Doppelte Haushaltsführung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Helmut Mittermayr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe bleiben unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2014 vom machte der Beschwerdeführer (im Folgenden abgekürzt: Bf) Kosten für Familienheimfahrten (3.672 Euro) sowie Kosten für doppelte Haushaltsführung (2.540 Euro) geltend.
Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf aufgefordert diverse Fragen betreffend die Familienheimfahrten und die doppelte Haushaltsführung zu beantworten und Unterlagen vorzulegen.
Dieses Ergänzungsersuchen wurde nicht beantwortet, weshalb im Einkommensteuerbescheid 2014 vom die beantragten Kosten nicht anerkannt wurden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . Begründend führte der Bf darin aus, dass er mit seiner Gattin in Ungarn in einer Eigentumswohnung in Adr1, H-PLZ Ort lebe. Seine Gattin arbeite in Ungarn und habe Einkünfte in Höhe von 259.420 HUF (827,81 Euro, Umrechnung mit L 17b 2014) gehabt. Zusätzlich pflege seine Gattin die Mutter des Bf (Name1), welche ständige Hilfe brauche.
Der Bf bewohne in H gemeinsam mit 3 anderen Personen eine 70 m² große Wohnung. Von H pendle er täglich zu seinem Dienstort in R (einfache Wegstrecke 10 Kilometer). Zum Familienwohnsitz fahre er 1-3mal pro Monat und immer alleine mit dem eigenen PKW. Die einfache Wegstrecke betrage 500 Kilometer.
Laut Beschwerdeausführungen liege der Beschwerde eine Bestätigung über die ständige Pflegbedürftigkeit der Mutter des Bf bei., was jedoch nicht zutrifft. Gemeinsam mit der Beschwerde wurden das Formular E 9 für 2014 der Gattin, Kopien von Führerschein und Zulassungsschein, ein Grundbuchsauszug für den Wohnsitz in Ungarn (Eigentumswohnung) und eine Arbeitgeberbestätigung, aus der hervorgeht, dass vom Arbeitgeber keine steuerfreien Zahlungen für Familienheimfahrten erfolgen, vorgelegt.
Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf um Vorlage des Mietvertrages für die Wohnung in H, den belegmäßigen Nachweis der geleisteten Mietzahlungen im Jahr 2014, einer Übersetzung für den vorgelegten Grundbuchsauszug, einer Bestätigung der Pflegebedürftigkeit der Mutter des Bf (in deutscher Übersetzung) sowie der eigenen Geburtsurkunde ersucht. Zusätzlich wurden Informationen über den Wohnsitz der Mutter des Bf und über den Zeitpunkt des Einzuges in die Eigentumswohnung abverlangt.
Mit seiner Antwort vom übermittelte der Bf den Grundbuchsauszug abermals in ungarischer Sprache. Der Bf gab an, mit seiner Gattin seit 1984 in der Eigentumswohnung zu leben. Zusätzlich legte der Bf die Meldekarten von ihm und seiner Gattin, seine Geburtsurkunde, die Sterbeurkunde seiner Mutter und eine Bankbestätigung über den Dauerauftrag für die Wohnung in H vor. Zu seiner Mutter gab er an, dass sie 2018 verstorben sei und aufgrund ihres Gesundheitszustandes im gemeinsamen Haushalt mit ihm und seiner Gattin gelebt habe. Eine ärztliche Bestätigung habe er bereits mit der Beschwerde vorgelegt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht nachgewiesen worden sei. Dies vor allem deshalb, weil die Pflegebedürftigkeit der Mutter nicht nachgewiesen worden sei.
Am brachte der Bf eine mit datierte, als Berufung bezeichneten und als Vorlageantrag zu wertenden, Schriftsatz gegen die Beschwerdevorentscheidung vom ein. In der Beilage übermittelte der Bf ein Dokument vom , in welchem von Dr. DE bestätigt wurde, dass Name1, Adresse ADR3, an verschiedenen Krankheiten leide und ständig Hilfe benötige.
Aufgrund der fehlenden Unterschrift am Vorlageantrag wurde am ein Mängelbehebungsauftrag erlassen.
Der Mangel wurde mit Schreiben vom behoben.
Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt,
Am teilte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht mit, dass der Bf am verstorben sei. Erbin ist die Ehegattin des Bf, ML.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf arbeitete seit durchgehend in Österreich.
Sein Nebenwohnsitz in Österreich, von dem er die Arbeitsstätte aufsuchte, war in H PLZ1, ADR2.
Die Ehegattin des Bf verfügte laut dem vorgelegten Formular E 9 für 2014 lediglich über Einkünfte in Höhe von € 828,00.
Der Familienwohnsitz des Bf befand sich im gesamten Zeitraum in Ungarn in Adr1, H-PLZ Ort.
Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Zur behaupteten Pflege der Mutter durch die Ehegattin ist Folgendes zu sagen: Dass seine Gattin im Jahr 2014 die pflegebedürftige Mutter des Bf betreut habe, wurde vom Bf lediglich behauptet. Die vorgelegte Arztbestätigung vom stellt keinen tauglichen Nachweis für die Verhältnisse im Jahr 2014 dar. Zudem lebte die Mutter des Bf nicht am Familienwohnsitz in H-PLZ Ort, sondern im rund 10 Kilometer entfernten H-PLZ2 SA. Ob die Mutter des Bf dort alleine gelebt hat, ist nicht bekannt.
Eine Feststellung dahingehend, dass die notwendige Pflege der Mutter durch die Ehefrau des Bf eine Verlegung des Familienwohnsitzes verhindern würde, konnte daher nicht getroffen werden.
In der Beschwerde gab der Bf an, dass er an der Adresse TS ZL in PLZ1 H gemeinsam mit 3 weiteren Personen wohne (der zugehörige Mietvertrag wurde nicht vorgelegt). An den Familienwohnsitz in Ungarn fahre der Bf 1-3mal pro Monat. Dabei sei er immer alleine mit dem eigenen PKW unterwegs gewesen.
Laut ZMR-Sicherheitsbehördenabfrage vom waren in der Wohnung in PLZ1 H im Jahr 2014 folgende Personen gemeldet:
- BA gemeldet von bis
- BL gemeldet von bis
- DG gemeldet von bis
- FZ gemeldet von bis
- GR gemeldet von bis
Recherchen durch das Finanzamt in den Datenbanken des BMF haben ergeben: Alle diese Personen stammen aus Ungarn. Eine dieser Personen wohnt in Ungarn sogar im selben Ort wie der Bf und zwei dieser Personen wohnen ca. in der Hälfte der Strecke nach Ort in OR.
Vor diesem Hintergrund scheinen die behaupteten Alleinfahrten des Bf nach Ungarn wenig glaubhaft. Möglich wäre sowohl, dass der Bf bei seinen Kollegen mitgefahren ist oder diese bei ihm. Ob von den Mitfahrern Ersätze an den Fahrer geleistet wurden, ist nicht bekannt. Auch ein Fahrtenbuch über die vom Bf vorgenommenen Fahrten ist nicht vorhanden.
Da der steuerlich bedeutsame Sachverhalt seine Wurzeln im Ausland hat () trifft den Bf eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Letztlich wäre es deshalb am Bf gelegen, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung und der in diesem Zusammenhang geltend gemachten Aufwendungen glaubhaft zu machen und zu belegen ().
Indem der Bf die Ergänzungsersuchen gänzlich oder zumindest teilweise unbeantwortet ließ, ist er seiner diesbezüglichen erhöhten Mitwirkungspflicht jedoch nicht nachgekommen.
Eine Feststellung hinsichtlich notwendiger Familienheimfahrten konnte daher ebenfalls nicht getroffen werden.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten und eine doppelte Haushaltsführung dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten Berücksichtigung finden können, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden kann.
Zwar ist die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort (doppelte Haushaltsführung) zunächst beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Stpfl, so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann. Nach einer gewissen Zeit ist es dem Steuerpflichtigen jedoch in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen. Dieser Zeitraum hängt vom Familienstand ab. Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen wird grundsätzlich ein Zeitraum von zwei Jahren angenommen.
Wenn nach diesem Zeitraum der Familienwohnsitz beibehalten wird, ist es Sache des Steuerpflichtigen, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Dabei muss sich die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, aus Umständen von erheblichem objektiven Gewicht ergeben. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus.
Bei einer dauernden Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes ist keine private Veranlassung zu unterstellen, wenn der Ehegatte des Steuerpflichtigen oder der Steuerpflichtige selbst am Familienwohnsitz steuerlich relevante, ortsgebundene Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 6.000 Euro jährlich erzielt (vgl. ; ) oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind ().
Betragen die Einkünfte des (Ehe-)Partners oder des Steuerpflichtigen am Familienwohnsitz höchstens 6.000 Euro, machen sie jedoch mehr als ein Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus, kommt den Einkünften des (Ehe-)Partners bzw. des Steuerpflichtigen eine wirtschaftliche Bedeutung zu, die aus der Sicht des Steuerpflichtigen die Unzumutbarkeit eines Wechsels des Familienwohnsitzes bewirken kann.
Auch eine Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung von pflegebedürftigen Angehörigen () kann bewirken, dass eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zumutbar ist.
Private Veranlassung ist hingegen zu unterstellen, wenn der Steuerpflichtige in anderen Fällen den bisherigen Familienwohnsitz deswegen beibehält, weil er dort z.B. ein Eigenheim errichtet hat.
Im gegenständlichen Fall arbeitet der Bf seit in Österreich.
Wie oben dargelegt ist es nach einer gewissen Zeit dem Steuerpflichtigen jedoch in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen. Dieser Zeitraum hängt vom Familienstand ab. Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen wird grundsätzlich ein Zeitraum von zwei Jahren angenommen.
Dieser Zeitraum ist somit mit Ablauf des Jahres 2013 abgelaufen.
Es ist dem Bf nicht gelungen, einen Grund darzulegen, der verhindern würde, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen. Die beantragten Kosten für Familienheimfahrten und die Kosten für doppelte Haushaltsführung können daher nicht als Werbungskosten anerkannt werden.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das vorliegende Erkenntnis hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, da die entscheidungswesentlichen Umstände im Bereich der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung lagen.
Linz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100869.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at