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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.09.2022, RV/3101041/2015

Anwendung des § 79 Abs 1 KFG 1967 und nicht des § 82 Abs 8 KFG 1967 bei einem festgestellten Mittelpunkt der Lebensinteressen in Italien (keine Festsetzung von Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Günter Narat über die Beschwerde vom des Beschwerdeführers ***Bf1***, Bf Adr, Steuernummer: ***BF1StNr1*** (vormals: ***BF1StNr2***), vertreten durch die mit Zustellvollmacht ausgewiesene Marsoner und Partner GmbH, Andreas-Hofer-Straße 43, 6020 Innsbruck, gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe 2/2010 sowie Kraftfahrzeugsteuer 1-12/2010, 1-12/2011 und 1-9/2012 zu Recht:

I)
Der Beschwerde wird gem. § 279 BAO Folge gegeben. Die Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt Innsbruck legte die Beschwerde vom am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Von der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie vorerst der Gerichtsabteilung 4012 zur Erledigung zugewiesen.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde sie mit Wirksamkeit der Gerichtsabteilung 6022 übertragen.

Verfahrensgang

Nach einem von der Finanzpolizei durchgeführten Ermittlungsverfahren wurden vom Finanzamt am die Bescheide betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe 2/2010 sowie Kraftfahrzeugsteuer 1-12/2010, 1-12/2011 und 1-9/2012 erlassen. Als Begründung wurde angeführt, dass das Fahrzeug mit der Fahrgestellnummer XY mit in das Bundesgebiet eingebracht und seit 02/2010 widerrechtlich im Inland verwendet worden sei. Das Fahrzeug sei bis zur Erbringung des Gegenbeweises als Fahrzeug mit dauerndem Standort im Inland anzusehen.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) Beschwerde gegen die angeführten Bescheide. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des BF habe für den gesamten betroffenen Zeitraum in Italien bestanden. Die Aufenthalte des BF in Österreich seien ausschließlich berufsbedingt gewesen. Aufgrund des Ausbildungsverhältnisses des BF waren und seien seine Aufenthalte zeitlich beschränkt gewesen. Zudem sei jedenfalls einmal pro Monat, in der Regel sogar wöchentlich eine Wiederausfuhr des betroffenen Kraftfahrzeuges erfolgt, da normalerweise einmal pro Woche Heimfahrten zum Familienwohnsitz durchgeführt worden seien.

Am wurde vom BF eine Säumnisbeschwerde hinsichtlich der gegenständlichen Beschwerde beim Bundesfinanzgericht eingebracht. Mit Schreiben vom wurde die Säumnisbeschwerde an das Finanzamt zur Kenntnis übermittelt und dieses aufgefordert, binnen einer Frist von 3 Monaten eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Als Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass der BF von März 2006 bis Februar 2009 Physiotherapie an der U in H in Tirol studiert habe. Von bis sei er beim FC als Physiotherapeut angestellt gewesen. Er sei dort vollbeschäftigt gewesen und habe meist von Sonntag nachmittags bis Dienstag früh frei gehabt. An diesem "Wochenende" sei er meistens nach Italien zum Wohnsitz seiner Eltern in BF Adr I gefahren. Bereits seit habe er in der BF Adr Ö gewohnt, jedoch bis ohne ZMR-Meldung. Diese ca. 35 m² große Wohnung sei ihm von seinem Arbeitgeber, dem FC, als Sachbezug zur Verfügung gestellt worden. Das gegenständliche Fahrzeug sei spätestens am ins Inland eingebracht und vom BF im beschwerdegegenständlichen Zeitraum überwiegend (ca. 95 %) verwendet worden. Es sei ihm von seinem Vater bzw. dessen Unternehmen, der "FS" mit Sitz in M, welches Zulassungsbesitzer sei, zur Nutzung überlassen worden. Aufgrund dieser Feststellungen sei davon auszugehen, dass der BF während des hier relevanten Zeitraumes seinen Hauptwohnsitz im steuerlichen Sinne (Mittelpunkt der Lebensinteressen) im Inland gehabt habe.

Mit Schreiben vom brachte der BF einen Vorlageantrag beim Finanzamt ein. Ergänzend vorgebracht wurde, dass der BF im betroffenen Zeitraum seine Freizeit am Familienwohnsitz in Südtirol verbracht habe und in der Regel wöchentlich, mindestens jedoch einmal monatlich, nach Südtirol gefahren sei. Die Freundin des BF habe ihren Familienwohnsitz in Südtirol gehabt und der BF habe seine Freizeit dort in der Regel gemeinsam mit ihr verbracht. Er hatte die Intention in den relevanten Jahren in Südtirol ein eigenes Physiotherapiestudio zu eröffnen und habe sich vor Ort auch mit der korrespondierenden Planung beschäftigt.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Am wurde vom Bundesfinanzgericht ein Ergänzungsersuchen an den BF gerichtet, mit dem Ersuchen unter Anschluss zweckdienlicher Belege bekannt zu geben, ob das gegenständliche Fahrzeug im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Februar 2010 bis August 2012 zumindest monatlich ins Ausland verbracht worden sei bzw. ab welchem Zeitpunkt sich das Fahrzeug länger als einen Monat ununterbrochen im Inland befunden habe.

Mit Schreiben vom wurde vom BF eine entsprechende Stellungnahme an das Bundesfinanzgericht übermittelt. Es sei darauf hinzuweisen, dass der verfahrensgegenständliche Zeitraum mittlerweile bis zu 9 Jahre zurückliege und keine entsprechenden Belege mehr vorliegen würden. Als mögliche Zeugen für den Umstand, dass das Fahrzeug jedenfalls monatlich ins Ausland verbracht und somit auch nicht länger als einen Monat ununterbrochen im Inland genutzt worden sei, würden EK (Vater), EP (Mutter), EA (Bruder), EM (Bruder), EJ (Bruder), RL (Oma), TP (Freund) und AK (Freund) in Betracht kommen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Der BF studierte von März 2006 bis Februar 2009 Physiotherapie an der U in H in Tirol. Im Beschwerdezeitraum 2010 bis 2012 war er beim FC als Physiotherapeut beschäftigt.

Der BF verfügte in Italien in BF Adr I über einen Wohnsitz bei seinen Eltern. In Österreich war er im für die Beschwerde maßgeblichen Zeitraum von bis an der Adresse BF Adr Ö und ab an der Adresse BF Adr2 Ö mit Nebenwohnsitz gemeldet. Die Wohnung an der Adresse BF Adr Ö wurde dem BF bereits ab Jänner 2010 von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, die Anmeldung als Nebenwohnsitz erfolgte mit .

Das Fahrzeug VW Golf 4 mit der Fahrgestellnummer XY mit dem italienischen Kennzeichen B1 wurde dem BF von seinem Vater EK zur Nutzung überlassen. Zugelassen war das Fahrzeug auf die "FS" mit Sitz in M.

Der BF verwendete das Fahrzeug VW Golf 4 mit dem italienischen Kennzeichen B1 seit März 2006 in Österreich.

Der Mittelpunkt der persönlichen Interessen des BF im Beschwerdezeitraum von Jänner 2010 bis September 2012 befand sich in Italien.

Der BF verbrachte das Fahrzeug VW Golf 4 mit dem italienischen Kennzeichen B1 im Beschwerdezeitraum von Jänner 2010 bis September 2012 regelmäßig mehrmals monatlich nach Italien.

Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit des BF, der polizeilichen Meldungen bzw. den genutzten Wohnsitzen in Italien und Österreich ergeben sich aus den vom Finanzamt und vom BF übermittelten Unterlagen bzw. aus den glaubwürdigen Angaben des BF in der Niederschrift vom und in den eingebrachten Schriftsätzen.

Dass dem BF der streitgegenständliche PKW VW Golf 4 mit der Fahrgestellnummer XY mit dem italienischen Kennzeichen B1 von seinem Vater bzw. dessen Unternehmen zur Nutzung überlassen wurde und er diesen bereits seit März 2006 mit dem Beginn seines Physiotherapiestudiums in H in Tirol in Österreich verwendet hat, ergibt sich ebenfalls schlüssig aus den vom BF gemachten Angaben in der Niederschrift vom .

Hinsichtlich der getroffenen Feststellung, dass der Mittelpunkt der persönlichen Interessen des BF im beschwerdegegenständlichen Zeitraum in Italien lag, ist festzuhalten, dass der BF im Rahmen der von der Finanzpolizei aufgenommenen Niederschrift vom auf die Frage nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen geantwortet hat, dass sein Hauptwohnsitz in Italien sei und der Nebenwohnsitz in Österreich. Sein Freundeskreis befinde sich eher in Südtirol und die Anknüpfungspunkte in Österreich seien eher berufsbedingt. Die Frage, ob ihm die Begriffe Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer etwas sagen würden, wurde vom BF verneint.

Gerade aufgrund dieser vom BF getroffenen Aussagen lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass der Mittelpunkt seiner persönlichen Interessen im Beschwerdezeitraum in Italien gelegen war. Aus der angeführten Niederschrift geht für das Bundesfinanzgericht hervor, dass der BF die Angaben ohne etwaige Hintergedanken an damit verbundene steuerliche Konsequenzen gemacht hat und sind diese für das Bundesfinanzgericht damit umso glaubhafter.

Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Interessen des BF hat sich im maßgeblichen Zeitraum aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit für den FC zweifelsohne in Österreich befunden. Aufgrund der von der belangten Behörde unwidersprochenen Aussage des BF, dass er an den arbeitsfreien Tagen (meist von Sonntag bis Dienstag) nach Italien zu seinen Eltern gefahren sei und sich dort auch sein Freundeskreis befinde, ist es naheliegend, dass gerade in den ersten Jahren seiner beruflichen Tätigkeit der Mittelpunkt der persönlichen Interessen des BF noch in Italien gelegen war, dies auch angesichts des Umstandes der relativ geringen Entfernung vom Arbeitsort in Innsbruck zum Hauptwohnsitz bei seinen Eltern in Südtirol.

Das Vorbringen der belangten Behörde im Vorlagebericht, wonach der Mittelpunkt der Lebensinteressen des BF im relevanten Zeitraum in Österreich gelegen sei, da er in Österreich vollzeitbeschäftigt gewesen sei und den weit überwiegenden Teil der Zeit auch hier gewohnt habe, ist zwar dahingehend zu bestätigen, dass der BF in diesem Zeitraum in Österreich vollzeitbeschäftigt war und aufgrund der beruflichen Tätigkeit auch den überwiegenden Teil der Zeit in Österreich gewohnt hat. Maßgebend ist für das Bundesfinanzgericht aber nicht der Umstand, wo der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Interessen des BF (berufliche Tätigkeit in Österreich) gelegen war, sondern die Tatsache, dass sich die Familie des BF und auch sein Freundeskreis in Italien befunden haben. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse hatte der BF im Beschwerdezeitraum das überwiegende Naheverhältnis zu seinem Wohnsitz in Italien.

Dass der BF das streitgegenständliche Fahrzeug im Beschwerdezeitraum regelmäßig mehrmals monatlich nach Italien zum Wohnsitz seiner Eltern verbracht hat, ergibt sich für das Bundesfinanzgericht aus den glaubhaften Angaben des BF in der Niederschrift vom . Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass auch die belangte Behörde von dieser Sachverhaltsfeststellung ausgeht, da sie diesen Sachverhalt ihrer Beschwerdevorentscheidung vom zu Grunde legt ("…Er war dort vollbeschäftigt und hatte meist von Sonntag nachmittags bis Dienstag früh frei. An diesem "Wochenende" fuhr er meistens nach Italien zum Wohnsitz seiner Eltern in BF Adr I.") und diesen auch im Vorlagebericht vom anführt.

Eine Einvernahme der vom BF im Schreiben vom angeführten Zeugen konnte aufgrund der getroffenen Feststellungen hinsichtlich der monatlichen Verbringungen des streitgegenständlichen Fahrzeuges nach Italien unterbleiben.

Vor diesem Hintergrund können die oben angeführten Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Zunächst ist festzuhalten, dass das Finanzamt Österreich gem. § 323b Abs 1 BAO an die Stelle des die angefochtenen Bescheide erlassenden Finanzamtes Innsbruck getreten ist.

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs 1 BAO).

Gem. § 1 Z 3 NoVAG 1991 unterliegt die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland der Normverbrauchsabgabe. Als erstmalige Zulassung gilt auch die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird der Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.

Gem. § 4 Z 3 NoVAG 1991 zufolge sind Abgabenschuldner im Falle der Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre (§ Z 3), der Zulassungsbesitzer und derjenige, der das Fahrzeug verwendet, als Gesamtschuldner (§ 6 Abs 1 BAO).

Der Tatbestand in § 1 Z 3 NoVAG 1991 verweist auf kraftfahrrechtliche Bestimmungen, weshalb für die Frage, wann ein Fahrzeug zuzulassen ist, der Norminhalt des Kraftfahrgesetzes maßgeblich ist.

Nach § 36 KFG dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen u.a. des § 82 leg. cit. über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie ua zum Verkehr zugelassen sind.

Nach § 37 Abs 2 KFG 1967 dürfen Kraftfahrzeuge und Anhänger ua nur zugelassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er der rechtmäßige Besitzer des Fahrzeuges ist oder das Fahrzeug auf Grund eines Abzahlungsgeschäftes im Namen des rechtmäßigen Besitzers innehat, wenn er seinen Hauptwohnsitz oder Sitz, bei Antragstellern ohne Sitz im Bundesgebiet eine Hauptniederlassung im Bundesgebiet hat oder bei Miete des Fahrzeuges aus einem anderen EU-Mitgliedstaat, jedenfalls der Mieter seinen Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet hat.

Gem. § 79 KFG 1967 ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, ist auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn näher genannte Vorschriften eingehalten werden.

§ 82 Abs 8 KFG 1967 in der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Fassung des zweiten Abgabenänderungsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 132/2002, lautet: "Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, sind bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass innerhalb dieses Monats die inländische Zulassung nicht vorgenommen werden konnte, darf das Fahrzeug ein weiteres Monat verwendet werden. Danach sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. (….)."

Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich, dass die Verwendung eines nicht im Inland zugelassenen Fahrzeuges dann der Normverbrauchsabgabe unterliegt, wenn es nach dem KFG 1967 zum Verkehr zuzulassen wäre. Dies betrifft vor allem die Verwendung von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen, wenn auf Grund kraftfahrrechtlicher Bestimmungen die Zulassung im Inland zu beantragen wäre, dies aber unterlassen wird. Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen ein Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen im Inland zuzulassen ist, richtet sich danach, ob es über einen dauernden Standort im Inland oder im Ausland verfügt (vgl. § 79 Abs 1 und § 82 Abs 8 KFG 1967). Bei der Bestimmung des dauernden Standortes (vgl. § 40 Abs 1 zweiter Satz KFG) kommt es darauf an, von wem das Fahrzeug im Inland verwendet wird. Wird das Fahrzeug beispielsweise durch eine natürliche Person ohne Hauptwohnsitz im Inland verwendet, so kommt § 79 Abs 1 KFG 1967 (mit seiner Jahresregel) zum Tragen. Wird das Fahrzeug hingegen durch eine natürliche Person mit Hauptwohnsitz im Inland verwendet, so ist dies nach § 82 Abs 8 KFG 1967 zu beurteilen (vgl. , ).

Wie bereits angeführt sind gem. § 4 Z 3 NoVAG 1991 Abgabenschuldner im Falle der Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, der Zulassungsbesitzer und derjenige, der das Fahrzeug verwendet, als Gesamtschuldner (§ 6 Abs 1 BAO). Für die Frage des Verwenders eines Kraftfahrzeuges kommt es nicht darauf an, ob der Person, welche ein Fahrzeug im Inland verwendet, der rechtmäßige Besitz an diesem Fahrzeug zukommt (vgl. ).

Verwender des streitgegenständlichen Fahrzeuges im Inland im Beschwerdezeitraum war nach den getroffenen Feststellungen zweifelsfrei der BF.

Die Beurteilung der Frage, ob der BF im Beschwerdezeitraum über einen "Hauptwohnsitz" im Sinne des § 82 Abs 8 KFG 1967 verfügt hat, ist nach den Bestimmungen des Meldegesetzes (MeldeG) auszulegen.

Gemäß § 1 Abs 6 MeldeG ist ein Wohnsitz eines Menschen an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.

Gemäß § 1 Abs 7 MeldeG ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.

Die Beurteilung der Frage, in welchem Staat ein Steuerpflichtiger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu ermitteln (vgl. dazu etwa ; , Ra 2016/15/0057) und hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab.

Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. ; , Ra 2016/15/0057, mwN). Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. wiederum ; , Ra 2016/15/0057, mwN).

Aufgrund der unter Punkt 2 getroffenen Sachverhaltsfeststellungen wurde festgestellt, dass der BF im Beschwerdezeitraum die engeren persönlichen Beziehungen zu Italien hatte. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des BF lag im maßgeblichen Zeitraum in Italien, somit hatte der BF das überwiegende Naheverhältnis zu seinem Wohnsitz in Italien.

Es kommt für die Beurteilung des dauernden Standortes des Fahrzeuges daher § 79 Abs 1 KFG 1967 zum Tragen. Ohne Hauptwohnsitz liegt eine widerrechtliche Verwendung des Kraftfahrzeuges daher nur vor, wenn es mehr als ein Jahr lang im Inland verwendet wurde. Nach Literatur und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beginnt die Jahresfrist aber mit jedem Grenzübertritt neu zu laufen (vgl. Haller, NoVAG, § 1 Tz 142 mit der dort zitierten Literatur und Judikatur).

Die Normverbrauchsabgabe und die Kraftfahrzeugsteuer sind Selbstberechnungsabgaben. Nach dem hiefür einschlägigen Norminhalt des § 201 BAO ist eine Festsetzung der (Selbstbemessungs-)Abgaben durch die Behörde nur zulässig, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet wäre, keine oder eine unrichtige Selbstberechnung vorlegt. Vice versa darf die Behörde keine Festsetzungen vornehmen, wenn keine Steuerpflicht besteht. Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich, dass die Verwendung eines nicht im Inland zugelassenen Fahrzeuges dann der Normverbrauchsabgabe bzw. der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz (KFG) zum Verkehr zuzulassen wäre. Dies betrifft vor allem die Verwendung von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen, wenn auf Grund kraftfahrrechtlicher Bestimmungen die Zulassung im Inland zu beantragen wäre, dies aber unterlassen wird.

Wie sachverhaltsmäßig festgestellt wurde das streitgegenständliche Fahrzeug regelmäßig und zumindest einmal im Monat in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht. Weil mit jeder Verbringung die Jahresfrist des § 79 Abs 1 KFG 1967 wieder neu zu laufen begonnen hat, entstand keine Zulassungsverpflichtung im Inland und die Verwendung des Fahrzeuges ohne inländische Zulassung war kraftfahrrechtlich zulässig. Damit wurden die in § 1 Z 3 NoVAG 1991 und § 1 Abs 1 Z 3 KfzStG normierten Tatbestände nicht verwirklicht

Die angefochtenen Bescheide sind schon aus diesem Grund ersatzlos aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom () hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass § 82 Abs 8 KFG 1967 beim Beginn der Frist auf denselben Vorgang abstelle wie § 79 leg. cit., nämlich auf das Einbringen des Fahrzeuges, und lediglich eine andere Dauer der Frist normiere. Auch für die Frist in § 82 Abs 8 KFG 1967 gelte, dass beim Verbringen des betreffenden Fahrzeuges ins Ausland und bei neuerlicher Einbringung dieses Fahrzeuges, die Frist mit der neuerlichen Einbringung zu laufen beginne. Die Ansicht, dass ein vorübergehendes Verbringen des Fahrzeuges ins Ausland die Frist des § 82 Abs 8 KFG 1967 nicht unterbreche, das heißt bei neuerlicher Einbringung des Fahrzeuges die Frist nicht ab der (neuerlichen) Einbringung zu rechnen sei, finde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Gesetz keine Deckung.

Mit den zu den Geschäftszahlen 2015/16/0031 und 2016/16/0031 ergangenen Erkenntnissen vom und bestätigte der Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsansicht.

In Reaktion auf das Erkenntnis vom änderte der Gesetzgeber den Norminhalt des § 82 Abs 8 KFG 1967 mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2014 insofern, als nunmehr für den Fristbeginn auf die "erstmalige Einbringung" in das Bundesgebiet abgestellt wurde. Zudem wurde ausdrücklich normiert, dass eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet diese Frist nicht unterbricht. In § 135 Abs 27 KFG 1967 wurde zudem bestimmt, dass die Gesetzesänderung mit - somit also rückwirkend - in Kraft tritt.

Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom (G 72/2014) hinsichtlich der Rückwirkungsanordnung die Bestimmung des § 135 Abs 27 KFG 1967 als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei.

Demzufolge ist die geänderte Bestimmung des § 82 Abs 8 KFG 1967 gem. Art. 49 Abs 1 B-VG mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung (mit Ablauf des ) in Kraft getreten.

Im Beschwerdefall ist daher § 82 Abs 8 KFG 1967 in der Fassung des BGBl. I Nr. 132/2002 - unter Beachtung der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - weiterhin anzuwenden.

Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich, dass die Verwendung eines nicht im Inland zugelassenen Fahrzeuges dann der Normverbrauchsabgabe bzw. der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz (KFG) zum Verkehr zuzulassen wäre. Dies betrifft vor allem die Verwendung von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen, wenn auf Grund kraftfahrrechtlicher Bestimmungen die Zulassung im Inland zu beantragen wäre, dies aber unterlassen wird. Liegen jedoch regelmäßige, zumindest monatliche Ausbringungen vor, kann bis zum Wirksamwerden der Gesetzesänderung durch das BGBl. I Nr. 26/2014 per unabhängig vom Standort des Fahrzeuges und von der Person des Verwenders keine widerrechtliche Verwendung vorliegen.

Wie sachverhaltsmäßig festgestellt, wurde das streitgegenständliche Fahrzeug regelmäßig und zumindest einmal im Monat in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht.

Auch bei einem angenommenen Mittelpunkt der Lebensinteressen des BF in Österreich wäre somit keine Zulassungsverpflichtung in Österreich entstanden, weil mit jeder Verbringung die Monatsfrist wieder neu zu laufen begonnen hat. Die Verwendung des Fahrzeuges ohne inländische Zulassung war kraftfahrrechtlich zulässig. Damit wurden die in § 1 Z 3 NoVAG 1991 und § 1 Abs 1 Z 3 KfzStG 1992 normierten Tatbestände nicht verwirklicht. Auf die Frage, ob dem BF der Gegenbeweis zur Standortvermutung nach § 82 Abs 8 KFG 1967 gelungen ist oder nicht, muss daher nicht mehr eingegangen werden.

Daraus folgt, dass der BF nicht zur Selbstberechnung der Abgaben nach § 201 BAO verpflichtet war und das Finanzamt über keine Berechtigung zur Festsetzung der Abgabe verfügte.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs 4 B-VG).

Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung ( und ), weshalb gem. § 25a VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 1 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
§ 4 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 37 Abs. 2 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 79 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 79 Abs. 1 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 1 Abs. 6 MeldeG, Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992
§ 1 Abs. 7 MeldeG, Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992
§ 323b Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 135 Abs. 27 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
Art. 49 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 25a Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3101041.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at