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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.01.2023, RV/3300003/2022

Identität der Sache im Finanzstrafverfahren, Einstellung

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/3300003/2022-RS1
wie RV/7300027/2014-RS3
Unbeschadet des Umstandes, dass es sich bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer bestimmter Voranmeldungszeiträume um eine mit der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer eines diese Voranmeldungszeiträume (mit)umfassenden Veranlagungszeitraumes nachbestrafte Vortat handelt (; , 2008/13/0076; , 2000/14/0109), werden die beiden Taten durch zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirklichte unterschiedliche Sachverhalte begangen, wodurch die in § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG umschriebenen Tatbestände erfüllt werden. Es sind damit nicht nur in objektiver Hinsicht verschiedene strafrelevante Lebenssachverhalte, sondern auch subjektiv unterschiedliche Tatbestände angesprochen, weil für die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG der qualifizierte Vorsatz der Wissentlichkeit (dolus principalis) erforderlich ist, während zur Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) ausreicht. Solcherart kommt der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (nunmehr dem Bundesfinanzgericht) in Ansehung dieser beiden Finanzvergehen keine Befugnis zur Auswechslung der „Sache“ iSd § 161 Abs. 1 FinStrG zu (vgl. ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Finanzstrafsache gegen die ***Bf*** (vormals ***Name-Bf-alt***), ***Bf-Adr***, vertreten durch RA Univ.-Doz. Dr. Bernd Oberhofer, Maximilianstraße 9, 6020 Innsbruck wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Strafnummer ***Gz***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und das beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde zur Strafnummer ***Gz*** geführte Finanzstrafverfahren wegen des Verdachts, ***GF*** habe als Geschäftsführer des bf. Verbandes durch die elektronische Einreichung der Steuererklärung für die Umsatzsteuer 2019 am vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen an Umsatzsteuer in Höhe von 20.706,10 Euro zu bewirken versucht und dadurch ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 iVm § 13 FinStrG begangen, wird gemäß §§ 136, 157, 82 Abs. 3 lit. b FinStrG eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang / Sachverhalt

Am brachte der bf. Verband die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Kalenderjahr 2019 ein. Aufgrund der Umsatzsteuervoranmeldungen war für diesen Veranlagungszeitraum bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt eine Umsatzsteuer in Höhe von -38.513,53 Euro (Gutschrift) gebucht. Aus der Jahreserklärung resultierte hingegen eine niedrigere Gutschrift in Höhe von -17.807,43 Euro und somit eine Nachforderung in Höhe von 20.706,10 Euro.

Es liegen in nahezu allen Kennzahlen Abweichungen zwischen den Umsatzsteuervoranmeldungen und der Jahreserklärung vor, die sich folgendermaßen zusammenfassen lassen:


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zu gering erklärte Umsätze (Steuer aus den Kennzahlen 022, 029, 057, 072 und 073)
14.178,04
zu viel geltend gemachte Vorsteuer
(Kennzahlen 060, 065, 066)
2.160,70
rückgängig gemachte sonstige Berichtigung
(Kennzahl 090)
4.367,36
Gesamtnachforderung
20.706,10

Vor Bescheiderlassung kontaktierte der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts Österreich die steuerliche Vertretung des bf. Verbandes telefonisch und ersuchte um Übermittlung der Umsatzsteuerverprobung für das Kalenderjahr 2019. Am wurde diese von der steuerlichen Vertretung per Mail an den zuständigen Sachbearbeiter übermittelt. In der Folge erließ das Finanzamt Österreich am den Umsatzsteuerbescheid für 2019, ohne Änderungen gegenüber der Jahreserklärung vorzunehmen.

Zur finanzstrafrechtlichen Beurteilung (wohl in Hinblick auf eine allfällige Abgabenhinterziehung durch die Abgabe einer oder mehrerer unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen) wurde dieser Sachverhalt am vom Finanzamt Österreich dem Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde angezeigt.

Im Irrtum über den Hergang des Abgabenverfahrens und die Provenienz der Umsatzsteuerverprobung leitete das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde am das gegenständliche Finanzstrafverfahren gegen den bf. Verband ein und verständigte ihn über den Vorwurf, ***GF*** habe als Geschäftsführer des bf. Verbandes durch die elektronische Einreichung der Umsatzsteuererklärung für 2019 am vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten eine Abgabenverkürzung an Umsatzsteuer in Höhe von 20.706,10 Euro zu bewirken versucht und dadurch ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 iVm § 13 FinStrG begangen.

Seitens des Beschuldigten wurde keine Stellungnahme zur Einleitung des Finanzstrafverfahrens abgegeben, weshalb das Amt für Betrugsbekämpfung in der Folge am eine Strafverfügung gemäß § 143 FinStrG gegenüber dem bf. Verband erließ, der es den oben dargestellten Tatvorwurf zugrunde legte. Nach rechtzeitigem Einspruch gegen die Strafverfügung wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt. Da trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen war, wurde die Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt. Am erließ das Amt für Betrugsbekämpfung das nunmehr angefochtene Straferkenntnis, welches am zugestellt wurde.

Nach rechtzeitig eingebrachter Beschwerde legte das Amt für Betrugsbekämpfung den Akt am dem Bundesfinanzgericht vor. Im Vorlagebericht führt die belangte Behörde aus, dass sie ihren Irrtum erkannt habe und beantrage, der Beschwerde stattzugeben.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt (Verfahrensgang) ergibt sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Akten des Abgaben- und des Strafverfahrens. Insbesondere ist auf der gegenständlichen Umsatzsteuerverprobung selbst ersichtlich, dass diese von der steuerlichen Vertretung des bf. Verbandes und nicht - wie vom Amt für Betrugsbekämpfung zunächst irrtümlich angenommen - von einem Prüfer der Abgabenbehörde stammt.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Dem bf. Verband wurde von der Finanzstrafbehörde vorgeworfen, durch die Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2019 am eine vorsätzliche Abgabenverkürzung in Höhe von 20.706,10 Euro versucht und dadurch ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 iVm § 13 FinStrG begangen zu haben.

Die inkriminierte Tathandlung (Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung) ist jedoch überhaupt nicht tatbildlich: Es ist geradezu denkunmöglich, dass mit der Einreichung einer Erklärung, die zu einer Nachforderung in Höhe von 20.706,10 Euro führte, eine Hinterziehung gerade dieses Betrages beabsichtigt gewesen wäre. Vielmehr erfüllte der bf. Verband gerade durch die Einreichung der Erklärung und die nachfolgende Übermittlung der Umsatzsteuerverprobung seine abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten.

Im vorliegenden Fall erfüllte allenfalls das Einreichen der Umsatzsteuervoranmeldungen den Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. Unbeschadet des Umstandes, dass es sich bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer bestimmter Voranmeldungszeiträume um eine mit der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer eines diese Voranmeldungszeiträume (mit)umfassenden Veranlagungszeitraumes nachbestrafte Vortat handelt, werden die beiden Taten durch zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirklichte unterschiedliche Sachverhalte begangen. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist es dem Bundesfinanzgericht daher verwehrt, im gegenständlichen Verfahren zu untersuchen, ob ein Finanzvergehen gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG vorliegt, weil dies einer unzulässigen Auswechslung der "Sache" im Sinne des § 161 Abs. 1 FinStrG gleichkäme ().

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Das Amt für Betrugsbekämpfung wird in einem eigenen Verfahren darüber zu entscheiden haben, ob dem Verband ein Finanzvergehen gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG anzulasten ist und ob die nachfolgende Umsatzsteuererklärung gegebenenfalls als Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung entfalten konnte.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das vorliegende Erkenntnis folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Eber in in ZWF 2024, 42
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3300003.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at