Vorlage der Beschwerde gegen den Sachbescheid trotz unerledigter Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Zankl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch hba - Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH, Karmeliterplatz 4, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzeuer und Körperschaftsteuer 2006-2010, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 werden aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Im Zuge einer abgabenrechtlichen Außenprüfung für die Jahre 2006 bis 2010 sowie einer Nachschau über den Zeitraum 2010 bis 2011 bei der Beschwerdeführerin (Bf) erließ die Abgabenbehörde die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 2006 bis 2010 sowie betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010, alle vom .
Am erhob die Bf gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 als auch gegen die entsprechenden Sachbescheide 2006 bis 2010 Rechtsmittel der Beschwerde (vormals: Berufung).
Mit den Beschwerdevorentscheidungen (vormals: Berufungsentscheidungen), jeweils vom , gab die Behörde der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 teilweise statt.
Die Bf stellte am den Antrag, die Beschwerden gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 2006 bis 2010 sowie betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 dem Bundesfinanzgericht (vormals: Unabhängigen Finanzsenat) zur Entscheidung vorzulegen. Gleichzeitig beantragte sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat.
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht die Bescheidbeschwerde vom ua gegen die Bescheide vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren 2006 bis 2010 bezüglich Umsatzsteuer und Körperschafsteuer sowie gegen die verfahrensgegenständlichen Bescheide vom 12.10,2012 betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 samt Akten vor.
Seitens der belangten Behörde wurde hinsichtlich der Bescheide vom betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 keine Beschwerdevorentscheidungen erlassen.
II. Sachverhalt
Die belangte Behörde hat über die Beschwerde betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 nicht mittels Beschwerdevorentscheidung abgesprochen, sondern lediglich Beschwerdevorentscheidungen über die Beschwerde betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 erlassen.
III. Beweiswürdigung
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den mit dem Vorlagebericht seitens der belangte Behörde vorgelegten Unterlagen und der Einsichtnahme in den elektronischen Steuerakt der Beschwerdeführerin.
IV. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 307 Bundesabgabenordnung (BAO) ist mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 97/2002)
Gemäß Abs 3 der Bestimmung tritt durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
Werden sowohl die Wiederaufnahmebescheide als auch die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheide mit Beschwerde bekämpft, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden. Wird das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmebescheid unerledigt gelassen und vorerst über die Beschwerde gegen den neuen Sachbescheid abgesprochen, ist die Entscheidung der Berufungsbehörde inhaltlich rechtswidrig ().
Bei Vorliegen einer Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide und gegen die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheide widerspricht es dem Gesetz, eine Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens unerledigt zu lassen und vorerst über die Beschwerde gegen die neuen Sachbescheide abzusprechen. Eine derartige Vorgangsweise würde die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Sachbescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten, was mit einem Rechtsbehelf gegen die Beschwerdeentscheidung geltend gemacht werden kann ().
Außer in den Fällen des § 278 hat gemäß § 279 Abs 1 BAO das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 279 Abs 2 BAO tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
Gemäß § 279 Abs 3 BAO sind im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
V. Erwägungen
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Verfahren und die Sachentscheidungen haben jeweils für sich Bescheidqualität und jeder dieser Bescheide ist für sich einer Beschwerde zugänglich und für sich rechtskräftig. Werden sowohl die Wiederaufnahmebescheide als auch die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheide mit Beschwerde bekämpft, so ist zunächst über die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide zu entscheiden.
Es widerspricht dem Gesetz, eine Beschwerde gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme unerledigt zu lassen und vorerst über die Beschwerde gegen die neuen Sachbescheide abzusprechen.
Wurde das Rechtsmittel gegen die Wiederaufnahmebescheide Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 (wie im gegenständlichen Fall) unerledigt gelassen und vorerst über die Bescheidbeschwerde gegen die neuen Sachbescheide abgesprochen, so ist die Entscheidung inhaltlich rechtswidrig (Ritz, BAO6, § 307 Rz 7 mwN, ).
Im Beschwerdefall kommt daher eine Entscheidung des Gerichtes über die Beschwerde gegen die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheide deshalb nicht in Betracht, weil die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 bisher nicht mit Beschwerdevorentscheidung erledigt wurde und keiner der Fälle des § 262 Abs. 2,3 oder 4 BAO vorliegt.
Die Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 waren daher gem. § 279 BAO als rechtswidrig aufzuheben.
Das Beschwerdeverfahren betreffend die Beschwerde gegen die Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 tritt daher wieder in die Lage vor den Beschwerdevorentscheidungen vom zurück und die belangte Behörde wird zuerst über die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren für die Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 abzusprechen haben, bevor neue Beschwerdevorentscheidungen für die Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 erlassen werden können.
Nach § 264 Abs. 7 BAO scheidet der Vorlageantrag durch Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung aus dem Rechtsbestand aus. Das BFG trifft somit keine Pflicht über die dem BFG vorliegenden Vorlageanträge nach Aufhebung der Beschwerdevorentscheidungen zu entscheiden.
Die Beschwerde betreffend Umsatzsteuer und Körperschafsteuer 2006 bis 2010 vom ist damit wieder unerledigt. Nach § 262 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde verpflichtend eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Die Abgabenbehörde wird daher im weiteren Verfahren zunächst mit Beschwerdevorentscheidung über die Wiederaufnahme der Verfahren bezüglich Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 abzusprechen haben und in weiterer Folge über die Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2006 bis 2010.
Gemäß § 274 Abs. 5 BAO iVm § 274 Abs. 3 BAO kann von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Vor dem Hintergrund der klaren Sach -und Rechtslage lässt eine mündliche Erörterung eine über die Aktenlage hinausgehende Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Deshalb konnte im derzeitigen Verfahrensstadium sowohl aus Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
VI. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet.
Gegenständlich liegt keine Rechtslage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil sich die Rechtslage einerseits aufgrund der dargestellten Normen eindeutig und klar ergibt und darüber hinaus durch die in der Entscheidung angeführte Judikatur des VwGH geklärt ist.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100195.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at