zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 26.01.2023, KE/5100002/2023

Bewilligung Konteneinschau Verdacht auf Scheinfirma

Entscheidungstext

BESCHLUSS ÜBER die Bewilligung einer Konteneinschau gem. § 8 KontRegG

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Eva Maria Gögl über den Antrag des Amtes für Betrugsbekämpfung vom auf Bewilligung eines Auskunftsverlangens an Kreditinstitute gemäß § 8 Kontenregister- und Konteneinschaugesetz (KontRegG) betreffend der Girokonten ***Bank1*** Konto IBAN *** sowie ***Bank2*** Konto IBAN *** jeweils der Kontoinhaberin ***XY-GmbH***, ***XY-GmbH-Adr***, für den Zeitraum jeweils 02/2022 bis 10/2022 beschlossen:

Das Auskunftsverlangen wird bewilligt.

Begründung

Die ersuchende Abgabenbehörde legte dem Bundesfinanzgericht am den Antrag auf Genehmigung einer Konteneinschau vom zur Bewilligung vor.

Die ersuchende Abgabenbehörde begründete ihr Ansuchen wie folgt:

Lt. Aktenlage ist ersichtlich, dass die ***XY-GmbH*** ursprünglich im Mai 2019 gegründet wurde. Mit ***Datum*** wurde die Gesellschaft aufgelöst und ein Liquidationsverfahren eröffnet. Aus diesem Liquiditätsverfahren heraus kaufte ***GF XY-GmbH*** die GmbH-Anteile und wurde am ***Datum*** zum Geschäftsführer bestellt. Der Ort der Geschäftsleitung wurde nach ***XY-GmbH-Adr.*** verlegt und der Geschäftszweig in Handel mit Baumaterialien, Kleintransportgewerbe und Montagen aller Art geändert.

Ab diesem Zeitpunkt wurden keine Umsatzsteuervoranmeldungen mehr bei Finanzamt eingereicht. Lt. Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherung wurde festgestellt, dass keine Dienstnehmer von der GmbH angemeldet wurden. Eine aufrechte Gewerbeberechtigung bestand ab Übernahme der GmbH durch ***GF XY-GmbH*** nicht. Daher wurde seitens des Finanzamtes mit ***Datum*** die UID-Nummer des Unternehmens begrenzt.

Im Zuge von Ermittlungen durch die FinPol bei ***Firma*** wurden folgende Ausgangsrechnungen der ***XY-GmbH*** vorgefunden:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Datum
ARNr.
Betrag
Text
031-07-E-2022
15.828,08
Verlegung der Steigleitung, Isolierungsarbeiten
032-07-E-2022
4.632,76
Montage 9 Stk. Portale
034-07-E-2022
25.143,00
Fundamentplatten, Rinnen, Schächte
033-07-E-2022
9.159,88
Stabstahl, Elementdecke, Regiestunden

In den Rechnungen wird jeweils Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger § 19 Abs. 1a UStG angeführt. Als Zahlungsziel wird prompte Zahlung nach Rechnungserhalt begehrt. Ein IBAN einer Kontoverbindung bei der ***Bank2*** findet sich auf den Rechnungen.

Dies würde auf die Ausführung von Bauleistungen durch das Unternehmen hinweisen, wodurch es verpflichtet gewesen wäre, monatlich Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt einzureichen.

Es langten auch Geldwäscheverdachtsmeldungen durch das Bundeskriminalamt zum betrieblichen Konto bei der ***Bank1*** und der ***Bank2*** ein. Im Analysebericht vom ***Datum*** ist ersichtlich, dass auf das Firmenkonto bei der ***Bank2*** Einzahlungen in Höhe von rd. EUR 3,9 Mio in einem halben Jahr vorgenommen wurden, welche jeweils zeitnah wieder bar behoben wurden. Über die ***Bank1*** wurde lt. Analysebericht vom ***Datum*** innerhalb eines halben Monats Einzahlungen in Höhe von rd. EUR 170.000 erhalten, welche auch jeweils zeitnah bar behoben wurden.

Über das Auskunftsverlangen erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 1 Bankwesengesetz (BWG) dürfen Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für Kreditinstitute tätige Personen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindungen mit Kunden oder auf Grund des § 75 Abs. 3 BWG anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis).Werden Organen von Behörden sowie der Österreichischen Nationalbank bei ihrer dienstlichen Tätigkeit Tatsachen bekannt, die dem Bankgeheimnis unterliegen, so haben sie das Bankgeheimnis als Amtsgeheimnis zu wahren, von dem sie nur in den Fällen des Abs. 2 entbunden werden dürfen. Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt zeitlich unbegrenzt.

Gemäß § 38 Abs. 2 Z 11 BWG idF BGBl I 2015/116 besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nichtgegenüber Abgabenbehörden des Bundes auf ein Auskunftsverlangen gemäß § 8 des Kontenregister- und Konteneinschaugesetzes.

§ 8 Kontenregister- und Konteneinschaugesetz (KontRegG, BGBl I 2015/116) lautet:

(1) Die Abgabenbehörde ist berechtigt, in einem Ermittlungsverfahren nach Maßgabe des § 165 der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, über Tatsachen einer Geschäftsverbindung, von Kreditinstituten Auskunft zu verlangen, wenn

1. begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen bestehen,

2. zu erwarten ist, dass die Auskunft geeignet ist, die Zweifel aufzuklären und

3. zu erwarten ist, dass der mit der Auskunftserteilung verbundene Eingriff in die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Kunden des Kreditinstitutes nicht außer Verhältnis zu dem Zweck der Ermittlungsmaßnahme steht.

(2) Auskunftsverlangen bedürfen der Schriftform und sind vom Leiter der Abgabenbehörde zu unterfertigen. Auskunftsersuchen und ihre Begründung sind im Abgabenakt zu dokumentieren.

(3) Im Verfahren zur Veranlagung der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer sind Auskunftsverlangen (Abs. 1) nicht zulässig, außer wenn - nach Ausräumung von Zweifeln durch einen Ergänzungsauftrag nach § 161 Abs. 1 BAO - die Abgabenbehörde Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung hat, ein Ermittlungsverfahren gemäß § 161 Abs. 2 BAO einleitet und der Abgabepflichtige vorher Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Die Würdigung der Stellungnahme ist aktenkundig zu machen. § 8 Abs. 1 gilt sinngemäß.

(4) Wenn der Abgabepflichtige nicht Inhaber des Kontos, sondern vertretungsbefugt, Treugeber oder wirtschaftlicher Eigentümer ist, darf ein schriftliches Auskunftsverlangen erst dann gestellt werden, wenn der Inhaber des Kontos vorher Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Die Würdigung der Stellungnahme ist aktenkundig zu machen. § 8 Abs. 1 gilt sinngemäß.

Gemäß § 9 Abs. 1 KontRegG entscheidet das Bundesfinanzgericht durch Einzelrichter mit Beschluss über die Bewilligung einer Konteneinschau.

Gemäß § 9 Abs. 3 KontRegG prüft das Bundesfinanzgericht auf Basis des vorgelegten Auskunftsverlangens das Vorliegender Voraussetzungen für eine Konteneinschau nach diesem Gesetz. Die Entscheidung ist tunlichst binnen 3 Tagen zu treffen.

Vorliegen formeller Voraussetzungen

1. Unterfertigtes Auskunftsverlangen

§ 8 Abs. 2 KontRegG bestimmt, dass Auskunftsverlangen vom Leiter der Abgabenbehörde zu unterfertigen sind. In § 9 Abs. 2 Z 2 KontRegG wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Abgabenbehörde das vom Leiter der Abgabenbehörde unterfertigte Auskunftsverlangen dem Bundesfinanzgericht elektronisch vorzulegen hat. Das gegenständliche Auskunftsersuchen wurde elektronisch am signiert vom Vorstand des Finanzamt Österreich der aktenführenden Abgabenbehörde dem BFG am vorgelegt.

2. Wahrung des Parteiengehörs

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 KontRegG hat die ersuchende Abgabenbehörde als Nachweis betreffend die Wahrung des Parteiengehörs zu den begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen eine Niederschrift über Anhörung des Abgabepflichtigen oder einen diesbezüglichen Schriftverkehr vorzulegen. Laut Aktenvermerk der ersuchenden Abgabenbehörde über die Wahrung des Parteiengehörs konnte im gegenständlichen Fall kein Kontakt zum Unternehmen bzw. zu dessen Geschäftsführer hergestellt werden.

Eine mittels RSb-Brief zugestellte Ankündigung der Prüfung der Umsatzsteuer für den Zeitraum Jänner 2022 bis Oktober 2022 und Aufforderung zur Vorlage der Buchhaltungsunterlagen inkl. Bankkonten kam mit dem Vermerk "Verzogen" ungeöffnet retour. Es konnte kein anderer Ort der Geschäftstätigkeit der XY-GmbH festgestellt werden.

An der im Firmenbuch eingetragenen Adresse der GmbH wohnt derzeit eine am Verfahren unbeteiligte Person, die keine Auskunft über die GmbH geben konnte. Der einen Tag vor Eröffnung der GmbH gegründete Hauptwohnsitz des Geschäftsführers Hrn. ***GF XY-GmbH*** wurde mit aufgelassen. Lt. ZMR ist er nach Ungarn verzogen. Es wurde von ihm unterlassen, dem Finanzamt eine neue Zustelladresse für Angelegenheiten die GmbH betreffend bekannt zu geben.

Vorliegen materieller Voraussetzungen

Vorliegen der Voraussetzungen für eine Konteneinschau

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG ist die Partei verpflichtet, während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, eine Änderung ihrer bisherigen Abgabestelle der Behörde unverzüglich mitzuteilen. § 104 BAO erweitert die Mitteilungspflicht für Abgabepflichtige über Änderungen der Abgabestelle darüber hinaus so lange, als von ihnen Abgaben wiederkehrend zu erheben sind. Wird dies unterlassen, hat gem. § 8 Abs. 2 ZustG eine Hinterlegung ohne Zustellversuch zu erfolgen, wenn die Behörde eine neue Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten feststellen kann. Laut Aktenvermerk der ersuchenden Behörde über die Wahrung des Parteiengehörs konnte aus der Aktenlage keine neue Abgabestelle ermittelt werden. Auch aktuelle Abfragen im Firmenbuch, ZMR und Hauptverband der Sozialversicherungsträger ergaben keinen Hinweis auf eine andere bzw. neue Abgabestelle. Es war daher nicht möglich eine Niederschrift mit dem Geschäftsführer der GmbH zur Wahrung des Parteiengehörs und Aufforderung zur Vorlage der Bankkonten der GmbH aufzunehmen.

a. begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen

Die Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der ***XY-GmbH*** beziehen sich im Wesentlichen auf Geldflüsse aus behaupteten Bauleistungen, zumal der Abgabenpflichtige weder über eine entsprechende Gewerbeberechtigung noch über bei der Sozialversicherung angemeldete Dienstnehmer verfügt und wurden keinerlei Umsätze gegenüber dem Finanzamt erklärt.

Aufgrund der bisherigen Nachforschungen (siehe Begründung ersuchende Abgabenbehörde) besteht der begründete Verdacht, dass Einnahmen erzielt wurden. Die Nichtabgabe der Steuererklärungen ist ein weiteres Indiz, dass die tatsächliche Höhe von Umsätzen nicht offengelegt wurde. Somit bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen, nämlich Nichterklärung von Einnahmen. Aufgrund der Geldflüsse die der Geldwäschemeldestelle bekannt wurden liegt der Verdacht auf ein Scheinunternehmen nahe.

b. Eignung der Auskunft die Zweifel aufzuklären

Es steht anhand der Geldflüsse fest, dass die GmbH entgegen ihren Angaben (Nichtabgabe der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen) Einnahmen erzielte und diese der Abgabenbehörde nicht offengelegt wurden.

Die Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen beziehen sich im Wesentlichen auf die Herkunft bzw. Verwendung von Geldmitteln. Derartige Zweifel können durch eine Konteneinschau beseitigt werden.

c. Eingriff in die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Kunden des Kreditinstitutes steht nicht außer Verhältnis zu dem Zweck der Ermittlungsmaßnahme

Der mit der Auskunftserteilung verbundene Eingriff in die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Abgabepflichtigen steht nicht außer Verhältnis zu dem Zweck der Ermittlungsmaßnahme, da im vorliegenden Fall durch keine anderen zweckmäßigeren Ermittlungsmaßnahmen die Geldflüsse und demnach die Abgabenpflicht des Kunden des Kreditinstitutes überprüft werden können.

Vor dem Hintergrund der obigen Sachverhaltsfeststellungen liegen im vorliegenden Fall die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Konteneinschau nach § 8 KontRegG vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:KE.5100002.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at