Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 04.2021-10.2022 SVNR.: ***Nr.*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der im September 1989 geborene Beschwerdeführer (Bf.) stellte (am ) folgenden Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung:
Bei dem Kind besteht folgende erhebliche Behinderung bzw. Erkrankung (bitte in Blockschrift anführen):
Schizoaffektive onA, F 25.9, sonstige psychische Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch F 19.8
Ich beantrage den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung
ab April 2021
Das Finanzamt erließ einen Abweisungsbescheid:
Ihr Antrag auf Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung vom
wird abgewiesen für:
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Zeitraum von - bis
(Nach- und Vorname des Bf.) …0989 ab Apr. 2021
Begründung:
Sie haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn Sie voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sind. Die Erwerbsunfähigkeit muss vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Bei Ihnen trifft dies nicht zu (§ 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Das Rechtsmittel der Beschwerde wurde erhoben wie folgt:
Ab bis hatte ich meinen Hauptwohnsitz bei meinen Eltern … Wien.
In diesem Zeitraum habe ich in … eine stationäre Drogentherapie absolviert.
Ab bin ich beim Verein Wobes wohnhaft, absolviere eine ambulante Drogentherapie, nehme ich an der angebundenen Tagesstruktur teil und bin in psychiatrischer Behandlung. Ich habe seit meiner Antragsstellung auf erhöhte Familienbeihilfe keine Einladung zu einem Untersuchungstermin erhalten.
Das Schreiben vom enthält folgende Angaben:
Ich möchte gegen den Abweisungsbescheid vom Beschwerde einbringen.
Bezugnehmend auf den versäumten Untersuchungstermin möchte ich anmerken, dass ich seit meiner letzten Antragsstellung auf erhöhte Familienbeihilfe keine Einladung zu einem Untersuchungstermin erhalten habe und daher den Untersuchungstermin nicht wahrnehmen konnte.
Bezüglich des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit vor 21. Geburtstag bzw. bei Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag reiche ich sobald als möglich eine Bestätigung eines frühen Psychiatrieaufenthaltes nach.
Das Finanzamt erließ folgende Beschwerdevorentscheidung:
Ihre Beschwerde vom wird gemäß § 260 Bundesabgabenordnung (BAO) zurückgewiesen.
Begründung
Ihre Beschwerde wurde nicht fristgerecht eingebracht.
Der Vorlageantrag wurde ohne Erstattung eines weiteren Vorbringen in der Sache eingebracht.
Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Der am ***Tag***.09.1989 geborene Beschwerdeführer (in der Folge Bf.) hat am einen (Eigen)Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrags zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung eingebracht.
Dieser Antrag wurde vom Finanzamt mangels Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom wegen Verspätung zurückgewiesen, wogegen sich der gegenständliche Vorlageantrag richtet.
Beweismittel:
- Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung vom und
- Eingabe des Beschwerdeführers vom
- Beschwerde
- Vorlageantrag
- Bescheinigung des Bundessozialamtes vom
Stellungnahme:
Das Finanzamt beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Begründung:
Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
Gemäß § 6 Abs. 1 haben auch minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Volljährige Vollwaisen haben gemäß Abs. 2 Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie
…
d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden,
…..
Gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).
Gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (Abs. 6).
Der am ***Tag***.09.1989 geborene Bf. stellte mit Eingabe (Beih3) vom , eingebracht am , einen (Eigen)Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrags zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt abgewiesen, weil dem Bf. vom Bundessozialamt in der Mitteilung vom eine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht bescheinigt worden war.
In der Folge brachte der Bf. einen weiteren (Eigen)Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrags zur Familienbeihilfe (Beih3) sowie eine Darstellung seiner Wohnsitze ab April 2021 samt einem Begleitschreiben des Vereins WOBES (Verein zur Förderung von Wohnraumbeschaffung) und einer Verständigung der Pensionsversicherungsanstalt über die Höhe seiner Invaliditätspension ein. Diese Eingabe des Bf. vom , eingebracht innerhalb der Rechtsmittelfrist am , wurde vom Finanzamt als Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom gewertet und ein Mängelbehebungsauftrag zur Behebung der ausgewiesenen Mängel bis erlassen.
Am brachte der Bf. ein Schriftstück mit der Bezeichnung "Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom " ein, mit dem sämtliche in diesem Mängelbehebungsauftrag angeführten Mängel beseitigt worden sind. Das Finanzamt ist daher nunmehr der Ansicht, dass die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid rechtzeitig eingebracht worden ist.
Die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid wegen Verspätung erfolgte daher zu Unrecht.
In weiterer Folge wurde vom Bundessozialamt am eine Bescheinigung erstellt, in der eine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene dauernde Erwerbsfähigkeit des Bf. nicht bestätigt wird.
Da somit im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 iVm § 8 Abs. 5 FLAG nicht vorliegen, wird beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Jahre 2007 (ab September [18. Jahre alt]) bis 2021 - Abgabeninformationssystem- und Sozialversicherungsdaten (Abfragen):
Jahr 2007:
84(1) 0103-0409 W… GmbH 885,00
3(2) 2709-3112 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE ALG 291,84
2008:
3(2) 0101-1301 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE ALG 39,52
3(2) 1401-1102 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE 88,16
3(2) 1202-2402 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE ALG 39,52
3(2) 2502-1903 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE 72,96
84(1) 2003-2109 JOB-TRANSFAIR GEMEINNUETZIG 6.093,34
84(1) 2209-3112 K… Gastronomie GmbH 3.211,22
2009:
84(1) 0101-2912 K… Gastronomie GmbH 11.383,10
2010:
3(2) 0801-2801 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE ALG 491,82
3(2) 2901-0802 Wiener Gebietskrankenkasse 257,62
3(2) 0902-1703 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE ALG 866,54
3(2) 1803-1504 Wiener Gebietskrankenkasse 679,18
3(2) 1604-1705 Wiener Gebietskrankenkasse 749,44
3(2) 1805-1106 Wiener Gebietskrankenkasse 585,50
3(2) 1206-1207 Wiener Gebietskrankenkasse 726,02
3(2) 1307-1308 Wiener Gebietskrankenkasse 749,44
3(2) 1408-1709 Wiener Gebietskrankenkasse 819,70
3(2) 1809-0610 Wiener Gebietskrankenkasse 444,98
3(2) 1010-1111 Wiener Gebietskrankenkasse 772,86
3(2) 1211-1012 Wiener Gebietskrankenkasse 679,18
3(2) 1112-3112 Wiener Gebietskrankenkasse 491,82
2011:
3(2) 0201-1001 Wiener Gebietskrankenkasse 234,20
3(2) 1101-0902 Wiener Gebietskrankenkasse 702,60
3(2) 1002-0205 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE ALG 1.920,44
3(2) 0305-3107 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE NH 2.002,50
3(2) 2709-1710 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE NH 467,25
3(2) 2510-3110 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE NH 155,75
3(2) 0111-2412 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE NH 1.201,50
3(2) 2512-3112 Wiener Gebietskrankenkasse 155,75
* 10.02. - 02.05. Arbeitslosengeldbezug
03.05. - 31.07., 27.09. - 17.10. und 5.10. - 24.12.: Notstandshilfe, Überbrückungshilfe
09.02. - 31.07., 27.09. - 17.10. und 25.10. - 24.12.: Arbeitsuchend
2012:
3 (2) 0201-2212 Wiener Gebietskrankenkasse
2013:
3(2) 2101-0906 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE NH * 3.115,00
3(2) 2207-3107 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE NH 222,50
3(1) 0108-3011 ARBEITSMARKTSERVICE ÖSTERRE PVOR 2.714,50
84(1) 0108-3112 PENSIONSVERSICHERUNGSANSTAL ** 2.593,20
84(1) 2012-2012 VBV Vorsorgekasse AG 0,00
* 21.01. - 09.06. bzw. 22.07. - 31.07.: Notstandshilfe, Überbrückungshilfe
** - : Pensionsbezug gemind. Arbeitsfähigkeit (Sozialversicherungsdatenabfrage)
2014:
84(1) 0101-3107 PENSIONSVERSICHERUNGSANSTAL 3.623,34
84(1) 0101-3112 BAWAG Allianz Vorsorgekasse 0,00
69(2) 0108-3112 Wiener Gebietskrankenkasse FC-MIT VLG …
2015:
84(1) 0110-3112 PENSIONSVERSICHERUNGSANSTAL 1.613,66
69(2) 0201-3109 Wiener Gebietskrankenkasse 737,79
2016:
84(1) 0101-3112 PENSIONSVERSICHERUNGSANSTAL 6.532,92
2017:
84(1) 0101-3112 PENSIONSVERSICHERUNGSANSTAL 6.585,24
2018:
84(1) 0101-3112 PENSIONSVERSICHERUNGSANSTAL 6.767,89
2019:
84(1) 0101-3112 PENSIONSVERSICHERUNGSANSTAL 6.905,04
2020:
84(1) 0101-3112 PENSIONSVERSICHERUNGSANSTAL 11.008,20
2021:
84(1) 0101-3112 PENSIONSVERSICHERUNGSANSTAL 12.760,75
Sachverständigengutachten Dr. B., Fachgebiet Neurologie, vom :
Begutachtung durchgeführt am
Anamnese:
Kindl. Epilepsie mit Einnahme von Mysoline vom 3.-4.Lj.
Tod der Großmutter ca. im 15.Lj. von (Bf.) (bei ihr aufgewachsen);
Beginn mit PC-Spiel World of Warcraft für 7 Jahre;
Cannabiskonsum vom 17.-21.Lj., Zn. Alkoholabusus.
Auftreten von deja-vu-Erlebnissen, Verfolgungswahn und Ängsten dass seine Gedanken
gelesen werden können ab ca. 18.5Lj.
1.stationärer Aufenthalt Psych./OWS 3-4/2010 mit Unterbringung;
seither wiederholte stationäre Aufenthalte im OWS, davon schriftlich vorliegend: 12/2011
(nach Absetzen der Medikation und zwecks Beginn eines Tranquilizerentzugs), 4/2014
(Therapieevaluierung), 1/2015 (Zn. Erregungszustand mit Tätlichkeit gegenüber der
Schwester), 2-3/2015 (Therapieeinstellung bei erheblichen Schlafstörungen) und
zuletzt 5-6/2015 mit Unterbringung (nach sporadischer Medikamenteneinnahme).
Derzeitige Beschwerden:
--
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Seroquel XR 400mg und Risperdal 4mg morgens, Seroquel XR 800mg und Risperdal 4mg
abds.; seit 5/2010 FÄ-Betreuung bei Dr. Ki…/PSD21 1x wö., keine Psychotherapie mehr.
Sozialanamnese:
Ausbildung: 2.Kl. VS wiederholt, KMS-Abschluss, Kurse, EH-Lehre nach 6 Monaten
abgebrochen, ca. 18.-20.Lj. als Abwäscher (Küchengehilfe im ***Restaurant***)
gearbeitet (Vollzeit) - Ende 2009 Kündigung wegen Depressionen u. Überforderung.
Lebt allein; seit 1/2015 besachwaltet (Mag. N…); kein PG-Bezug.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
, Psych./OWS, Primariat Li…: akut polymorph psychotische Störung mit
Zeichen einer Schizophrenie - DD:Hebephrenie; Cannabisabusus, Vd.a. Grenzbegabung,
anamnestisch kindl. Epilepsie.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Ernährungszustand:
Größe: cm [blank ] Gewicht: kg [blank] Blutdruck: [blank]
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
leicht verwaschene Sprache, sonst unauffällig
Gesamtmobilität - Gangbild:
[blank]
Psycho(patho)logischer Status:
latente akustische Halluzinationen nachts sowie Beziehungsideen, Stimmungsschwankungen, Einschlafstörungen, Blickkrämpfe, Unterstützung im Alltag durch die Mutter gegeben, kein Freundeskreis mehr, starke Konzentrations- und Gedächtnisstörung; h.o. Affekt reduziert, Leidensdruck, etwas misstrauisch.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
paranoide Schizophrenie, Zn. Cannabis- und Alkoholabusus.
Oberer Rahmensatz, da langjährige Anamnese mit Erfordernis
mehrfacher stationärer Behandlungen
Pos. Nr.
Gdb % 70
Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
[blank]
Stellungnahme zu Vorgutachten:
--
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
X ja □ nein
GdB liegt vor seit: 03/2010
Herr (Bf.) ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu
verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist vor vollendetem 21. Lebensjahr
eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
EU vor 21.Lj. (3/2010)
□ Dauerzustand
X Nachuntersuchung: in 5 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
da Erstantrag und Besserung möglich
Vor dem absolvierte der Bf. eine stationäre Drogentherapie beim Grünen Kreis (Bestätigung des Vereins WOBES).
Im Rahmen einer gerichtlichen Weisung hat der Bf. seit einen betreuten Wohnplatz des Vereins Wobes in 1050 Wien.
Er besucht die Tagesstruktur Biwog des Verein Wobes. (Bestätigung des Vereins WOBES).
Sachverständigengutachten Dr. H., Fachgebiet Psychiatrie, vom :
Begutachtung durchgeführt am
Anamnese:
VGA vorliegend von 08/2015, GdB. 70%.
Anreise mit dem Taxi, kommt alleine.
Facharzt: Forensisch therapeutisches Zentrum Wien, Dr. H…, Termine dzt. einmal
monatlich.
Psychotherapie: keine.
Vorerkrankungen: keine neuen seit dem VGA.
Stationärer Aufenthalt: 2017 Otto Wagner-Spital (keine Befunde vorliegend).
Reha: keine.
Tagesstruktur: "Ich stehe gegen 07:00 Uhr auf und gehe dann in die Arbeitstherapie, 3-4
mal die Woche".
Forensische Anamnese: Bedrohungsdelikt mit Messer 2017; U-Haft Josefstadt 2020,
Haftstrafe in Garsten (insgesamt 3 Jahre).
Führerschein: wurde entzogen.
Grundwehrdienst: serbischer Staatsbürger.
Erwachsenenvertretung: keine mehr seit 2018.
Derzeitige Beschwerden:
"Ich habe Magenprobleme. Ich glaube, ich habe Gastritis."
Konzentration: "geht."
Schlaf: "geht."
Drogenkonsum: 0.
Alkohol: 0.
Nikotin: 0.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Ability Maintena 400mg Depot einmal monatlich.
Quetialan XR 50mg 0-0-2
Seroquel XR 200mg 1-0-0
Sertralin 100mg 1/2-0-0
Sozialanamnese:
Siehe auch VGA.
letzte berufliche Tätigkeit: Invaliditätspension seit 2015 (kein Bescheid der PVA vorliegend).
Wohnverhältnisse: betreutes Wohnen "WOBES", lebe in einer Wohnung zu zweit.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Behandlungsbestätigung Forensisch therapeutisches Zentrum Wien vom .
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
altersgemäßer AZ, normal entwickelte Skelettmuskulatur bds.
Ernährungszustand:
Größe: 177,00 cm Gewicht: 82,00 kg Blutdruck: [blank]
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
--
Gesamtmobilität-Gangbild:
gut geh- und stehfähig, unauffälliges Gangbild.
Psycho(patho)logischer Status:
Bewusstseinslage: wach, klar.
Orientierung: voll und allseits orientiert.
Aufmerksamkeit: ungestört.
Auffassung: o.B.
Konzentration: leicht vermindert.
Immediat- sowie Kurz- und Langzeitgedächtnis: unauffällig.
Ductus: im Tempo normal, kohärent und zielführend, keine Produktivität.
Wahnphänomene, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen: keine.
Befindlichkeit: negativ.
Stimmung: subdepressiv.
Affektlage: arm, flach.
Affizierbarkeit: pos. neg. vermindert.
Antrieb: o.B.
Selbstgefährdung: keine.
Fremdgefährdung: keine.
Biorhythmusstörung: keine.
Es ist kein Grad der Behinderung zu ermitteln.
Begründung:
es liegen keine Befunde seit dem VGA vor, lediglich eine Behandlungsbestätigung ohne Diagnose, Therapie bzw. Krankheitsverlauf. GdB daher nicht einschätzbar.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
--
Stellungnahme zu Vorgutachten:
keine Befunde vorliegend, GdB daher nicht einschätzbar.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
□ ja X nein
Begründung: keine Befunde vorliegend, daher nicht einschätzbar.
GdB liegt vor seit: 08/2022
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
--
Herr (Bf.) ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
anhand der vorgelegten Behandlungsbestätigung ist es nicht möglich, zu beurteilen, ob eine Erwerbsunfähigkeit weiterhin vorliegt.
Der Bf. bezieht derzeit eine Invaliditätspension der PVA (vorgelegte Bestätigung):
Invaliditätspension - Leistungshöhe zum :
Leistung EUR 668,03
zuzüglich Ausgleichszulage EUR 332,45
abzüglich Krankenversicherungsbeitrag EUR 51,02
abzüglich Verpflegskostenanteil EUR 759,56
Anweisungsbetrag EUR 189,90
Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den im Einzelnen angeführten Grundlagen, sind unstrittig und bedarf es somit keiner weiteren Ausführungen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
§ 6 Abs. 1, 2 und 5 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 bestimmt:
Abs. 1: Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Abs. 2: Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie
d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden,…
Abs. 5: Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).
§ 8 Abs. 5 und 6 FLAG 1967 bestimmt:
Abs. 5: Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Abs. 6: Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
§ 10 Abs. 1 und 2 FLAG 1967 lauten:
Abs. 1: Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.
Abs. 2: Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Nach § 7 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG), BGBl 609/1977, besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld unter anderem unter der Voraussetzung, dass die betroffene Person arbeitsfähig und arbeitswillig ist.
Nach § 8 Abs 1 AlVG ist arbeitsfähig, wer nicht invalid beziehungsweise nicht berufsunfähig im Sinne der für ihn in Betracht kommenden Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes ist.
Diese Voraussetzungen müssen auch für den Bezug von Notstandshilfe vorliegen (§ 33 Abs 2 AlVG).
Gemäß § 2 lit. a BAO (Bundesabgabenordnung) ist die Bundesabgabenordnung sinngemäß in Angelegenheiten der Familienbeihilfe anzuwenden.
§ 167 BAO lautet:
Abs. 1: Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
Abs. 2: Im Übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Kompetenz für die Beurteilung des Grades der Behinderung und der Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ausdrücklich an eine dafür qualifizierte Institution übertragen. Daraus folgt, dass der Entscheidungsfindung durch die Behörde weder Bekundungen der Eltern über den Gesundheitszustand ihres Kindes noch anderer Personen, mögen sie auch über fachärztliche Kenntnisse verfügen, zu Grunde zu legen sind ().
Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden (vgl. , ) und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und - im Falle mehrerer Gutachten - nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, , vgl. auch die bei Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung).
Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ).
Der Verfassungsgerichtshof äußerte in seinem Erkenntnis vom , keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen. Von Gutachten könne nur nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" abgegangen werden, wenn diese nicht schlüssig seien (vgl. hierzu auch auch ; , ).
Für die Abgabenbehörden und auch das Bundesfinanzgericht besteht - wie bereits vorstehend ausgeführt - eine Bindung an die im vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellten Gutachten, sofern sie schlüssig sind.
Ein Gutachten ist
- vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)
- nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und diese die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und
- schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint.
Die Sachverständigen im Sozialministeriumservice ziehen bei ihrer Diagnoseerstellung bzw. um den Zeitpunkt des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit feststellen zu können, neben den Untersuchungsergebnissen und ihrem Fachwissen regelmäßig die von den Antragstellern vorgelegten Befunde heran ( mit Verweis auf ).
Die (erhöhte) Familienbeihilfe wird nur auf Antrag gewährt. Im antragsgebundenen Verfahren ist es Sache des Antragstellers, das Vorliegen der anspruchsbegründenden Umstände zu behaupten (vgl. ).
Der Grundsatz der Amtswegigkeit tritt bei Begünstigungsbestimmungen in den Hintergrund ().
Der Antragsteller hat die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , 2002/15/0181, entschieden:
Die Beschwerde ist nicht begründet. Der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG stellt nicht auf eine konkrete Höhe des Grades der Behinderung ab, sondern auf das Fehlen der Fähigkeit, sich den Unterhalt zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/15/0134). … Nach dem - bereits dem Finanzamt - vorliegenden Ermittlungsergebnis hat der Beschwerdeführer einen Anspruch auf eine eigene Pension erworben und wurde ihm eine solche auch wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zuerkannt.
Das Bundesfinanzgericht erwog im Erkenntnis vom , RV/4100428/2017:
Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Versicherungsdatenauszug des Bf vom (= erw. Beweismittel des Finanzamtes laut Vorlagebericht vom ) ergibt sich zweifelsfrei, dass der Bf nach seiner Arbeiterlehrlingsausbildung im Zeitraum ab bis in kurzfristigen Arbeitsverhältnissen gestanden ist. Des Weiteren geht aus dieser Versicherungsdatenabfrage u.a. auch klar hervor, dass der Bf in den Folgezeiträumen bis zu seinem "Pensionsbezug wegen geminderter Arbeitsfähigkeit" ab beim AMS Klagenfurt als "Arbeitssuchender" geführt worden war und auch kurzfristige geringfügige Beschäftigungen im Rahmen von Arbeitsverhältnissen ausgeübt und dazwischen Krankengeld von der GKK oder aber auch Arbeitslosengeld und Notstands- bzw. Überbrückungshilfe vom AMS Klagenfurt bezogen hat. … Die Inhalte des Versicherungsdatenauszuges des Bf belegen daher die getroffenen Sachverhaltsannahmen der Sachverständigen des BSAB, wonach dieser vor und nach seinem 21. Lebensjahr in kurzfristigen (wechselnden) Arbeitsstellen, zuletzt am , berufstätig gewesen war.
Das Bundesfinanzgericht entschied wiederholt: In die Richtung, dass jemand vor dem 21. Lebensjahr nicht dauernd unfähig gewesen wäre, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, weisen die Umstände, dass er Arbeitslosengeld bezog und es gelungen ist, eine Berufsunfähigkeitspension zu erwerben (; ).
Im Erkenntnis vom , RV/3100671/2020, erwog das Bundesfinanzgericht iZm den o.a. Bestimmungen des AlVG:
Es ist nicht davon auszugehen, dass die zuständigen Stellen in völliger Missachtung der gesetzlichen Vorgaben Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Rehabilitationsgeld gewähren würden, wenn zu den damaligen (nach Vollendung des 21. Lebensjahres gelegenen) Zeitpunkten tatsächlich (schon) eine voraussichtlich dauernde Arbeitsunfähigkeit bestanden hätte.
Um Arbeitslosengeld beziehen zu dürfen, muss der Anspruchswerbende (unter anderem) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen, das heißt insbesondere auch, überhaupt arbeitsfähig zu sein (vgl. §§ 7 und 8 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes - AlVG -, BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. I Nr. 3/2013).
Im Erkenntnis vom , RV/5100697/2019, erwog das Bundesfinanzgericht:
Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerin laut den im Abgabeninformationssystem gespeicherten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1999, 2000 und 2001 (somit nach Vollendung ihres 21. Lebensjahres) in diesen Jahren sehr wohl erwerbstätig war. So war sie unter anderem vom bis bei der Fa. Z GmbH in X beschäftigt. … Zwar kann aus diesen Umständen nach der jüngeren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durch die Beihilfenbehörde nicht außerhalb des in § 8 Abs. 6 FLAG geregelten Nachweisverfahrens abgeleitet werden, dass die Beschwerdeführerin in den genannten Zeiträumen erwerbsfähig war, da diese Feststellung allein dem Sozialministeriumservice bzw. dem untersuchenden und das Gutachten erstellenden Arzt zukommt. Gleichwohl sprechen diese Umstände aber nicht gegen, sondern für die Schlüssigkeit der vorliegenden Gutachten, in denen ein Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr nicht festgestellt wurde.
Es trifft zu, dass die Erkrankung des Bf. bereits vor seinem 21. Lebensjahr vorgelegen ist (vgl. das im Jahr 2015 erstellte Gutachten); hinzuweisen ist aber in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des , in dem der Gerichtshof Folgendes ausführt:
§ 6 Abs 2 lit d FLAG stellt darauf ab, dass der Vollwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit Längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs 2 lit d FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt.
Entscheidungswesentlich ist jedoch, ob und zutreffendenfalls wann die bereits vor dem 21. Lebensjahr bestehende Erkrankung des Bf. ein Ausmaß erreichte, das zu einer voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führte.
Der vom Sachverständigen erhobene psycho(patho)logische Status - beginnend mit ,Bewusstseinslage: wach, klar.' und ,Orientierung: voll und allseits orientiert.' - führte in Verbindung mit dem Umstand, dass"keine Befunde seit dem VGA vor(liegen), lediglich eine Behandlungsbestätigung ohne Diagnose, Therapie bzw. Krankheitsverlauf" zum Ergebnis, dass der Grad der Behinderung daher nicht einschätzbar ist. Da das angesprochene (sieben Jahre zurückliegende) Vorgutachten einen erheblich abweichenden psycho(patho)logischen Status - beginnend mit: ,latente akustische Halluzinationen nachts sowie Beziehungsideen, Stimmungsschwankungen' - beinhaltet, führte der eben genannte Umstand betreffend die Nichtvorlage von Befunden zurecht zum Ergebnis der Nichteinschätzbarkeit des Grades der Behinderung.
Die Beurteilung des Sachverständigen ist damit in Einklang zu bringen, dass der Bf. im Jahr 2011, also nach seinem 21. Lebensjahr, im oben angeführten Ausmaß arbeitsuchend war und Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe, Überbrückungshilfe und nach krankheitsbedingter Unterbrechung im Jahr 2012 noch im Jahr 2013 (vom 21. Jänner bis 09. Juni bzw. 22. Juli bis 31. Juli) Notstandshilfe, Überbrückungshilfe bezog und im Übrigen auch imstande war, eine eigene Pension zu erwerben.
Somit ist festzuhalten, dass für den entscheidungsrelevanten Zeitpunkt vom Bf. keinerlei Beweismittel angeboten oder vorgelegt wurden, welche einen fundierten Rückschluss auf eine behinderungsbedingte voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits im Jahr 2010 ermöglichen würden oder die geeignet wären, Zweifel an der Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens in die Richtung zu erwecken, dass bereits im Jahr 2010 eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorgelegen wäre (vorgelegt wurde, wie schon gesagt, lediglich eine Behandlungsbestätigung ohne Diagnose, Therapie bzw. Krankheitsverlauf).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden auf der Sachverhaltsebene zu lösenden Fall nicht gegeben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103166.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at