zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.01.2023, RV/5100725/2021

Rückforderung von Familienleistungen mangels Haushaltszugehörigkeit und überwiegender Unterhaltskostentragung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes ***FA**** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , zu Versicherungsnummer ***000***, über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienleistungen (Ausgleichszahlung gem. Verordnung (EG) 883/2004 und Kinderabsetzbetrag) für *******, VNR: ***111***, für die Zeiträume Jänner 2015, April bis Juli 2015, Oktober bis November 2015, März 2016 und Oktober 2016 in Höhe von insgesamt 1.764,74 Euro, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) dahingehend abgeändert, dass die Rückforderung für die Zeiträume Jänner 2015, April bis Juli 2015 und Oktober bis November 2015 insgesamt 1.380,11 Euro (Ausgleichszahlung gem. Verordnung (EG) 883/2004 - DZ: 971,31 Euro; Kinderabsetzbetrag - KG: 408,80 Euro) beträgt.
Die den Entscheidungsgründen folgende Berechnung bildet einen Spruchbestandteil dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte das Finanzamt unter Verweis auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) und des § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) Familienleistungen in Höhe von insgesamt 1.764,74 Euro (Ausgleichszahlung gem. Verordnung (EG) 883/2004 - DZ: 1.239,14 Euro; Kinderabsetzbetrag - KG: 525,60 Euro) zurück, welche die Beschwerdeführerin (Bf.) für ihren Sohn ******* in den Zeiträumen Jänner 2015, April bis Juli 2015, Oktober bis November 2015, März 2016 und Oktober 2016 bezogen hatte.
Zur Begründung wurde die Bestimmung des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 angeführt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom .
Die Bf. bringt darin sinngemäß vor, dass sie zur fraglichen Zeit als Personenbetreuerin in Österreich tätig gewesen sei. Sie sei - wie auch andere Personenbetreuerinnen - abwechselnd vier Wochen in Österreich und dann wieder vier Wochen in Rumänien gewesen. Sie wisse daher nicht, warum sie den Betrag zurückzahlen solle.

Das Finanzamt wies in der Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Zur Begründung führte es an, dass gemäß § 10 Abs. 4 FLAG 1967 für einen Monat Familienbeihilfe nur einmal gebühre. § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 stelle hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruches primär auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind ab und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz) darauf, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage. Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 stehe der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig sei, zwingend entgegen ().
Lt. Auszug des Zentralen Melderegisters habe der Sohn der Bf. vom bis im Haushalt des Herrn ***C*** und dessen Ehegattin ***E*** in Wien gelebt.
Es liege ein Protokoll des Bezirksgerichtes ***BG*** auf, aus dem hervorgehe, dass der Sohn der Bf. seit Juli 2014 bei der Familie ***C*** lebe. Laut diesem Protokoll liege eine Erklärung der Eltern vom in rumänischer Sprache samt Übersetzung in die deutsche Sprache vor, dass Frau ***C*** berechtigt sei, sich um den Minderjährigen zu kümmern.
Da die Bf. trotz Aufforderung vom keine beweiskräftigen Unterlagen vorgelegt habe, aus denen hervorgehe, dass der Sohn der Bf. in der fraglichen Zeit bei ihr gelebt habe, sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Die Bf. bringt darin sinngemäß vor, dass ihr nicht klar sei, weshalb es zu zwei Auszahlungen gekommen sei. Nach den Angaben des Finanzamtes solle ihr Sohn von bis in Wien gewesen sein. In Rumänien gebe es leider kein Melderegister. Ihr Sohn sei ab Ende Februar 2016 wieder in Rumänien zuhause gewesen, da er einen Vorbereitungskurs für den Führerschein besucht habe. Der rumänische Führerschein sei dann am ausgestellt worden. Sie solle angeblich ein Protokoll unterschrieben haben, dass ihr Sohn bei ihrem Cousin in Wien leben dürfe. Sie sei zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht in Wien gewesen und habe daher ein solches Protokoll nicht unterschreiben können. Es bestehe für die Bf. der Verdacht, dass die Unterschrift gefälscht worden sei. Außerdem habe ihr Cousin den Wohnsitz ihres Sohnes in Wien nicht rechtzeitig abgemeldet.
Die Bf. habe im Jahr 2017 einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gestellt, da sie damals in Österreich als Personenbetreuerin gearbeitet habe. Sie sei nun geschieden und habe nur ein geringes Einkommen. Deshalb könne sie den geforderten Betrag auch nicht zurückzahlen. Nach Ansicht der Bf. müsse ihr Cousin den ihm nicht zustehenden Betrag zurückzahlen.

Das Finanzamt legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf., ihr Sohn sowie der von der Bf. mittlerweile geschiedene Vater des Kindes sind rumänische Staatsangehörige. Die Bf. war in den vom angefochtenen Bescheid umfassten Zeiträumen in Österreich als Personenbetreuerin selbständig erwerbstätig und bezog für ihren damals noch minderjährigen Sohn Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge. Sie hielt sich in den hier maßgeblichen Zeiträumen monatlich abwechselnd in Österreich und Rumänien auf. Der Sohn der Bf. wohnte nach der Einreise aus Rumänien im Juli 2014 bis Dezember 2015 beim Cousin der Bf. und dessen Ehegattin in Österreich, in ***Wien***, und kehrte anschließend wieder zurück zum gemeinsamen Familienwohnsitz in Rumänien.
Laut Protokoll des Bezirksgerichts ***BG*** vom , GZ. ********, legte der Cousin der Bf. dem Gericht in der Pflegschaftssache den minderjährigen Sohn der Bf. betreffend eine Erklärung der Eltern vom in rumänischer Sprache samt Übersetzung in die deutsche Sprache vor, welche vom Gericht als Pflegeelternvertrag im Sinne des § 184 ABGB gewertet wurde. Demnach wurde das Kind durch die Eltern einvernehmlich, freiwillig und lediglich vorläufig (für die Zeit von bis ) in die Pflege und Erziehung der leiblichen Verwandten übergeben und war in dieser Zeit die Ehegattin des Cousins der Bf. berechtigt, Entscheidungen an Stelle der Eltern zu treffen, solange sich das Kind in ihrer Pflege und Erziehung befand, somit solange, bis die in der Erklärung abgegebene Frist abgelaufen, der Pflegeelternvertrag in anderer Form beendet wurde oder das Kind die Volljährigkeit erreichte.
Dass die Bf. in den maßgeblichen Zeiträumen zu den Unterhaltskosten des Kindes beigetragen hätte, war nicht feststellbar und wurde auch nicht behauptet.
Nach den Eintragungen im Zentralen Melderegister war der Sohn der Bf. von bis beim Cousin der Bf. und dessen Ehegattin in ***Wien***, mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe beim Magistrat der Stadt Wien teilte dem Bundesfinanzgericht mit Schreiben vom mit, dass der Wiener Kinder - und Jugendhilfe/MA 11 keine Person mit dem Namen des Sohnes der Bf. bekannt sei, und er in der Datenbank nicht als Pflegekind weder magistratisch noch privat geführt werde.
Für den Cousin der Bf. und dessen Ehegattin habe es niemals eine Befassung betreffend Bewilligung als Pflegeeltern, weder für ein magistratisches noch für ein privates Pflegeverhältnis gegeben.

Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung

Der angeführte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten, aus den vom Bezirksgericht ***BG*** und von der Wiener Kinder- und Jugendhilfe beim Magistrat der Stadt Wien übermittelten Unterlagen sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei im bisherigen Verfahren, insbesondere in der Erörterung gemäß § 269 Abs. 3 BAO vom .

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat bereits ausgesprochen, dass die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166 vom , und (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 284 vom , nicht bestimmen, welche Personen Anspruch auf Familienleistungen haben, auch wenn sie die Regeln festlegen, nach denen diese Personen bestimmt werden können. Welche Personen Anspruch auf Familienleistungen haben, bestimmt sich, wie aus Art. 67 der VO 883/2004 klar hervorgeht, nach dem nationalen Recht (, unter Verweis auf , Tomislaw Trapkowski, Rn. 43-44).

Nach § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im oben zitierten Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967).

Gemäß § 2 Abs. 3 FLAG 1967 sind Kinder einer Person im Sinne dieses Abschnittes
a) deren Nachkommen,
b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,
c) deren Stiefkinder oder
d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind nach § 2 Abs. 5 FLAG 1967, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4 FLAG 1967).

Ein Kind gilt gemäß § 2 Abs. 5 letzter Satz FLAG 1967 bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht gemäß § 2a Abs. 1 FLAG 1967 der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

Für ein Kind wird Familienbeihilfe nur einer Person gewährt (§ 7 FLAG 1967).

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Gleiches gilt für zu Unrecht bezogene und gemeinsam mit der Familienbeihilfeausbezahlte Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 3 EStG 1988 i.V.m. § 26 FLAG 1967).

§ 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 stellt den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind ab und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967) darauf, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Auf die Unterhaltspflicht der diese Unterhaltskosten überwiegend tragenden Person kommt es nicht an (z.B. ).

Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 steht der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig war, zwingend entgegen ().

Das FLAG 1967 geht davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann (vgl. ). Die gleichzeitige Zugehörigkeit zu zwei Haushalten in einem Monat hat der Gesetzgeber im FLAG 1967 nicht vorgesehen.

So wird gemäß § 7 FLAG 1967 für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt, auch gibt es unter dem Gesichtspunkt "Haushaltszugehörigkeit" keine Regelungen über eine Reihung von potenziell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit (vgl. ; ).

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG 1967 näher umschrieben. So kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an (vgl. ; ; ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängt die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung im Sinne des § 2 Abs. 5 FLAG 1967 teilt, ganz wesentlich davon ab, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt, und zwar jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die üblicherweise mit diesen Nächtigungen in Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen (z.B. Sorgetragung für morgendliche und abendliche Körperpflege oder Begleitung zur Schule) erbringt ().

Die Bf. bestreitet nicht, dass ihr Sohn nach der Einreise aus Rumänien im Juli 2014 bis Dezember 2015 (Weihnachten) beim Cousin der Bf. und dessen Ehegattin in Österreich, in ***Wien***, durchgehend gewohnt hat. Auch der Sohn der Bf. gab in einer dem Bundesfinanzgericht vorgelegten schriftlichen Erklärung vom an, dass er bis Dezember 2015 beim Cousin der Bf. und dessen Ehegattin in Wien gewohnt hat und erst im Dezember 2015 nach Rumänien in den gemeinsamen Haushalt zurückgekehrt ist.
Der Sohn der Bf. hat somit in einem Zeitraum von ca. eineinhalb Jahren nicht gemeinsam mit der Bf. in einer Wohnung gelebt.
Im Erörterungsgespräch vom wurde von der Bf. glaubhaft dargetan, dass ihr Sohn im Dezember 2015 wieder an den Familienwohnsitz nach Rumänien zurückgekehrt ist und dort im Jahr 2016 mit der Ausbildung für die Lenkerberechtigung begonnen hat.

§ 2 Abs. 5 lit.a FLAG 1967 stellt bei einer vorübergehenden Abwesenheit die Fiktion auf, dass die Haushaltszugehörigkeit nicht als aufgehoben gilt.
Ob der Aufenthalt eines Kindes außerhalb der gemeinsamen Wohnung nur "vorübergehend" im Sinne des § 2 Abs. 5 lit. a FLAG ist, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab ().

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) wird ein bestehender gemeinsamer Haushalt etwa durch gewisse durch Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens (wie etwa Krankenhaus-, Erholungsaufenthalte oder eine Untersuchungshaft) nicht beseitigt (). Im zuletzt zitierten Erkenntnis hat der VwGH aber auch angeführt, dass eine Aufenthaltsdauer von etwa siebeneinhalb Monaten, bei einer ex-post-Betrachtung für einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt, somit für einen ständigen Aufenthalt iSd § 5 Abs. 3 FLAG 1967 spreche. Allerdings sei für die Frage, ob ein Aufenthalt ein vorübergehender oder ein ständiger ist, von einer ex ante - Betrachtung auszugehen ().

Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt außerhalb des elterlichen Haushalts nicht nur vorübergehend währen wird, also wenn der Aufenthalt von Anfang an auf längere Zeit angelegt war, dann liegt schon ab Beginn dieses auswärtigen Aufenthaltes ein ständiger Aufenthalt außerhalb des elterlichen Haushalts vor (vgl. nochmals ).

Im vorliegenden Beschwerdefall geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass für den Sohn der Bf. nach der im Juli 2014 erfolgten Einreise aus Rumänien ein bis zumindest Mitte November 2015 dauernder und somit längerer Aufenthalt im Haushalt des Cousins der Bf. und dessen Ehegattin in Österreich, in ***Wien***, beabsichtigt war, was durch die Vorlage einer Erklärung der Eltern vom in rumänischer Sprache samt Übersetzung in die deutsche Sprache beim Bezirksgericht ***BG***, welche vom Gericht als Pflegeelternvertrag im Sinne des § 184 ABGB gewertet wurde, dokumentiert ist.

In Anlehnung an die bei Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 5 Rz 9 ff dargestellte Rechtsprechung zu einem ständigen Auslandsaufenthalt des Kindes und an die Regelung des § 26 Abs 2 BAO betreffend den gewöhnlichen Aufenthalt ist davon auszugehen, dass ein Aufenthalt außerhalb des Haushaltes von - geplant - höchstens sechs Monaten die Haushaltszugehörigkeit nicht beendet, ein darüberhinausgehender Aufenthalt (abgesehen von den hier nicht vorliegenden Fällen des § 2 Abs. 5 lit. b FLAG 1967 und § 2 Abs 5 lit c FLAG 1967) hingegen schon (vgl. ). So ist etwa ein einjähriger Auslandsaufenthalt zum Zwecke eines einjährigen Schulbesuches im Ausland nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als ständiger Aufenthalt im Ausland anzusehen (vgl. wiederum ).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund war der Sohn der Bf. in den vom Rückforderungsbescheid umfassten Zeiträumen Jänner 2015, April bis Juli 2015 und Oktober bis November 2015 beim Cousin der Bf. und dessen Ehegattin in Wien haushaltszugehörig und steht daher dem Anspruch der Bf. nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 die fehlende Haushaltszugehörigkeit mit ihrem Sohn in den genannten Zeiträumen entgegen.

Erst mit der Rückkehr des Sohnes der Bf. im Dezember 2015 zum Familienwohnsitz in Rumänien ist dieses Hindernis für eine Anspruchsberechtigung der Bf. nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 wieder weggefallen.

******* ist weder der leibliche Sohn (§ 2 Abs. 3 lit. a FLAG 1967), noch das Wahlkind oder dessen Nachkomme (§ 2 Abs. 3 lit. a FLAG 1967) oder das Stiefkind (§ 2 Abs. 3 lit. c FLAG 1967) von ***C*** oder dessen Ehegattin ***E***.

Gemäß § 2 Abs. 3 lit. d FLAG 1967 sind auch Pflegekinder Kinder i. S. d. FLAG 1967. An die Stelle von §§ 186 und 186a ABGB i. d. F. bis zum BGBl. I Nr. 135/2000 sind die §§ 184 und 185 ABGB i.d.F. BGBl. I Nr. 135/2000 getreten. Nach diesen Bestimmungen sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll.

Nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 steht der Anspruch auf Familienbeihilfe vorrangig jener Person zu, zu deren Haushalt das Kind (als welches nach § 2 Abs. 3 lit. d FLAG 1967 auch das Pflegekind zählt) gehört. In diesem Fall kommt es aber nicht darauf an, von wem die Mittel für die gemeinsame Haushaltsführung stammen. Nur wenn keiner Person ein Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 zusteht, ist entscheidend, wer die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967; ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nur solche Personen Pflegekinder iSd § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967, bei denen die Pflegeeltern ihre Rechte auf Grund einer Ermächtigung durch die unmittelbar Erziehungsberechtigten oder durch den Jugendwohlfahrtsträger ausüben oder bei denen das Gericht den Pflegeeltern auf ihren Antrag die Obsorge über das Kind ganz oder teilweise übertragen hat (). Die Pflegeelternschaft nach § 184 ABGB kennt zwei Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich die tatsächliche Betreuung und eine bestimmte Qualität der Bindung. Bei Vorliegen beider Komponenten ist die Pflegeelternschaft kraft Gesetzes ohne Notwendigkeit eines rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsaktes gegeben. Der Tatbestand der Pflegeelternschaft legt auch nicht fest, dass nur solche Personen als Pflegeeltern auftreten können, denen eine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber den Pflegekindern obliegt (vgl. ).

§ 184 ABGB setzt nicht voraus, dass ein Obsorgeverhältnis zum Kind besteht oder beabsichtigt ist bzw. dass von der mit der Obsorge betrauten Person eine Ermächtigung i. S. d. § 139 Abs. 1 ABGB dem Verhältnis zu Grunde liegt. Das Pflegeverhältnis kann daher auch bloß konkludent hergestellt worden sein. Allerdings liegt keine Pflegeelternschaft vor, wenn das Kind nur vorübergehend betreut wird (vgl. Deixler-Hübner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 184 ABGB Rz 5 und 6 m. w. N.).

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht brachte die Bf. vor, dass ihr die dem Bezirksgericht ***BG*** vorgelegte Erklärung vom in rumänischer Sprache nicht bekannt sei und sie eine solche Erklärung auch nicht unterfertigt habe. Die Bf. äußerte die Vermutung, dass ihr geschiedener Ehegatte und ihr Cousin diese Erklärung ohne ihr Wissen erstellt hätten. Zudem sei auch die Wiener Kinder- und Jugendhilfe beim Magistrat der Stadt Wien nie mit einem solchen Pflegeverhältnis befasst worden.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Auch wenn die Ehegattin des Cousins der Bf. nicht als Pflegemutter, zu deren Haushalt der Sohn der Bf. im Jahr 2015 angehörte, gemäß § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 im Beschwerdezeitraum oder in Teilen des Beschwerdezeitraums vorrangig anspruchsberechtigt gewesen sein sollte und es daher im Beschwerdefall gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967 auf die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten ankommt, ist für die Bf. nichts gewonnen:
Für die Bf. bestünde hinsichtlich der im Jahr 2015 gelegenen Rückforderungszeiträume nur dann ein Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinn des § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967, wenn die Ehegattin des Cousins der Bf. die Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 nicht erfüllt hätte und die Bf. die Kosten des Unterhalts für ihren Sohn überwiegend getragen hätte.

Der Regelbedarfssatz als grobe Richtschnur für den Mindestunterhalt für 15- bis 19jährige Kinder betrug im Jahr 2015 439,00 Euro (siehe etwa bei Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 33 Anm. 100). Die tatsächlichen Unterhaltskosten für den Sohn der Bf. im Beschwerdezeitraum stehen nicht fest.

Im vorliegenden Fall hat die Bf. im gesamten bisherigen Verfahren nicht behauptet, dass sie im Jahr 2015 Beiträge zur Finanzierung des Lebensunterhaltes ihres Sohnes geleistet hätte.
Damit steht für das Bundesfinanzgericht fest, dass die Bf. die gesetzlich geforderten Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe hinsichtlich der im Jahr 2015 gelegenen Zeiträume nicht erfüllt hat.
Bei dieser Sach- und Beweislage kann es daher auch dahingestellt bleiben, ob der in Wien wohnhaften Ehegattin des Cousins der Bf. die Pflege des damals noch minderjährigen Sohnes der Bf. durch die beim Bezirksgericht ***BG*** vorgelegte Erklärung der Eltern vom tatsächlich wirksam übertragen worden ist und ob zwischen ihr und dem Sohn der Bf. ein Pflegeverhältnis i. S. d. § 184 ABGB bestand.

Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe, gutgläubiger Empfang oder gutgläubige Verwendung der Beihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat.
Nach der Regelung des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 steht es der Rückforderung auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden ist.
Ein Rückforderungsbescheid kann auch hinsichtlich (ganz oder teilweise) zu Unrecht gewährter Differenzzahlung (Ausgleichszahlung) von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen ergehen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 26 Rz 10 und Rz 12 ff, und die dort angesprochene Judikatur).

Daraus folgt, dass mangels Anspruchs auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge hinsichtlich der im Jahr 2015 gelegenen Zeiträume die im Spruch genannten Beträge bei der Bf. zurückzufordern waren.

Berechnung :

Name des Kindes: *******; VNR/Geb.dat.: ***111***


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum
Ausgleichszahlung gem. Verordnung (EG) 883/2004 (DZ)
Kinderabsetzbetrag (KG)
Jänner 2015
149,60
58,40
April 2015
149,60
58,40
Mai 2015
149,60
58,40
Juni 2015
130,59
58,40
Juli 2015
130,69
58,40
Oktober 2015
130,65
58,40
November 2015
130,58
58,40

Der Rückforderungsbetrag beträgt daher 1.380,11 Euro (DZ: 971,31 Euro; KG: 408,80 Euro)

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Weder die im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen noch die einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung weisen eine Bedeutung auf, die über den Beschwerdefall hinausgeht. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at