Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.01.2023, RV/7100138/2023

Pflichtveranlagung bei ungerechtfertigter Berücksichtigung des erhöhten Verkehrsabsetzbetrages durch den Arbeitgeber

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Ulrich Petrag-Wolf in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das Finanzamt Österreich (im Folgenden: Finanzamt) hat an die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) am folgendes Schreiben übermittelt:

"Sehr geehrte/r ***Bf1***,
haben Sie auf Ihre Arbeitnehmerveranlagung 2019 vergessen?
Sie sind zur Abgabe einer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung verpflichtet, weil
• Ihr Arbeitgeber den Alleinverdiener- oder den Alleinerzieherabsetzbetrag, den erhöhten Pensionisten- oder den erhöhten Verkehrsabsetzbetrag steuermindernd berücksichtigt hat. Um überprüfen zu können, ob diese zu Recht gewährt wurden, benötigen wir noch ergänzende Informationen von Ihnen. Bitte geben Sie diese Informationen in Ihrer Steuererklärung bekannt.
Bitte übermitteln Sie uns Ihre Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung bis spätestens .

Nutzen Sie zur Übermittlung Ihrer Erklärung Ihren FinanzOnline-Zugang. Weitere Informationen zur Pflichtveranlagung finden Sie unter www.bmf.av.at/pflichtveranlagung.
Übrigens: Schicken Sie uns bitte keine Belege. Wir melden uns, wenn wir etwas von Ihnen brauchen.
Sollten Sie in der Zwischenzeit bereits eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung abgegeben haben, betrachten Sie dieses Schreiben bitte als gegenstandslos."

Am reichte die Bf. ihre Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2019 beim Finanzamt auf elektronischem Weg via Finanzonline ein. In dieser Erklärung machte die Bf. Topfsonderausgaben in Höhe von € 847,40 für Personenversicherungen geltend.

Mit Bescheid vom wurde die Bf. zur Einkommensteuer 2019 veranlagt, wobei an Topfsonderausgaben nur das Pauschale von € 60,00 berücksichtigt wurde, weil die Einkünfte der Bf. aus nichtselbständiger Arbeit den Betrag von € 60.000,00 überstiegen haben (§ 18 Abs. 3 Z. 2 letzter Satz EStG 1988). Außerdem wurde das Werbungskostenpauschale von € 132,00 und ein Kirchenbeitrag von € 28,92 berücksichtigt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. am fristgerecht Beschwerde in der sie vorbrachte, dass im Kalenderjahr 2019 keine Verpflichtung zur Veranlagung gemäß § 41 (1) EStG bestehen würde und sie ihren Antrag auf ANV für 2019 zurückziehe.

Laut L 16 der Firma ***1*** wäre bei der laufenden Lohnverrechnung der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag berücksichtigt worden. Gemäß § 33 Abs. 5 Z 2 EStG würde sich der Verkehrsabsetzbetrag auf € 690 erhöhen, wenn das Einkommen des Steuerpflichtigen € 12.200 im Kalenderjahr nicht übersteigt. Der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag würde sich zwischen
€ 12.200 und € 13 000 gleichmäßig einschleifend auf € 400 vermindern.

Da die steuerpflichtigen Bezüge der Bf. im Kalenderjahr 2019 mehr als € 60.000 betragen haben, hätte der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag, der nur bis zu einem Einkommen von € 13.000 berücksichtigt werden können, bei der laufenden Lohnverrechnung der Firma ***1*** nicht berücksichtigt werden können.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet mit folgender Begründung ab:
Gemäß § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 würde ein Pflichtveranlagungstatbestand vorliegen, wenn bei der laufenden Lohnverrechnung beim Arbeitgeber der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag berücksichtigt worden ist und die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt werden. Da dies im Fall der Bf. zutreffen würde, könne der Antrag nicht zurückgezogen werden.

Am brachte die Bf. einen Vorlageantrag ein, der bis auf nachstehendes Vorbringen mit dem Beschwerdevorbringen ident ist. Ergänzend wurde ausgeführt, dass der Lohnzettel der Firma ***1*** nicht korrekt wäre, da irrtümlich der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag "angekreuzt" worden wäre.

Am richtete das Finanzamt an den Arbeitgeber der Bf. telefonisch ein Auskunftsersuchen, ob dieser 2019 einen erhöhten Verkehrsabsetzbetrag für die Bf. berücksichtigt hat oder nicht.

Nach Vorlage des Lohnkontos in Excel-Form am , aus dem die Berücksichtigung eines erhöhten Verkehrsabsetzbetrages nicht nachvollzogen werden konnte, wurde am ein weiteres diesbezügliches Auskunftsersuchen an den Arbeitgeber der Bf. gerichtet.

Mit Antwortschreiben vom wurde dem Finanzamt mitgeteilt, dass tatsächlich der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag bei der Bf. im Rahmen der Lohnverrechnung 2019 berücksichtigt wurde.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Bf. vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. hat im Jahr 2019 von der Firma ***1*** für den Zeitraum 1. Jänner bis Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von € 60.803,93 bezogen.

Bei der Lohnverrechnung des Jahres 2019 wurde von der ***1*** für die Bf. der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag von € 690,00 berücksichtigt und wurde dieser auch in dem am dem Finanzamt übermittelten Lohnzettel für das Jahr 2019 berücksichtigt. In der Folge wurde dem Finanzamt von der ***1*** keine Korrektur dieses Lohnzettels übermittelt.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem von der ***1*** an das Finanzamt übermittelten Lohnzettel vom für das Jahr 2019 sowie der Mitteilung der ***1*** an das Finanzamt vom und werden auch von er Bf. nicht in Abrede gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Im § 41 Abs. 1 EStG 1988 werden die Voraussetzungen für eine Veranlagung von Amts wegen festgelegt, wenn im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind. Sind die Voraussetzungen nach § 41 leg.cit. gegeben, so wird ein fehlerhafter Lohnsteuerabzug bei der Veranlagung korrigiert (vgl. Neumann in Hofstätter/Reichel, EStG 1988 (70. Lfg. 2021), § 41 Tz. 4; ).

Gemäß § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 idF BGBl I Nr. 62/2018 ist der Steuerpflichtige bei im Einkommen enthaltenen lohnsteuerpflichtigen Einkünften zu veranlagen, wenn der Alleinverdienerabsetzbetrag, der Alleinerzieherabsetzbetrag, der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag, der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag oder Freibeträge nach § 62 Z 10 und Z 11 berücksichtigt wurden, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen.

Der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag von € 690,00 steht nur dann zu, wenn das Einkommen des Steuerpflichtigen 12.200 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt. Der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag vermindert sich zwischen Einkommen von 12 200 Euro und 13 000 Euro gleichmäßig einschleifend auf 400 Euro (§ 33 Abs. 5 Z 2 EStG 1988).

Da das Einkommen der Bf. im Jahr 2019 weit über € 13.000 betragen hat, steht der Bf. der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag auch nicht einschleifend zu.

Auch die Bf. geht in ihrer Beschwerde aufgrund der Höhe ihres Einkommens davon aus, dass ihr für 2019 kein erhöhter Verkehrsabsetzbetrag zusteht.

Die Bf. vertritt aber den Standpunkt, dass deswegen kein Pflichtveranlagungstatbestand vorliegen würde, weil der Lohnzettel der Firma ***1*** nicht korrekt wäre, da irrtümlich der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag "angekreuzt" worden wäre bzw. da die steuerpflichtigen Bezüge der Bf. im Kalenderjahr 2019 mehr als € 60.000 betragen haben, der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag, der nur bis zu einem Einkommen von € 13.000 berücksichtigt werden hätte können, bei der laufenden Lohnverrechnung der Firma ***1*** nicht berücksichtigt hätte werden können.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, dass die ***1*** den erhöhten Verkehrsabsetzbetrag für der Lohnverrechnung 2019 der Bf. tatsächlich berücksichtigt hat und daher das "Ankreuzen" der Berücksichtigung des erhöhten Verkehrsabsetzbetrages in dem an das Finanzamt übermittelten Lohnzettel für 2019 nicht "irrtümlich" erfolgt ist, sondern den Tatsachen entsprochen hat.

Soweit aber das Vorbringen der Bf. dahingehend zu verstehen ist, dass kein Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 deswegen gegeben wäre, weil ihr Arbeitgeber den erhöhten Verkehrsabsetzbetrag aufgrund der Höhe ihres Einkommens nicht hätte berücksichtigen dürfen, ist festzuhalten, dass es beim Tatbestand des § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 lediglich darauf ankommt, ob ein erhöhter Verkehrsabsetzbetrag berücksichtigt wurde. Der Tatbestand ist daher von einem Verschulden unabhängig. Es ist daher unerheblich aus wessen Verschulden es zu dieser unrechtmäßigen Berücksichtigung gekommen ist (vgl. ; ; ). Dies gilt daher auch für Fälle, in denen den Steuerpflichtigen selbst kein Verschulden trifft ().

Da im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 gegeben sind, nämlich jene gemäß Z 5, handelt es sich bei der angefochtenen Arbeitnehmerveranlagung um eine Pflichtveranlagung, deren Beseitigung im Beschwerdewege durch Zurückziehung eines Antrags auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung nach einhelliger Judikatur (vgl. zB ; ) und Literatur (Neumann, aaO, Tz. 24 zu § 41) nicht möglich ist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist der zitierten Rechtsprechung des VwGH gefolgt bzw. ergibt sich die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage (Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestandes) unmittelbar aus dem Gesetz und stellt daher keine Rechtsfrage dar, der grundsätzliche Bedeutung zukommt

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100138.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at