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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.01.2023, RV/7102587/2022

Operationskosten in einer Privatklinik als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Walter Aiglsdorfer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am wurde die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung beim zuständigen Finanzamt eingereicht. Darin sei unter anderem die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen beantragt worden.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde ersucht, eine Kostenaufstellung der beantragten außergewöhnlichen Belastungen zu übermitteln.
Weiters sei um Übermittlung allfälliger Verordnungen und Behandlungspläne ersucht worden.

Im Antwortschreiben vom wurde dieser Aufforderung gefolgt und die entsprechenden Unterlagen übermittelt.
Übermittelt wurden die entsprechenden Rechnungen sowie folgender Arztbrief vom hinsichtlich der stationären Aufnahme vom 5. bis (von Dr. A):
Aufnahmegrund:
Rekonstruktion einer langstreckigen Harnröhrenstriktur
Diagnose:
Penile (8.5 cm) und bulbäre (3 cm) Harnröhrenrezidivstriktur
Therapie:
Mundschleimhaut-Urethroplastik (dorsal Onlay, penil 8.5 cm und dorsal Inlay, bulbär 3 cm)
Mundschleimhautentnahme re. Zungenunterseite und re. Wangeninnenseite (beides vernäht), DK liegt. Der postoperative Verlauf war komplikationslos. Der Patient wird mit liegendem Katheter mit Beinsack nach Hause entlassen.
Lovenox 40 mg 2 x 1 weiter bis dann wieder Lixiana
internistische Therapie wie bisher weiter.
Die Katheterentfernung wird in der Ordination Dr.
A am 11:00 terminisiert.
Schonung für 3 Wochen. Regelmäßige, tägliche Hygienemaßnahmen im Genitalbereich.

Mit Einkommensteuerbescheid 2020 vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2020 abweichend von der eingereichten Erklärung festgesetzt.
Als außergewöhnliche Belastung (mit Selbstbehalt) wurde ein Betrag von 1.311,18 € berücksichtigt.
Begründend wurde ausgeführt, dass nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen seien. Die Belastung müsse folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2)
- Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3)
- Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Gemäß Abs. 3 leg. cit. erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Erhaltung der Gesundheit würde immer als zwangsläufig iS des Gesetzes (Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Band III, § 34, Rz 37) gelten.

Nach ständiger Judikatur des VwGH (vgl. etwa oder ) würden Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die eigene medizinische Betreuung erwachsen, auch dann zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 sein, wenn sie die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, sofern diese höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen getätigt werden würden. Bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung würden noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen darstellen, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen. Die triftigen medizinischen Gründe würden vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen müssen, welche ohne die mit höheren Kosten medizinische Betreuung eintreten würden (vgl. auch Jakom EStG², § 34, Rz 90). Wenn triftige medizinische Gründe den Aufenthalt in einem bestimmten Spital geboten erscheinen lassen, würden nicht auch unbedingt die Kosten der Sonderklasse als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden müssen. Die Vorteile der Sonderklasse wie die Behandlung durch den Arzt des Vertrauens, Aufenthalt in einem Einzelzimmer, schnellerer Heilungsprozess, Besucherzeiten etc., würden noch nicht die Annahme des Vorliegens eines triftigen medizinischen Grundes rechtfertigen. Mangels triftiger medizinischer Gründe sei das Element der Zwangsläufigkeit zu verneinen. Um die außergewöhnliche Belastung abziehen zu können, müsste sie allerdings zwangsläufig erwachsen sein (vgl. § 34 Absatz 1 und 3 EStG 1988). Die beantragten Kosten in Höhe von € 11.336,78 hätten somit nicht als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt anerkannt werden können.

Mit Eingabe vom wurde Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 eingereicht.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Entscheidung, die in Rede stehende Operation in der Privatklinik ***1*** durchführen zu lassen, nicht der Wunsch nach dem Aufenthalt in einem Einzelzimmer, einem schnelleren Heilungsprozess oder bequemeren Besuchszeiten zu Grunde gelegen sei.
Im Gegenteil:
Die Erfahrungen die bei dem Aufenthalt dort gemacht worden seien, seien katastrophal gewesen. Der Beschwerdeführer hätte in öffentlichen Spitälern bisher immer nur beste Erfahrungen gesammelt und sich immer bestens betreut gefühlt. Er sei im ***2*** Spital insgesamt fünfmal urologisch operiert worden. Es hätte nach Aussage der Ärzte keine weitere Möglichkeit gegeben, als die Rekonstruktion der Harnröhre, um weiterhin ein normales Leben führen zu können.
Der Grund sei ein durchaus medizinisch triftiger gewesen:
Es hätte zum damaligen Zeitpunkt in der Umgebung Wiens einen einzigen Arzt, Dr. A, gegeben, der eine operative Rekonstruktion der Harnröhre durchzuführen in der Lage gewesen sei.
Dieser hätte zwei Alternativen zum Operationstermin zur Auswahl gegeben:
in der Privatklinik ***1*** oder irgendwann in der 2. Hälfte 2020 im Wiener Donauspital.
Angesichts der Schwere der Harnröhrenverengung und der herannahenden Corona-Problematik hätte zwangsläufig der erste Termin in der Privatklinik ***1*** gewählt werden müssen.

In einer weiteren Eingabe vom wurde folgende Bestätigung des behandelnden Arztes übermittelt:
Befundbericht ():
Der Beschwerdeführer wurde am wegen einer beträchtlichen Harnröhrenenge (insgesamt 11,5 cm !!) in einer mehrstündigen Operation durch einen rekonstruktiven Eingriff mit Mundschleimhaut saniert. Der Patient hatte Glück, dass er schon einen Termin in der Privatklinik hatte, da er im öffentlichen Gesundheitssystem sicherlich erst mehrere Monate später durch Verschiebungen operiert hätte werden können. Nur ein Mensch, mit teilweise nur mehr tröpfchenweisen Harnabgängen, kann nachvollziehen unter welchem Leidensdruck, solche Männer stehen, immer auch in Angst gar nichtmehr urinieren zu können. Der Beschwerdeführer hatte vorher mehrere konventionelle, nicht erfolgreiche Harnröhrenschlitzungen, die zu diesem Ausmaß seiner Harnröhrenenge geführt haben. Die Dringlichkeit und Notwendigkeit dieser OP-Technik kann keinesfalls in Frage gestellt werden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde gegenständliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde folgendes ausgeführt:
Würde man der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgen, was die krankheitsbedingten Aufwendungen betreffe, so seien höhere Aufwendungen als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden würden, nur dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen erfolgen würden. Bloße Wünsche und Vorstellungen des Betroffenen über eine bestimmte medizinische Behandlung sowie allgemeine Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung finanzierten Betreuung seien noch keine triftigen medizinischen Gründe.
Die triftigen medizinischen Gründe würden vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen müssen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (vgl. auch Jakom EStG², § 34, Rz 90) und seien durch ein ärztliches Gutachten (ärztliches Gutachten - ausgestellt vor Behandlungsbeginn - über die unbedingte Notwendigkeit der Operation in der Privatklinik ***1*** mangels Alternative zur Beseitigung des Leidenszustandes) nachzuweisen.
Wenn triftige medizinische Gründe den Aufenthalt in einem bestimmten Spital geboten erscheinen lassen würden, würden nicht auch unbedingt die Kosten der Sonderklasse als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden müssen.
Strittig sei allerdings, ob die im Zusammenhang mit der Belegung der Sonderklasse angefallenen Kosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien.

In der Bescheidbeschwerde vom sei angeführt worden, dass der Beschwerdeführer in öffentlichen Spitälern bisher immer nur beste Erfahrungen gesammelt und sich immer bestens betreut gefühlt hätte. Er sei im ***2*** Spital insgesamt fünfmal urologisch operiert worden und es hätte nach Aussage der Ärzte keine weitere Möglichkeit als die Rekonstruktion der Harnröhre gegeben, um weiterhin ein normales Leben führen zu können.
Der Grund für die Operation in der Privatklinik sei nach Ansicht des Beschwerdeführers ein durchaus medizinisch Triftiger gewesen, denn es hätte zum damaligen Zeitpunkt in der Umgebung Wiens einen einzigen Arzt, Dr. A, gegeben, der eine operative Rekonstruktion der Harnröhre durchzuführen in der Lage gewesen sei.
Dr. A hätte zwei Operationstermine zur Auswahl gegeben:
in der Privatklinik ***1*** oder irgendwann in der 2. Hälfte 2020 im öffentlichen Krankenhaus Wiener Donauspital SMZ Ost.

Angesichts der Schwere der Harnröhrenverengung und der herannahenden Corona-Problematik hätte sich der Beschwerdeführer für den ersten Termin in der Privatklinik ***1*** entschieden.

Im vorgelegten Befundbericht von Dr. A, ausgestellt am , also eineinhalb Jahre nach der erfolgten Operation, werde die Dringlichkeit und Notwendigkeit dieser OP-Technik dargestellt, wobei ein Hinweis auf die Zwangsläufigkeit der Durchführung der Operation in einer Privatklinik nicht erkennbar sei.

Dass medizinische Gründe für einen derartigen Eingriff gegeben gewesen seien, werde auch hier nicht in Abrede gestellt.
Der Behauptung, dass wegen der Schwere der Harnröhrenverengung und der herannahenden Corona-Problematik der Grund für die Auswahl einer Privatklinik gewesen sei, sei entgegenzuhalten, dass eine kürzere Wartezeit für sich alleine noch keinen triftigen medizinischen Grund für eine Behandlung in einem Privatspital darstellen würde - vgl. .
Strittig sei also hier nicht die Tatsache, dass die Operation dringlich und notwendig gewesen sei.
Strittig sei, ob die hier strittigen Aufwendungen (einer Privatklinik) auch tatsächlich notwendig und zwangsläufig gewesen seien (Vorliegen triftiger medizinischer Gründe).
Es sei also nicht die Tatsache zu würdigen, dass eine Operation, sondern wo diese Operation durchgeführt worden sei.
Seitens der Österreichischen Gesundheitskasse seien die Kosten für die "Allgemeine Gebührenklasse" übernommen worden. Die darüber hinaus gehenden Kosten für die Behandlung in einer Privatklinik seien ausschließlich in der persönlichen Entscheidung des Beschwerdeführers gelegen.
Dass die gegenständliche Operation ausschließlich in dieser Privatklinik, mit erheblich höheren Kosten, vorgenommen hätte werden können, sei in keiner Eingabe erwähnt worden und wäre auch nicht glaubhaft gewesen.
Dr. A hätte damals auch im öffentlichen Krankenhaus Wiener Donauspital SMZ Ost operiert.
Würde diese Operation einzig und allein in dieser Privatklinik durchgeführt werden können, so wären auch seitens der Österreichischen Gesundheitskasse diese Aufwendungen zu ersetzen gewesen. Schon allein diese Tatsache würde gegen die Zwangsläufigkeit der streitgegenständlichen Aufwendungen sprechen.
Die Entscheidung, die Operation in der Privatklinik ***1*** durchführen zu lassen, sei also einzig und allein im Befinden des Beschwerdeführers gelegen und keinesfalls zwangsläufig bestimmt gewesen.
Mangels triftiger medizinischer Gründe sei das Element der Zwangsläufigkeit zu verneinen.
Um die außergewöhnliche Belastung abziehen zu können, hätte sie allerdings zwangsläufig erwachsen sein müssen (vgl. § 34 Abs. 1 und 3 EStG 1988), was gegenständlich zu verneinen sei.
Die beantragten Kosten für den Aufenthalt in der Privatklinik ***1*** hätten daher als außergewöhnliche Belastung nicht berücksichtigt werden können.

Mit Eingabe vom wurde beantragt, gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag).
In der Beschwerdevorentscheidung vom werde
- weder der medizinische Grund für den derartigen Eingriff
- noch die Notwendigkeit der Operation
in Frage gestellt.
Es werde einzig und allein die "Zwangsläufigkeit" der Durchführung der Operation zum frühesten möglichen Zeitpunkt () verneint.
Auf Grund des damaligen körperlichen Zustandes (verengte Harnröhre, daher nur tröpfchenweises, unter großen Schmerzen zu ertragendes Urinieren) sei es für den Beschwerdeführer unerlässlich gewesen, so zeitnahe als möglich die vorgesehene Operation durchführen zu lassen.
Durch den Fortschritt der Harnröhrenverengung und der Gefahr des Auftretens von schweren Entzündungen hätte sich der Leidensdruck permanent erhöht.
Um nicht auf einen OP-Termin im Herbst warten zu müssen (voraussichtlich mehr als 6 Monate, bzw. irgendwann in der 2. Hälfte 2020) und unter dem Umstand, dass es nur einen einzigen Arzt in Wien gegeben hätte (Dr. A), der diese Art des Eingriffes durchführen hätte können, sei der nächste Termin () wahrgenommen worden.
Es werde auch festgehalten, dass der durchgeführte Eingriff nicht nur dringend notwendig gewesen, sondern auch in keinster Weise eine Standardoperation sei (Transplantation von Mundschleimhaut zur Rekonstruktion der stenosierten Harnröhre).
Wie allgemein bekannt, sei zu diesem Zeitpunkt ein Höhepunkt der Corona-Pandemie gewesen.
Operationskapazitäten und Spitalsleistungen seien reduziert gewesen, zeitliche Verschiebungen von Operationen an der Tagesordnung.
Es sei dem Beschwerdeführer bewusst gewesen, dass der Aufenthalt in der Klinik ***1*** seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen würde.

Mit Datum wurde dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde folgendes Schreiben übermittelt:
"Sie haben angegeben, dass Dr. A zum damaligen Zeitpunkt der einzige Arzt in Wien und Umgebung gewesen sei, der die durchgeführte Operationsmethode angewandt habe. Bitte weisen Sie diese Aussage anhand von Belegen nach. In Ihrer Beschwerde vom geben Sie an, dass Ihnen der operierende Arzt zwei Alternativen zur Auswahl gestellt habe - eine Operation am in der Privatklinik oder in der zweiten Jahreshälfte 2020 im Donauspital. Weshalb war es Ihnen damals unmöglich auf einen OP-Termin in der zweiten Hälfte 2020 zu warten? Bitte legen Sie Unterlagen vor, die belegen, dass eine Operation zu einem späteren Zeitpunkt in einem öffentlichen Krankenhaus konkrete gröbere Komplikationen medizinischer Art oder schwerwiegende gesundheitliche Nachteile nach sich gezogen hätte (bspw. ärztliches Gutachten - ausgestellt vor Behandlungsbeginn - über die unbedingte Notwendigkeit der Operation in der Privatklinik zum ehestmöglichen Zeitpunkt mangels Alternative zur Beseitigung Ihres Leidenszustandes)."

Hierzu übermittelte der Beschwerdeführer am folgende Ausführungen:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
das Verlangen mittels Belegen nachzuweisen, dass Herrn Dr.
A zum damaligen Zeitpunkt () der "einzige Arzt" war, der die notwendige Operation durchführen konnte, sowie die Vorlage von ärztlichen Gutachten betreffend konkrete gröbere Komplikationen medizinischer Art und schwerwiegende gesundheitliche Nachteile aufgrund einer späteren Behandlung, vor Behandlungsbeginn, erscheint als unbilliges Verlangen.
Nach mehrmaligen, nicht erfolgreichen Harnröhrenschlitzungen, war mein Leidensdruck bereits so groß, dass eine längere Wartezeit für mich physisch und psychisch nicht mehr tolerierbar war. Bei weiterem Zuwarten hätte sich mein Zustand nur mehr verschlechtert. Nach jedem bisherigen konventionellen Eingriff (Harnröhrenschlitzung) ist es zu weiteren Verengungen gekommen, zum Zeitpunkt der OP hat dies bereits den Bereich von mehr als 11 cm Harnröhrenverengung erreicht.
Die Operation mit Transplantation von Mundschleimhaut in die Harnröhre ist nur von einem Spezialisten durchzuführen. Mir wurde damals als dieser Spezialist Herr Dr.
A empfohlen. Ebenfalls entsprechend dem Leidensdruck unter dem ich damals stand, war ich froh, dass mir überhaupt ein Operateur genannt wurde, der diesen Eingriff durchführen konnte. Ich verweise auch auf das Schreiben des Herrn Dr. A vom , das Ihnen bereits vorliegt. Ich habe mich daher entschieden, den Eingriff so schnell als möglich durchführen zu lassen, obwohl ich keine Zusatzkrankenversicherung habe. Mehr als die Unterlagen, die ich Ihnen bereits zur Verfügung gestellt habe, kann ich nicht beibringen."

Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Nach ausführlicher Darstellung des Sachverhaltes wurde in der Stellungnahme seitens der belangten Behörde das Vorliegen medizinischer Gründe für die Operation nicht in Abrede gestellt. Strittig sei im Anlassfall nicht die Tatsache, dass die Operation dringlich und medizinisch notwendig gewesen sei, sondern, ob die mit höheren Kosten verbundenen Aufwendungen für die Privatklinik auch notwendig und zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG 1988 gewesen seien - also, ob triftige medizinische Gründe vorgelegen seien ().

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer leidet schon seit längerer Zeit an einer Harnröhrenverengung. Nach mehreren herkömmlichen Eingriffen (Harnröhrenschlitzung) hat er sich dazu entschlossen, einen rekonstruktiven Eingriff vornehmen zu lassen.
Nachdem in zeitlicher Nähe zu seinen Beschwerden kein Operationstermin in einem öffentlichen Krankenhaus zu erwarten war, entschloss er sich, den Eingriff von einem Arzt in einer Privatklinik vornehmen zu lassen. Da er keine Zusatzversicherung hatte, musste er die angefallenen Kosten selbst übernehmen.

Dass der Eingriff medizinisch notwendig war, stellte auch die belangte Behörde nicht in Abrede.

Strittig ist lediglich, ob die Operation in der gewählten Privatklinik auch zwangsläufig erwachsen ist, oder ob diese nicht auch in einem öffentlichen Krankenhaus vorgenommen hätte werden können.

Das erkennende Gericht geht nach umfangreicher Beweiswürdigung davon aus, dass die gewählte Vorgangsweise jedenfalls als außergewöhnliche Belastung im Sinne des Gesetzes zu beurteilen ist.

Beweiswürdigung

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen gehen klar aus dem vorliegenden Arztbrief vom hervor. Vor allem die bereits bisher vorgenommenen Behandlungen (Harnröhrenschlitzungen) haben nicht den gewünschten Erfolg gebracht, sodass die gewählte Vorgangsweise schlussendlich zeitnah notwendig war.

Wie bereits erwähnt, stellt auch die belangte Behörde die medizinische Notwendigkeit der Behandlung außer Streit (Vorlagebericht vom ).

Aus medizinischer Sicht war eine unmittelbare (zeitnahe) Operation jedenfalls notwendig (Befundbericht vom ).

Auch im Beschwerdeschreiben vom wurde klar dargestellt, dass nicht der Wunsch nach beispielsweise einem Einzelzimmer, sondern die medizinische Notwendigkeit die gegenständliche Vorgangsweise vorgegeben haben (Schmerzen).

Es ist also davon auszugehen, dass vor allem auch eine rasche Operation jedenfalls medizinisch indiziert war.

Im Rahmen der Beweiswürdigung ist den Darstellungen des Beschwerdeführers und des behandelnden Arztes jedenfalls Glauben zu schenken, dass eine unmittelbare Operation notwendig war. Der Darstellung in der Beschwerdeschrift, dass zum damaligen Zeitpunkt in der Umgebung Wiens nur Dr. A in der Lage gewesen war, diese Operation durchzuführen, hat auch die belangte Behörde nicht widersprochen.
Dr. A hat dem Beschwerdeführer zwei Operationstermine zur Auswahl gegeben: Zeitnah (bereits am ) in der Privatklinik oder irgendwann in der 2. Hälfte 2020 im Wiener Donauspital.

Der Beschwerdeführer hat den Schritt zur privaten medizinischen Versorgung getätigt, um schnellstmöglich seine Schmerzen zu lindern und keine weitere Verschlechterung zu riskieren.

Tatsache ist, dass der Beschwerdeführer seinen Operationstermin unmittelbar nach der Besprechung mit dem behandelnden Arzt bekommen hat.

Anmerkung Richter: Im Nachhinein betrachtet, war die Entscheidung des Beschwerdeführers offensichtlich jedenfalls richtig, da infolge der pandemiebedingten (Stichwort "Corona") Operationsverschiebungen auch eine Operation in der 2. Hälfte 2020 kaum zu halten gewesen wäre und somit ein noch längerer Leidensweg des Beschwerdeführers vorgezeichnet gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2)
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3)
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4)
Gemäß Abs. 3 leg.cit. erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Im Beschwerdefall wird eine infolge eines operativen Eingriffs mit dem Aufenthalt in einer Privatklinik einhergehende Belastung, somit eine aus tatsächlichen Gründen eingetretene Belastung, geltend gemacht.

Die belangte Behörde bestreitet im Ergebnis die Zwangsläufigkeit der in Rede stehenden Aufwendungen.

Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (vgl. ; ; ).

Wie auch der VwGH in , 2003/13/0064, ausgeführt hat, ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (vgl. ). Bloße Wünsche, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen reichen nicht, um die Zwangsläufigkeit zu rechtfertigen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl. VwGH 4.9,2014, 2012/15/0136; ). Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, § 34 EStG 1988 Anhang II - ABC Tz 35, mit Judikaturhinweisen).

Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (vgl. ; ; ).

Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert. Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen einer Krankheit dienen. Nicht absetzbar sind Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten und die Erhaltung der Gesundheit, für Verhütungsmittel, eine künstliche Befruchtung, eine Frischzellenkur oder eine Schönheitsoperation, weil in diesen Fällen keine oder keine unmittelbare Verbindung zwischen den Aufwendungen und einer Krankheit besteht.

Absetzbar sind v.a. Arzt- und Krankenhaushonorare, Aufwendungen für Medikamente einschließlich medizinisch verordneter homöopathische Präparate und Aufwendungen für Heilbehelfe (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78).

Im Beschwerdefall werden die triftigen medizinischen Gründe aufgrund folgender Tatsachen als gegeben angesehen:
Das Vorliegen der Zwangsläufigkeit wäre jedenfalls zu verneinen, wenn die Aufwendungen lediglich auf bloße Wünsche und Vorstellungen des Beschwerdeführers über eine bestimmte medizinische Behandlung zurückzuführen gewesen wären.

Dies war aber keineswegs der Fall. Es bestand bloß der Wunsch, aufgrund der medizinischen Notwendigkeit, so rasch wie möglich eine Operation durchführen zu lassen, um ein weitgehend erträgliches - schmerzfreies - Leben führen zu können.

Wenn das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung vom anführt, dass eine kürzere Wartezeit für sich alleine noch keinen triftigen Grund für die Behandlung in einem Privatspital darstellt, so wird dem hier auch nicht widersprochen. Die kürzere Wartezeit alleine ist nicht ausschlaggebend.

Ausschlaggebend ist das körperliche Befinden (die vorhandenen Schmerzen des Beschwerdeführers), welche eine zeitnahe Operation jedenfalls als zwangsläufig erfordert haben. Der behandelnde Arzt stellte in seinem Befundbericht vom unmissverständlich klar dar, dass die Harnröhrenenge zum Operationszeitpunkt bereits beträchtlich (11,5 cm) war. Dadurch war aus medizinischer Sicht eine unmittelbare Operation notwendig, um dem Beschwerdeführer akute Schmerzen zu nehmen. Zu beachten ist hierbei auch, dass der Beschwerdeführer bereits mehrmals an der Harnröhre operiert wurde. Diese Eingriffe führten aber nicht zum gewünschten Erfolg. Auch unter diesen Gegebenheiten ist eine zeitnahe - andere Operationstechnik - jedenfalls als medizinisch indiziert anzusehen.
Der behandelnde Arzt hat in diesem Schreiben wörtlich folgendes ausgesagt:
"Die Dringlichkeit und Notwendigkeit dieser OP-Technik kann keinesfalls in Frage gestellt werden."

Dass eine medizinische Notwendigkeit bestand (somit die Zwangsläufigkeit gegeben ist), geht jedenfalls weiters aus dem vorliegenden Arztbrief vom hinsichtlich der stationären Aufnahme des Beschwerdeführers, sowie aus dem Befundbericht vom des behandelnden Arztes hervor. ("… beträchtliche Harnröhrenenge; Leidensdruck; mehrere konventionelle, nicht erfolgreiche Harnröhrenschlitzungen; …").

Ein Zuwarten hätte sich somit jedenfalls nachträglich auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ausgewirkt, da die Schmerzen und die länger andauernde Harnröhrenverengung glaubhaft zu einer wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung geführt hätten.

Dass der Befundbericht () erst nach der durchgeführten Operation verfasst wurde, kann dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen.

So hat der VwGH etwa im Erkenntnis einen Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil sich die belangte Behörde nicht mit einem bestimmten Vorbringen auseinandergesetzt hat. Das Vorbringen wurde im zitierten Verfahren in Form einer Bestätigung eingebracht, die nach der erfolgten medizinischen Behandlung ausgestellt worden ist.

Daraus ist zu schließen, dass auch ärztliche Bestätigungen über triftige medizinische Gründe, die im Nachhinein ausgestellt werden, im Rahmen der Beweiswürdigung Berücksichtigung finden müssen (vgl. ; ).

Wie also bereits ausgeführt wurde, sind die mit dem stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Privatklinik verbundenen Aufwendungen als zwangsläufig zu qualifizieren, weil der stationäre Aufenthalt nicht auf bloße Wünsche und Vorstellungen des Beschwerdeführers über eine bestimmte medizinische Behandlung, sondern auf den Umstand, dass ein Zuwarten auf einen öffentlichen Platz aus medizinischer Sicht nicht tragbar war, zurückzuführen ist.

Dass der Grund für die Privatklinik darin gegeben sein hätte können, dass der Beschwerdeführer beispielsweise ein Einzelzimmer hätte haben wollen, bzw. Besucherzeiten flexibler gewesen seien, hat auch die belangte Behörde nicht eingewendet.
Diese Gründe sind nach Ansicht des erkennenden Richters auch tatsächlich nicht vorgelegen.

Anzumerken ist hierzu weiters, dass in schweren Fällen einer Harnröhrenverengung (gegenständlich war es eine beträchtliche Verengung im Ausmaß von 11,5 cm) es zum Beispiel zu einem sogenannten Harnverhalt, also einer kompletten Blockade der Harnröhre kommen kann. Wenn dieser Harnverhalt andauert, stellen sich starke Schmerzen ein, und der Urin staut sich bis in die Niere zurück. Das heißt also, dass neben den Schmerzen ein Zuwarten einer Behandlung auch zu einer Beeinträchtigung der Niere führen kann. Auch aus diesem Grund war ein zeitnaher Eingriff unabdingbar.

Nochmals ist auch auf den Umstand zu verweisen, dass der Beschwerdeführer bereits mehrmals, nicht zielführende, Behandlungen vornehmen hat lassen.

Die nunmehr verursachten Kosten sind vor diesem Hintergrund aufgrund der hierfür gegebenen medizinischen Notwendigkeit dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, "soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 iVm Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt."

Die im gegenständlichen Fall anzuerkennenden Belastungen sind weiters um eine allfällige Haushaltsersparnis zu kürzen und den nach der Maßgabe des § 34 Abs. 4 EStG 1988 berechneten Selbstbehalt zu vermindern.

Berechnung a.g.B. mit Selbstbehalt:
+ Kosten Operation: 11.336,78 €
- abzgl. HH-Ersparnis: -20,92 € (4*5,23 €)
+ Dr. A: 95,00 €
+ Hörtechnik: 730,00 €
+ Dr. B: 220,00 €
- Ersatz Gesundheitskasse (): -46,18 €
Gesamtsumme a.g.B.: 12.314,68 € (vor Selbstbehalt)

Der beantragte zusätzliche Aufwand Dr. A (220,00) konnte nicht berücksichtigt werden, da diese Rechnung bereits im Jahr 2019 bezahlt wurde ().
Gemäß § 19 Abs. 2 EStG 1988 sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.

Hinsichtlich der festgesetzten Einkommensteuer wird auf das als Beilage angeschlossene Berechnungsblatt verwiesen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegenständliche Beurteilung beruht auf einer auf Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösenden Tatfrage. Somit liegt keine Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Beilage:

Berechnungsblatt Einkommensteuer 2020

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at