Ausbildung zur Rettungssanitäterin im Ausmaß von 100 Theorie- und 160 Praxis-Stunden während einer Dauer von annähernd 2 Monaten stellt eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 dar.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Maria Daniel in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Zeitraum Juli 2021 bis Jänner 2022 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrenslauf:
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt Österreich die von ***Bf1*** für ihre Tochter ***M*** bezogene Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Juli 2021 bis Jänner 2022 zurück. Begründend führte die Behörde aus, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 nicht vorliegen würden, da die Tochter ***M*** (VNR/Geb.dat. ***1***) vom freiwilligen Jahr mit abgemeldet wurde und verweist dabei auf die Bestimmung des § 2 Abs 1 lit k FLAG 1967.
In der daraufhin rechtzeitig erhobenen Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihre Tochter von Juli bis August 2021 eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin abgeschlossen habe. Im September 2021 habe ihre Tochter ein Freiwilliges Soziales Jahr im Krankenhaus ***W*** begonnen, welches sie mit Ende Dezember 2021 beendet habe, da sie eine fixe Zusage für eine Ausbildung beim Hilfswerk-NÖ zur Heimhelferin bekommen habe.
Die Beschwerde wurde durch Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen, da nach Ansicht der belangten Behörde die Ausbildung zur Rettungssanitäterin lediglich 2 Monate umfasste und somit nicht als Berufsausbildung iSd FLAG 1967 gelte. Die Familienbeihilfe sei von Juli bis August 2021 aufgrund der Zwischenzeit zwischen Beendigung der Lehre und des Freiwilligen Sozialen Jahres gewährt worden. Da das Freiwillige Soziale Jahr vorzeitig beendet wurde, falle nach Ansicht der belangten Behörde somit auch der Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe in diesem Zwischenzeitraum weg.
Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom . Die Antragstellerin führt begründend aus, dass die Ausbildung zum Rettungssanitäter entgegen der Auffassung der belangten Behörde eine Berufsausbildung sei. Die Ausbildung habe vom bis gedauert und 300 Unterrichtseinheiten umfasst (160 Praxis und 140 Theorie). Während der Ausbildung wäre somit eine zeitliche Intensität von 31,25 Wochenstunden (ohne Berücksichtigung der Vorbereitungs- und Selbstlernzeiten) vorgelegen. Nach Ansicht der Antragstellerin sei der Anspruch auf Familienbeihilfe auch bei frühzeitiger Beendigung des Freiwilligen Sozialen Jahres gegeben, da das Gesetz nicht regle, wie lange man diese Freiwilligentätigkeit ausüben müsse.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob die Tochter der Beschwerdeführerin im Streitzeitraum in einer, den Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe begründenden Berufsausbildung stand bzw ob die frühzeitige Beendigung des Freiwilligen Sozialen Jahres für die Rückforderung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge maßgebend ist.
Festgestellter Sachverhalt:
Frau ***M***, geboren am ***xx.xx.xxxx***, hat (nach Abschluss ihrer Lehrzeit) in der Zeit von bis die Ausbildung zur Rettungssanitäterin gem Sanitäter-Ausbildungsverordnung (San-AV), BGBl. II Nr. 420/2003 erfolgreich abgeschlossen. Im darauffolgenden Zeitraum vom bis einschließlich hat Frau ***M*** ein Freiwilliges Soziales Jahr gem Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Freiwilligengesetz - FreiwG) geleistet. Während des Einsatzes in der Einsatzstelle Landesklinikum ***W*** wurde Frau ***M*** im Ausmaß von 34 Wochenstunden pädagogisch begleitet. Die Tochter der Beschwerdeführerin hat in der Folge am mit der Ausbildung zur Heimhelferin im Ausmaß von 30 Wochenstunden begonnen.
Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und ist unstrittig. Insbesondere liegen dem Bundesfinanzgericht für Frau ***M*** eine Ausbildungsbestätigung des Österreichischen Roten Kreuzes zur Rettungssanitäterin gem Sanitäter-Ausbildungsverordnung - San-AV (BGBl. II Nr. 420/2003) vom , sowie eine Teilnahmebestätigung zum Freiwilligen Sozialen Jahr in der Zeit vom bis einschließlich , ausgestellt vom Verein zur Förderung freiwilliger sozialer Dienste in Linz, vor.
Rechtliche Grundlagen:
Gem § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.(…)
Gem § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 steht oben genannten Personen die Familienbeihilfe auch für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Ab 1 lit l sublit aa bis dd und dem Beginn oder Fortsetzung der Berufsausbildung zu, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs 1 lit l sublit aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird.
Gem § 2 Abs 1 lit k FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und die sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; für Kinder die eine in § 3 Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs 1 lit b vorgesehenen Studiendauer.
Gem § 26 Abs 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gem § 33 Abs 3 EStG 1988 ist § 26 FLAG 1967 auch im Fall von zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträgen anzuwenden.
Die Ausbildung zum Rettungssanitäter umfasst nach § 11 Abs 1 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Ausbildung zum Sanitäter - Sanitäter-Ausbildungsverordnung - San-AV (BGBl. II Nr. 420/2003) eine theoretische Ausbildung im Umfang von 100 Stunden sowie eine praktische Ausbildung im Umfang von 160 Stunden.
Rechtlich folgt daraus:
Gemäß § 14 Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeiten und Beruf der Sanitäter (Sanitätergesetz - SanG), können Tätigkeiten des Sanitäters - wozu Rettungssanitäter und Notfallsanitäter zählen - ehrenamtlich oder berufsmäßig ausgeübt werden.
Die Ausbildung zum Rettungssanitäter oder zur Rettungssanitäterin ist eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967, wenn die praktische und theoretische Ausbildung zuzüglich Lernen und Wiederholen zu Hause die überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch nimmt (vgl ).
Während diese Ausbildung bei einer Verteilung der Ausbildungszeit über einen mehr als halbjährigen Zeitraum typischerweise nicht die überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch nimmt (vgl ; Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 45 "Rettungssanitäter"), ist dies hingegen bei einer Verteilung der Ausbildungszeit auf 2 Monate entgegen der Auffassung der belangten Behörde gegeben (vgl ).
Die Ausbildung zur Rettungssanitäterin im Zeitraum vom bis umfasste insgesamt 100 Stunden Theorie-Teil und 160 Stunden praktische Ausbildung (ohne Vorbereitungs- und Lernzeit). Die praktische und theoretische Ausbildung zuzüglich Vorbereitungs- und Lernzeit zu Hause hat die überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch genommen. Somit liegt eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 vor.
Die Tochter der Beschwerdeführerin ist am ***xx.xx.xxxx*** geboren und hat das Freiwillige Soziale Jahr nach Abschluss zur Ausbildung zur Rettungssanitäterin in der Zeit vom bis absolviert. Die Bestimmungen des § 2 Abs 1 lit k FLAG 1967 sind entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht einschlägig, da § 2 Abs 1 lit k FLAG 1967 nur für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben anwendbar ist.
Die vorzeitige Beendigung des Freiwilligen Sozialen Jahres ist im gegenständlichen Fall nicht schädlich für den Anspruch auf Familienbeihilfe, da eine Mindestdauer nur im Fall des § 2 Abs 1 lit k FLAG 1967 vorgesehen ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es handelt sich im konkreten Fall um keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Ob eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellt, ist eine der Revision nicht zugängliche Tatfrage.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. e FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103323.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at