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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.12.2022, RV/7104465/2016

Umschulungskosten eines Pensionisten zum Psychotherapeuten

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104465/2016-RS1
Bei einem Pensionisten spricht allgemein die Vermutung dafür, dass eine Bildungsmaßnahme nicht auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielt, jedoch steht der Nachweis des Gegenteils offen. Aufwendungen für eine Berufsausbildung stellen Umschulungsmaßnahmen dar, wenn sich der Pensionist zu seiner Pension etwas dazuverdienen will und die Absicht den Beruf tatsächlich auszuüben sowie die ernsthafte Absicht zur späteren Einnahmenerzielung aus diesem Beruf besteht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde des Dr.. R**** T****, [Adresse], Steuernummer **-***/****, nunmehr vertreten durch EWT Kampits & Kocsis Steuerberatungs OG, 7000 Eisenstadt, Joseph Haydn-Gasse 40/2, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2015 zu Recht:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer bezog im Streitjahr 2015 eine Pension von der Pensionsversicherungsanstalt.

In seiner (innerhalb der verlängerten Beschwerdefrist eingebrachten) Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid machte er (im Anhang zur Beschwerde im einzelnen aufgeschlüsselte) Aufwendungen von insgesamt € 24.634,12 für Ausbildungskosten zum Psychotherapeuten als steuerlich zu berücksichtigende vorbereitende Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit geltend; er werde erstmals im Jahr 2016 Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit als Psychotherapeut erzielen.
Zugleich übermittelte der Beschwerdeführer eine Bestätigung des Lehrausschusses POP der P****-Ausbildungsstätte vom über die erfolgreiche Absolvierung der fachspezifischen Ausbildung in "Psychoanalytisch orientierter Psychotherapie".

Über Vorhalt des Finanzamtes gab der Beschwerdeführer in der Folge mit E-Mail vom bekannt, dass er die Ausbildung zum Psychotherapeuten mit Ende Jänner 2016 abgeschlossen habe (der Bescheid über den Abschluss sei mit ausgestellt worden). Er erziele seit laufend Einnahmen aus psychotherapeutischer Tätigkeit, bis Ende Juni 2016 Einnahmen von € 775,00.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab und führte dazu in der Begründung aus:

Da ein Pensionist keine Erwerbstätigkeit ausübt, sind Bildungsmaßnahmen jedweder Art (Fortbildung, Ausbildung, Umschulung) grundsätzlich nicht als Werbungskosten absetzbar (siehe auch 2001/15/0050).
Davon ausgenommen ist ein Frühpensionist, der nachweist oder glaubhaft machen kann, dass er die Bildungsmaßnahme zum beruflichen Wiedereinstieg absolviert und somit tatsächlich auf die Ausübung eines anderen Berufs abzielt.
Seit April 2011 erhält Herr Dr.
T**** eine reguläre Pension und erzielt keine Frühpension.
Abzugsfähig sind nur Aufwendungen, die zur Sicherung des künftigen Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen beitragen sollen und daher künftiges Steuersubstrat darstellen. Dies ist aufgrund des Pensionsbezuges nicht gegeben, der der Sicherung des Lebensunterhaltes dient.
Die Aufwendungen stellen keine abzugsfähigen Aufwendungen für Ausbildung noch für Umschulung gem. § 16 EStGà88 dar.

In seinem dagegen eingebrachten Vorlageantrag wendet der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 4 Abs 4 Z 7 EStG ein, die Ausbildungskosten zum klinischen Psychotherapeuten stellten für den Beschwerdeführer vorbereitende Betriebsausgaben im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit dar. Der Beschwerdeführer sei studierter Theologe und habe in seiner früheren Erwerbstätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei diversen Transport- sowie Logistikunternehmen erzielt. In den Jahren 2000 bis 2004 habe er zusätzlich Einkünfte vom Priesterseminar X**** erhalten. Seit sei der Beschwerdeführer Bezieher einer ASVG-Pension. Den Entschluss, sich neben seiner Pension dem Fachbereich der Psychotherapie zu widmen und sich damit etwas im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit dazu zu verdienen, habe er mit dem Abschluss zum Psychotherapeuten verwirklichen können. Diese Tätigkeit sei darauf ausgerichtet, neben der Pension zusätzliche Einkünfte zu erzielen. Die geltend gemachten Ausgaben für die Ausbildung stellten somit, wie bereits in der Beschwerde dargelegt, keine Werbungskosten gemäß § 16 Abs 1 EStG dar, sondern seien, da die Aufwendungen in einen betrieblichen Zusammenhang stünden, den Betrieb des Unternehmers dienten und nicht unter ein Abzugsverbot gemäß § 20 EStG fielen, als Betriebsausgaben im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit anzuerkennen. Seit erziele er regelmäßig Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit als Psychotherapeut. Diese hätten bis Ende Juni 2016 € 775,00 betragen. Aus dem Gesamtbild der Verhältnisse könne davon ausgegangen werden, dass er auch weiterhin diese Tätigkeit ausüben und positive Einkünfte daraus erzielen werde. Da er dieser Tätigkeit noch viele Jahre nachgehen und daraus, im Verhältnis zu den Ausgaben, hohe Honorare erzielen könne, sei auf Dauer mit einem positiven Gesamtüberschuss zu rechnen. Er beantrage daher die Aufwendungen als vorbereitende Betriebsausgaben im Rahmen der Einkünfte selbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Über Aufforderung des Gerichtes legte der Beschwerdeführer mit E-Mail vom Belegkopien für die geltend gemachten Aufwendungen für Ausbildungskosten und Fachliteratur sowie eine Fahrtkostenaufstellung vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vom Finanzamt vorgelegten Veranlagungsakt, insbesondere die dargestellten Bescheide des Finanzamtes und Schriftsätze des Beschwerdeführers, die Vorhaltsbeantwortung vom , insbesondere die mit dieser Vorhaltsbeantwortung übermittelten Urkunden sowie den elektronischen Akt des Finanzamtes, insbesondere das Abgabenkonto des Beschwerdeführers. Danach steht folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer wurde am **.**.**** geboren und wurde im Streitjahr 2015 somit 67 Jahre alt.

Seit April 2011 ist er Pensionist und bezog im Streitjahr 2015 eine reguläre ASVG-Pension von der Pensionsversicherungsanstalt (Lohnzettel).

Er ist studierter Theologe und erzielte in seiner früheren Erwerbstätigkeit vor seiner Pensionierung im Jahr 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei diversen Transport- und Logistikunternehmen. In den Jahren 2000 bis 2004 erzielte er zusätzlich Einkünfte vom Priesterseminar X****.

Der Beschwerdeführer machte eine Ausbildung zum Psychotherapeuten, aus der ihm im Streitjahr 2015 folgende Aufwendungen von insgesamt € 24.634,12 entstanden (Beilage zur Beschwerde):

Ausbildungskosten: € 22.710,00
Fachliteratur: € 229,72
Reisekosten: € 1.694,40

Am erhielt der Beschwerdeführer nach Überprüfung der im Curriculum geforderten Voraussetzungen vom Lehrausschuss des Fachspezifikums Psychoanalytisch orientierte Psychotherapie den Status Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision. Dieser Status war für drei Jahre gültig, somit bis . Die fachspezifische Ausbildung erfolgte in Psychoanalytisch orientierter Psychotherapie (Bestätigung vom des Lehrausschusses POP der P****-Ausbildungsstätte).

Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 2016 als Psychotherapeut tätig und erzielte nach der Aktenlage neben seinen Pensionsauskünften aus der Tätigkeit als Psychotherapeut in den Jahren 2016 bis 2020 folgende Einnahmen (Einkommensteuererklärungen des Beschwerdeführers):
2016: € 4.685,00
2017: € 10.760,00
2018: € 15.400,00
2019: € 32.600,00
2020: € 47.652,36

In den Jahren 2016 bis 2020 erzielte der Beschwerdeführer nach der Aktenlage aus seiner Tätigkeit als Psychotherapeut folgende Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Einkommensteuerbescheide):
2016: € -12.107,04
2017: € -23.742,69
2018: € -17.337,45
2019: € 1.306,76
2020: € 16.375,60

Im Streitjahr 2015 hatte der Beschwerdeführer sowohl die ernsthafte Absicht, den Beruf des Psychotherapeuten tatsächlich auszuüben als auch die ernsthafte Absicht zur späteren Einnahmenerzielung aus diesem Beruf.

Diese Feststellungen gründen sich auf die angeführten Beweismittel sowie auf folgende Beweiswürdigung:

Der Beschwerdeführer hat die geltend gemachten Aufwendungen von € 24.634,12 durch die Vorlage von Belegen mit E-Mail vom nachgewiesen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Streitjahr die ernsthafte Absicht hatte, den Beruf des Psychotherapeuten tatsächlich auszuüben und aus diesem Beruf später Einnahmen zu erzielen, gründet sich auf folgende Umstände:
Der Beschwerdeführer hat Ende Jänner bzw Anfang Februar 2016 seine Ausbildung zum Psychotherapeuten mit dem Status Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision abgeschlossen und noch im selben Jahr Einnahmen von € 4.685,00 aus dieser Tätigkeit erzielt. Aus dem engen zeitlichen Zusammenhang von wenigen Monaten ergibt sich zwanglos, dass seitens des Beschwerdeführers bereits im Zeitpunkt des Anfallens der streitgegenständlichen Aufwendungen im Jahr 2015 die Absicht bestanden hat, nach seiner Ausbildung die Tätigkeit als Psychotherapeut tatsächlich auszuüben. Die mit der Ausbildung zum Psychotherapeuten verbundenen hohen Kosten sprechen gegen eine bloß "hobbymäßige" Verwertung der Ausbildung. Naheliegend ist vielmehr die Absicht, den Beruf des Psychotherapeuten tatsächlich auszuüben und diese Kosten durch spätere Einnahmen wieder "hereinzubringen".

Im Übrigen sind die Feststellungen unstrittig.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 16 Abs 1 Z 10 erster Satz EStG und § 4 Abs 4 Z 7 erster Satz EStG in der ab der Veranlagung 2003 geltenden Fassung des AbgÄG 2004 (BGBl I Nr 180/2004) sind Werbungskosten bzw Betriebsausgaben auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

Als Umschulungsmaßnahme begünstigt sind nur umfassende Bildungsmaßnahmen, die den Einstieg in einen anderen Beruf auch tatsächlich ermöglichen, wobei das Gesetz verlangt, dass die Umschulungsmaßnahme auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufs "abzielt". Daraus ist abzuleiten, dass ein konkreter Zusammenhang der Bildungsmaßnahme mit geplanten nachfolgenden (Betriebs-)Einnahmen erforderlich ist. Es müssen somit Umstände vorliegen, die über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgehen (zB mwN; mwN)

Der Begriff der "Umschulung" setzt voraus, dass der Steuerpflichtige eine Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat. Kosten der Erstausbildung ohne gleichzeitige oder früher bestehende Berufstätigkeit stellen daher auch nach der durch das AbgÄG 2004 gestalteten Rechtslage nicht abziehbare Aufwendungen der Lebensführung dar (zB mwN).

Für eine erwerbsorientierte Umschulung spricht es, wenn der Steuerpflichtige seine bisherige Tätigkeit aufgibt oder wesentlich einschränkt. Dass die steuerliche Berücksichtigung von Umschulungskosten auf diesen Fall beschränkt wäre, ergibt sich aber weder aus dem Wortlaut der Bestimmung noch führt eine am Zweck der Bestimmung orientierte Auslegung zu diesem Verständnis ( mwN).

Abzugsfähig sind Aufwendungen, die - auch unter Berücksichtigung der zunächst angefallenen Ausbildungskosten - zur Sicherung des künftigen Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen beitragen sollen und daher künftiges Steuersubstrat darstellen (zB ; mwN).

Die erforderliche ernsthafte Absicht zur späteren Einnahmenerzielung ist aus der Perspektive des Streitjahres zu beurteilen (Jakom/Ebner EStG, 2022, § 16 Rz 51).

Ob der Wille des Steuerpflichtigen darauf gerichtet ist, sich eine neue Einkunftsquelle durch die Ausübung eines anderen Berufes zu verschaffen, ist im Einzelfall an Hand objektiver Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen ( mwN; mwN).

Das Finanzamt hat die Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen im Wesentlichen mit dem Hinweis auf den Umstand verweigert, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ausbildung zum Psychotherapeuten bereits Pensionist war. Abzugsfähig seien nur Aufwendungen, die zur Sicherung des künftigen Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen beitragen sollten und daher künftiges Steuersubstrat darstellten. Dies sei aufgrund des Pensionsbezuges nicht gegeben, der der Sicherung des Lebensunterhaltes diene.

Strittig ist somit, ob auch bei einem Pensionisten die Berücksichtigung von Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen als Betriebsausgaben bzw Werbungskosten möglich ist.

Die Verwaltungspraxis vertritt die Ansicht, da ein Pensionist keine Erwerbstätigkeit ausübe, seien Bildungsmaßnahmen jedweder Art (Fortbildung, Ausbildung, Umschulung) grundsätzlich nicht als Werbungskosten absetzbar (Hinweis ). Davon ausgenommen sei ein Frühpensionist, der nachweise oder glaubhaft machen könne, dass er die Bildungsmaßnahme zum beruflichen Wiedereinstieg absolviert und somit tatsächlich auf die Ausübung eines anderen Berufs abziele (LStR 2002 Rz 358a; gleicher Ansicht Jakom/Ebner EStG, 2022, § 16 Rz 51).

Die Abzugsfähigkeit iZm einem Seniorenstudium wird generell verneint, da in einem solchen Fall idR die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit nicht gegeben sein werden (Hirschler/Luka in Hofstätter/Reichel, EStG65 § 4 Abs 4 Z 7 Rz 2; Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG65 § 16 Abs 1 Z 10 Rz 23; Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 4 Tz 314; ebenso gegen die Abzugsfähigkeit eines Seniorenstudiums, das aus bloßem Interesse am Studiengegenstand absolviert wird Schubert in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 16 Anm 142).

Hingegen stellen zB Aufwendungen für einen Personalverrechnungskurs (als vorweggenommene Werbungskosten) nach Ansicht Schuberts Umschulungsmaßnahmen dar, wenn sich der Pensionist zu seiner Pension etwas als Lohnverrechner dazuverdienen will. Wird eine Ausbildung erst nach Erreichen des Pensionsalters abgeschlossen und liegen keine konkreten Berufspläne vor, seien die Kosten nicht als Werbungskosten abzugsfähig (Schubert in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 16 Anm 142).

Nach Ansicht von Zorn spricht bei einem Pensionisten allgemein die Vermutung dafür, dass eine Bildungsmaßnahme nicht auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielt, der Nachweis des Gegenteils stehe aber offen (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 4 Tz 314). Pensionsbezieher könnten Studienaufwendungen nicht als Werbungskosten abziehen weil/falls die Aufwendungen mit keiner beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stünden. Bildungsmaßnahmen seien nicht abzugsfähig, wenn mit der Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit (zB aus gesundheitlichen Gründen) nicht gerechnet werden könne (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 203/11 mwN).

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage liegt soweit ersichtlich bisher noch nicht vor.

Das Gericht teilt die Ansicht, dass Aufwendungen für eine Berufsausbildung Umschulungsmaßnahmen darstellen, wenn sich ein Pensionist zu seiner Pension etwas dazuverdienen will (Schubert in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 16 Anm 142). Die Widerlegung der allgemeinen Vermutung, dass bei einem Pensionisten eine Bildungsmaßnahme nicht auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielt durch Nachweis des Gegenteils, ist möglich (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 4 Tz 314).

Der Zweck der Umschulung muss darin bestehen, eine andere Berufstätigkeit tatsächlich ausüben zu wollen. Es müssen grundsätzlich Umstände vorliegen, die über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgehen. Spricht das Gesamtbild für das Vorliegen dieser Absicht, liegen Werbungskosten vor, und zwar auch dann, wenn die tatsächliche Ausübung des angestrebten Berufes letztlich scheitert, zB weil der Steuerpflichtige tatsächlich keinen Arbeitsplatz findet (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 203/10 mwN).

Ob der Wille des Steuerpflichtigen darauf gerichtet ist, sich eine neue Einkunftsquelle durch Ausübung eines anderen Berufes zu verschaffen oder ob andere Motive des Steuerpflichtigen der Bildungsmaßnahme zu Grunde liegen (zB hobbymäßiges Verwerten), ist im Einzelfall an Hand objektiver Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG65 § 16 Abs 1 Z 10 Rz 20 mwN; Schubert in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 16 Anm 143; ; ).

Im Allgemeinen werden an den Nachweis dafür, dass die Bildungsmaßnahme auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielt, bei einem Pensionisten strenge Anforderungen zu stellen sein, zumal bei einer erst als Pensionist begonnenen oder bei Pensionsantritt noch nicht abgeschlossenen mehrjährigen Ausbildung eine tatsächliche Berufsausübung aus vielerlei Gründen zweifelhaft erscheinen kann (fortgeschrittenes Alter, Gesundheitszustand, körperliche Einschränkungen, Verfügbarkeit von allenfalls erforderlichen Praktikums- bzw Arbeitsplätzen usw).

Im Streitjahr 2015 lag nach den Feststellungen die ernsthafte Absicht des Beschwerdeführers vor, den Beruf des Psychotherapeuten tatsächlich auszuüben. Tatsächlich kam es auch zu einer Aufnahme der Tätigkeit als Psychotherapeut.
Die bei Pensionisten bestehende allgemeine Vermutung, dass eine Bildungsmaßnahme nicht auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielt, ist im Beschwerdefall somit widerlegt.

Ob der Beschwerdeführer in den Folgejahren aus der Tätigkeit als Psychotherapeut Gewinne erzielt hat, spielt für die Beurteilung der Frage des Vorliegens von Umschulungskosten dagegen keine Rolle.
Denn die ernsthafte Absicht zur Einkünfterzielung muss zum Zeitpunkt der Entstehung der Kosten erwiesen sein. Kommt es nachträglich zum Wegfall dieser Absicht (auch vor dem ersten Erzielen von Einkünften im anderen Beruf), so ist dies nicht schädlich. Scheitert also schlussendlich die tatsächliche Ausübung des angestrengten Berufes, zB weil eine entsprechende Arbeitsstelle nicht gefunden wird oder der Steuerpflichtige seinen Entschluss revidiert, führt dies zu keiner Änderung der Absetzbarkeit für die Vergangenheit (zB Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 203/10; ; LStR 2002 Rz 360).

Die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen setzt weiters voraus, dass die Umschulungsmaßnahme derart umfassend ist, dass sie einen Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglicht, die mit der bisherigen Tätigkeit nicht verwandt ist (zB Jakom/Ebner EStG, 2022 16 Tz 50; mwN; mwN).
Unter Umschulung sind Bildungsmaßnahmen zu verstehen, die keinen Zusammenhang mit der aktuell oder zuletzt ausgeübten Tätigkeit aufweisen (Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG65 § 16 Abs 1 Z 10 Rz 18).
Eine Umschulung liegt auch vor, wenn der Steuerpflichtige früher eine betriebliche bzw berufliche Tätigkeit ausgeübt hat, im Zeitpunkt der Umschulung aber nicht mehr tätig ist (zB vom AMS geförderte Umschulung im Fall von Arbeitslosigkeit) (Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG65 § 16 Abs 1 Z 10 Rz 19; Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 4 Tz 314).

Gemäß § 1 Abs 1 Psychotherapiegesetz ist die Ausübung der Psychotherapie im Sinne dieses Bundesgesetzes die nach einer allgemeinen und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewusste und geplante Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeuten mit dem Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und Gesundheit des Behandelten zu fördern.
Gemäß § 1 Abs 2 Psychotherapiegesetz besteht die selbständige Ausübung der Psychotherapie in der eigenverantwortlichen Ausführung der im Abs 1 umschriebenen Tätigkeiten, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten freiberuflich oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden.

Die selbständige Ausübung der Psychotherapie setzt gemäß § 2 Psychotherapiegesetz die Absolvierung einer allgemeinen und einer besonderen Ausbildung voraus. Sowohl der allgemeine Teil (psychotherapeutisches Propädeutikum) als auch der besondere Teil (psychotherapeutisches Fachspezifikum) wird durch eine theoretische und praktische Ausbildung vermittelt.

Gemäß § 3 Psychotherapiegesetz hat der theoretische Teil des psychotherapeutischen Propädeutikums jeweils näher angeführte Inhalte in einer Gesamtdauer von zumindest 765 Stunden und der praktische Teil in einer Gesamtdauer von zumindest 550 Stunden zu umfassen.

Gemäß § 6 Psychotherapiegesetz hat der theoretische Teil des psychotherapeutischen Fachspezifikums jeweils näher angeführte Inhalte in einer Gesamtdauer von zumindest 300 Stunden und der praktische Teil in einer Gesamtdauer von zumindest 1600 Stunden zu umfassen.

Gemäß § 11 Psychotherapiegesetz setzt die selbständige Ausübung der Psychotherapie ua die erfolgreiche Absolvierung des psychotherapeutischen Propädeutikums und des psychotherapeutischen Fachspezifikums voraus.

Der Beschwerdeführer war in den Jahren vor seiner Pensionierung bei verschiedenen Transport- und Logistikunternehmen als Angestellter tätig. Diese Tätigkeit ist nicht mit der Tätigkeit eines Psychotherapeuten verwandt.

Die Höhe der Aufwendungen und die Dauer der Ausbildung, die eine umfassende berufliche Qualifikation vermittelt, welche vom Beschwerdeführer erfolgreich absolviert wurde, stellen Indizien dafür dar, dass der Beschwerdeführer tatsächlich die Ausübung des Berufes als Psychotherapeut anstrebte und die Ausbildung nicht in seiner privaten Sphäre lag. Insofern kann nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer die zeit- und kostenintensive Ausbildung lediglich auf Grund einer bloß privaten Neigung machte. Aus dieser Sicht ist die Ausbildung zum Psychotherapeuten als umfassende Umschulung zu werten.

Umschulungskosten sind vorweggenommene Werbungskosten bzw Betriebsausgaben in Bezug auf die künftige Einkunftsquelle. Sie zielen auf eine künftige Erwerbstätigkeit ab. Sie sind daher Vor-Werbungskosten bzw vorweggenommene Betriebsausgaben, wenn eine selbständige Berufstätigkeit angestrebt wird (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 16 Tz 203/11 sowie Tz 203/14 mwN).

Bei den im Beschwerdefall geltend gemachten Aufwendungen handelt es sich somit um Umschulungskosten.
Da die Umschulungsmaßnahmen des Beschwerdeführers zum Psychotherapeuten auf eine selbständige Tätigkeit abzielten, handelt sich bei den damit verbundenen Aufwendungen um vorweggenommene Betriebsausgaben. Die Umschulungskosten sind daher als (negative) Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu erfassen.

Die Beschwerde erweist sich damit als berechtigt.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage der Abzugsfähigkeit von Umschulungskosten bei einem Pensionisten liegt soweit ersichtlich bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Der zu lösenden Rechtsfrage kommt daher grundsätzliche Bedeutung zu. Die ordentliche Revision ist daher zuzulassen.

Der Beschwerde ist daher gemäß § 279 BAO Folge zu geben und der angefochtene Bescheid abzuändern.

Beilage: 1 Berechnungsblatt (2015)

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise





LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 358a

LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 360
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104465.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at