1. Beschwerde gegen Nichtbescheid, 2. Beschwerde gegen eigene Abgabenentrichtung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7103297/2021-RS1 | Durch die Einzahlung des Abgabenrückstandes durch den Beschwerdeführer fehlt es an der Voraussetzung eines bekämpfbaren abgabenbehördlichen Verwaltungsaktes und damit an einem unabdingbaren Erfordernis für eine zulässige Rechtsmitteleinbringung (§ 243 BAO). |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen die Einzahlung der Abgabennachforderung über EUR 3.208,45 vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, folgenden Beschluss:
Die Beschwerde gemäß § 278 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang und festgestellter Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (in Folge kurz BF) hielt eine atypisch stille Beteiligung an der ***5*** (ehem. Steuernummer ***2***, nunmehr ***1***).
Aufgrund einer bescheidmäßigen Gewinnfeststellung (F-Mitteilung) vom führte diese Beteiligung am zu einer Bescheidänderung gemäß § 295 Abs 1 BAO betreffend Einkommensteuer 1995 sowie zu einer Abgabennachforderung von € 2.342,98 beim BF.
Die Abgabennachforderung wurde mit Aussetzungsbescheid vom aufgrund der Einbringung eines Rechtsmittels gegen den zugrundeliegenden Feststellungsbescheid ausgesetzt.
Mit Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes (BFG) vom (GZ: ***4***) wurde die Beschwerde im Feststellungsverfahren als unzulässig zurückgewiesen (Ausspruch, dass im Feststellungsverfahren gem. § 188 BAO Nichtbescheide vorgelegen sind).
Nachdem kein für die Aussetzung maßgebliches Rechtsmittel mehr anhängig war, verfügte die belangte Behörde am den Ablauf der Aussetzung der Einhebung.
Sowohl gegen die Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung als auch gegen die Festsetzung der Aussetzungszinsen wurde am Beschwerde eingebracht, welche am mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) abgewiesen wurde. In Folge hat das Finanzamt dem BF (offenbar) eine Stundung gewährt und als Zahlungstermin den festgelegt.
Am erließ die belangte Behörde eine Zahlungsaufforderung in Höhe von EUR 3.208,45 für die am Abgabenkonto aushaftenden Verbindlichkeiten. Diese setzten sich wie folgt zusammen:
EUR 2.342,98 betreffend ESt 1995
EUR 807,88 betreffend Aussetzungszinsen ESt 1995
EUR 57,59 betreffend weitere Aussetzungszinsen.
Mit Überweisung vom beglich der BF den Rückstand.
Mit Schreiben vom August 2021, eingebracht am (und neuerlich übermittelt mit Schreiben vom ), wurde gegen diese EinzahlungBeschwerde eingebracht:
"Steuernummer ***6*** Termin um 8:30 Uhr Finanzamt Gänserndorf
Meine mitgebrachten Unterlagen werden nicht angenommen, mein Einwand wurde abgelehnt. Man verweist auf die vorhandenen Fakten, somit auf die Fälligkeit der für mich ungerechten Steuerschuld aus dem Jahr 1995, an sonst droht die Pfändung.
Die Einzahlung erfolgte am vereinbarten Termin laut Zahlschein -Betrag € 3.208,45. Gegen diese Einzahlung wird Beschwerde eingereicht!!
Am hatte ich eine Besprechung bei der Fa. ***7*** mit Herrn ***8***. Bei dieser Besprechung wurden mir neue Unterlagen, neue Fakten, für diese Beschwerde kopiert und zur Verfügung gestellt und liegen diesem Schreiben bei. Ich habe sie rechts oben mit laufenden Nummern lt. Datum versehen.
Dabei wurde mir mitgeteilt, dass mehrere Hundert Andere, die gleiche Alternative Nr. 2 des Einbringungsmodells, wie ich gewählt haben. Von einer Steuerforderung wie bei mir ist nichts bekannt. Ich ersuche meinen Fall nochmals zu prüfen! Von mir nur wegen Pfändung eingezahlt.
In kurzen Worten möchte ich diesen Fall nochmals zusammenfassen:
Im Jahr 1994/95 wurden von mir S 50.000,- auf Anraten einer Anlagenfirma bezahlt. Mit dieser Einlage sollte oder könnte ich Geld verdienen! Mir wurde nachweislich laut meiner Bank Austria, später Raiffeisen ***9***, nie S 1,- oder € 1,-, aus diesem Titel, auf mein Konto überwiesen. Auch nie eine Gewinnausschüttung aus diesen S 50.000,-- angekündigt. Meine eingezahlte Summe von S 50.000,- hat sich in Luft aufgelöst und auch für mich nie einen Gewinn erwirtschaftet. Mit der Wahl der Alternative 2, siehe Beilagen Nr. 3/11/32/33 waren zwar meine S 50.000,- für immer verloren, dafür aber Steuerstrafzahlungen und Steuemachzahlungen für immer erspart geblieben.
Darum, für einen Besitz von "Nichts" Steuer zu zahlen kann nicht sein! Ich ersuche daher um eine genauere Überprüfung und um die Rückzahlung meiner zu Unrecht verlangten und von mir eingezahlten Eurosumme von 3.208,45."
Der Beschwerde beigelegt waren diverse Unterlagen zur Beteiligung an der ***5***.
Die Beschwerde wurde mit BVE vom als unzulässig zurückgewiesen. Dies mit der Begründung, dass mit Beschwerde nur Bescheide anfechtbar seien und die Einzahlung keinen Bescheid darstelle. Auch sei hinsichtlich des Ersuchens um Überprüfung der Abgabenvorschreibung 1995 auf die ausführliche Begründung im Beschwerdeverfahren betreffend Aussetzungszinsen bzw. betreffend Ablauf der Aussetzung der Einhebung verwiesen worden.
Am brachte der BF dagegen einen Vorlageantrag ein.
Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht wurde beantragt, die Zurückweisung zu bestätigen. Unter anderem wurde darin auch ausgeführt, dass der BF in einem ausführlichen Telefonat auf die Rechtskraft des Einkommenssteuerbescheides 1995 hingewiesen worden sei (auch auf die neue Rechtslage des § 295 Abs 4 BAO - wonach ein Antrag innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen gewesen wäre).
Am erstatte der mit diesem Fall betraute Richter der Gerichtsabteilung (GA) 6029 nach den Bestimmungen der Geschäftsverteilung des BFG eine Unzuständigkeitsanzeige und wurde der Fall am der GA 1078 neu zugeteilt.
Beweiswürdigung
Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Vor diesem Hintergrund nahm das Bundesfinanzgericht den obig festgestellten Sachverhalt gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen an.
Rechtliche Grundlagen
§ 92 BAO lautet:
(1)Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen
a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder
b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder
c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.
(2) Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten.
Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
(1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde […]
Rechtliche Beurteilung
Für die Auslegung von Anbringen kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) auf das aus diesem erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , 2005/12/0105). Parteienerklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen.
Nach dem Inhalt des vorliegenden Anbringens richtet sich das ausdrücklich als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel gegen die vom BF selbst durchgeführte Einzahlung des Abgabenrückstandes in Höhe von EUR 3.208,45.
Mit Bescheidbeschwerde können allerdings nur Bescheide angefochten werden. Beschwerden gegen Erledigungen ohne Bescheidcharakter sind gem § 260 Abs 1 lit a zurückzuweisen (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 243, II. Bescheide [Rz 6]).
Zu abgabenbehördlichen Erledigungen, die nicht unter § 92 Abs 1 fallen und daher nicht als Bescheide zu erlassen sind, gehören insbesondere Mahnungen (s § 227), Buchungsmitteilungen (Lastschriftanzeigen), Rückstandausweise (s § 229), Vollstreckungsaufträge (s § 5 Abs 3 AbgEO).
Im vorliegenden Fall liegt der Beschwerde des BF vom überhaupt kein diesem Rechtsmittel vorangegangener Bescheid zugrunde.
Unter einem Bescheid iSd Art 131 B-VG kann nur eine solche Erledigung verstanden werden, die in einer förmlichen und der Rechtskraft fähigen Weise über ein konkretes Rechtsverhältnis abspricht, sei es, dass ein Rechtsverhältnis mit bindender Wirkung festgestellt wird, sei es, dass es mit solcher Wirkung gestaltet werden soll. 1483, 1484/67, Slg 3886/F = ÖStZB 1969, 134; , 1/76 ua, ÖStZB 1978, 55; , 84/16/0204, Slg 5991/F = ÖStZB 1986, 100; , 94/16/0195, 0224, 0229 (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 243).
Durch die Einzahlung des Abgabenrückstandes durch den BF fehlt es an der Voraussetzung eines bekämpfbaren abgabenbehördlichen Verwaltungsaktes und damit an einem unabdingbaren Erfordernis für eine zulässige Rechtsmitteleinbringung (§ 243 BAO).
Selbst wenn man die Eingabe des BF entgegen dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut als inhaltlich gegen die Zahlungsaufforderung (bzw. den Rückstandsausweis) gerichtet ansieht, verhilft ihm die Beschwerde nicht zum Erfolg, da eine Zahlungsaufforderung wie auch im Erkenntnis des , festgestellt, kein Bescheid ist. Die bloße Aufforderung an den BF, eine bereits geschuldete Abgabe zu zahlen, hat keinen normativen Charakter. Ein Rechtsmittel dagegen ist daher nicht zulässig. Dasselbe gilt für Rückstandsausweise und Buchungsmitteilungen (, ÖStZB 1999, 524, Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 243, E5), die keine Bescheide darstellen.
Nach den angeführten Erwägungen lag daher kein mit Beschwerde bekämpfbarer Bescheid vor. Ein "Nichtbescheid" ist weder durch Beschwerde bekämpfbar noch der nachprüfenden Kontrolle des VwGH unterworfen (, ecolex 2000/161 = ARD 5169/36/2000, Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 243, E25). Das dennoch erhobene Rechtsmittel (Beschwerde), war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Die Zurückweisung stellt eine reine Formalerledigung dar. Zurückweisen bedeutet Ablehnen der sachlichen Prüfung und der inhaltlichen Würdigung des Beschwerdevorbringens. Liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung vor, ist diese zwingend zu erlassen. Der Behörde, dem Verwaltungsgericht, ist eine inhaltliche Auseinandersetzung bzw. Erledigung verwehrt. Eine Erörterung der weiteren Beschwerdevorbringen war daher unter den gegebenen Umständen entbehrlich.
Lediglich zur Abrundung darf einmal mehr festgehalten werden, dass über sämtliche, diesem Abgabenrückstand zugrundeliegenden Bescheide, bereits mehrfach abgesprochen wurde und sämtliche behördliche Erledigungen mittlerweile in Rechtskraft erwachsen sind. Auf die diesbezüglichen, ausführlichen Begründungen, wird erneut verwiesen.
Zur Unzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Streitfall war lediglich die unstrittige Rechtslage auf den unstrittigen Sachverhalt anzuwenden. Bei dieser schlichten Rechtsanwendung war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 92 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103297.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at