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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.11.2022, RV/7103231/2022

Anschaffung eines Dreiradrollers keine außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020 beantragte der Beschwerdeführer unter dem Titel "Unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel wie zum Beispiel Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel oder Kosten der Heilbehandlung wie ärztliche Kosten, Medikamente" die Berücksichtigung von 3.527,80 €.

Über Vorhalt gliederte der Beschwerdeführer den geltend gemachten Betrag wie folgt auf:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
5 Pkg Flockenwindeln
61,50 €
24 Pkg Netzhöschen
167,76 €
108 St. Sperti Hämosalbe
696,60 €
Zwischensumme
925,86 €
Elektroscooter (Behindertenfahrzeug)
2.599,00 €
Endsumme
3.524,86

Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer 2020 veranlagt, die beantragten Aufwendungen jedoch nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, bei einem Elektroscooter handle es sich um eine Anschaffung, die zu keinem verlorenen Aufwand führe, sondern um einen marktgängigen Artikel, der auch von nicht behinderten Menschen zur Fortbewegung verwendet werde. Die Kosten der pflegebedingten Aufwendungen seien bereits durch das Pflegegeld abgegolten.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung von erhöhten Sonderausgaben in Höhe von 1.613,34 € und außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 5.000,00 €, welche er wie folgt näher erläuterte:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Elektro-Behindertenfahrzeug
2.599,00 €
Sperti-Salbe
1.560,00 €
Einlagen/Netzhöschen
730,00 €
Stromkosten zur Aufladung der Batterie
111,00 €
Summe
5.000,00 €

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer ersucht, die Bescheide des Sozialministeriumservice betreffend seine Behinderung vorzulegen und bekannt zu geben, ob er für den Ankauf des ECONELO-Dreiradfahrzeuges einen Zuschuss erhalten habe.

In Entsprechung dieses Ersuchschreibens gab der Beschwerdeführer an, keine Zuschüsse für den Ankauf des Dreirades erhalten zu haben. Er werde sich nicht noch einmal untersuchen lassen, die Bestätigung des Arztes vom müsse genügen. Mit dieser attestierte Frau ***1***, Ärztin für Allgemeinmedizin, dass der Beschwerdeführer am aufgrund eines Rectumkarzinoms operiert worden sei und seither an einer Stuhlinkontinenz leide.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, der Beschwerdeführer habe keine Bestätigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vorgelegt, mit welcher der Grad der Behinderung und die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt worden sei. Die Anschaffung des ECONELO-Dreirades habe daher nicht als behinderungsbedingt angesehen und als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können. Die durch die Pflegebedürftigkeit verursachten Kosten (Salben, Windeln, Netzhöschen, etc.) seien durch das Pflegegeld abgegolten.

Mit einer neuerlich als Beschwerde bezeichneten Eingabe, die vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet wurde, wiederholte der Beschwerdeführer seine Anträge auf Berücksichtigung von Sonderausgaben in Höhe von 1.613,34 € und von außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 5.000,00 €.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte ergänzend zur Begründung der Beschwerdevorentscheidung aus, die durch die Pflegebedürftigkeit verursachten Aufwendungen in Höhe von 2.290,00 € seien nicht als Kosten der Heilbehandlung anzusehen, sie seien durch das Pflegegeld von 3.542,40 € abgegolten. Außerdem würden die vom Beschwerdeführer zum Nachweis der Aufwendungen vorgelegten Belege aus dem Jahr 2021 stammen und könnten daher schon aufgrund des Zu-/Abflussprinzips nicht bei der Veranlagung des Jahres 2020 anerkannt werden.

Der steuerliche Gesetzgeber sehe im § 3 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen einen pauschalen Freibetrag in Höhe von 190 Euro monatlich für Personen vor, die wegen einer Mobilitätseinschränkung ein auf sie zugelassenes Fahrzeug benötigen würden. Für die Zuerkennung dieses Freibetrages bedürfe es entweder der Feststellung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar sei oder der Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO durch das Sozialministeriumservice. Davon zu unterscheiden seien Fahrzeuge, die als Hilfsmittel im Sinne von § 4 der Verordnung gelten würden. Dies sei aber nur für Fortbewegungsmittel der Fall, die infolge ihrer Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert besäßen.

Der Beschwerdeführer habe trotz mehrfacher Aufforderung keinen vom Sozialministeriumservice erstellten Nachweis für eine bei ihm bestehende Gehbehinderung oder Mobilitätseinschränkung erbracht. Er habe auch nicht nachgewiesen, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für ihn unzumutbar sei. Die beantragten Aufwendungen für den Dreiradroller und die pauschalen Stromkosten könnten daher nicht als behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt anerkannt werden. Aus der vorgelegten ärztlichen Bestätigung gehe nicht hervor, inwiefern die Stuhlinkontinenz zu einer Mobilitätseinschränkung führe, für welche ein Fortbewegungsmittel als Hilfsmittel benötigt werde.

Der verfahrensgegenständliche Dreiradroller werde auf der Homepage des Herstellers unabhängig von einer Behinderung beworben. Aufgrund der Größe des Dreiradrollers sei ein Vergleich mit elektrischen Rollstühlen nicht möglich, weshalb nach der Aktenlage weder von einem eingeschränkten Verkehrswert noch von einer eingeschränkten Verkehrsfähigkeit auszugehen sei.

Zu den geltend gemachten Topfsonderausgaben merkte die belangte Behörde an, dass diese in der nachgewiesenen Höhe von 1.613,34 € anzuerkennen seien.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer musste sich im Jahr 2012 einer Krebsoperation unterziehen und leidet seither an Stuhlinkontinenz. Er bezog im Streitjahr 2020 Pflegegeld in Höhe von 3.542,40 €. Einen Bescheid über einen vom Sozialministeriumservice festgestellten Grad der Behinderung legte der Beschwerdeführer nicht vor.

Als außergewöhnliche Belastung machte er in seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung pflegebedingte Aufwendungen für Salben, Windeln und Netzhöschen in Höhe von 925,86 € geltend. In der Beschwerde erhöhte sich der aus diesem Grund geltend gemachte Betrag auf 2.290,00 €. Die zum Nachweis eines Betrages von 239,13 € beigebrachten Rechnungen stammen allesamt aus dem Jahr 2021.

Der Beschwerdeführer erwarb am ein ECONELO Dreirad mit Lithium Akku und einer 3 Stufen - Schaltung um 2.599,00 €. Für dieses Fahrzeug, das eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreicht, wurde auch keine Ersatzleistung durch einen Sozialversicherungsträger übernommen.

Der Beschwerdeführer tätigte im Streitjahr Ausgaben für Wohnraumschaffung in Höhe von 1.613,34 €.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sowie folgender Beweiswürdigung:

Auf der Homepage des Herstellers des ECONELO Dreiradrollers werden die Fahrzeuge folgendermaßen beworben:

"Elektrische Dreiradmobile von ECONELO für Jung und Alt

Hauptsächlich werden die umweltfreundlichen Elektromobile auf drei Rädern aus der Produktion von ECONELO von Senioren oder gehbehinderten Menschen genutzt. Aber das elektrische Fahren auf drei Rädern nur mit Mofaprüfbescheinigung gewinnt auch bei jungen Leuten immer mehr Anhänger. Deutlich günstiger im Verbrauch als die knatternden Mofas mit Verbrennungsmotor, leiser sowieso und klimaneutral, das sind die Argumente, die nicht nur Ältere, sondern mehr und mehr auch junge Menschen von unseren Dreiradmobilen überzeugen."

Daraus ist ersichtlich, dass der ECONELO Dreiradroller für viele ein brauchbares Fortbewegungsmittel darstellt und in keiner Weise an die spezielle Erkrankung des Beschwerdeführers angepasst ist.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

§ 34 EStG 1988 normiert unter der Überschrift "Außergewöhnliche Belastung" - soweit im gegenständlichen Fall von Bedeutung - Folgendes:

"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) …

(5) …

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

- …
- …
- …
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

(7) …

(8) …"

§ 35 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"(1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3),

- ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3), wenn dieser Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt,

- durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(3) Es wird jährlich gewährt

bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von

ein Freibetrag von Euro

25% bis 34% ...................................124

35% bis 44% ....................................164

45% bis 54% ...................................401

55% bis 64% ...................................486

65% bis 74% ...................................599

75% bis 84% ...................................718

85% bis 94% ...................................837

ab 95% .........................................1198.

......"

In der zu den §§ 34 und 35 EStG 1988 ergangenen Verordnung des BMF BGBl 1996/303 ist in § 1 Abs. 1 folgendes normiert:

"Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung .........,.. so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen."

Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung sind die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 der Verordnung nicht um den Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

In den §§ 2 und 3 der Verordnung sind Pauschalbeträge normiert, mit denen (ohne weiteren Nachweis) Mehraufwendungen infolge einer Krankendiätverpflegung (im Ausmaß von 42,00 € bis 70,00 € monatlich) und einer Gehbehinderung (Abgeltung von Behindertenvorrichtungen im eigenen Kfz oder von Taxifahrten mit 153,00 € monatlich) als abgegolten gelten.

§ 4 der Verordnung legt fest, dass nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B Rollstuhl, Hörgeräte, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind.

Für gewisse Aufwendungen erlaubt § 34 Abs. 6 EStG 1988 einen Abzug auch ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes. Dazu gehören u.a. Mehraufwendungen im Zusammenhang mit einer Behinderung des Abgabepflichtigen, soweit diese damit in Zusammenhang stehende, pflegebedingt erhaltene Geldleistungen (zB ein Pflegegeld) übersteigen (§ 34 Abs. 6 Teilstrich 5 EStG1988). Durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen kann festgelegt werden, unter welchen Umständen solche Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung zudem ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf das Pflegegeld zu berücksichtigen sind.

Die zu § 34 Abs. 6 EStG1988 ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl 303/1996 idF BGBl II 91/1998 idF BGBl II 416/2001, nennt in § 4 nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung als neben dem Pflegegeld voll abzugsfähig. Hat ein Abgabepflichtiger Aufwendungen durch seine eigene körperliche oder geistige Behinderung, für welche eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von mindestens 25% festgestellt wurde, sind derartige Kosten nach dieser Verordnung ohne Kürzung um Pflegegeldbezüge zu berücksichtigen, soweit die Ausgaben nachgewiesen werden.

Eine amtliche Bescheinigung über das Vorliegen einer Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 35 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 wurde vom Beschwerdeführer nicht vorgelegt und wurde auch nicht behauptet. Die beigebrachte ärtliche Bestätigung ist dafür nicht ausreichend. Da der eindeutige Wortlaut des Gesetzes ein solches Dokument zur Bestimmung des Grades der Behinderung voraussetzt, kann eine Behinderung von mindestens 25% nach § 1 Abs. 2 der Verordnung nicht festgestellt werden. Eine Prüfung, ob nach § 1 Abs. 3 der Verordnung Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 Verordnung ohne Abzug von pflegebedingten Geldleistungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, kann daher entfallen.

Darüber hinaus ist anzumerken, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 nur vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen sind, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen die Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb entsprechend der Gegenwerttheorie nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden (vgl. , vgl. auch Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, 54. Lfg [März 2013], § 34 Abs. 1 EStG 1988 Tz 6, und die dort zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs). Mit dem im § 34 EStG 1988 verwendeten Tatbestandsmerkmal "Belastung" ist der Gegenwertgedanke auch legistisch verankert.

Als Belastungen sind daher nach ständiger Rechtsprechung nur solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verbunden sind (vgl. Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg.], Kommentar zum EStG20 Rz 19/1 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

Die Gegenwerttheorie kommt dann nicht zum Tragen, wenn ein neu geschaffenes Wirtschaftsgut nur eine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit hat. Unter diese Ausnahme fallen Wirtschaftsgüter, die nur für den eigenen persönlichen Gebrauch angeschafft werden (zB Prothesen, Seh- oder Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifischen Beschaffenheit nur für Behinderte (wie z.B. Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (vgl. ; , zur Anschaffung eines Elektromobils als Fortbewegungsmittel bei Gehbehinderung; sowie Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg], Kommentar zum EStG20, Rz 19/2)

Der BFH verneint eine außergewöhnliche Belastung, wenn die Mehraufwendungen auch für andere Personen von Wert sein können und damit eine gewisse Marktfähigkeit besitzen (BFH , III B 103/06, NV 2007, 891). So sind Mehrkosten für die Anschaffung eines größeren Grundstücks zum Bau eines behindertengerechten Bungalows beispielsweise nicht als außergewöhnliche Belastung iSd § 33 dEStG zu berücksichtigen (BFH , VI R 42/13, BStBl II 2014, 931).

Das Bundesfinanzgericht stellt zwar nicht in Abrede, dass der streitgegenständliche Dreiradroller dem Beschwerdeführer eine größere Mobilität ermöglicht. Die Anschaffung dieses Fahrzeuges ändert aber nichts daran, dass dem Aufwand ein Gegenwert gegenübersteht.

Bei dem streitgegenständlichen Dreiradroller handelt es sich - nach der wiedergegebenen Beschreibung auf der Homepage des Herstellers - um einen handelsüblichen Gebrauchsgegenstand, der für jedermann nutzbar ist, und nicht nur für den Beschwerdeführer - im Hinblick auf seine Stuhlinkontinenz - verwendbar ist. Normale Gebrauchsgegenstände, die für jedermann nutzbar sind, stellen keine "Hilfsmittel" im Sinne des § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idgF, dar (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 35, Rz 67, Stand , rdb.at, mwN).

Das Fahrzeug weist auch keine behindertenspezifischen Adaptierungen bzw. Zusatzfunktionen auf, was vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet wurde. Es handelt sich um einen marktgängigen Gebrauchsgegenstand, der von jedermann in einem gut sortierten Fachgeschäft erworben werden kann.

Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Dreiradroller um kein speziell für die Behinderung adaptiertes Fahrzeug handelt, konnten die Kosten dafür auch unter Außerachtlassung der Tatsache, dass der Beschwerdeführer keinen Nachweis betreffend eine zumindest 25%ige, amtlich festgestellte Behinderung beigebracht hat, nicht als außergewöhnliche Belastung in Abzug gebracht werden.

Betreffend die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen für Windeln, Netzhöschen und Sperti Hämosalbe wird auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen. Diese Aufwendungen sind durch das Pflegegeld abgedeckt. Der Beschwerdeführer hat sich in seinem Vorlageantrag nicht mit den Feststellungen der belangten Behörde auseinandergesetzt. Außerdem stammen die zum teilweisen Nachweis vorgelegten Belege aus dem Jahr 2021. Nach dem im Bereich der außergewöhnlichen Belastung geltenden Zu- und Abflussprinzip können die Aufwendungen nur jenem Kalenderjahr angesetzt werden, in welchem sie verausgabt worden sind.

Hinsichtlich des als Sonderausgaben geltend gemachten Betrages in Höhe von 1.613,34 € schließt sich das Bundesfinanzgericht der von der belangten Behörde im Vorlagebericht vertretenen Ansicht an, dass der geltend gemachte Betrag in der nachgewiesenen Höhe als Sonderausgabe in Ansatz zu bringen ist. Der Beschwerde war daher in diesem Punkt stattzugeben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da über die zu beurteilende Rechtsfrage, ob die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Dreiradrollers als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können, im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entschieden wurde, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt (Einkommensteuer 2020)

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

BFH , III B 103/06
BFH , VI R 42/13
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103231.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at