Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 12.12.2022, RV/3100104/2016

Antrag auf Nichtfestsetzung von ersten Säumniszuschlägen gemäß § 217 Abs. 7 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***Ri1***, die Richterin ***Ri2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***L1*** und ***L2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr Finanzamt für Großbetriebe) vom betreffend Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO, St.-Nr. ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Rahmen einer Außenprüfung betreffend die Jahre 2006 bis 2011 wurde festgestellt, dass im Jahr 2010 von der Beschwerdeführerin Honorarzahlungen für Architektenleistungen an die ***1***, Deutschland, geleistet wurden, die Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 jedoch nicht einbehalten und fristgerecht an das Finanzamt abgeführt worden ist. Ein Nachweis über die steuerliche Erfassung einer inländischen Betriebsstätte des Auftragnehmers wurde ebenfalls nicht erbracht.

Mit Schreiben vom teilte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit, dass in den Jahren 2011 bis 2013 weitere Honorarzahlungen geleistet worden seien, für die bislang auch noch keine Abzugssteuer nach § 99 EStG 1988 entrichtet worden sei. Die sich ergebenden Beträge an Abzugsteuer seien nunmehr an das Finanzamt überwiesen worden. Da die ***1***, ob der Nutzung von Räumlichkeiten über einen längeren Zeitraum in Österreich über eine Betriebsstätte verfügt habe und die Unvollständigkeit der Ansässigkeitsbescheinigung nicht erkannt worden sei, werde ersucht von der Festsetzung von Säumniszuschlägen nach § 217 Abs. 7 BAO wegen geringen Verschuldens abzusehen.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom , zugestellt am , ab und begründete das damit, dass der Unterlassung der Meldung und Bezahlung der Abzugsteuer keine vertretbare Rechtsansicht zugrunde liege. Vielmehr seien die Regelungen diesbezüglich eindeutig. Auch sei von der Beschwerdeführerin nicht eingewendet worden, dass die Unterlassung auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruhe.

Mit Eingabe vom erhob die Beschwerdeführerin dagegen das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte begründend vor, dass es unbestrittenerweise unterlassen worden sei für die einzelnen Honorarzahlungen eine formgerechte Ansässigkeitsbescheinigung einzuholen, welche auch die Bestätigung der ausländischen Finanzverwaltung aufgewiesen hätte. Es liege auch kein Nachweis über die steuerliche Erfassung der Betriebsstätte (welche als solche nicht erkannt worden sei) vor. In beiden Fällen habe es die Beschwerdeführerin aber lediglich unterlassen, Formvorschriften vollständig zu erfüllen. Die Beschwerdeführerin habe lediglich eine vom Vertragspartner aber nicht von der Behörde bestätigte Ansässigkeitsbescheinigung zu den Akten genommen. Angesichts der Vielfältigkeit der Sachverhalte in einem international tätigen Unternehmen sei dies ein Fehler, der auch einem sorgfältigen Menschen einmal unterlaufen könne. Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nicht erkannt habe, dass die einem Mitarbeiter der ***1***, im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für Wohnzwecke überlassene Wohnung gleichsam eine Betriebsstätte des ausländischen Unternehmens darstelle, sollte ihr nicht als schweres Verschulden vorgeworfen werden können, seien doch Betriebsstättenfragen im Sinne von Dauerhaftigkeit, Funktion und Verfügungsmacht durchaus komplex und daher nicht immer leicht erkennen. Dies zeige auch der Umstand, dass die ***1***, ihrerseits ungeachtet der steuerlichen Vertretung in Deutschland selbst auch nicht erkannt habe, dass bereits die zur Verfügung gestellte Wohnung als Betriebsstätte zu werten sei. Mögen auch die Regelungen zur Ansässigkeitsbescheinigung eindeutig sein, der Sorgfaltsmaßstab für das Erkennen der Notwendigkeit der jeweiligen Dokumentationspflichten sollte dabei aber nicht überspannt werden. In der Folge setzte das Finanzamt Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt € 693,42 fest.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Nach Beantragung einer Fristverlängerung zur Einbringung eines Vorlageantrages mit Eingabe vom stellte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag). Der bereits in der Beschwerde gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung wurde mit Schreiben vom zurückgezogen. Die beantragte Rückzahlung der Abzugsteuer wurde von der zuständigen Abgabenbehörde mit Bescheid vom wegen nicht rechtzeitiger Einbringung (Art. 27 Abs. 2 DBA Deutschland) zurückgewiesen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Zu Spruchpunkt I.

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

Gemäß § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Gemäß § 101 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 9/2010 hat der Schuldner die innerhalb eines Kalendermonates gemäß § 99 einbehaltenen Steuerbeträge unter der Bezeichnung "Steuerabzug gemäß § 99 EStG" spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates an sein Betriebsfinanzamt bzw. an sein Wohnsitzfinanzamt abzuführen. Sind Steuerabzüge für mehrere Gläubiger vorgenommen worden, so ist der Gesamtbetrag in einer Summe ohne Bezeichnung der einzelnen Gläubiger abzuführen.

Voraussetzung für die gegenständlich beantragte Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages nach § 217 Abs. 7 BAO ist es daher, dass hinsichtlich der Nichtvornahme des Steuerabzuges nach § 99 EStG 1988 und Entrichtung kein grobes Verschulden vorliegt.

Die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO bei fehlendem groben Verschulden an der Säumnis stellt eine Begünstigung dar. Bei Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Steuerpflichtigen in den Hintergrund. Derjenige, der eine Begünstigung in Anspruch nehmen will, hat selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifel ist das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. ).

Es ist somit zu prüfen, ob das Vorbringen geeignet ist, ein fehlendes grobes Verschulden bei der Nichtentrichtung der Abzugssteuer darzutun. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es hierbei auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Grobes Verschulden fehlt demnach, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche, und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt ().

Im Beschwerdefall wurde im Zeitraum 2010 bis 2013 von den Honorarzahlungen für Architektenleistungen die Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 nicht fristgerecht abgeführt, obwohl kein ordnungsgemäß von der ausländischen Steuerbehörde bestätigte Ansässigkeitsbescheinigung in Form des Vordruckes ZS-QU2 vorlag.

Aufgrund des § 5 Abs. 1 Z 1 der DBA-Entlastungsverordnung (DBA-EVO), BGBl. III. Nr. 92/2005, ist eine abkommenskonforme Steuerentlastung bei Auszahlung steuerabzugspflichtiger Vergütungen unzulässig, wenn den Dokumentationsanfor-derungen der §§ 2 bis 4 nicht ausreichend entsprochen worden ist. Die Ansässigkeitsbescheini-gung auf dem Vordruck ZS-QU2 soll sicherstellen, dass Beträge, die in Österreich von der Quellenbesteuerung entlastet werden, im ausländischen DBA-Partnerstaat für steuerliche Belange offengelegt werden. Weiters wird der Vordruck ZS-QU2 benötigt, um zu vermeiden, dass in das DBA-Ausland fließende Zahlungen möglicherweise nur durch die Zwischenschaltung bloßer Durchlaufgesellschaften der österreichischen Quellenbesteuerung entzogen werden (vgl. zB auch EAS-Auskunft des BMF-010221/1503-IV/4/2011).

Das Erfordernis der Bestätigung der Ansässigkeitsbescheinigung durch die ausländische Steuerbehörde ist daher nicht bloß eine unbedeutende Formvorschrift. Das Fehlen der Bestätigung durch das deutsche Finanzamt hätte bei entsprechend sorgfältiger und auch zumutbarer Prüfung des vorgelegten Formulars auffallen müssen, handelt es sich dabei doch um einen gut erkennbaren eigenen Abschnitt im Vordruck ZS-QU2, dessen Unvollständigkeit eigentlich nur bei Nichtprüfung des Dokumentes übersehen werden konnte. Für das Vorliegen fehlender Sorgfalt spricht außerdem, dass die Unvollständigkeit über mehrere Jahre nicht aufgefallen ist, obwohl Ansässigkeitsbescheinigungen nach den Einkommensteuerrichtlinien in Anlehnung an § 4 Abs. 2 lit. c der VO zur Einbehaltung von Kapitalertragsteuer und deren Erstattung bei Mutter- und Tochtergesellschaften im Sinne der Mutter-Tochter-Richtlinie, BGBl. Nr. 56/1995, nicht älter als ein Jahr sein dürfen.

Es liegt deshalb im Beschwerdefall ein den Grad des minderen Versehens übersteigendes Verschulden vor. Die Voraussetzungen für eine Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen nach § 217 Abs. 7 BAO werden nicht erfüllt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision war als unzulässig zu erklären, da keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100104.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at