Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/16/0018.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 10/2021 bis 01/2022 zum Ordnungsbegriff ***OB*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass eine Rückzahlung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nur für Dezember 2021 zu erfolgen hat.
Die Höhe des Rückforderungsbetrages ist den Entscheidungsgründen (Punkt "II. 3.1. B. b) Rückforderung") zu entnehmen und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
A. Rückforderungsbescheid, Beschwerde
Am hat das belangte Finanzamt einen Rückforderungsbescheid erlassen, mit dem die Beschwerdeführerin aufgefordert wird, die Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag für die Monate Oktober 2021 bis Jänner 2022 zurückzuzahlen. Insgesamt beläuft sich der Rückforderungsbetrag auf EUR 799,60 (EUR 566,00 Familienbeihilfe und EUR 233,60 Kinderabsetzbetrag). Begründend wurde auf die Bestimmung des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 verwiesen, wonach jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind habe, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, habe dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt und keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Mit Schreiben vom wurde durch die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom eingebracht.
Begründend wurde - im Wesentlichen - ausgeführt, dass der gemeinsame Sohn der Beschwerdeführerin und des Kindesvaters seit Herbst 2021 zu 50% bei der Beschwerdeführerin und zu 50% beim Kindesvater leben würde. Es sei eine gemeinsame Obsorge und eine sogenannte "Doppelresidenz" festgelegt. Zudem habe der Vater eigenmächtig für den gemeinsamen Sohn bei sich den Hauptwohnsitz angemeldet.
Hinsichtlich Familienbeihilfe sei zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kindesvater vereinbart worden, dass die Familienbeihilfe 50:50 geteilt werde. Die Beschwerdeführerin habe allerdings mit der Überweisung der halben Familienbeihilfe erst im Jänner 2022 begonnen, da sie zuvor fast alleine die schulischen und anderen finanziellen Anschaffungen getätigt habe. Die Beschwerdeführerin sehe sich selbst weiterhin als Hauptbezugsperson ihres Sohnes und auch die emotionale Verantwortung für ihr Kind mehr bei ihr.
B. Ersuchen um Ergänzung, Beschwerdevorentscheidung
Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Beschwerdeführerin durch das belangte Finanzamt zur Übermittlung des Obsorgebeschlusses aufgefordert. Aus diesem Obsorgebeschluss müsse ersichtlich sein, bei wem der hauptsächliche Aufenthalt des Sohnes der Beschwerdeführerin festgelegt wurde.
Als Reaktion darauf wurde von der Beschwerdeführerin eine E-Mail der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Salzburg (datiert mit ) übermittelt, aus der hervorgeht, dass der Sohn der Beschwerdeführerin im Wechsel von Dienstag (Abend) bis Freitag (Früh) bzw. von Dienstag (Abend) bis Samstag (Abend) beim Kindesvater übernachtet. Eine genaue Ferienregelung habe nicht vereinbart werden können. Schließlich wurde seitens der Kinder- und Jugendhilfe dringend empfohlen, sämtliche Belange (u.a. Regelung der Besuchskontakte inkl. Ferienzeit, Unterhalt etc.) gerichtlich klären zu lassen.
Zusätzlich wurde eine Amtsbestätigung vom übermittelt, wonach mit der Obsorge des gemeinsamen Kindes sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Kindesvater betraut sind, wobei sich das minderjährige Kind hauptsächlich bei der Mutter aufhält.
Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Beschwerdeführerin durch das belangte Finanzamt zur Übermittlung einer aktuellen Bestätigung über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes aufgefordert. Die vorgelegte Amtsbestätigung habe mit dem aktuell gewählten Modell der Doppelresidenz nichts zu tun. Zusätzlich sei - im Falle einer Doppelresidenz - ein hauptsächlicher Aufenthalt festzulegen.
Im Rahmen der Beantwortung wurde seitens der Beschwerdeführerin - im Wesentlichen - ausgeführt, dass der Vater die Meldung des Hauptwohnsitzes für das gemeinsame Kind ohne Absprache mit ihr durchgeführt habe. Zudem wurden Rechnungen übermittelt, aus denen - so die Beschwerdeführerin - hervorgehen solle, dass sie die hauptsächliche Zuständigkeit für das gemeinsame Kind habe.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Wir haben Sie aufgefordert, uns Unterlagen zu senden. Da Sie das nicht getan haben, kommen Sie Ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach (§ 119 Bundesabgabenordnung). Eine Familienleistung kann daher nicht ausgezahlt werden.
Ihr Sohn ***Sohn*** hat seinen Hauptwohnsitz seit nicht mehr bei Ihnen, sondern bei seinem Vater. Die Familienbeihilfe für den Zeitraum 10/2021-01/2022 wurde Ihnen rückgefordert.
Im Zuge der aktuellen Bearbeitung haben Sie angegeben, das Doppelresidenzmodell für Ihren Sohn gewählt zu haben. Im Falle eines Doppelresidenzmodells muss der hauptsächliche Aufenthalt des Kindes gemäß § 180 Abs 2 letzter Satz ABGB durch ein Gericht festgelegt werden. Dies ist notwendig da die Betreuung zu 50 % durch die Mutter und zu 50 % durch den Vater erfolgt.
Die Beschwerde wird abgewiesen, da eine solche Obsorgevereinbarung bis dato nicht vorgelegt wurde.
C. Vorlageantrag, Ersuchen um Ergänzung
Mit Eingabe vom wurde durch die Beschwerdeführerin ein Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom eingebracht.
Begründend wurde zunächst auf die im Rahmen der Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom übermittelten Rechnungen verwiesen und ausgeführt, dass durch diese Rechnungen die für den Sohn geleisteten Zahlungen ersichtlich seien. Zudem habe die Beschwerdeführerin, trotz der vereinbarten "Doppelresidenz", den Großteil der Kosten für ihren Sohn zu tragen. Eine gerichtliche Obsorgevereinbarung könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorgelegt werden, da der Prozess beim zuständigen Gericht noch nicht abgeschlossen sei.
Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Beschwerdeführerin um Übermittlung von Aufzeichnungen gebeten, aus denen hervorgeht, an welchen Tagen der Sohn der Beschwerdeführerin im Zeitraum Oktober 2021 bis Jänner 2022 bei der Beschwerdeführerin übernachtet hat. Zusätzlich wurde um Übermittlung des Beschlusses betreffend Doppelresidenz gebeten.
In der Beantwortung wurde - im Wesentlichen - erneut darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin überwiegend die Kosten für ihren Sohn trägt. Zudem gebe es keine schriftliche Dokumentation der Übernachtungen ihres Sohnes, da dieser im Wechsel 3 Tage/3 Übernachtungen (Übernachtung von Samstag bis Dienstag) bzw. 4 Tage/4 Übernachtungen (Übernachtung von Freitag bis Dienstag) bei ihr verbringe. Die im Rahmen der Beantwortung übermittelten Dokumente hinsichtlich der gerichtlichen Vereinbarungen sind unleserlich.
Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Beschwerdeführerin um Übermittlung von leserlichen Versionen der Vergleichsausfertigung sowie des Protokolls des Bezirksgerichtes Salzburg gebeten.
Diese Dokumente wurden durch die Beschwerdeführerin übermittelt und es ergeben sich daraus die folgenden, wesentlichen Punkte:
Vergleichsausfertigung:
Die Obsorge verbleibt weiterhin zur Gänze gemeinsam bei der Beschwerdeführerin und dem Kindesvater.
Die faktische Betreuung des Kindes erfolgt durch beide Eltern im gleichen Ausmaß (Doppelresidenz). Die hauptsächliche Betreuung im Sinne der primären Wahrnehmung jener Aufgaben, deren Grundlage ein bestimmter Aufenthaltsort des Minderjährigen ist, also beispielsweise die Bestimmung eines Hauptwohnsitzes, Familienbeihilfe oder Wohnbeihilfe, jedoch nicht die alleinige Bestimmung des Wohnortes des Minderjährigen im In- und Ausland iSd § 162 Abs. 2 ABGB, kommt dem Vater zu.
In den Sommerferien verbringt der Minderjährige abwechselnd eine Woche bei der Beschwerdeführerin und eine beim Vater.
Während der übrigen Ferien und der Schulzeit verbringt der Minderjährige eine Woche von Dienstag bis Freitag bei seinem Vater (die restliche Zeit bei der Beschwerdeführerin) und eine Woche von Dienstag bis Samstag bei seinem Vater (die restliche Zeit bei der Beschwerdeführerin).
Aus dem Protokoll ergibt sich im Wesentlichen nur, dass die Kommunikationsbasis der Beschwerdeführerin und des Kindesvaters verbesserungsfähig ist und diesen die Absolvierung einer Elternberatung aufgetragen wird.
D. Auskunftsersuchen Kindesvater
Mit Auskunftsersuchen vom wurde der Kindesvater durch das belangte Finanzamt ersucht, Aufzeichnungen vorzulegen, aus denen hervorgeht, wann der gemeinsame Sohn der Beschwerdeführerin und des Kindesvaters im Zeitraum Oktober 2021 bis Jänner 2022 beim Kindesvater genächtigt hat.
Mit Eingabe vom wurde durch den Kindesvater - neben diversen, für dieses Verfahren nicht relevanten Gerichtsdokumenten - eine Aufzählung jener Tage, an denen der gemeinsame Sohn bei ihm übernachtet hat:
Info zu den Tagen, an denen mein Sohn ***Sohn*** bei mir war: Von Dienstag bis Freitag UND Von Dienstag bis Samstag Von Dienstag bis Freitag UND Von Dienstag bis Samstag Von Dienstag bis Freitag UND Von Dienstag bis Samstag Von Dienstag bis Freitag UND Von Dienstag bis Samstag Von Dienstag bis Freitag UND Von Dienstag bis Samstag Von Dienstag bis Freitag UND Von Dienstag bis Samstag Von Dienstag bis Freitag UND Von Dienstag bis Samstag Von Dienstag bis Freitag UND Von Dienstag bis Samstag Von Dienstag bis Freitag UND Von Dienstag bis Samstag
E. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht
Mit Vorhalt vom wurde der Beschwerdeführerin eine vom erkennenden Richter auf Basis der obigen Auskünfte des Kindesvaters erstellte Aufstellung der Übernachtungen des Sohnes übermittelt und um entsprechende Stellungnahme gebeten.
Im Rahmen der Rückmeldung vom wurde durch die Beschwerdeführerin allerdings erneut betont, dass sie keine Aufzeichnungen führe, da die Tage, an denen ihr Sohn bei ihr übernachte, für sie nicht so schwer zu merken seien. Zudem sei sie auch sonst immer verfügbar, wenn ihr Sohn sie brauche. Zudem wurde erneut darauf verwiesen, dass sie nachweislich die überwiegenden Ausgaben für ihren Sohn tätige. Sie wäre mit einer Aufteilung der Familienbeihilfe zwischen ihr und dem Kindesvater einverstanden.
Im Rahmen einer erneuten Rückmeldung vom wurde durch die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sie der auf Basis der Aufzeichnungen des Kindesvaters erstellten Aufstellung zustimmt.
Mit Vorhalt vom wurde dem belangten Finanzamt die Aufstellung der Übernachtungen des Sohnes übermittelt und um Stellungnahme gebeten. Im Rahmen der Rückmeldung wurde mitgeteilt, dass der Aufstellung zugestimmt wird.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum (Oktober 2021 bis Jänner 2022) die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für ihren minderjährigen Sohn, ***Sohn*** (geboren am ***Datum***). Die Obsorge für ihren minderjährigen Sohn ist zur Gänze gemeinsam bei der Mutter (d.h. der Beschwerdeführerin) und dem Kindesvater (sog. "gemeinsame Obsorge"). Die faktische Betreuung des gemeinsamen Sohnes erfolgt durch beide Elternteile zeitlich im gleichen Ausmaß (sog. "Doppelresidenz"), wobei die hauptsächliche Betreuung im Sinne der primären Wahrnehmung jener Aufgaben, deren Grundlage ein bestimmter Aufenthaltsort des Minderjährigen ist, also beispielsweise die Bestimmung eines Hauptwohnsitzes, Familienbeihilfe oder Wohnbeihilfe, nicht jedoch die alleinige Bestimmung des Wohnortes des Minderjährigen im In- und Ausland iSd § 162 Abs. 2 ABGB, dem Kindesvater zukommt.
Unterhaltszahlungen werden - aufgrund der vereinbarten Doppelresidenz - weder von der Kindesmutter noch vom Kindesvater geleistet.
Der gemeinsame Sohn der Beschwerdeführerin und des Kindesvaters übernachtet im Wechsel 3 Nächte/Woche bzw. 4 Nächte/Woche bei seiner Mutter bzw. seinem Vater. Im streitgegenständlichen Zeitraum waren die Übernachtungen wie folgt aufgeteilt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Monat | Anzahl der Übernachtungen bei der Kindesmutter | Anzahl der Übernachtungen beim Kindesvater |
Oktober 2021 | 17 | 14 |
November 2021 | 15 | 15 |
Dezember 2021 | 14 | 17 |
Jänner 2022 | 17 | 14 |
Die überwiegenden Unterhaltskosten für das anspruchsvermittelnde Kind hat im November 2021 die Beschwerdeführerin getragen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem elektronisch vorgelegten Akteninhalt und ist zwischen den Parteien unstrittig. Insbesondere hinsichtlich der Übernachtungen wurde von der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Aufzeichnungen des Kindesvaters (siehe oben, Punkt "I. D.") den Tatsachen entsprechen. Auch vom Finanzamt wird die Richtigkeit dieser Aufzeichnungen nicht bestritten. Zur überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten im November 2021 siehe unten.
Das Beweisverfahren wird beherrscht vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO). Dieser Grundsatz legt fest, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln (keine gesetzliche Randordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 167, Rz 8 mwN).
Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin im November 2021 die überwiegenden Unterhaltskosten getragen hat, ergibt sich aus dem glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführerin sowie dem übermittelten Konvolut an Rechnungen. Daraus ergibt sich, dass die Kindesmutter - unter anderem - den Schulfotografen, einen Laptop für (auch) die Nutzung im Unterricht (***Sohn*** besucht eine HTL), das Schulgeld sowie das Jahresticket für den öffentlichen Verkehr in Salzburg für ihren Sohn bezahlt hat. Während in realitätsnaher Betrachtung davon auszugehen ist, dass die im Zusammenhang mit der Übernachtung/Verköstigung getragenen Kosten des gemeinsamen Sohnes bei beiden Elternteilen vergleichbar sind, steht auf Basis der übermittelten Unterlagen für den erkennenden Richter fest, dass die Kindesmutter (d.h. die Beschwerdeführerin) den überwiegenden Teil der ansonsten anfallenden Kosten und somit die überwiegenden Kosten des Unterhalts getragen hat.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
A. Rechtliche Grundlagen
Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in § 2 Abs. 1 FLAG 1967 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört zum Haushalt einer Person ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt - unter anderem - nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält oder das Kind zum Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt.
Wenn die Eltern einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört, gilt das Kind bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig.
Gemäß § 2a Abs. 1 FLAG 1967 geht - wenn ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört - der Anspruch eines Elternteils, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteils vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt.
Gemäß § 7 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe für ein Kind nur einer Person gewährt. Nach § 10 Abs. 4 FLAG 1967 gebührt Familienbeihilfe für einen Monat nur einmal.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des FLAG 1967 anzuwenden.
B. Erwägungen
a) Prüfung des Anspruches
Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes geboten, bei Vereinbarung der gemeinsamen Obsorge und Betreuung des Kindes zu gleichen Teilen auch einen sogenannten "Hauptaufenthalt" festzulegen. Diese Festlegung eines Hauptaufenthalts soll (lediglich) als nomineller Anknüpfungspunkt für andere Rechtsfolgen dienen, deren Grundlage ein bestimmter Aufenthaltsort ist, "wie für die Bestimmung des Hauptwohnsitzes des Kindes im Sinn des Melderechts oder die Geltendmachung von Familien- und Wohnbeihilfe". Dieser Hauptaufenthalt befindet sich im gegenständlichen Fall beim Kindesvater.
Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Prüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe nach den Bestimmungen des FLAG 1967 zu erfolgen hat. Es ist nicht Sache der Zivilgerichte, zu entscheiden, welchem Elternteil die Familienbeihilfe bzw. der Kinderabsetzbetrag zusteht. Die Festlegung eines Hauptaufenthalts mag somit allenfalls eine Indizwirkung entfalten, bindend für den Anspruch auf Familienbeihilfe ist er keinesfalls (idS auch ).
Der Anspruch auf Familienbeihilfe knüpft primär an die Haushaltszugehörigkeit des Kindes an. Dabei geht das Gesetz erkennbar davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. Dies ergibt sich zum einen aus der Formulierung des obig angeführten § 7 FLAG 1967, wonach die Familienbeihilfe für ein Kind nur einer Person gewährt wird. Zum anderen sieht das FLAG 1967 unter dem Gesichtspunkt "Haushaltszugehörigkeit" keine Regelungen über eine Reihung von potenziell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit, vor.
Lediglich dann, wenn ein Kind dem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile angehört, kennt das FLAG einen "Konkurrenzfall", der in § 2a FLAG 1967 geregelt ist (; ; ). Ein solcher gemeinsamer Haushalt der Beschwerdeführerin und des Kindesvaters lag im beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht vor, die Bestimmung des § 2a FLAG gelangt daher nicht zur Anwendung.
Die Familienbeihilfe ist eine monatsbezogene Leistung. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches kann je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ; ).
Der für einen Monat nur einfach gebührende Beihilfenanspruch steht in Anwendung des Überwiegensprinzips demjenigen zu, der für den längeren Zeitraum den Haushalt geführt hat oder nach § 2a FLAG als Haushaltsführender vermutet wird (vgl. ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bei einem Kind, das von mehreren Personen jeweils in deren Haushalten betreut wurde, die Ansicht vertreten, dass die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, ganz wesentlich davon abhängt, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt, und zwar jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die üblicherweise mit diesen Nächtigungen im Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen (z.B. Sorgetragung für morgendliche und abendliche Körperpflege oder Begleitung zur Schule) erbringt" (vgl. ).
Wird ein Kind von mehreren Personen jeweils in deren Haushalten betreut, ist für die Frage des Überwiegens der Haushaltszugehörigkeit in typisierender Betrachtungsweise im Sinne des Erkenntnisses des darauf abzustellen, bei wem das Kind im jeweiligen Monat überwiegend genächtigt hat.
Auf Basis der obigen Ausführungen sowie des festgestellten Sachverhalts ergibt sich somit für die Monate Oktober 2021 und Jänner 2022, dass die Beschwerdeführerin die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag zu Recht bezogen hat. Dies daher, da das anspruchsvermittelnde Kind in diesen Monaten überwiegend bei der Beschwerdeführerin übernachtet hat. Der Beschwerde war daher insoweit stattzugeben und auszusprechen, dass die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für diese Monate nicht zu erfolgen hat.
Hinsichtlich Dezember 2021 ist auf die überwiegende Anzahl der Übernachtungen beim Kindesvater zu verweisen. Entsprechend besteht hier der Rückforderungsanspruch zu Recht und die Beschwerde war insoweit abzuweisen.
Im November 2021 hat das anspruchsvermittelnde Kind 15 Nächte bei der Beschwerdeführerin und 15 Nächte beim Kindesvater verbracht. In diesem Fall kann somit das Überwiegensprinzipg des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 nicht zur Anwendung gelangen. Vielmehr ist subsidiär auf die überwiegende Unterhaltskostentragung (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967) abzustellen. Diese liegt - gemäß dem als Folge der richterlichen Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt - bei der Kindesmutter. Somit war der Beschwerde auch betreffend November 2021stattzugeben und auszusprechen, dass eine Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für diesen Monat nicht zu erfolgen hat.
b) Rückforderung
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungspflicht normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (u.a. ). Auch ob die Beschwerdeführerin im guten Glauben war, ihr stehe Familienbeihilfe zu, ist im Rückforderungsverfahren nicht von Bedeutung.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu. Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe, sind auch die Kinderabsetzbeträge zurückzufordern.
Auf Basis der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden. Der Rückforderungsbetrag beträgt EUR 199,90 (Familienbeihilfe iHv EUR 141,50 und Kinderabsetzbetrag iHv EUR 58,40 für Dezember 2021).
c) Zukünftige Vorgehensweise
Wie bereits im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens mit der Kindesmutter besprochen, wird von Seite des erkennenden Richters dringend empfohlen, Aufzeichnungen betreffend die Übernachtungen des anspruchsvermittelnden Kindes zu führen. Zur Begründung wird auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen.
Darüber hinaus ist zu bedenken: Wechselt der Anspruch zwischen den beiden Elternteilen, besteht die Verpflichtung des Elternteils, der bisher die Familienbeihilfe bezogen hat, dies dem Finanzamt gemäß § 25 FLAG 1967 zu melden, und hat der andere Elternteil, will er die Familienbeihilfe beziehen, einen entsprechenden (neuen) Antrag beim Finanzamt einzureichen.
Wollen die Eltern diese sowohl für sie als auch für die Behörde bei einem monatlichen Wechsel aufwendige Vorgangsweise vermeiden, werden sie sich zweckmäßigerweise dahingehend verständigen, dass das anspruchsvermittelnde Kind über einen längeren Zeitraum jeweils nur bei einem Elternteil überwiegend haushaltszugehörig ist, also zumindest in der Regel 16 Tage im Monat bei einem Elternteil nächtigt.
Sofern die Eltern in Bezug auf die überwiegende Haushaltszugehörigkeit für die Zukunft kein Einvernehmen erzielen, wird diese im Nachhinein für jedes einzelne Monat vom Finanzamt (in Koordination mit dem für den anderen Elternteil zuständigen Finanzamt) zu prüfen sein. In diesem Fall wird es zur Vermeidung aufwendiger Rückforderungsverfahren zweckmäßig sein, Auszahlungen nur für im Auszahlungszeitpunkt vergangene Zeiträume (für die das Überwiegen der jeweiligen Haushaltszugehörigkeit feststeht) und nicht auch für künftige Zeiträume (für die ungewiss ist, bei wem das Kind überwiegend haushaltszugehörig sein wird) vorzunehmen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.
Belehrung und Hinweise
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100774.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at