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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.01.2023, RV/3100174/2022

Kein Nachweis des Einlangens eines maßgeblichen Schriftstücks bei der Abgabenbehörde - keine Kenntnis der Abgabenbehörde der dort dargelegten Tatsache im abgeschlossenen Verfahren: Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte zu Recht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, vertreten durch Stb, Stb_Adr, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betr. Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2015 bis 2018, sowie betreffend Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2015 bis 2019, Steuernummer Bf_StNr

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO wird als gegenstandslos erklärt.

III. Gegen dieses Erkenntnis bzw. diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt/Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom wurde das Verfahren betreffend die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für die Jahre 2015 bis 2018 gem. § 303 BAO wiederaufgenommen. Begründend wurde jeweils ausgeführt, es sei der Abgabenbehörde aufgrund einer Kontrollmitteilung des Finanzamtes FA_2 vom zur Kenntnis gebracht worden, dass es sich bei den geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben um die Abschreibung eines originären Firmenwertes handle. Aufgrund dieser neu hervorgekommenen Tatsache sei, im Sinne der Rechtsrichtigkeit sowie der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu verfügen gewesen.

In den gem. § 307 Abs. 1 BAO am erlassenen neuen Erstbescheiden über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO wurde die erwähnte Firmenwertabschreibung als Sonderbetriebsausgabe der Beteiligten A GmbH nicht mehr berücksichtigt.

Der Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO betreffend das Jahr 2019 erging, ebenfalls am , als Erstbescheid.

Die - nach Fristverlängerung - am erhobene Beschwerde wurde, soweit sie sich gegen die Wiederaufnahmebescheide richtete, damit begründet, dass bereits am ein Antrag gem § 299 BAO iZm dem Einkünftefeststellungsbescheid für das Jahr 2014 gestellt worden sei; in diesem Antrag sei, mit ausführlicher Begründung, die Berücksichtigung der Firmenwertabschreibung als Sonderbetriebsausgabe 2014 begehrt und dargelegt worden, dass der Firmenwert von 2014 bis 2028 abgeschrieben werde. Über diesen Antrag sei bis dato nicht entschieden worden.

Damit sei dem Finanzamt die Tatsache der Firmenwertabschreibung jedoch seit Stellung des Antrages bekannt gewesen. Durch die Kontrollmitteilung des Finanzamtes FA_2 seien daher keine neuen Tatsachen hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würden.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte die Abgabenbehörde aus, erst mit der Beschwerde vom von dem Aufhebungsantrag vom Kenntnis erlangt zu haben. Dieser Antrag sei beim Finanzamt niemals eingelangt; der vorgelegten Postaufgabebestätigung betreffend ein von der steuerlichen Vertretung am ans Finanzamt Innsbruck versendetes Schriftstück sei nicht zu entnehmen, dass es sich um eben jenen Aufhebungsantrag vom handle.

Im Vorlageantrag vom wurde, ergänzend zum Beschwerdevorbringen, darauf verwiesen, dass in den Jahresabschlussberichten, die dem Finanzamt seit 2015 übermittelt worden seien, regelmäßig auf den Antrag gem. § 299 BAO hingewiesen worden sei. Weiters sei der Antrag nach telefonischer Rücksprache mit dem Finanzamt am auch per Fax ans Finanzamt übermittelt worden. Zusätzlich werde unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vorgebracht, dass aus dem Postausgangsbuch sehr wohl die versendeten Schriftstücke erkennbar seien. Dem Vorlageantrag beigelegt waren Kopien des Postausgangsbuchs der steuerlichen Vertretung der Bf, der Einschreibebestätigung der Post sowie des Deckblattes des Fax vom .

Ein Nachweis dafür, dass der Antrag gem. § 299 BAO vom tatsächlich beim Finanzamt eingelangt ist, sei es per Post oder per Fax im Februar 2016, konnte von der Bf nicht vorgelegt werden. Der Antrag ist bei der Abgabenbehörde nicht aktenkundig.

Am erging zu GZ Ra 2020/15/0020 das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, mit welchem in einem (identischen) Parallelfall zum hier gegenständlichen Beschwerdeverfahren die vom Bundesfinanzgericht () vertretene Rechtsansicht, eine Abschreibung des originären Firmenwertes sei nicht zulässig, bestätigt wurde. Die Beschwerden gegen die, abgesehen vom Beschwerdejahr 2019 im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen, Bescheide über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO wurden in der Folge mit Schreiben des steuerlichen Vertreters vom zurückgenommen.

Rechtslage und Erwägungen
  1. Wiederaufnahme des Verfahrens

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten (Ritz/Koran, BAO7, § 303 Rz 21 mwN).

Im Beschwerdefall stützt die Abgabenbehörde die Wiederaufnahme des Verfahrens der Jahre 2015 bis 2018 darauf, dass sie erst aufgrund einer Kontrollmitteilung im Jahr 2020 Kenntnis davon erlangt habe, um welche konkrete Art von Aufwand es sich bei einer geltend gemachten Sonderausgabe gehandelt habe, wobei eben diesem Aufwand die Abzugsfähigkeit abzusprechen gewesen sei. Die Beurteilung eines derartigen Umstandes als "neu hervorgekommene Tatsache" iSd § 303 BAO bedarf keiner weiteren Ausführung (Ritz/Koran, BAO7, § 303 Rz 22; Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], Bundesabgabenordnung2.04 [2022] zu § 303 Rz 17).

Strittig ist ausschließlich, ob die Abgabenbehörde tatsächlich erst aufgrund der erwähnten Kontrollmitteilung, oder bereits aufgrund des Antrages gem. § 299 BAO betreffend das Veranlagungsjahr 2014, der lt. Rechtsmittelvorbringen zweifach, nämlich per Post am , und noch einmal per Fax am , an die Abgabenbehörde übermittelt worden sei, Kenntnis von der Vornahme einer Firmenwertabschreibung ab 2015 erlangt hat.

Unzweifelhaft stellt ein Antrag gem. § 299 BAO grundsätzlich ein Anbringen iSd § 85 BAO dar. Ein Anbringen liegt jedoch erst vor, wenn die Eingabe tatsächlich bei der Behörde einlangt; die Gefahr des Verlustes der übersandten Eingabe trifft den Einschreiter (). Dasselbe gilt betreffend die Beweislast für das Einlangen eines Anbringens bei der Behörde. Der Beweis der Postaufgabe reicht dafür nicht. Auch wenn üblicherweise der Post übergebene, nicht bescheinigte Briefsendungen den Adressaten erreichen, ersetzt diese Erfahrungstatsache den Beweis des Einlangens nicht (zB , mwN).

Der Nachweis dafür, dass der Antrag vom , sei es im Postweg oder später per Fax, tatsächlich bei der Abgabenbehörde eingelangt ist, wurde von der Bf nicht erbracht. Die bereits im Verfahren vor der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen (Einschreibebestätigung der Post sowie Postausgangsbuch des steuerlichen Vertreters, jeweils vom ; Fax vom ), belegen allenfalls die Versendung, reichen jedoch für den Nachweis des Einlangens bei der Abgabenbehörde nicht aus. In einem Schreiben an die Abgabenbehörde vom musste eingeräumt werden, dass weder ein Zustellnachweis für die Postsendung, noch ein Sendenachweis für die Faxübermittlung vorgelegt werden können.

Eine Kenntnisnahme der Abgabenbehörde von der Tatsache der Firmenwertabschreibung ist somit aufgrund des Antrages vom nicht erfolgt; daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass auf das Vorliegen eines offenen Antrages gem. § 299 BAO iZm der Berücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben in den Jahresabschlussberichten seit 2015 jeweils verwiesen wurde, zumal aus dem Verweis nicht hervorgeht, welche konkrete Sonderbetriebsausgabe Gegenstand des Aufhebungsantrages sein soll. Auch aus den Steuererklärungen der Jahre 2015 bis 2018 ist nicht ersichtlich, dass es sich bei der unter Kennzahl 9925 geltend gemachte Sonderbetriebsausgabe um die Abschreibung eines originären Firmenwertes handelt.

Da die Abgabenbehörde erstmals mit der Kontrollmitteilung des Finanzamtes FA_2 Kenntnis von der Tatsache der Firmenwertabschreibung erlangte, erfolgte die Wiederaufnahme der Verfahren in den Jahren 2015 bis 2018 zu Recht.

  1. Gegenstandsloserklärung der Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide

Die Beschwerde gegen die Bescheide vom über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2015 bis 2019 wurde mit Schreiben des steuerlichen Vertreters vom unter Verweis auf , zurückgezogen.

Wurde eine Beschwerde zurückgenommen, so ist sie gem. § 256 Abs. 3 BAO mit Beschwerdevorentscheidung oder Beschluss als gegenstandslos zu erklären.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Abweisung der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide stützt sich auf die zitierten Kommentarstellen sowie höchstgerichtliche Rechtsprechung; die Rechtsfolge der Zurücknahme der Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100174.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at