: Zustellung am 8. Oktober), hinsichtlich:
a) Einkommensteuer 2009,
b) Einkommensteuer 2010 ohne zugrundeliegende Berufung,
c) Einkommensteuer 2011 ohne zugrundeliegende Berufung.
Gegen diese drei Beschwerdevorentscheidungen erhob
ursprünglicherBf laut elektronischem Akt einen am beim Finanzamt eingelangten Vorlageantrag (-3 Werktage: Aufgabedatum 10. November), wobei es sich laut Vorlagebericht samt Beilagen um eine als Berufung bezeichnete, mit Juli 2013 datierte Eingabe vom ursprünglicherBf handeln dürfte (Beilage B für den Masseverwalter). Unschädlich ist die Bezeichnung als Berufung, wenn es sich rechtlich um einen Vorlageantrag handeln müsste.
Allerdings ist meiner Ansicht nach dieser Vorlageantrag verspätet, sodass folgendermaßen vorzugehen wäre:

  • Zurückweisung des Vorlageantrages hinsichtlich 2009 als verspätet mit dem Ergebnis, dass die Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2009 durch die diesbezügliche Berufungsvorentscheidung vom abgeschlossen wäre;

  • Hinsichtlich Einkommensteuer 2010 und 2011 entweder Zurückweisung des Vorlageantrages als verspätet oder Einstellung des Verfahrens, weil keine diesbezügliche Beschwerde vorgelegt wurde. Jedenfalls wäre das Ergebnis, dass die Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 2010 und 2011 durch die diesbezüglichen Berufungsvorentscheidungen vom abgeschlossen wären.

Den beiden Streitparteien wird zur Wahrung des Parteiengehöres die Möglichkeit eingeräumt, bis beim Bundesfinanzgericht eine Stellungnahme zu diesem Vorhalt einzubringen."

Das Finanzamt Österreich brachte eine Stellungnahme beim Bundesfinanzgericht ein. Die andere Streitpartei brachte keine Stellungnahme ein.

Erwägungen:

Der diesem Beschluss zugrundezulegende Sachverhalt ergibt sich aus der vorhin dargestellten Aktenlage:

  • Gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf vom hat Herr ursprünglicherBf am Berufung erhoben.

  • Gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf vom hat Herr ursprünglicherBf kein Rechtsmittel erhoben.

  • Das Finanzamt Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf hat teilweise stattgebende, mit (Donnerstag) datierte Berufungsvorentscheidungen hinsichtlich Einkommensteuer 2009, 2010 und 2011 erlassen, welche Herrn ursprünglicherBf am (dritter Werktag nach dem im Sinne des § 26 Abs. 2 ZustG) zugestellt wurden.

  • Am (Mittwoch) langte ein, von ursprünglicherBf gegen die Berufungsvorentscheidungen erhobenes Rechtsmittel beim Finanzamt ein, woraus auf die Absendung am Samstag, (dritter Werktag vor in analoger Anwendung des § 26 Abs. 2 ZustG) zu schließen ist.

Rechtliche Würdigung:

Die Berufungsvorentscheidungen hinsichtlich Einkommensteuer 2009, 2010 und 2011 sind nunmehr als Beschwerdevorentscheidungen zu betrachten. Die Berufung vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 ist nunmehr als Beschwerde zu betrachten.

Über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 ist mit der Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2009 vom abschließend entschieden worden, weil der dagegen erhobene Vorlageantrag verspätet war, wie anschließend dargestellt wird:

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung sieht § 264 BAO als Rechtsmittel den Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht) vor. Die Frist zur Erhebung eines Vorlageantrages beträgt einen Monat ab Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung. Im vorliegenden Fall endete die Frist einen Monat ab Montag, dem , und somit am Donnerstag, . Der am abgesendete Vorlageantrag war verspätet. Gemäß § 264 Abs. 5 BAO ist der Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidungen vom als nicht fristgerecht vom Verwaltungsgericht, hier: BFG, zurückzuweisen.

Das beim BFG durch den Vorlagebericht kanzleimäßig anhängig gewordene Verfahren betreffend die erhobene Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 sowie betreffend die nicht erhobenen Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 ist einzustellen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass die Frist zur Stellung eines Vorlageantrages einen Monat beträgt, geht unmittelbar aus dem Gesetz hervor. Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen, weshalb die Revision nicht zulässig ist, selbst dann, wenn zu der anzuwendenden Norm noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen sein sollte (vgl. ; ; ; ; , RNr. 10).

Die für die vorliegende Entscheidung zu lösenden Tatfragen (Tatsachenannahmen, Sachverhaltsfeststellungen, Beweiswürdigung), hier insb. ob und wann welches Rechtsmittel erhoben bzw. nicht erhoben worden ist, sind keine Rechtsfragen, weshalb hier die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist (vgl. ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103206.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
BAAAC-32587