Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.12.2022, RV/3100578/2022

Antrag nach § 15 FLAG 1967 ("Sonderfamilienbeihilfe")

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff Nr1, betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2020 bis Oktober 2020 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Laut im Akt erliegender "Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe" des Finanzamtes vom Oktober 2021 besteht für ***Bf1*** (= Beschwerdeführerin, Bf) der Anspruch für den Sohn A, geb. 03/2001, für die Zeiträume bis Jänner 2020 und von November 2020 bis Feber 2023.

2. Mit Schreiben vom wurde, unter Verweis auf § 15 Familienlastenausgleichs-gesetz 1967 sowie auf einen beiliegenden Auszug aus der Homepage des Bundeskanzler-amtes, die Gewährung der Familienbeihilfe (FB) für den Zeitraum März 2020 bis inklusive Oktober 2020 beantragt und ua. ausgeführt:

Dass nach Ansicht des Finanzamtes für diesen Zeitraum kein FB-Anspruch bestehe, ergebe sich aufgrund der Abmeldung wegen der Ableistung des Zivildienstes durch den Sohn. Allerdings sollten nach der neuen Bestimmung des § 15 FLAG (= Umsetzung des Familienpaktes wegen der Coronakrise) Familien, die den FB-Anspruch abgemeldet hätten und aus welchem Grund die Zahlung eingestellt worden sei, einen Bonus erhalten; dies für den Fall, dass zwischen März 2020 und Feber 2021 zumindest einen Monat lang ein FB-Anspruch bestanden habe. Für den Sohn habe in diesem Zeitraum ein Anspruch für vier Monate - November 2020 bis Feber 2021 - bestanden, sodass die genannte Bestimmung hier zur Anwendung gelange.

3. Mit Bescheid vom , Ordnungsbegriff Nr1, hat das Finanzamt den Antrag der Bf abgewiesen. Nach Zitierung des § 15 FLAG 1967 lautet die Begründung:

"Da Ihr Sohn A den Präsenzdienst ab bis abgeleistet hat, besteht kein Familienbeihilfenanspruch im März 2020, daher besteht auch kein Anspruch auf die Familienbeihilfe gem. § 15 (COVID-19-Gesetz-Armut) FLAG 1967 für März 2020 bis Oktober 2020".

4. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird eingewendet, der Sohn habe im Jänner 2020 die Matura abgelegt, danach den Zivildienst geleistet und anschließend (zum Corona-bedingt frühestmöglichen Zeitpunkt) seine Friseur-Lehre im Februar 2021 begonnen. Demnach hätte die Bf für den Sohn im fraglichen Zeitraum (März 2020 - Feber 2021) einen FB-Anspruch und somit gem. dem Gesetzeswortlaut des § 15 FLAG 1967 auch Anspruch für die übrigen Monate. Dem sei - entgegen der Ansicht des Finanzamtes - auch nicht zu entnehmen, dass konkret im Monat März 2020 ein FB-Anspruch bestanden haben müsse, sondern lediglich zumindest in einem, egal in welchem Monat im Zeitraum März 2020 bis Feber 2021. Der ursprüngliche Antrag betr. FB-Auszahlung für März bis Oktober 2020 werde daher aufrecht gehalten.

5. Die abweisende Beschwerdevorentscheidung v. wurde im Wesentlichen dahin begründet, dass bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zumindest in einem Monat zwar ein fiktiver Anspruch bis März 2021 ausgelöst und eine Verlängerung des Anspruches ("im unmittelbaren Anschluss an diesen Anspruch") bezweckt werden soll, jedoch keine Rück-wirkung. Der FB-Anspruch der Bf für den Sohn habe im Jänner 2020 mit Ablegung der Matura geendet; für die Zeit des Präsenzdienstes von 1.2. - stehe keine Familienbeihilfe zu. Der FB-Anspruch bestehe dann wieder ab November 2020, dh. auch für die Zwischenzeit bis zum Beginn der Lehre (Beginn einer weiteren Berufsausbildung), und werde seitdem bereits gewährt.

6. Im Vorlageantrag v. wurde ergänzend vorgebracht:

Nach dem COVID-19-Gesetz-Armut müssten Personen, die in dem fraglichen Zeitraum bis auf zumindest einen Monat keinen FB-Anspruch gehabt hätten, die übrigen Monate nicht zurückzahlen. Jene Personen, die dem Finanzamt Änderungen bekannt gegeben hätten, würden die FB nachträglich ausbezahlt erhalten; diesfalls liege doch auch eine rückwirkende FB-Gewährung vor. Die Bf wäre sohin - entgegen der Intention des § 15 FLAG - nur deshalb um die FB umgefallen, da sie Matura und Beginn des Präsenz-/Zivildienstes des Sohnes proaktiv eingemeldet hätte; andernfalls hätte sie die FB weiter beziehen können und hätte diese nicht zurückbezahlen müssen.

7. Zum Nachweis wurde ein Schreiben des Bundeskanzleramtes, Sektion VI - Familie und Jugend, v. in Beantwortung einer Anfrage der Bf vorgelegt, woraus ua. hervorgeht:

" … Ihre Anfrage kann daher nur grundsätzlich beantwortet werden:
Durch die COVID-19-Krise waren die Möglichkeiten und Bedingungen für eine Berufsausbildung der volljährigen Kinder starken Einschränkungen unterworfen. Viele Anspruchsberechtigte waren daher auch nicht in der Lage, die Nachweise für das Vorliegen der Anspruchsvoraus-setzungen vorzulegen. Für das Finanzamt Österreich war es daher kaum möglich, die Anspruchsvoraussetzungen wie üblich zu prüfen. Um Familien, die während der COVID-19-Krise starken Herausforderungen und Belastungen gegenüberstanden, zu entlasten, wurde daher einmalig für 2021 die "Sonderfamilienbeihilfe" gemäß § 15 Familienlastenausgleichsgesetz (siehe Anhang) normiert:
Wenn im Zeitraum März 2020 bis einschließlich Februar 2021 zumindest in einem Monat ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat, besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe auch im anschließenden Zeitraum - unabhängig von der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen - bis einschließlich März 2021 weiter.
Jene betreffenden Familien, die Familienbeihilfe weiter erhalten haben, mussten diese nicht zurückzahlen. Jene Familien, die dem Finanzamt Änderungen bekannt gegeben haben und bei denen die Familienbeihilfe gestoppt wurde, bekamen die Familienbeihilfe nachträglich ausgezahlt.
In diesen Fällen ist Ende Juli 2021 eine Nachzahlung der entsprechenden Familienbeihilfe-beträge durch das Finanzamt erfolgt. Es war keine gesonderter Antrag erforderlich."

II. Sachverhalt:

Der Sohn der Bf, A geb. 03/2001, hat im März 2019 die Volljährigkeit erreicht.
Er hat im Jänner 2020 die Reifeprüfung abgelegt, hat von bis den Präsenz- bzw. Zivildienst geleistet und im Februar 2021 coronabedingt frühestmöglich mit einer Friseur-Lehre begonnen.

Der Bf wurde für den Sohn bis einschließlich Jänner 2020 sowie - nach Bekanntgabe des Beginnes des Präsenz-/Zivildienstes des Sohnes ab Feber 2020 an das Finanzamt - wieder ab November 2020 bis laufend die Familienbeihilfe gewährt und ausbezahlt.

III. Beweiswürdigung:

Obiger Sachverhalt ergibt sich aus der Mitteilung des Finanzamtes über den FB-Bezug der Bf und daneben aus deren eigenen Angaben und ist unbestritten.

IV. Rechtslage:

A) Gemäß § 2 Abs. 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben:
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Nach einhelliger Auffassung der Literatur, der Judikatur (vgl zB ) und auch der Verwaltungspraxis ist die Ableistung des Präsenz-/Zivildienstes nicht als Ausbildung für einen Beruf iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 anzusehen.

Während der Leistung des Präsenz-/Zivildienstes besteht sohin kein Anspruch auf Familienbeihilfe (; siehe in Lenneis/Wanke, Kommentar FLAG, 2. Aufl., Rz 45 zu § 2 zu "Präsenz(Zivil)dienst").

B) § 15 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl 1967/376 idF BGBl. I Nr. 58/2021, in Kraft getreten am , lautet:

"(1) Für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, finden die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiterAnwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.
(2) Für die Maßnahme nach Abs. 1 ist ein Betrag von höchstens 102 Mio. Euro aus Mitteln des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds bereitzustellen."

Der Begründung des zugrundeliegenden, am beim Nationalrat eingebrachten Initiativantrages, 1343/A XXVII. GP, betr. die Änderung des FLAG 1967 (ua. durch Einfügung des § 15) ist auszugsweise zu entnehmen (zu Artikel 1, Z 1):

" … Auf Grund der COVID-19-Krise war es im ersten Halbjahr 2020 - unmittelbar nach Ausbruch der Pandemie - erforderlich, Familienbeihilfenansprüche bis September 2020 weiter zu befristen, da die Anspruchsüberprüfungen nicht im üblichen Ausmaß und auch nicht nach den normalen Verfahrensabläufen erfolgen konnten ...
Infolge der weiter anhaltenden Pandemie und den damit verbundenen - weiter vorliegenden - administrativen Schwierigkeiten wurden die in Rede stehenden Befristungen nochmals bis März 2021 verlängert.
Im Hinblick auf die beschriebene Vorgehensweise der Weitergewährung der Familienbeihilfe kann es zu Fallkonstellationen kommen, in denen ein Anspruch auf die Familienbeihilfe zwischenzeitig weggefallen ist. Wenngleich das FLAG 1967 eine Meldeverpflichtung vorsieht, kann es im Hinblick auf die - teilweise komplexeren - Anspruchsvoraussetzungen vorkommen, dass dieser Meldeverpflichtung mangels entsprechender Rechtskenntnisse nicht nachgekommen wurde. Eine allfällige Rückforderung würde - gerade in diesen herausfordernden Zeiten der anhaltenden Pandemie - eine besondere Härte darstellen.
Daher sieht der Gesetzesentwurf eine Sanierung der angesprochenen Fallkonstellationen vor. Dies soll dadurch bewirkt werden, als das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in zumindest einem Monat in der Zeit von März 2020 bis Februar 2021 einen fiktiven Anspruch für die Zeit von März 2020 bis März 2021 auslöst. Das bedeutet beispielsweise auch, dass bei einem Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen im September 2020 - weil beispielsweise das Ende der für die Gewährung der Familienbeihilfe maßgeblichen Studiendauer erreicht wurde - der Anspruch auf die Familienbeihilfe bis März 2021 fiktiv verlängert wird.
Wenn im Zeitraum von März 2020 bis Februar 2021 ein Wechsel der anspruchsberechtigten Person erfolgt, ….
Die Anwendung der beschriebenen Fiktion des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen auf Gewährung der Familienbeihilfe ist jedenfalls mit März 2021 begrenzt.
Die allfälligen Nach- bzw. Auszahlungen an Familienbeihilfe werden von Amts wegen bis spätestens vier Monate nach Inkrafttreten der in Rede stehenden Regelungen durchgeführt. Es sind daher keine gesonderten Anträge erforderlich …".

V. Erwägungen:

Der oben dargestellten Begründung zum Gesetzes-Initiativantrag ist deutlich zu entnehmen, dass die Intention des Gesetzgebers darauf gerichtet war, im Falle des Verlustes der FB-Anspruchsvoraussetzungen innerhalb des relevanten Zeitraumes (03/2020 bis 02/2021) die FB dennoch ohne Nachweise bzw. "fiktiv" im Anschluss bis einschließlich März 2021 weiterzugewähren bzw. zu "verlängern"; dies zwecks Entlastung der Familien in Zeiten der Pandemie.

Die gesetzliche Bestimmung des § 15 Abs. 1 FLAG 1967 regelt daher nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes (BFG) eindeutig den fiktiven Anspruch für jenen Zeitraum bis einschließlich März 2021, der unmittelbar an den (zuletzt gegebenen) Anspruchszeitraum anschließt (vgl. auch im og. Antwortschreiben des Bundeskanzleramtes, Sektion VI - Familie und Jugend, v. : " … besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe auch im anschließenden Zeitraum …").

Im Gegenstandsfall steht fest, dass für den Sohn der Bf bereits ab Feber 2020 bis Ende Oktober 2020 aufgrund der Ableistung des Zivil- oder Präsenzdienstes die FB zufolge der geltenden gesetzlichen Bestimmungen definitiv nicht zugestanden hat.

Innerhalb des relevanten Zeitraumes ab März 2020 hat daher bis einschl. Oktober 2020 "zumindest für einen Monat" kein FB-Anspruch bestanden. Ab November 2020 wurde (lt. Mitteilung über den Bezug) vom Finanzamt die FB wiederum zugesprochen und seither an die Bf laufend ausbezahlt. Das bedeutet, dass seit November 2020 ohnehin ein tatsächlicher FB-Anspruch nach dem FLAG gegeben und damit für das BFG keinerlei etwaig diesbezügliche Benachteiligung im "Anschlusszeitraum" erkenntlich ist.

Hätte man dagegen im Anschlusszeitraum (also nach November 2020) die Gewährung der FB auf die Bestimmung gemäß § 15 FLAG 1967 idgF. stützen wollen, so wäre der Bf für den Sohn ab dem Dezember 2020 wohl ein fiktiver Anspruch nach dieser Bestimmung bis einschließlich März 2021 zugekommen und wäre ihr die FB - rückwirkend für die betr. Monate - nachträglich ausbezahlt worden. Dies war allerdings - im Hinblick auf die bereits tatsächlich ab 11/2020 erfüllten Anspruchsvoraussetzungen - gar nicht erforderlich.

Eine Nachzahlung oder rückwirkende Auszahlung für Zeiträume VOR dem erstmalig im relevanten Zeitraum entstandenen FB-Anspruch im November 2020 - wie von der Bf beantragt - ist jedoch gemäß § 15 Abs. 1 FLAG 1967 auszuschließen.

In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage konnte daher der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem zu § 15 FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 58/2021 bislang keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiert, wird die Revision zugelassen.

Innsbruck, am

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