Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.12.2022, RV/5100764/2020

Auswärtige Berufsausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hauer & Partner Steuerberatung GmbH, Franz Kreutzberger-Straße 6, 5310 Mondsee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In seiner Arbeitnehmerveranlagung 2018 machte der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) die auswärtige Berufsausbildung seiner Tochter VN NN als außergewöhnliche Belastung geltend.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. aufgefordert, bis einen Tätigkeitsnachweis (Schulbesuchsbestätigung) seiner Tochter einzureichen.

Mit der rechtzeitig eingebrachten Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom legte der Bf. die Schulbesuchsbestätigungen seiner Tochter VN NN für die Jahre 2017-2020 vor.

Im Einkommensteuerbescheid 2018 vom berücksichtigte die belangte Behörde die auswärtige Berufsausbildung der Tochter VN NN nicht und begründete dies wie folgt:

"Wir berücksichtigen die beantragten Kosten für die auswärtige Berufsausbildung nicht alsaußergewöhnliche Belastung.

Der Grund: Ausbildungsstätten, die nicht mehr als 80 km vom Wohnort entfernt sind, gehören zum Einzugsbereich des Wohnortes, wenn die tägliche Hin- und Rückfahrt zum oder vom Studienort zumutbar ist."

Per Mail legte der Bf. eine wirkungslose Beschwerde vom gegen seinen Einkommensteuerbescheid 2018 ein (an die Adresse Mail) und fügte diesem Mail erneut die Schulbesuchsbestätigung seiner Tochter VN NN für das Jahr 2019/20 bei.

Diese wirkungslose Beschwerde des Bf. wurde am an Frau MA vom Finanzamt ABC weitergeleitet.

Mit Mail vom antwortete das Finanzamt dem Bf. auf sein Mail vom wie folgt:

"Sehr geehrter Herr NN,

Im Sinne einer gesicherten, datenschutzrechtlich unbedenklichen Übermittlung von Anträgen, Belegen, Beschwerden usw. ist eine Übermittlung von Dokumenten und Anträgen mittels Mail nicht zulässig. Mittels Mail eingebrachte Anbringen und Anträge sind wirkungslos und gelten als nicht eingebracht.

Sie haben die Möglichkeit eine Beschwerde per Post, per FAX oder über FinanzOnline, binnen eines Monats nach Bescheiderhalt einzubringen.

Etwaige Unterlagen sind der Beschwerde beizulegen.

Mit freundlichen Grüßen

IHR FINANZAMT"

Mittels noch am selben Tag eingegangenen Fax antwortete der Bf. darauf, dass ihm die Mail-Adresse von Herrn MA2 vom Finanzamt B gegeben worden sei und ihm am Telefon mitgeteilt worden sei, dass er so vorgehen solle. Er werde aber die Unterlagen per Fax noch einmal senden.

Der Bf. brachte daraufhin dieselbe Beschwerde, welche er bereits zuvor am per Mail an die belangte Behörde sendete, in derselben Form jedoch diesmal per Fax am ohne Unterschrift ein und fügte erneut die Schulbesuchsbestätigung seiner Tochter VN NN für das Jahr 2019/20 sowie das Ergänzungsersuchen vom bei.

Mittels Mängelbehebungsauftrag vom wurde der Bf. darauf hingewiesen, dass seine Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 den Mangel des Fehlens der Unterschrift gemäß § 85 Abs. 2 BAO aufweise. Dieser Mangel sei beim Finanzamt ABC bis zum zu beheben. Bei Versäumung dieser Frist gelte das Anbringen als zurückgenommen.

Der Rückschein zu diesem Mängelbehebungsauftrag langte am bei der belangten Behörde ein.

Der Bf. legte daraufhin unterschriftlich mittels Brief rechtzeitig Beschwerde am gegen seinen Einkommensteuerbescheid 2018 ein, welche noch am selben Tag bei der belangten Behörde einlangte.

In der Beschwerdevorentscheidungvom , zugestellt am , wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Die Begründung der belangten Behörde lautete wie folgt:

"Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten nicht als außergewöhnliche Belastung, wenn auch im Einzugsbereich des Wohnortes eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km vom Wohnort gelten jedenfalls als innerhalb des Einzugsbereiches, wenn vom Wohnort die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Ausbildungsort zeitlich noch zumutbar ist. Die Zumutbarkeit ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Fahrzeit von einer Stunde nicht überschritten wird. Für das günstigste Verkehrsmittel ist ausreichend, dass in jeder Richtung je ein Verkehrsmittel zwischen den in Betracht kommenden Gemeinden existiert, das die Strecke in einem geringeren Zeitraum als einer Stunde bewältigt. Das muss nicht das zweckmäßigste Verkehrsmittel sein! Auf die örtlichen Verkehrsverbindungen ist nicht Bedacht zu nehmen. Nicht einzurechnen sind daher Wartezeiten, Fußwege sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort."

Durch seine steuerliche Vertretung, die Stb., stellte der Bf. rechtzeitig den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags vom , welcher am bei der belangten Behörde einging.

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag vom , welcher am bei der belangten Behörde einging, führte die Steuerberaterin des Bf. wie folgt aus:

"Wir berufen uns auf die uns erteilte Vollmacht und stellen im Auftrag unseres Mandanten den Antrag gem. § 264 BAO die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Begründung:

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde unseres oben angeführten Mandanten gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 als unbegründet abgewiesen. Innerhalb offener Frist gem. § 265 BAO, siehe auch Antrag Fristverlängerung, wird nun die Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt.

Es wird wie folgt beantragt und begründet: Es wird beantragt die auswärtige Berufsausbildung für die Tochter NN VN (SV) für den Zeitraum 01-12/2018 erklärungsgemäß anzusetzen.

Auch wenn sich der Ausbildungsort der Tochter im Umkreis von 80km befindet, ist die Wegstrecke nicht unter 1 h zu bewältigen. Siehe auch diverse Ausdrucke im Anhang der ÖBB bzw. des Salzburger Stadtverkehrs. Unabhängig von der Abfahrtszeitzeit nimmt die Wegstrecke (ohne Wartezeiten, Fußwege,.) jedenfalls mehr als 1 h in Anspruch.

Wie auch der Entscheidung zu entnehmen ist, steht die auswärtige Berufsausbildung aufgrund der Wegstrecke zu, sodass um positive Erledigung ersucht wird.

Mit freundlichen Grüßen

Stb"

Als Anlage zu diesem Vorlageantrag wurden von der Steuerberaterin des Bf. Ausdrucke aus dem Fahrplan der ÖBB sowie dem Salzburg Verkehr übersendet, wobei es sich jeweils um die Verbindung Ort1 - Ort2 handelt.

Mit Bescheid vom , zugestellt am , wurde dem Ansuchen auf Fristverlängerung betreffend Einbringung des Vorlageantrags stattgegeben. Die Frist wurde bis zum verlängert.

Im Vorlagebericht vom beantragte die belangte Behörde in deren Stellungnahme die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Beschluss vom wurde der Bf. aufgefordert, binnen vier Wochen ab Zustellung nachzuweisen, ob dessen Tochter VN NN im Jahr 2018 eine Zweitunterkunft an ihrem Ausbildungsort bewohnt habe (bspw Unterbringung in einem Internat).

Dieser Beschluss blieb bis heute unbeantwortet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. machte in seiner Arbeitnehmerveranlagung 2018 die auswärtige Berufsausbildung seiner Tochter VN NN als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Hauptwohnsitz (und gleichzeitig einzige gemeldete Wohnsitz) der Tochter war laut dem Zentralen Melderegister das gesamte Jahr 2018 hindurch an der Adresse Str., Ort3.

Die zum damaligen Zeitpunkt 15-jährige Tochter absolvierte im Jahr 2018 die erste bzw. die zweite Schulstufe der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in der Str2, PLZ Ort2. Die Entfernung zwischen dem Wohnort und dem Schulort beträgt laut Google Maps 40 km.

Der Schulort war vom Wohnort der Tochter des Bf. aus laut Fahrplanauskunft mit dem Postbus der ÖBB um ca 06:00 Uhr morgens beispielsweise im Mai 2020 in 56 Minuten und im September 2022 in einem Zeitraum von 46 bis 56 Minuten zu erreichen. Für die Heimfahrten nachmittags gab es verschiedene Busverbindungen der ÖBB: Beispielsweise im September 2022 um 13:08 Uhr, um 16:08 Uhr oder um 17:08 Uhr - jeweils mit einer Dauer von 56 Minuten.

Der Bf. legte keine Nachweise bzw. Informationen über das von seiner Tochter VN NN für die Schulfahrten verwendete Verkehrsmittel vor. Im Umkreis von 25 km vom Wohnort der Tochter gab es laut dem "SchoolFinder" des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung keine andere gleichwertige Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe.

Die Frage des BFG, ob die Tochter des Bf. im Jahr 2018 eine Zweitunterkunft an ihrem Ausbildungsort bewohnt habe, blieb vom Bf. bis heute unbeantwortet.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben des Bf. sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes und ist insoweit unstrittig.

Einsicht genommen wurde in das Zentrale Melderegister, in die Fahrplanauskunft der Österreichischen Bundesbahnen sowie in das Programm "SchoolFinder" des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988 (in der Fassung BGBl. Nr. 400/1988 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 62/2018 bzw. BGBl. I Nr. 163/2022) (im Folgenden: EStG) sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gem. § 34 Abs. 2 EStG ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gem. § 34 Abs. 3 EStG erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gem. § 34 Abs. 4 EStG beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7 300 Euro 6%.

mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro 8%.

mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro 10%.

mehr als 36 400 Euro 12%.

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt

- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht

- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener MA2 ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 312 Euro jährlich erzielt

- für jedes Kind (§ 106).

Gem. § 34 Abs. 5 EStG sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen, wenn im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten sind.

Gem. § 34 Abs. 6 Teilstrich 2 EStG können Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs. 8 ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

Gem. § 34 Abs. 7 EStG gilt für Unterhaltsleistungen folgendes:

1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe, den Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a, den Kindermehrbetrag gemäß § 33 Abs. 7 sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.

2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.

(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

Gem. § 34 Abs. 8 EStG gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes (in der Fassung BGBl. Nr. 624/1995 zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 37/2018) (im Folgenden: Verordnung) liegen Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

Gem. § 2 Abs. 1 der Verordnung gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2016, anzuwenden.

Gem. § 2 Abs. 2 der Verordnung gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2016, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2016, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2016, als nicht mehr zumutbar.

Gem. § 2 Abs. 3 der Verordnung gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km als nicht im Einzugsbereich des Wohnortes gelegen, wenn Schüler oder Lehrlinge, die innerhalb von 25 km keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit haben, für Zwecke der Ausbildung außerhalb des Hauptwohnortes eine Zweitunterkunft am Ausbildungsort bewohnen (zB Unterbringung in einem Internat).

Gemäß § 26 Abs. 3 Bundesgesetz über die Gewährung von Studienbeihilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (in der Fassung BGBl. Nr. 305/1992 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 174/2022) (im Folgenden: StudFG) gelten Studierende als auswärtig, wenn

  1. der Wohnsitz der Eltern bzw. des Elternteils, mit dem der Studierende zuletzt in gemeinsamen Haushalt gelebt hat, so weit vom Studienort entfernt ist, dass die tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich nicht zumutbar ist, und

  2. sie aus Studiengründen einen Wohnsitz in einer Entfernung zum Studienort haben, von dem aus die tägliche Hin- und Rückfahrt zumutbar ist.

Gemäß § 115 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (in der Fassung BGBl. Nr. 194/1961 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 136/2017) (im Folgenden: BAO) haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.

Gem. § 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.

Gem. § 119 Abs. 2 BAO dienen der Offenlegung insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgabenrechtliche Feststellungen, für die Festsetzung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder die Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstberechnung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekanntgeben.

Gem. § 138 Abs. 1 BAO haben auf Verlangen der Abgabenbehörde die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.

Gem. § 138 Abs. 2 BAO sind Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden auf Verlangen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, soweit sie für den Inhalt der Anbringen von Bedeutung sind.

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Der Bf. machte in seiner Arbeitnehmerveranlagung 2018 die auswärtige Berufsausbildung seiner Tochter VN NN als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Hauptwohnsitz (und gleichzeitig einzige gemeldete Wohnsitz) der Tochter war laut dem Zentralen Melderegister das gesamte Jahr 2018 hindurch an der Adresse Str., Ort3.

Die Tochter absolvierte im Jahr 2018 die erste bzw. die zweite Schulstufe der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in der Str2, PLZ Ort2. Die Entfernung zwischen dem Wohnort und dem Schulort beträgt laut Google Maps 40 km. Da die die Ausbildungsstätte somit weniger als 80 km vom Wohnort entfernt ist, liegt sie gemäß § 1 der Verordnung innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

Die im Vorlageantrag vom Steuerberater des Bf. vorgebrachten Zug- bzw. Busverbindungen beziehen sich alle auf Ort1 als Wohnort. Da die Tochter des Bf. jedoch laut dem Zentralen Melderegister das ganze Jahr 2018 hindurch ausschließlich im Ortszentrum von Unterach am Attersee lebte, können diese Verbindungen auch nicht für die Berechnung der Wegstrecken herangezogen werden.

Der Schulort war vom Wohnort der Tochter des Bf. aus laut Fahrplanauskunft mit dem Postbus der ÖBB um ca 06:00 Uhr morgens beispielsweise im Mai 2020 in 56 Minuten und im September 2022 in einem Zeitraum von 46 bis 56 Minuten zu erreichen. Für die Heimfahrten nachmittags gab es verschiedene Busverbindungen der ÖBB: Beispielsweise im September 2022 um 13:08 Uhr, um 16:08 Uhr oder um 17:08 Uhr - jeweils mit einer Dauer von 56 Minuten.

In den Fahrplan der ÖBB des Jahres 2018 kann aus technischen Gründen nicht mehr eingesehen werden.

Da es sich bei der Geltendmachung von außergewöhnlichen Belastungen um eine abgabenrechtliche Begünstigung handelt, ist die Beibringung bedeutsamer Nachweise - wie hier die Information, welches Verkehrsmittel die Tochter des Bf. jeden Tag für die Fahrt zur Schule benutzte - gem. § 115 Abs. 1 iVm § 119 Abs. 1 und § 138 Abs. 1 BAO vom Abgabepflichtigen selbst vorzunehmen. Dieser unterließ jedoch die Vorlage derselben, wodurch er seiner Pflicht, den Inhalt seines Anbringens zu erläutern bzw. zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen, nicht nachgekommen ist.

Einer 15-jährigen Schülerin ist eine Zug- oder Busverbindung mit Abfahrt am Wohnort um ca. 06:00 Uhr morgens jedenfalls zumutbar, da auch viele Lehrlinge im selben Alter um diese Uhrzeit ihre Frühschicht beginnen und sich daher um diese Uhrzeit bereits an ihrem Arbeitsort befinden müssen.

Die Neufassung des § 2 der Verordnung […] enthält für Zwecke der Gewährung der Studienbeihilfe die Regelung, dass eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel keineswegs mehr zumutbar ist. Diese Bestimmung stellt nur auf die Hin- und Rückfahrt vom und zum Studienort ab. Nicht einzurechnen sind daher Wartezeiten, Fußwege sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort [vgl. Hofstätter/Reichel, § 34 EStG 1988, Einzelfälle, auswärtige Berufsausbildung (Kinder)]. Die Berücksichtigung von Wegstrecken innerhalb des Wohnortes kann dem § 2 der zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 erlassenen Verordnung (BGBl. Nr. 624/1995) in der Neufassung nicht entnommen werden. Nachzuweisen ist, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt (; vgl. ).

Da somit angenommen werden kann, dass die Fahrtzeit vom Wohnort zum Schulort der Tochter des Bf. im Jahr 2018 unter einer Stunde lag und diese Fahrt der Tochter des Bf. auch zeitlich zumutbar war, gilt die Ausbildungsstätte gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen.

Im Umkreis von 25 km vom Wohnort der Tochter gab es laut dem "SchoolFinder" des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung keine andere gleichwertige Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe.

Der Beschluss des BFG mit der Frage an den Bf., ob dessen Tochter im Jahr 2018 eine Zweitunterkunft an ihrem Ausbildungsort bewohnt habe, blieb vom Bf. unbeantwortet. Da der Bf. auch in dieser Hinsicht seiner Mitwirkungspflicht gem. § 115 Abs. 1 iVm § 119 Abs. 1 und § 138 Abs. 1 BAO nicht nachkam, kann davon ausgegangen werden, dass dessen Tochter im Jahr 2018 keine Zweitunterkunft am Ausbildungsort bewohnte.

Da die Tochter des Bf. somit zwar innerhalb von 25 km keine adäquate Ausbildungsmöglichkeit hatte, für die Zwecke der Ausbildung außerhalb des Hauptwohnsitzes jedoch keine Zweitunterkunft am Ausbildungsort bewohnte, gilt die Ausbildungsstätte im konkreten Fall auch gemäß § 2 Abs. 3 der Verordnung als im Einzugsbereich des Wohnortes gelegen.

Da somit gemäß der Verordnung die Ausbildungsstätte im Einzugsbereich des Wohnortes gelegen ist und auch gemäß § 34 Abs. 8 EStG Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes nur dann als außergewöhnliche Belastung gelten, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht, war die Beschwerde abzuweisen. Der Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung steht dem Bf. daher nicht zu.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen (oben zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab.

Linz, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100764.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at