zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 06.12.2022, RV/7102905/2022

Kein Nachweis eines von der GrundanteilV 2016 abweichenden Wertverhältnisses zwischen Grund und Boden und Gebäude

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger, sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Andrea Prozek und den fachkundigen Laienrichter Gerald Cuny-Kreuzer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Frieb - Causa Steuerberatung GmbH, Türkenstraße 25 Tür 8, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin FOI Andrea Newrkla zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise (im Sinne der Beschwerdevorentscheidung) Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Angefochtener Bescheid

Dem Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurden von der Beschwerdeführerin erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 792,37 Euro zugrunde gelegt. In der Begründung wurde bezüglich der Berechnung der Absetzung für Abnutzung (AfA) der von der Beschwerdeführerin vermieteten Wohnung erklärt, diese habe kein Gutachten über die abweichende Aufteilung von Grund und Boden nachgereicht, weshalb der Grundanteil laut Grundanteilverordnung 2016 mit 30% der Anschaffungskosten berechnet worden sei. Daraus habe sich ein Gebäudeanteil in Höhe von 354.823,14 Euro und eine jährliche AfA von 5.322,35 Euro ergeben. Da die Wohnung erst ab dem vermietet worden sei, habe für das Jahr 2019 nur eine Halbjahres-AfA in Höhe von 2.661,18 Euro berücksichtigt werden können.

2. Beschwerde

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin die Berechnung der AfA laut der vorgelegten Berechnung, und zwar für das gesamte Jahr. Die Tatsache, dass die Wohnung erst ab vermietet gewesen sei, ändere nichts an der Tatsache, dass die Fertigstellung des Gebäudes bereits in der ersten Jahreshälfte erfolgt sei, und somit zu diesem Zeitpunkt auch die Abschreibung beginne, auch wenn durch die Mietersuche der Mietbeginn erst in die zweite Jahreshälfte gefallen sei. Darüber hinaus handle es sich bei der vermieteten Wohnung um ein ganz neu errichtetes Gebäude. In der vorgelegten Berechnung sei der Anteil von Grund und Boden basierend auf den Anschaffungskosten des Bauträgers für Grund und Boden in Bezug auf den Anteil am Wohnobjekt (um die Nebenspesen erweitert) berechnet worden (der ursprüngliche Kaufvertrag werde beigelegt). Aufgrund der Neuerrichtung entfalle natürlich der Hauptteil der Anschaffungskosten auf das Gebäude, und sei hier ein pauschaler Abzug in der Höhe von 30% unzutreffend.

Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Berechnung sowie Kauf- und Mietvertrag der Eigentumswohnung waren dem Finanzamt bereits im Rahmen eines vor Bescheiderlassung durchgeführten Vorhalteverfahrens übermittelt worden.

3. Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde insoweit teilweise Folge gegeben, als bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Ganzjahres-AfA in Abzug gebracht wurde.

In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass der Anteil für Grund und Boden ohne konkreten Nachweis (Gutachten eines Sachverständigen) pauschal laut Grundanteilverordnung 2016 zu ermitteln sei. Da die Wohnung ausschließlich für Vermietungszwecke erworben worden sei, habe auch bereits für 2019 die Ganzjahres-AfA abgezogen werden können.

4. Vorlageantrag

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag beantragte die Beschwerdeführerin, die Einkommensteuer 2019 erklärungsgemäß zu veranlagen, und verlangte einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274Abs. 1 Z 1 BAO sowie die Entscheidung durch den Senat gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 BAO.

Sie gab an, 2019 ein Vermietungsobjekt in ***V-Adr***, erworben zu haben. Die Aufteilung des Grund- und Bodenanteils sowie Gebäudeanteils sei in der Einkommensteuererklärung 2019 nicht auf Basis der GrundanteilV, sondern auf Grund der tatsächlich vorliegenden Verhältnisse vorgenommen worden. Nachdem der Bauträger das Grundstück kurz vorher erworben und sodann das Gebäude errichtet habe, sei der tatsächliche Zeitwert des Grundstücks bekannt gewesen. In der Einkommensteuererklärung 2019 sei somit der den Anteilen an der Gesamtimmobilie entsprechende Grund- und Bodenanteil bemessen am Kaufpreis des Grundstücks angesetzt worden.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 sei das pauschale Aufteilungsverhältnis (und die abweichenden pauschalen Verhältnisse, welche mit der GrundanteilV festgelegt worden seien) nur anzuwenden, wenn ein anderes Aufteilungsverhältnis nicht nachgewiesen werden könne. Weiters seien die pauschalen Verhältnisse nicht anzuwenden, wenn die tatsächlichen Verhältnisse offenkundig erheblich davon abwichen.

Generell habe die Aufteilung von Gebäude und Grund und Boden nach dem Verhältnis der Verkehrswerte zu erfolgen (vgl. "Verhältnismethode" laut ;EStR Rz 6447).

Im vorliegenden Fall sei der Verkehrswert von Grund und Boden definitiv bekannt, da dieser durch den Bauträger kurz vorher erworben worden sei. Es könne somit durch den Kaufpreis der Wohnung retrograd eine Ermittlung des Grundanteils sowie Gebäudeanteils erfolgen.

Aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse ergebe sich ein Grundanteil in Höhe von 90.812,03 Euro. Ermittelt nach der GrundanteilV ergebe sich ein Grundanteil von 152.067,06 Euro.

Bedingt durch den vergleichsweise kleinen Grund und darauf befindlicher hoher Anzahl an Wohnungen, sei der Grundanteil deutlich niedriger, als wenn man diesen nach der pauschalen Berechnung der GrundanteilV ermittelt hätte. Es könne daher festgehalten werden, dass die tatsächlichen Verhältnisse offenkundig erheblich von den pauschalen Verhältnissen abwichen, weshalb die pauschale Ermittlung gemäß EStR Rz 6447 nicht anzuwenden sei.

Weiters sei festgehalten, dass ein Abweichen vom pauschalen Aufteilungsverhältnis nicht zwingend mittels Gutachten nachgewiesen werden müsse. Im vorliegenden Fall sei es jedenfalls treffsicherer, den Grundanteils mittels direkt vorangegangenem Kaufvorgang zu ermitteln, da so der tatsächliche Zeitwert widergespiegelt werde.

5. Beschwerdevorlage

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und gab Im Vorlagebericht vom nach Schilderung des Sachverhaltes folgende Stellungnahme ab:

Die von der Beschwerdeführerin angestellte Rechnung im Zusammenhang mit der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage, bei der sie anhand des ursprünglich vom Bauträger bezahlten Kaufpreises für Grund und Boden den anteilig auf sie entfallenden Preis für den Grundanteil ermittelt und in einem zweiten Schritt vom Gesamtkaufpreis für die Eigentumswohnung abgezogen habe, sei nach Ansicht der belangten Behörde nicht durch die Bestimmungen der GrundanteilV 2016 gedeckt und könne nicht den Grundanteil der erst rund 5 Jahre später erworbenen Eigentumswohnung widerspiegeln. Im Übrigen habe die Vermietung erst im Jahr 2019, demnach 7 Jahre nach Kauf durch den Bauträger, begonnen. Im Jahr 2019 hätten naturgemäß andere Wertverhältnisse vorgelegen, weshalb schon aus diesem Gesichtspunkt die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin unzutreffend sei. Bei einem (fiktiven) Erwerb des Grundstückes im Jahr 2017 bzw. 2019 würde naturgemäß ein höherer Preis für den Grundkauf anfallen, als dies im Jahr 2012 der Fall gewesen sei. Im Ergebnis stehe die von der Beschwerdeführerin angestellte Rechnung mit der Intention der GrundanteilV daher nicht im Einklang. Ein Gutachten sei nicht vorgelegt worden. Auch liege kein Anwendungsfall des § 3 Abs. 2 GrundanteilV vor, da die tatsächlichen Verhältnisse nicht offenkundig zu mehr als 50% von den pauschalen Aufteilungsverhältnissen abwichen. Ein Anwendungsfall der von der Finanzverwaltung tolerierten Glaubhaftmachung im Sinne der Grundstückswertverordnung (vgl. Rz 6447 EStR) liege ebenso nicht vor, da der von der steuerlichen Vertretung ermittelte Grundanteil unter 20% liege und überhaupt keine Berechnung nach der Grundstückswertverordnung vorgelegt worden sei.

Die Vermietung bzw. Nutzungsüberlassung von Räumlichkeiten oder Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen (Garage oder Pkw-Abstellplatz) stelle nach Ansicht der belangten Behörde dem Grunde nach keine Gebäudeüberlassung für Wohnzwecke dar, weshalb für die Garage oder den PKW-Abstellplatz ein AfA-Satz von 2,5% anzuwenden gewesen wäre.

Die belangte Behörde vertrat daher im Ergebnis die Rechtsansicht, dass der auszuscheidende Grundanteil gemäß § 2 Abs. 2 erster Fall GrundanteilV 30% betrage, weswegen beantragt wurde, die AfA für die Wohnung mit 5.007,35 Euro und die AfA für die Garage mit 750 Euro, sohin eine AfA von insgesamt 5.757,35 Euro in Abzug zu bringen.

Im Schreiben vom wurde die im Vorlagebericht vertretene Ansicht, dass der AfA-Satz für die Garage 2,5% betrage, revidiert. Im außerbetrieblichen Bereich solle auch für die Garagenvermietung der AfA-Satz von 1,5% zur Anwendung gelangen.

6. Mündliche Verhandlung

In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat wies der steuerliche Vertreter darauf hin, dass sich die belangte Behörde erstmals mit dem Beschwerdevorbringen im Vorlagebericht auseinandergesetzt habe. Bis dahin sei die Möglichkeit eines Gegenbeweises zur Grundanteilverordnung negiert worden.

Über Befragen erklärte er, die im Grundbuch für die Wohnung und die Garage der Beschwerdeführerin ausgewiesenen Anteile anzuerkennen. Er gestand auch ein, dass die von ihm aufgestellte Berechnung unter Heranziehung der Anteile laut Grundbuch einen Grundanteil von rund 27% ergeben würde.

Der Finanzamtsvertreter verwies auf sein bisheriges Vorbringen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin erwarb mit Vertrag vom um insgesamt 460.000 Euro von einem Bauträger eine Eigentumswohnung mit ca. 64,02 m2 Wohnnutzfläche samt Balkon mit ca. 5,36 m2 und einem Einlagerungsraum mit ca. 1,12 m2 im 3. Stock (um 430.000 Euro) gemeinsam mit einem Garagenstellplatz im 1. Untergeschoss (um 30.000 Euro) in ***V-Adr***, in einem Gebäude, in dem sich ein Geschäftslokal und rund 35 Wohnungen sowie rund 32 KFZ-Stellplätze befinden. Ihr Anteil an der Liegenschaft beträgt damit insgesamt 71/4166, wovon 62/4166 Anteile auf die Eigentumswohnung und 9/4166 Anteile auf den KFZ-Stellplatz entfallen.

Der Bauträger hatte die Liegenschaft, auf der die Wohnhausanlage errichtet wurde, mit Vertrag vom um 7.200.000 Euro erworben. Die dem Bauträger im Zusammenhang mit der Anschaffung der Liegenschaft erwachsenen Nebenkosten betrugen in etwa 10%. Dem Bauträger erwuchsen daher rund 7.920.000 Euro an Anschaffungskosten für das Grundstück.

Die Beschwerdeführerin vermietet die Wohnung seit September 2019. Sie hat für die Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage einen Grundanteil von 18% ausgeschieden. Die Berechnung erfolgte wie folgt:

Von den Anschaffungskosten des Bauträgers für die Liegenschaft wurde der nach Meinung der Beschwerdeführerin auf sie entfallende Miteigentumsanteil als Grundanteil von den Anschaffungskosten der Wohnung und der Garage abgezogen. Der so ermittelte Betrag wurde als Bemessungsgrundlage für die AfA herangezogen, die unter Zugrundelegung eines AfA-Satzes von 1,5% in Höhe von 6.241,17 Euro ermittelt wurde.

Weitere Unterlagen zur Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage, wie insbesondere ein Sachverständigengutachten, wurden nicht vorgelegt.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen und ist auch nicht strittig.

Strittig ist ausschließlich, ob der bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von den Anschaffungskosten der Eigentumswohnung und des KFZ-Stellplatzes auszuscheidende Grundanteil pauschal gemäß § 2 Abs. 2 erster Fall GrundanteilV 2016 zu bestimmen ist, oder ob ein Anwendungsfall des § 3 Abs. 1 GrundanteilV 2016 (Nachweis der tatsächlichen Verhältnisse) vorliegt.

Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen.

Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als § 16 EStG 1988 dies ausdrücklich zulässt.

Gemäߧ 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 sind Werbungskosten auch Absetzungen für Abnutzungen und für Substanzverringerungen (§§ 7 und 8 EStG 1988). Gehört ein abnutzbares Wirtschaftsgut (insbesondere Gebäude) nicht zu einem Betriebsvermögen, gilt für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung Folgendes:

a) Grundsätzlich sind die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu Grunde zu legen. Bei der Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind § 6 Z 11 und 12 EStG 1988 zu berücksichtigen. § 13 EStG 1988 ist anzuwenden.

b) Wird ein Wirtschaftsgut unentgeltlich erworben, ist die Absetzung für Abnutzung des Rechtsvorgängers fortzusetzen.

c) Wird ein zum nicht steuerverfangenes Grundstück im Sinne des § 30 Abs.1 EStG 1988 erstmalig zur Erzielung von Einkünften verwendet, sind der Bemessung der Absetzung für Abnutzung die fiktiven Anschaffungskosten zum Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung zur Einkünfteerzielung zu Grunde zu legen.

d) Bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, können ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5% der Bemessungsgrundlage (§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. a bis c EStG 1988) als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden. Ohne Nachweis eines anderen Aufteilungsverhältnisses sind von den Anschaffungskosten eines bebauten Grundstückes 40% als Anteil des Grund und Bodens auszuscheiden. Dies gilt nicht, wenn die tatsächlichen Verhältnisse offenkundig erheblich davon abweichen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, an Hand geeigneter Kriterien (z. B. Lage, Bebauung) abweichende Aufteilungsverhältnisse von Grund und Boden und Gebäude im Verordnungswege festzulegen.

Mit dem Ziel einer "sachgemäße[n] Ausdifferenzierung des gesetzlich vorgesehenen einheitlichen Aufteilungsschlüssels" erging gemäß der gesetzlichen Ermächtigung zur Berücksichtigung unterschiedlicher örtlicher oder baulicher Verhältnisse (vgl. Materialien zum StRefG 2015/2016) die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Festlegung des Grundanteils bei vermieteten Gebäuden im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988, BGBl. II Nr. 99/2016 (GrundanteilV 2016), die Folgendes normiert:

"§ 1. Für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung von den Anschaffungskosten eines bebauten Grundstückes ist der Anteil des Grund und Bodens auszuscheiden. Ohne Nachweis ist der auszuscheidende Anteil des Grund und Bodens nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ermitteln.

§ 2.

(1) In Gemeinden mit weniger als 100 000 Einwohnern sind als Anteil des Grund und Bodens 20% auszuscheiden, wenn der durchschnittliche Quadratmeterpreis für als Bauland gewidmete und voll aufgeschlossene unbebaute Grundstücke (baureifes Land) weniger als 400 Euro beträgt.

(2) In Gemeinden mit mindestens 100 000 Einwohnern und in Gemeinden, in denen der durchschnittliche Quadratmeterpreis für als Bauland gewidmete und voll aufgeschlossene unbebaute Grundstücke (baureifes Land) mindestens 400 Euro beträgt, sind als Anteil des Grund und Bodens

- 30% auszuscheiden, wenn das Gebäude mehr als 10 Wohn- oder Geschäftseinheiten umfasst, oder

- 40% auszuscheiden, wenn das Gebäude bis zu 10 Wohn- oder Geschäftseinheiten umfasst.

Eine eigene Geschäftseinheit liegt jedenfalls pro angefangenen 400 m2 Nutzfläche vor.

(3) Für die Bestimmung der Anzahl der Einwohner ist das jeweils letzte Ergebnis einer Volkszählung heranzuziehen, das vor dem Beginn des Kalenderjahres veröffentlicht worden ist, in dem erstmalig eine Absetzung für Abnutzung angesetzt wird.

(4) Für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung bereits vermietete Grundstücke ist auf die gemäß Abs. 1 bis 3 relevanten Verhältnisse zum abzustellen.

§ 3.

(1) Der auszuscheidende Anteil des Grund und Bodens ist nicht nach § 2 pauschal zu ermitteln, wenn er nachgewiesen wird. Der Nachweis kann beispielsweise durch ein Gutachten eines Sachverständigen erbracht werden. Ein vorgelegtes Gutachten unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde.

(2) Der Anteil des Grund und Bodens ist gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d dritter Satz EStG 1988 dann nicht nach § 2 pauschal auszuscheiden, wenn die tatsächlichen Verhältnisse offenkundig erheblich davon abweichen. Eine erhebliche Abweichung ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Anteil des Grund und Bodens um zumindest 50% abweicht.

§ 4. Die Verordnung tritt mit in Kraft und ist erstmalig bei der Veranlagung für das Jahr 2016 unter Beachtung des § 124b Z 284 EStG anzuwenden."

Gemäß den Erläuterungen zur GrundanteilV (vgl. dazu unter https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Begut/BEGUT_COO_2026_100_2_1159670/COO_2026_100_2_1159687.pdf) "trägt die Differenzierung nach Art der Bebauung dem Umstand Rechnung, dass in der Regel der Grundanteil sinkt, je mehr Einheiten pro Gebäude vorhanden sind, während das Abstellen auf die Anzahl der Einwohner sowie den durchschnittlichen Quadratmeterpreis den höheren Wert des Grund und Bodens im Vergleich zu den - keinen größeren Schwankungen unterliegenden - Baukosten berücksichtigen soll. In ländlichen Gebieten sind in der Regel die Grundstückspreise geringer, sodass der Gebäudeanteil eine größere Rolle spielt. Dementsprechend soll der Grundanteil niedriger angesetzt werden können."

Entsprechend der neuen gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 ist ab im außerbetrieblichen Bereich der Grundanteil grundsätzlich pauschal mit 40% der Anschaffungskosten des bebauten Grundstückes anzusetzen. Von diesem gesetzlich vorgegebenen pauschalen Aufteilungsverhältnis (Grundanteil 40%, Gebäudeanteil 60%) kann ohne entsprechenden Nachweis eines niedrigeren Grund- und Boden-Anteiles (z.B. durch ein der freien Beweiswürdigung der Behörde unterliegendes Gutachten) nur unter Beachtung der GrundanteilV 2016 abgewichen werden. Die neuen pauschalen Aufteilungsverhältnisse sind - wie oben dargelegt - erstmalig bei der Veranlagung für das Jahr 2016 anzuwenden.

Im Beschwerdefall wurde von der Beschwerdeführerin ein Nachweis für die vom gesetzlich vorgesehenen Aufteilungsverhältnis abweichende Aufteilung, etwa durch ein Schätzungsgutachten, nicht erbracht. Damit war gegenständlich zu prüfen, ob auf Grund der GrundanteilV 2016 eine vom gesetzlichen 40/60-Aufteilungsverhältnis abweichende pauschale Aufteilung vorgenommen werden kann.

Wie oben dargelegt befindet sich das gegenständliche Wohnungseigentumsobjekt in einer Gemeinde mit mindestens 100.000 Einwohnern und umfasst mehr als 10 Wohn- oder Geschäftseinheiten, weshalb der Anteil des Grund und Bodens gemäß § 2 Abs. 2 GrundanteilV grundsätzlich mit 30% aus dem einheitlichen Kaufpreis auszuscheiden ist.

Sowohl § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG als auch die GrundanteilV normieren, dass dieser pauschale Ansatz dann zur Anwendung kommt, wenn kein anderes Aufteilungsverhältnis nachgewiesen wird. Gesetz und Verordnung stellen somit in Bezug auf den Anteil des Grund und Bodens eine Vermutung im Sinne des § 167 Abs. 1 BAO auf; die Beweislast für die Widerlegung dieser Vermutung trifft die Steuerpflichtige (vgl. , betreffend Widerlegung der gesetzlich vermuteten Nutzungsdauer).

§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 bestimmt weiters, dass das pauschale Aufteilungsverhältnis dann nicht gilt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse offenkundig erheblich davon abweichen, wobei § 3 Abs. 2 GrundanteilV 2016 präzisiert, dass eine erhebliche Abweichung nur dann gegeben ist, wenn der tatsächliche Anteil des Grund und Bodens um zumindest 50% abweicht.

Derart erhebliche Wertabweichungen setzen entsprechend eindeutige wertmindernde oder werterhöhende Umstände voraus, die offenkundig, dh. für "jedermann ohne jede Schwierigkeit und ohne besondere Fachkenntnisse ersichtlich" sein müssen. Die Anwendung des pauschalen Ansatzes als Regelfall soll daher nur in besonders gelagerten Fällen, "Extremfällen" (vgl. Herzog, Einkommensteuerliche Änderungen bei den Grundstücken ab 2016, SWK 2016, 1035), in denen die erhebliche Abweichung klar zu Tage tritt, ausgeschlossen sein. Im gegenständlichen Fall müsste daher der Grundanteil unter 15% der Anschaffungskosten liegen.

Von der Beschwerdeführerin wurde kein Nachweis des konkreten Wertverhältnisses zwischen Gebäude- und Grundstückswert erbracht, insbesondere auch kein Sachverständigengutachten, vorgelegt. Aus der vorgelegten Berechnung ergibt sich ein Grundwertanteil von 17,92%. Damit schließt selbst diese - den tatsächlichen Verhältnissen keineswegs entsprechende - Berechnung ein erhebliches Abweichen (von zumindest 50%) der tatsächlichen Verhältnisse vom pauschalen Aufteilungsverhältnis aus.

Darüber hinaus ist aber auch anzumerken, dass die von der Beschwerdeführerin angewandte Berechnung tatsächlich zu folgendem Ergebnis kommen müsste:

Laut Grundbuchsauszug verfügte die Beschwerdeführerin über einen Anteil von 62/4166 für die Eigentumswohnung und von 9/4166 für den KFZ-Stellplatz, also insgesamt über einen Anteil an der Liegenschaft von 71/4166. Würde man diesen Anteil von den ursprünglichen Anschaffungskosten des Bauträgers berechnen, so käme man auf einen Betrag in Höhe von 134.978 Euro, was einem Grundanteil von rund 26,6% entsprechen würde und somit von dem pauschalierten Abzug von 30% kaum abweichen würde.

Diese Berechnung lässt aber außer Acht, dass vom Bauträger einerseits eine bebaute Liegenschaft erworben wurde, die in der Folge saniert und ausgebaut wurde, und sich andererseits die Grundstückspreise in der Zeit von 2012 bis 2017 erheblich verändert haben. Darüber hinaus sagt auch der Preis, zu dem das Grundstück erworben worden ist, nichts darüber aus, zu welchem Preis der Bauträger bereit war, dieses wiederum zu veräußern, zumal dieser bei der Kalkulation den Anschaffungskosten zumindest Kreditkosten und einen Gewinnaufschlag hinzurechnen wird.

Der Beschwerdeführerin gelingt es mit ihrer Berechnung damit nicht, die in der GrundanteilV 2016 normierte Vermutung, die für den von der Beschwerdeführerin erworbenen Liegenschaftsanteil einen Grundanteil von 30% annimmt, zu widerlegen. Die Beweislast für die Widerlegung dieser gesetzlichen Vermutung trifft aber die Beschwerdeführerin.

Auch wenn der Beschwerdeführerin jede Art der Beweisführung offensteht, wird der Nachweis eines von dem in der GrundanteilV 2016 festgelegten Aufteilungsverhältnis abweichenden Wertverhältnisses doch ein nach den Grundsätzen der Verhältniswertmethode erstelltes Sachverständigengutachten erfordern, um im Rahmen der behördlichen/gerichtlichen Beweiswürdigung von der Richtigkeit des Ergebnisses zu überzeugen.

Da bei bloßen Wohngebäuden in der Regel die rein altersbedingte Abnutzung des Gebäudes gegenüber der nutzungsbedingten Abnutzung in den Vordergrund tritt, kann AfA nicht erst ab der Vermietung, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, in dem es zur Vermietung bereitsteht, geltend gemacht werden (vgl. ).

Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung waren daher - wie in der Beschwerdevorentscheidung - unter Abzug einer AfA von 1,5% der um einen 30%igen Grundanteil verminderten Anschaffungskosten zu ermitteln.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da es sich bei der Frage, ob der Beschwerdeführerin der Nachweis eines von der GrundanteilV 2016 abweichenden Aufteilungsverhältnisses der Anschaffungskosten der von ihr vermieteten Liegenschaftsanteile gelungen ist, um eine Frage der Beweiswürdigung handelt, wurde im gegenständlichen Fall über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Daher war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
GrundanteilV 2016, BGBl. II Nr. 99/2016
§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. a bis c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102905.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at