Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 24.01.2023, RV/2100790/2022

Kein Vorsteuerabzug aus Kraftstoffkosten für Unternehmer aus dem Drittland

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***Ri***, die Richterin ***Ri1*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***LR1*** und ***LR2*** und in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH, Schottenring 14, 1010 Wien,

über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Vorsteuererstattung 1-12/2021 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, die ***Bf1*** (im Folgenden: Bf.) ist ein türkisches Transportunternehmen.

Für das Jahr 2021 beantragte die Bf. fristgerecht die Erstattung von Vorsteuern aus diversen Eingangsrechnungen. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom erstattete das Finanzamt nur einen Teil der Vorsteuern. Begründend heißt es im Bescheid:

"Von der Erstattung ausgeschlossen sind Vorsteuerbeträge, die auf den Bezug von Kraftstoffen nach dem entfallen (§ 3a Abs. 2 Verordnung BGBl. Nr. 279/1995, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 16/2021). Daher ist die beantragte Erstattung aus solchen Rechnungen nicht möglich. "

In der Beschwerde vom , in der auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet wurde, machte die Bf. die Rechtswidrigkeit des Bescheides wegen Verstoßes gegen das Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (nachfolgend "Assoziierungsabkommen") samt Beschluss 1/95 des Assoziationsrates EWG-Türkei, die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG und gegen das Legalitätsprinzip des Art 18 Abs 1 und 2 B-VG geltend.
§ 3a Abs 2 letzter Satz der VO 279/1995 idF BGBl 16/2021 entspreche nicht den (verfassungs)gesetzlichen Vorgaben.

  1. Verstoß gegen das Assoziierungsabkommen

Gemäß Art 9 des Assoziierungsabkommens VO EWG 2760/72 sei jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Die Erstattungsverordnung bzw. das UStG 1994 behandle österreichische bzw. EU-Transportunternehmer und türkische Transportunternehmer unterschiedlich, wofür es keine sachliche Rechtfertigung gäbe. Zur Bekämpfung des Tanktourismus und des LKW-Verkehrs aus dem Ausland (das sind die in den Gesetzesmaterialien genannten Gründe) müsste man auch österreichische und besonders EU-Unternehmen vom Vorsteuerabzug ausschließen.

In Art 4 des Beschlusses 1/95 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom heißt es: "Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Vertragsparteien verboten ". Der Vorsteuerausschluss könne als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne der Art 4 und 5 des Beschlusses 1/95 eingestuft werden. Die fehlende Erstattung von Vorsteuer aus Treibstoffkosten stelle eine gleichwertige indirekte wirtschaftliche Abgabenbelastung dar, auch wenn sie indirekt Waren, die mit in einem Drittstaat zugelassenen Fahrzeugen beim Überschreiten der österreichischen Grenze befördert werden, belaste. Wie in der Rechtssache EuGH C-65/16 Istanbul Lojistik Ltd behindere Österreich die Durchfuhr von Waren, indem es den Transportunternehmern Durchfuhrbelastungen aufbürde.

Gemäß Art. 50 des o.a. Beschlusses 1/95 dürfe keine Vertragspartei auf ausländische Waren unmittelbar oder mittelbar höhere inländische Abgaben erheben. Produkte aus der Türkei hätten durch den fehlenden Vorsteuerabzug keinen freien Zugang zum österreichischen Markt, sofern sie durch türkische Unternehmer transportiert würden.

  1. Verstoß gegen die MwSt-RL

§ 3a Abs 2 letzter Satz der VO 279/1995 verstoße gegen Art 168 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie. Der Vorsteuerabzug sei integraler Bestandteil des Mehrwertsteuersystems gegen den durch den Ausschluss verstoßen würde. Einschränkungen könnten nur in Form der "Stand Still Klausel" beibehalten werden, was beim Vorsteuerabzug für Kraftstoffen nicht der Fall sei.

  1. Verstoß gegen das Legalitätsprinzip

Die verordnungserlassende Behörde habe im Sinne des Art 18 Abs 2 B-VG die Informationsbasis, die der Verordnungsentscheidung zugrunde liegt und die Gründe für die gesetzlich geforderte Abwägungsentscheidung nachvollziehbar darzutun (vgl VfGH Erkenntnis V 7/2021 vom , Rz 13).

Der Verordnungsgeber habe bei der Begründung die Vorgaben im Sinne des Art 18 Abs 2 B-VG nicht erfüllt, weil er weder ausgeführt habe, inwiefern der Ausschluss des Vorsteuerabzuges für Drittlandsunternehmer zur Zielerreichung dienlich ist, noch weshalb diese Maßnahme erforderlich und insgesamt angemessen ist (vgl. VfGH Erkenntnis V 411/2020 vom , Rz 76 - 78, sowie VfGH Erkenntnis V 587/2020 vom , Rz 9).

  1. Verstoß gegen weitere Abkommen

§ 3a Abs 2 letzter Satz VO 279/1995 verstoße überdies grundsätzlich gegen den Geist des "Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens" ("General Agreement on Tarifs and Trade" = GATT) und des "Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen" ("General Agreement on Trade in Services" = GATS).

Zusammenfassend heißt es: "Im Ergebnis wird der Vorsteuerabzug der Beschwerdeführerin daher zu Unrecht ausgeschlossen, da § 3a Abs 2 letzter Satz VO 279/1995 aufgrund der oben angeführten Gründe gegen die in Punkte 4.1 bis 4.4 genannten Normen verstößt. Türkische Unternehmen werden daher zu Unrecht von der Vorsteuerrückerstattung ausgeschlossen. "

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang und ist unbestritten:

Mit Bescheid vom versagte das Finanzamt der Bf. (einem türkischen Transportunternehmen) die Erstattung von Vorsteuern aus Tankrechnungen unter Hinweis auf § 3a Abs 2 letzter Satz VO 279/1995.

Rechtliche Beurteilung

Das BFG teilt die Bedenken der Bf. nicht.

  1. Verstoß gegen das Assoziierungsabkommen bzw. den Beschluss 1/95 des Assoziationsrates EWG-Türkei

Die Bf. stützt ihre Bedenken zunächst auf das Diskriminierungsverbot des am in Ankara abgeschlossenen Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Türkei, Amtsblatt Nr. 217 vom 29/12/1964 S. 3687 - 3688 (Assoziierungsabkommen) samt Zusatzprotokoll vom , Amtsblatt Nr. L 293 bzw. den Beschlusses 1/95 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom (96/142/EG).

Am hat der Rat der EU die 13. MWSt-Richtlinie (RL 86/560/EWG) zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige erlassen (13. MwSt-RL).

Nach dieser Richtlinie erfolgt die Erstattung von Vorsteuerbeträgen an Unternehmer aus dem Drittland zu anderen Bedingungen, als an Unternehmer aus der EU (es werden beispielsweise kürzere Fristen vorgesehen oder es ist die Vorlage von Originalrechnungen verpflichtend).

In einem ersten Schritt macht die Bf. daher im Ergebnis geltend, dass Organe der EU zwei sich widersprechende Regelungen erlassen hätten.

Da die 13. MwSt-RL im Jahr 1986 in Kenntnis des Assoziierungsabkommens aus dem Jahr 1963 abgeschlossen wurde, ist davon auszugehen, dass die Organe der Europäischen Union bei ihren Entscheidungen das Diskriminierungsverbot des Assoziierungsabkommens bzw. des Zusatzprotokolls berücksichtigt haben, sodass der 13. MwSt-RL dem Grunde nach keine verbotene Diskriminierung innewohnt.

Soweit ersichtlich wurde eine solche Diskriminierung durch die 13. MwSt-RL bisher nicht geltend gemacht.

Auch nach eigener Auffassung des BFG verstößt die 13. MwSt-RL nicht gegen das Assoziierungsabkommen bzw. den Beschlusses 1/95 des Assoziationsrates: Anders als im Fall der ungarischen Kraftfahrzeugsteuer für in der Türkei zugelassene LKW (, Istanbul Lojistik Ltd) werden durch den Ausschluss von Drittlandsunternehmern vom Vorsteuerabzug für Kraftstoffe nämlich keine zusätzlichen Belastungen geschaffen.

Im Übrigen dürfte ein fehlender Vorsteuerabzug auch aus türkischer Sicht nicht gegen das Assoziierungsabkommen verstoßen, da österreichische Unternehmer nach Auskunft des AußenwirtschaftsCenters Istanbul keine Möglichkeit auf Erstattung der 18%igen türkischen Mehrwertsteuer haben (vgl. https://www.gib.gov.tr/node/87172 (abgerufen am ) Punkt 3.1.5: nur Unternehmer aus den aufgelisteten Ländern haben die Möglichkeit einer Vorsteuererstattung). Ebenso gibt es für Unternehmer aus Deutschland keine Vorsteuererstattung in der Türkei (vgl Schreiben des deutschen : Verzeichnis der Drittstaaten, bei denen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG nicht vorliegen (Gegenseitigkeit nicht gegeben)).

Aus innerstaatlicher Sicht gilt wiederum: Nach Art 4 (2) der 13. MwSt-RL können die Mitgliedstaaten den Ausschluss bestimmter Ausgaben vorsehen oder die Erstattung von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen. So ist beispielsweise in Deutschland seit vielen Jahren die Erstattung von Vorsteuern, die auf den Bezug von Kraftstoffen entfallen, in Anwendung des Art 4 Abs 2 der 13. MwSt-RL (vgl Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 18 Rz 657)ausgeschlossen (§ 18 Abs 9 Satz 6 dtUStG).

Mit § 3a Abs 2 der Erstattungsverordnung 279/1995 idF BGBl II 16/2021 hat auch der Bundesminister für Finanzen mit Wirkung ab für Unternehmer aus dem Drittland die Erstattung von Vorsteuerbeträgen ausgeschlossen, die auf den Kauf von Kraftstoffen entfallen.
Damit hat er entsprechend Art 4 Abs 2 der 13. MwSt-RL gehandelt, worin ein verbotenes diskriminierendes Vorgehen nicht erblickt werden kann.

  1. Verstoß gegen die MwSt-RL

Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwSt-RL) regelt das harmonisierte Mehrwertsteuersystem in den einzelnen Mitgliedstaaten während die Richtlinie 86/560/EWG vom (13. MwSt-RL) die Erstattung von Vorsteuerbeträgen an im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer regelt. Die 13. MwSt-RL schafft dabei ein modifiziertes System des Vorsteuerabzuges. Abweichungen von der MwSt-RL sind systemimmanent, weshalb durch die Anwendung der 13. MwSt-RL ein "Verstoß gegen die MwSt-RL" bereits dem Grunde nach nicht gegeben sein kann.

  1. Verstoß gegen das Legalitätsprinzip

Wie die Bf. selbst ausführt, soll nach den Erläuterungen die Möglichkeit der Erstattung von Vorsteuerbeträgen, die auf den Bezug von Kraftstoffen entfallen, im Sinne eines entschlossenen Kampfes gegen den Tanktourismus und den LKW-Schwerverkehr aus dem Ausland, der eine massive Belastung der österreichischen Bevölkerung und der heimischen CO2-Bilanz darstellt, für drittländische Unternehmer ausgeschlossen werden.

Die getankte Treibstoffmenge solle - der Wirkungsabschätzung zufolge - aufgrund der Verteuerung um 150 Mio Liter pro Jahr zurückgehen. Damit verbunden wäre eine ökologische Wirkung von rund 400.000 Tonnen CO2- Äquivalenten (entspricht der Menge, die bisher von Unternehmern aus dem Drittland in Österreich getankt wurde).

Nach Ansicht des BFG ist diese Wertung eine ausreichende Begründung für die Zielerreichung, der - wegen der allgemein bekannten Beeinträchtigung der Umwelt durch Schwerverkehr -erforderlichen Ökologisierung. Die Maßnahme ist geeignet, die Erreichung der Klimaziele Österreichs zu fördern. Sie erscheint dabei auch erforderlich und angemessen, weshalb von keinem Verstoß gegen das Legalitätsprinzip auszugehen ist.

  1. Verstoß gegen WTO-Abkommen

Wie die Bf. selbst betont, bedarf die Prüfung der Verletzung der Abkommen "GATT" bzw. GATS" einer Anregung der Mitgliedstaaten, was nicht in der Kompetenz des BFG liegt. Eine Befassung mit den vorgebrachten Argumenten erübrigt sich somit.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Durch eine Revision soll nur die richtige Anwendung eines Gesetzes überprüft werden, nicht die Verfassungskonformität des Gesetzes selbst. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100790.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at