Rechtspersönlichkeit einer nach beendeter Liquidation gelöschten GmbH
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/16/0047. Zurückweisung mit Beschluss vom .
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/5100794/2021-RS1 | Die Gesellschaft ist erst beendet, wenn kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden und die Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht ist. Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Nur die tatsächlich vermögenslose Gesellschaft verliert mit ihrer Löschung ihre Existenz. Die Löschung ist aber nicht bloß „deklarativ“, sondern gemeinsam mit dem Eintritt der Vermögenslosigkeit konstitutiv (Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG, § 84 Tz 13 mwN; Haberer/Zehetner, a.a.O., § 93 Tz 25 und 26). |
RV/5100794/2021-RS2 | Wird die Gesellschaft gelöscht, obwohl sie noch über verwertbares Vermögen verfügt, das aus welchen Gründen auch immer zunächst nicht berücksichtigt wurde, so ist ihre Rechtspersönlichkeit noch nicht erloschen. Kommt nachträgliches Vermögen hervor, ist von einer Identität und Kontinuität des Rechtsträgers auszugehen, weshalb auch eine notwendig werdende Nachtragsliquidation keine neue, sondern eine Fortsetzung der bisherigen Liquidation ist (Haberer/Zehetner, a.a.O., § 93 Tz 33 und 35). Dies entspricht auch der im , dargestellten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Rechtspersönlichkeit insoweit als fortdauernd anzusehen wäre, als sich auf Grund des vorliegenden Rechtsstreits nachträglich ein abwickelbares Vermögen ergeben könnte. |
RV/5100794/2021-RS3 | Die Rechtspersönlichkeit der GmbH hätte auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch fortbestanden, wenn es im Beschwerdeverfahren zu einem Abgabenguthaben am Abgabenkonto, damit zu einem Rückzahlungsanspruch und damit in weiterer Folge zu einem abwickelbaren Vermögen der Gesellschaft kommen könnte. In diesem Fall bestünde die Gesellschaft als Rechtssubjekt weiter und – nur in diesem Fall – käme dem Verwahrer der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft im Sinne des § 93 Abs. 3 GmbHG gemäß § 80 Abs. 3 BAO auch die Funktion eines Vertreters der fortbestehenden Gesellschaft zu; diese Vertretungsregelung gilt nur für eine noch parteifähige GmbH (Ritz, BAO7, § 80 Tz 13). |
RV/5100794/2021-RS4 | Aufgrund fehlender Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft war das beim Bundesfinanzgericht anhängige Verfahren in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 278 Abs. 1 lit. b BAO und des § 261 Abs. 1 BAO mit Beschluss einzustellen (vgl. ). |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***B*** GmbH i.L. betreffend die Bescheide des damaligen Finanzamtes für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) zu StNr. ***BF1StNr1*** vom und über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen beschlossen:
Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Art. 133 Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Mit Gesellschaftsvertrag vom war die Firma ***B*** GmbH (FN ***1***) gegründet worden, in die mit Einbringungsvertrag vom die nicht protokollierte Firma "***GF*** Ges.n.b.R." eingebracht wurde. Geschäftsführer der Gesellschaft war seit Gründung ***GF***, der ab 2016 auch alleiniger Gesellschafter war. Die Gesellschaft wurde beim Finanzamt ***FA*** als für die Erhebung der Körperschaftsteuer zuständigem Finanzamt im Sinne des § 160 Abs. 3 BAO unter der Steuernummer ***2*** geführt.
Aufgrund eines Prüfungsauftrages des damaligen Finanzamtes für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel vom wurde eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO betreffend Glücksspielabgabe und Gebühren für den Zeitraum 2011 bis 2015 begonnen. Im Zuge dieser sich über mehrere Jahre hinziehenden Prüfung wurde durch den Geschäftsführer am Einsicht in die im Akt befindlichen Einvernahmen betreffend den Betrieb von Glücksspielautomaten genommen, und zu diesen am eine Stellungnahme abgegeben.
In einer außerordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft vom wurden vom Alleingesellschafter die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft, seine Abberufung als Geschäftsführer und seine Bestellung als Liquidator beschlossen.
Im Gesellschafterbeschluss vom wurde der Bericht des Liquidators über die Beendigung der Liquidation genehmigend zur Kenntnis genommen, dem Liquidator die Entlastung erteilt, und zum Verwahrer der Bücher und Schriften der Gesellschaft für die gesetzlich vorgeschriebene Dauer der ehemalige Geschäftsführer bzw. Liquidator ***GF*** bestellt.
Dieser Gesellschafterbeschluss wurde gemeinsam mit einem Belegexemplar der Wiener Zeitung über den erfolgten Gläubigeraufruf und der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes ***FA*** iSd § 160 Abs. 3 BAO vom am dem Landesgericht ***LG*** übermittelt und beantragt, folgende Eintragungen im Firmenbuch vorzunehmen: "Firma gelöscht" und "***Bf1*** Löschung infolge beendeter Liquidation".
Das Landesgericht ***LG*** nahm diese beantragten Eintragungen am im Firmenbuch vor.
Aufgrund des Berichtes gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom fertigte das Finanzamt am selben Tag Glücksspielabgabenbescheide für die Zeiträume Jänner 2011 bis Dezember 2015 aus. Als Bescheidadressat wird "***B*** GmbH in Liquidation zHd ***GF***, ***GF-Adr***" angeführt.
Ferner wurden am und Bescheide über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen erstellt, die als Bescheidadressaten "***B*** GmbH i.L., z.H. ***GF***, ***GF-Adr***" bezeichnen.
Zu diesen Bescheiden teilte ***GF*** mit gleichlautenden Eingaben vom (Postaufgabe: ) und (Postaufgabe: ) mit:
"Die ***B*** GmbH wurde vom Landesgericht ***LG*** gemäß Antrag vom mit Beschluss vom amtswegig gelöscht. Dem zuvor gegangen ist eine eidesstattlich Erklärung meinerseits, dass die Gesellschaft vermögenslos ist. Entsprechende Nachweise (Bilanzen zum und , welche beide ein negatives Eigenkapital (zu Lasten meiner Person als Gesellschafter (Verrechnungskonto)) und Aktivvermögen auswiesen wurden dem Firmenbuchgericht als Nachweis nach Aufforderung vorgelegt.
Es ist unstrittig, dass die Löschung einer GmbH im Firmenbuch insofern nur deklarativ wirkt und grundsätzlich nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft (vgl. dazu auch ), als auch nicht zum Verlust der Parteifähigkeit führt, solange Vermögen vorhanden ist (vgl. dazu die Nachweise bei Ritz, BAO5, § 79 Tz 11; ebenso etwa auch die Entscheidung des 7 Ob 5 5/14k, GES 2014/6, 283, wonach die Vermögenslosigkeit der aus diesem Grund gelöschten GmbH aber "bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen" sei).
Nur in einem solchen Fall wird der Fortbestand der Rechtssubjektivität einer gelöschten GmbH bejaht, "solange noch ein Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind" (vgl. den hg. Beschluss vom , 95/13/0068; die Aussage bezog sich nicht auf die Erledigung eines Berufungsverfahrens).
Da jedoch im vorliegenden Fall
- kein Liquidationsvermögen bei der Abwicklung der Gesellschaft im Zeitpunkt der Löschung mehr vorlag
- und bisher keine Zahlungen auf die strittige und nicht rechtswirksame Abgabenschuld erfolgt sind und
- somit auch keine Aussicht auf eine Begleichung mehr besteht und
- auch kein Vorliegen eines anderweitigen Vermögens
gegeben ist, besteht auch kein "Abwicklungsbedarf" der Gesellschaft (). Selbst eine vollinhaltliche Bestätigung der Rechtmäßigkeit der in den Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung des Finanzamtes würde zu keinem Aktivvermögen der gelöschten GmbH führen. Insofern kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtspersönlichkeit der aufgelösten GmbH im vorliegenden Fall fortbesteht und keine Vollbeendigung der gelöschten GmbH vorliegt (vgl. dazu auch ). Insofern ist auch mit Löschung konstitutiv der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft eingetreten (; ), sodass in diesem Fall an eine im Firmenbuch gelöschte juristische Person mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden können. Die Funktion der Liquidatoren ist ebenso erloschen und ihre Legitimation lebt von selbst für keine Rechtshandlung auf. Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer ist ebenso unwirksam (). Auch die Vertreterregel des § 80 Abs. 3 BAO ist in diesem Fall nicht anwendbar, weil diese nur jene Fälle erfasst, in denen eine ordentliche Liquidation stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird (). Insofern sind die Bescheide im vorliegenden Sachverhalt weder an die Gesellschaft noch an meine Person mehr rechtskräftig zustellbar und die Zustellung daher rechtsunwirksam."
Ferner wurde in diesen Eingaben, in denen als Bezug die "***B*** GmbH (liquidiert), Steuernummer: ***BF1StNr1***" angeführt wurde, "in eventu" das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde erhoben, "falls die Abgabenbehörde dennoch von einer rechtmäßigen Zustellung ausgehen sollte". Die Beschwerde würde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verfahrensmängel erhoben. Bei den betriebenen Geräten handle es sich um keine Glücksspielautomaten, weshalb keine Glücksspielabgabe anfalle. Inhaltlich werde dazu auf die Stellungnahme zur Schlussbesprechung verwiesen.
Der Eingabe vom wurden die Bilanz per , die Gewinn- und Verlustrechnung per , ein Auszug aus dem Firmenbuch mit den zum aktuellen Daten, die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes vom und ein Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom angeschlossen, der auf einen "Antrag auf amtswegige Löschung, eingelangt am " Bezug nimmt.
Das Finanzamt ging von einer rechtwirksamen Zustellung der Säumniszuschlagsbescheide vom und aus, und wies die dagegen erhobenen (ebenfalls als wirksam erhoben beurteilten) Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen vom und ab. In den gleichlautenden Begründungen wurde nach näheren Ausführungen zur eingetretenen Säumnis mit der Entrichtung der den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Selbstbemessungsabgaben erläutert: "Die Löschung einer GmbH im Firmenbuch hat nach übereinstimmender Rechtsprechung der Höchstgerichte bloß deklaratorischen Charakter (vgl. und ). Eine GmbH besteht auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch fort, solange Rechtsbeziehungen zu Gläubigern oder Schuldnern bestehen. Die Rechtspersönlichkeit der GmbH besteht daher solange fort, als noch ein Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen GmbH bescheidmäßig festzusetzen sind. Gemäß § 80 Abs. 3 BAO ist Vertreter der aufgelösten GmbH nach Beendigung der Liquidation, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten GmbH verpflichtet ist. Nach dem Gesellschafterbeschluss vom ist Herr ***GF*** zum Verwahrer der Bücher und Schriften der Gesellschaft bestellt. Die Zustellung des Bescheides an die ***B*** GmbH in Liquidation, z.H. ***GF*** ist daher rechtens und der Bescheid rechtswirksam ergangen. Daher bestehen die Säumniszuschläge zu Recht und Ihrer Beschwerde war der Erfolg zu versagen."
Dagegen richten sich die Vorlageanträge vom und , in denen das bisherige Vorbringen wiederholt und auf die vor Erlassung der Bescheide eingetretene Vollbeendigung der Gesellschaft hingewiesen wurde. In den Beschwerdevorentscheidungen werde die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft vollständig negiert bzw. die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft im Liquidationszeitpunkt gar nicht bestritten. Diese habe dem Firmenbuchgericht als Löschungsvoraussetzung nachgewiesen werden müssen, womit der Beweis der Vermögenslosigkeit bereits erbracht und der Behörde bekannt sei.
In einem Aktenvermerk vom über eine telefonische Rücksprache mit dem Landesgericht ***LG*** wird festgehalten, dass im Fall der gegenständlichen Gesellschaft zwar ein Antrag auf amtswegige Löschung derselben eingebracht worden sei (gemeint ist damit offenkundig der im oben erwähnten Beschluss vom angeführte "Antrag auf amtswegige Löschung, eingelangt am "), dieser aber keiner Erledigung zugeführt worden sei, sondern vielmehr die Löschung aufgrund beendeter Liquidation erfolgt wäre.
Mit Vorlageberichten vom legte das Finanzamt die beiden Beschwerdesachen betreffend die Säumniszuschlagsbescheide vom und vor und beantragte eine inhaltliche Entscheidung. Zur Frage der wirksamen Zustellung der angefochtenen Bescheid vertrat das Finanzamt folgende Rechtsansicht:
"Nach Auflösung einer Gesellschaft folgt in der Regel die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG). §§ 89 ff GmbHG regeln die Liquidation (Abwicklung). Während dieser Zeit wird die Kapitalgesellschaft durch die im Firmenbuch eingetragenen Liquidatoren oder Abwickler vertreten. Bei der Liquidation kommen die Vorschriften der §§ 149, 150 Abs. 1 und 153 UGB zur Anwendung. Aufgabe des Abwicklungsverfahrens ist die Veräußerung des Gesellschaftsvermögens und Begleichung der Schulden. Nach der Beendigung der Liquidation ist das Erlöschen der Firma von den Liquidatoren unter Nachweisung der durch Beschluss der Gesellschafter erwirkten Entlastung zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden (§ 93 GmbHG). Der Antrag auf Löschung nach § 93 Abs. 1 GmbHG beendet das klassische Liquidationsverfahren nach den §§ 89 ff GmbHG. Wurde die Gesellschaft gemäß § 40 FBG aufgelöst, findet kein Löschungsverfahren auf Antrag der Liquidatoren statt, sondern erfolgt von Amts wegen (vgl. Haberer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 93 Rz 3). In der Erklärung vom des Herrn ***GF*** über die Anmeldung der Löschung der Gesellschaft zur Eintragung in das Firmenbuch gibt Herr ***GF*** als Liquidator die Erklärung ab, dass die Liquidation der Gesellschaft ordnungsgemäß beendet ist. Zum Verwahrer der Bücher und Schriften der Gesellschaft wird für die gesetzlich vorgeschriebene Dauer ***GF*** bestellt. Die Löschung ist laut Firmenbuchauszug infolge beendeter Liquidation erfolgt und mit eingetragen worden. Die Löschung einer GmbH im Firmenbuch hat bloß deklarativen Charakter (vgl. etwa ; , 2003/17/0134; , 2006/16/0220). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlischt eine GesmbH nicht schon mit ihrer Auflösung, sondern erst mit ihrer Vollbeendigung, somit also, wenn kein Abwicklungsbedarf mehr vorhanden ist (zB. , 95/15/0179 mwN; sowie , 2001/13/0030 mwN). Eine GmbH besteht auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch fort, solange ein Vermögen vorhanden ist und Rechtsbeziehungen zu Gläubigern oder Schuldnern bestehen (, NZ 1988, 82). Nach der Judikatur des VwGH besteht die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft solange fort, als noch Abwicklungsbedarf vorhanden ist, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind; die bloße Auflösung und Löschung bedeutet noch nicht deren Vollbeendigung, weshalb die Gesellschaft, solange nicht eine Abwicklung ihrer Rechtsverhältnisse u.a. zum Abgabengläubiger erfolgt ist, auch im Abgabenverfahren ihre Angelegenheiten betreffend die Parteifähigkeit beibehält (; , 2010/15/0026; , 2009/13/0112 mwN). An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher grundsätzlich rechtswirksam (). Vertreter der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war (vgl. § 80 Abs. 3 BAO). Die Vertreterstellung des Verwahrers betrifft insbesondere Außenprüfungen (§ 147 Abs. 1 BAO) sowie offene Rechtsmittelverfahren (ErlRV 686 BlgNR 22. GP, zu § 80; ). Nachdem im gegenständlichen Fall Herr ***GF*** mit Gesellschafterbeschluss vom zum Verwahrer der Bücher und Schriften der Gesellschaft für die gesetzlich vorgeschriebene Dauer bestellt wurde, ist dieser als Zustellvertreter der zwar bereits gelöschten, jedoch noch nicht handlungsunfähigen Gesellschaft anzusehen. Die Zustellung der gegenständlichen Bescheide an die ***B*** GmbH in Liquidation, zH. ***GF***, ist rechtswirksam erfolgt."
Das Vorliegen von Gesellschaftsvermögen wurde vom Finanzamt weder im Vorlagebericht behauptet noch im Verwaltungsverfahren festgestellt. Die am Abgabenkonto der Gesellschaft verbuchten Glücksspielabgaben und Säumniszuschläge wurden von der Gesellschaft nicht (auch nicht teilweise) entrichtet.
Rechtliche Beurteilung
Das Gesetz vom über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz - GmbHG) normiert in seinem III. Hauptstück die Auflösung der Gesellschaft. Die §§ 84 - 88 regeln die Auflösung, die §§ 89 - 95 das sich in der Regel daran anschließende Liquidationsverfahren (Abwicklungsverfahren). Die §§ 96 - 101 haben die Verschmelzung als Sonderfall der Beendigung einer Gesellschaft unter Ausschluss der Abwicklung zum Gegenstand.
Durch die Auflösung wird die Gesellschaft noch nicht beendet, sie verliert nicht ihre rechtliche Existenz. Vielmehr tritt an die Stelle des ursprünglichen Gesellschaftszweckes nunmehr der Abwicklungszweck. Der durch die Auflösung geänderte Geschäftszweck besteht nicht mehr in der gewinnbringenden Führung des Unternehmens, sondern in der Verwertung des vorhandenen Aktivvermögens und der Abwicklung der Gesellschaft. Die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft bleibt unberührt (Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 84 Tz 5 mit Judikatur- und Literaturnachweisen).
Infolge der Auflösung tritt die Gesellschaft in eine neue, letzte Phase ihrer Existenz: Es beginnt die Liquidation oder Abwicklung (§§ 89 ff). Im Zuge der Liquidation werden die Geschäfte der Gesellschaft abgewickelt und das Gesellschaftsvermögen verwertet. Nach Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger wird das verbleibende Vermögen an die Gesellschafter verteilt (Zehetner, a.a.O. § 84 Tz 6).
Nach Abschluss der Liquidation erfolgt die Löschung im Firmenbuch. Vor ihrer Beendigung ist die Gesellschaft also zu liquidieren (Zehetner, a.a.O., § 84 Tz 12).
Die Gesellschaft ist erst beendet, wenn kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden und die Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht ist. Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Nur die tatsächlich vermögenslose Gesellschaft verliert also mit ihrer Löschung ihre Existenz. Die Löschung ist aber nicht bloß "deklarativ", sondern gemeinsam mit dem Eintritt der Vermögenslosigkeit konstitutiv. Daher sollte man beide Voraussetzungen als "konstitutiv" für die Beendigung der Rechtspersönlichkeit bezeichnen; sie sind kumulativ konstitutiv (Zehetner, a.a.O., § 84 Tz 13 mwN; Haberer/Zehetner, a.a.O., § 93 Tz 25 und 26).
§ 93 GmbHG regelt mit der Löschung somit den finalen Schritt des Liquidationsverfahrens. Der Antrag auf Löschung beendet das klassische Liquidationsverfahren nach den §§ 89 ff. Wurde die Gesellschaft dagegen gemäß § 40 FBG oder § 10 Abs. 2 oder 3 FBG aufgelöst, findet kein Löschungsverfahren auf Antrag der Liquidatoren statt, sondern erfolgt dieses von Amts wegen. Auch nach Aufhebung des Konkursverfahrens und Verteilung der Masse sowie bei Auflösung durch Gesamtrechtsnachfolge ist die Bestimmung des § 93 GmbHG nicht anwendbar (Haberer/Zehetner, a.a.O., § 93 Tz 1 ff).
Erst wenn die Liquidation der Gesellschaft beendet ist, kann ihre Löschung beantragt werden bzw. erst wenn die Gesellschaft kein ihr zuordenbares Vermögen mehr besitzt, gilt die Liquidation als beendet (Haberer/Zehetner, a.a.O., § 93 Tz 5 und 6).
Von der Frage der relevanten Vermögensbestandteile zu unterscheiden ist das Recht des Verfahrensgegners, einen anhängigen Prozess auch nach Eintritt der Löschung der Gesellschaft fortzusetzen, also die Frage der Parteifähigkeit im Zivilprozess. Dazu judiziert der OGH in ständiger Rechtsprechung, dass ein derartiges Verfahren gegen die Gesellschaft als Beklagte auf Betreiben des Klägers fortzusetzen ist. Strebt der Kläger hingegen die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft nicht an, ist die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären. Der Grund für dieses Wahlrecht liegt in der besonderen Bedeutung, die der Wahrung der Grundsätze eines fairen Verfahrens gemäß Art. 6 EMRK zukommt, mit denen es unvereinbar wäre, wenn die beklagte Partei durch rechtliche Änderungen in ihrer Sphäre, auf die der Kläger keinen Einfluss hat, eine Entscheidung über einen gerichtlich geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruch vereiteln könnte. Verfolgt die Gesellschaft als Klägerin einen vermögenswerten Anspruch, so steht dieser einer Beendigung der Liquidation entgegen. Damit wird eine Vollbeendigung auf Klägerseite praktisch nicht relevant sein (Haberer/Zehetner, a.a.O., § 93 Tz 7 und 8 mwN).
Für den Bereich des Abgabenverfahrens vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass die Löschung einer GmbH im Firmenbuch "insofern" nur "deklarativ" wirkt, als sie nicht zum Verlust der Parteifähigkeit führt, solange Vermögen vorhanden ist (vgl. dazu die Nachweise bei Ritz, BAO7, § 79 Tz 11; ebenso etwa auch die Entscheidung des , GES 2014/6, 283, wonach die Vermögenslosigkeit der aus diesem Grund gelöschten GmbH aber "bis zum Beweis des Gegenteils ... anzunehmen" sei). Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof den Fortbestand der Rechtssubjektivität einer wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöschten GmbH bejaht, "solange noch ein Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind" (z.B. ).
Die dabei zunächst nicht angesprochene Frage, ob dies auch gilt, wenn "die Abgabenfestsetzung in keiner denkbaren Konstellation - etwa durch Anrechnung von Steuervorauszahlungen, Abzugsteuern oder Vorsteuern - zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann", ließ der Verwaltungsgerichtshof im , ausdrücklich offen. Eine Kommunalsteuer betreffende Beschwerde einer nach Liquidation (und vor Erlassung des erstinstanzlichen Abgabenbescheides) gelöschten GmbH wurde mit diesem Beschluss zurückgewiesen, weil die Zustellung der bekämpften Erledigung an die bisherigen Vertreter der Gesellschaft jedenfalls nicht wirksam gewesen war. Der Verwaltungsgerichtshof hob unter Hinweis auf Literatur hervor, mit der Löschung verliere die Gesellschaft ihre organschaftliche Vertretung. Die Funktion der Liquidatoren sei erloschen und ihre Legitimation lebe von selbst für keine Rechtshandlung auf. In der Kostenentscheidung fand Berücksichtigung, dass die Beschwerde - mit deren Erhebung der Beschwerdevertreter von den ehemaligen Geschäftsführern und Liquidatoren beauftragt worden war - keinem Rechtssubjekt zugerechnet werden konnte.
In dem eine Umsatz- und Körperschaftsteuer betreffende Beschwerde eines (während des Berufungsverfahrens) aufgelösten Vereins zurückweisenden , sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, es sei "zu prüfen, ob sich auf Grund des vorliegenden Rechtsstreits nachträglich ein abwickelbares Vermögen des Beschwerdeführers ergeben könnte, sodass die Rechtspersönlichkeit des Vereins insoweit als fortdauernd anzusehen wäre". Da im Beschwerdefall keine Zahlungen auf die strittige Abgabenschuld erfolgt seien, somit keine Aussicht auf einen Rückzahlungsanspruch bestehe und das Vorliegen eines anderweitigen Vermögens "und damit Abwicklungsbedarfes" nicht behauptet werde, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtspersönlichkeit des aufgelösten Vereines fortbestehe.
Der Verwaltungsgerichtshof verwies dazu auf den , mit dem das verwaltungsgerichtliche Verfahren über eine Ortstaxe betreffende Beschwerde eines Vereins wegen Gegenstandslosigkeit eingestellt wurde, weil sich der Verein, der auf die strittige Abgabenschuld keine Zahlungen geleistet hatte, nach Einbringung der Beschwerde ohne Liquidation aufgelöst hatte. Der Verwaltungsgerichtshof nahm in diesem Einstellungsbeschluss auf die Gründe Bezug, aus denen dem Kläger im Zivilprozess die Fortsetzung des Verfahrens gegen eine vollbeendete Kapitalgesellschaft ermöglicht werde, und verneinte das Vorliegen vergleichbarer Gründe für eine Fortsetzung des Verfahrens über die Beschwerde des aufgelösten Vereins gegen eine Abgabenvorschreibung. Da das Verfahren nach dem "Wegfall der Rechtspersönlichkeit" der beschwerdeführenden Partei nicht fortgeführt werden könne, sei es in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde einzustellen.
Im Erkenntnis , in dem der Verwaltungsgerichtshof die eben erwähnte Rechtsprechung zusammengefasst dargestellt hat, sprach dieser aus, dass bei unbestrittener Vermögenslosigkeit der Gesellschaft zu prüfen sei, ob (im Hinblick auf eine eingebrachte Beschwerde) noch Abwicklungsbedarf besteht. Davon wäre dann auszugehen, wenn das beim Bundesfinanzgericht anhängige Verfahren direkt oder indirekt ein abwickelbares Aktivvermögen der gelöschten GmbH betreffen würde. Da dies in jenem Verfahren nicht der Fall gewesen sei, wäre die Einstellung des Beschwerdeverfahrens mit Beschluss zu Recht erfolgt. Die Bestimmung des § 278 Abs. 1 lit. b BAO entspräche inhaltlich § 33 Abs. 1 VwGG und damit der Vorschrift, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sinngemäß anzuwenden ist, wenn es zu einem "Wegfall der Rechtspersönlichkeit" der beschwerdeführenden (revisionswerbenden) Partei kommt.
Im vorliegenden Fall wurde die ***B*** GmbH nach deren Auflösung und infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch gelöscht. Zur Vollbeendigung der Gesellschaft und damit zum Verlust der Rechtspersönlichkeit kommt es aber wie oben aufgezeigt erst dann, wenn auch tatsächlich kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist und solches auch nicht nachträglich hervorkommt. Wird die Gesellschaft gelöscht, obwohl sie noch über verwertbares Vermögen verfügt, das aus welchen Gründen auch immer zunächst nicht berücksichtigt wurde, so ist ihre Rechtspersönlichkeit eben noch nicht erloschen. Kommt nachträgliches Vermögen hervor, ist von einer Identität und Kontinuität des Rechtsträgers auszugehen, weshalb auch eine notwendig werdende Nachtragsliquidation keine neue, sondern eine Fortsetzung der bisherigen Liquidation ist (Haberer/Zehetner, a.a.O., § 93 Tz 33 und 35). Dies entspricht auch der im , dargestellten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Rechtspersönlichkeit insoweit als fortdauernd anzusehen wäre, als sich auf Grund des vorliegenden Rechtsstreits nachträglich ein abwickelbares Vermögen ergeben könnte.
Das bedeutet konkret, dass die Rechtspersönlichkeit der ***B*** GmbH auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch fortbestanden hätte, wenn es im gegenständlichen Beschwerdeverfahren und insbesondere im Beschwerdeverfahren betreffend die Glücksspielabgaben zu einem Abgabenguthaben am Abgabenkonto, damit zu einem Rückzahlungsanspruch und damit in weiterer Folge zu einem abwickelbaren Vermögen der Gesellschaft kommen könnte. In diesem Fall bestünde die Gesellschaft als Rechtssubjekt weiter und - nur in diesem Fall - käme dem Verwahrer der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft im Sinne des § 93 Abs. 3 GmbHG gemäß § 80 Abs. 3 BAO auch die Funktion eines Vertreters der fortbestehenden Gesellschaft zu; diese Vertretungsregelung gilt nur für eine noch parteifähige GmbH (Ritz, BAO7, § 80 Tz 13).
Die festgesetzten Glücksspielabgaben und Säumniszuschläge wurden jedoch von der Gesellschaft zur Gänze nicht entrichtet. Selbst voll stattgebende Beschwerdeentscheidungen des Bundesfinanzgerichtes würden damit zu keinem rückzahlbaren Guthaben am Abgabenkonto und damit zu einem im Zuge einer Nachtragsverteilung abwickelbaren Vermögen der Gesellschaft führen. Damit ist aber die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft erloschen. Diese Vollbeendigung der Gesellschaft trat gegenständlich bereits mit der nach durchgeführter Liquidation erfolgten Löschung im Firmenbuch ein, da die Gesellschaft bereits damals vermögenslos war und auch in weiterer Folge (insbesondere in den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Beschwerdeverfahren) kein abwickelbares Vermögen hervorkam bzw. auch bei vollinhaltlich stattgebenden Erledigungen nicht entstehen könnte.
Aufgrund fehlender Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft war das beim Bundesfinanzgericht anhängige Verfahren in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 278 Abs. 1 lit. b BAO und des § 261 Abs. 1 BAO mit Beschluss einzustellen.
Zur Frage einer allfälligen haftungsrechtlichen Verantwortung des ehemaligen Geschäftsführers der Gesellschaft hat bereits der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom darauf hingewiesen, dass bei einem nicht mehr existierenden Erstschuldner der Haftende von vornherein und allein zur Leistung herangezogen werden kann. Damit erübrigt sich auch unter diesem Gesichtspunkt eine Vorschreibung von Abgaben an die Gesellschaft, die aufgrund deren Vermögenslosigkeit aus Sicht der Abgabeneinbringung ohnehin nutzlos wäre.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere ) geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 278 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 261 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 93 GmbHG, GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906 § 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100794.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at