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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.11.2022, RV/7103219/2022

Eintritt einer dauernden Erwerbsunfähigkeit nach Vollendung des 21. Lebensjahres

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch NÖ Landesverein für Erwachsenenschutz - Erwachsenenvertretung, Bewohnervertretung, Zehnergasse 1 Tür E05-T1, 2700 Wiener Neustadt, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom und vom betreffend die Abweisung des Antrags auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab Februar 2018 sowie die Abweisung des Antrags auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Jänner 2022 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im vorliegenden Fall liegt stellte die Beschwerdeführerin (Bf.), geb. 1969, bereits am einen Antrag auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe.

Im Gutachten vom wurde der Bf., welche an cerebralen Lähmungen nach einem Schlaganfall, Diabetes mellitus und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule leidet, von Dr.in Dok1, Ärztin für Allgemeinmedizin, ein Gesamtgrad der Behinderung von 70vH rückwirkend ab November 2016 bescheinigt und keine Erwerbsunfähigkeit festgestellt.

Auf Grund dieser Feststellungen wurde der Antrag der Bf. mit Bescheid vom ab November 2016 abgewiesen, wobei nach Aktenlage nämlicher Bescheid in Rechtskraft erwuchs.

1)Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe

Am stellte die Bf. einen Eigenantrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe.

Dr.in Dok1 erstellte nach Untersuchung der Bf. am folgendes Gutachten:

Dominal forte lxl, Glucophage 500 mg lxl, Escitalopram 15 mg lxl, Trittico ret 150 mg lxl, Pregabalin 100 mg 1-0-1, Levetiracetam 1-0-1, Atorvalan 20 mg lxl, Mysoline lx 0,5, TASS 100 mg, Tramalhydrochlorid Act. 200 mg lxl, Tramabene n. Bed.

Orthopädische Hilfsmittel: Rollmobil, elektrischer Rollstuhl wird nach Übersiedelung in die neue ebenerdige Wohnung übergeben (Ende Dezember). Nutzung einer Stützkrücke in der Wohnung, Lesebrille

Sozialanamnese:

Frau Bf. ist geschieden, lebt im gemeinsamen Haushalt mit der jüngeren Tochter, anamnestisch laut Patientenangabe Besuch der ASO Neunkirchen, kein HS- Abschluss, keine Lehre absolviert. Arbeitete ab dem 15. Lebensjahr, im Gastgewerbe in Neunkirchen, als in Puchberg tätig, danach Zimmermädchen in einem Gasthaus in Neunkirchen. Geburt des 1 Kindes 1988, Geburt des 2. Kindes 1995, Hochzeit 1996 und Umzug in die Steiermark (seit der Geburt des 1. Kindes Haushalt - bis laufend). Pensionsantrag läuft. Pflegegeldbezug der Pflegestufe 2, Besachwaltung seit ca. 2 Jahren angegeben. Betreuung durch Hilfswerk 2 x 7 Woche

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

E- Bericht nach Rehabilitationsaufenthalt Bad Pirawarth, vom :

Diagnose: Zustand nach Mediaaneurysmaklipping rechts 1/2017 mit Revision bei Empyem am , Epilepsie infolge der OP, Insult mit HP links 2016, Keilwirbel TH 12, DM II, Adipositas

Rehaziel: Steigerung der Gangsicherheit, der Gangdauer und der Kraft der linken UE.

Gehstrecke mit Rollmobil auf 50 m bis zur 1. Stehpause beschränkt. Mit vermehrten Stehpausen sind jedoch weitere Gehstrecken möglich, frei gehen ist möglich. Die Ziele konnten aus physiotherapeutischer Sicht teilweise erreicht werden.

Selektive Aufmerksamkeitsleistung unterdurchschnittlich.

Aufgrund der linksbetonten Tremorsymptomatik erfolgte ein Therapieversuch mitPrimidon, der leider keine klinische Verbesserung erbrachte.

Komplikationsloser Aufenthalt

Befundbericht Dr. C., FÄ für Neurologie, vom :

Dg.: St.p. Insult rechts frontal mit HP links 11/2016, ACMD- Aneurysma- Clipping 1/2017,Revision 2/2017, symptomatische fokale Epilepsie, DM, post- stroke Demenz

EEG in Pirawarth und h.o. ohne epilepsietypische Potentiale

Therapievorschlag. Inderal 10 mg 1-0-1, Inderal 40 mg 1/2-0-1/2, Pregabalin 100 mg 1-0-1,Levetiracetam 1000 mg 1-0-1 weiter

Untersuchungsbefund:

GdB liegt vor seit: 11/2016

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: Bei Mobilitätseinschränkung aber fehlendem maßgeblichem kognitivem Defizit kann von einer Erwerbsfähigkeit zumindest im Rahmen einer sitzenden Tätigkeit ausgegangen werden.

X Dauerzustand

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag mit der Begründung ab, dass Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn beim Antragsteller die Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sei. Im Gutachten des Bundessozialamtes vom sei keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden.

In der am erhobenen Beschwerde brachte die Erwachsenenvertreterin der Bf. vor, dass die Bf. nicht dauernd außerstande sei sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, da von einer Erwerbsfähigkeit zumindest im Rahmen einer sitzenden Tätigkeit ausgegangen werden könne.

Laut dem Amtsärztlichen Gutachten über die Arbeitsfähigkeit vom 5. Februar2021 wird Fr. Bf. jedoch auch aufgrund ihrer Einschränkungen in den kognitiven Funktionen bzw. einer leichten Demenz (MMSE 22/30) als dauernd gänzlich erwerbsunfähig eingestuft.

Aus einem weiteren Psychiatrischen Sachverständigen Gutachten vom sei zu entnehmen, dass diese Intelligenzminderung, als Unterschulung beschrieben, bereits vor den Schlaganfällen bestanden habe. Diese seien laut dem Sachverständigengutachten von 2020 auf die erschwerten Entwicklungsbedingungen während Kindheit und Jugend zurückzuführen.

Da Fr. Bf. nachweislich die ASO besucht habe und ein Schulabschluss sowie eine Lehre ebenfalls nicht möglich gewesen seien, sei klar, dass diese Intelligenzminderung jedenfalls schon vor dem 21. Lebensjahr bestanden habe.

In dem Gutachten des Sozialministeriumservice werde außerdem erwähnt, dass Die Bf. seit dem 15. Lebensjahr bis zum ersten Kind gearbeitet habe, welches sie mit 19 bekommen habe. Innerhalb dieses Zeitraums sei jedoch zwei Mal der Arbeitgeber gewechselt sowie zwei Mal Arbeitslosegeld bezogen worden,was ebenfalls darauf hindeute, dass ein stabiles Arbeitsver-hältnis der Bf. nicht aufrechtzuerhalten gewesen sei. Nach der Geburt des ersten Kindes mit 19 Jahren sei anschließend auch nie wieder ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

Es werde daher ersucht, den Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe nochmals zu prüfen.

Die Bf. wurde am von Dr.in Dok2, Fachärztin für Neurologie, Ärztin für Allgemeinmedizin untersucht und folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
In einem Vorgutachten 11/2021 wurde ein Zustand nach Schlaganfall mit Halbseitenschwäche links 11/2016, ein nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II und degenerative Verän-derungen der Wirbelsäule mit insgesamt 70% GdB bewertet.

BESCHWERDE durch die Erwachsenenvertretung Fr. Frossard: die Amtsärztin stuft in einem Gutachten über die Arbeitsfähigkeit vom aufgrund der Einschränkung der kognitiven Funktionen (MMSE 22/30) als dauern gänzlich erwerbsunfähig ein. Es liege auch ein psychiatrisches Sachverständigengutachten auf vom , worin die Intelligenzminderung als Unterschulung beschrieben wird. Und bereits vor dem Schlagfanfall bestanden habe. Sie besuchte nachweislich die ASO, eine Lehre und ein Schulabschluss waren nicht möglich. Sie habe seit dem 15. Lebensjahr bis zum 1. Kind gearbeitet, dabei wurde jedoch 2mal der Arbeitgeber gewechselt sowie zweimal Arbeitslosengeld bezogen. Nach der Geburt des ersten Kindes mit 19 Jahren ist nie wieder ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

Derzeitige Beschwerden:

Sie war in der ersten Klasse Volkschule zu langsam und kam gleich in die Sonderschule und machte 9 Jahre Sonderschule. Sie war dann Mädchen für alles in Puchberg am Schneeberg im Hotel 2-3 Jahre, dann habe sie in Neunkirchen im Hotel H. gearbeitet für ca 1 Jahr. Dann habe sie ihren Lebensgefährten kennen gelernt, wurde schwanger und habe mit 19 Jahren den Sohn bekommen. Sie blieb beim Sohn zu Hause. Dann habe sie ihren Mann kennengelernt, habe geheiratet und sei in die Steiermark gezogen. Sie bekam noch 2 Kinder. Sie habe sich immer um ihre Kinder gekümmert, hatte sonst niemanden. Sie habe sich dann scheiden lassen weil der Mann die Tochter sexuell missbrauchte. Er sei verurteilt worden. Sie habe alleine die Kinder großgezogen. 1 Tochter wohne noch zu Hause sei 23 Jahre. Sie habe vom Notstand der Familienbeihilfe und von den staatlichen Alimenten gelebt und immer viel gespart. Nach dem Schlaganfall 2016/2017 habe sie eine Erwachsenenvertreterin bekommen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Dominal forte lxl, Glucophage 500 mg lxl, Escitalopram 15 mg lxl, Trittico ret 150 mg lxl, Pregabalin 100 mg 1-0-1, Levetiracetam 1-0-1, Atorvalan 20 mg lxl, Mysoline lx 0,5, TASS 100 mg, Tramalhydrochlorid Act. 200 mg lxl, Tramabene n. Bed

elektrischer Rollstuhl für weitere Strecken zu Hause mit Unterarmstützkrücken

Sozialanamnese:
Lebt mit der Tochter in einer Wohnung. Mindestsicherung Pflegegeld erhöhte Familienbeihilfe für die Tochter

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Allgemeine Sonderschule Neunkirchen, : Schulbesuchsbestätigung von 1977-1984

Bezirkshauptmannschafe Neunkirchen, Dr. X., Amtsärztin :

Zunehmende Einschränkung der kognitiven Funktionen leichte Demenz, 2x Schlaganfall, fokale Epilepsie, Halbseitenschwäche links, kleinwüchsig, dauernd gänzlich erwerbsunfähig, betreute Werkstatt oder ehrenamtliche Tätigkeit denkbar

Bad Pirawarth :

Rehabiltationsaufenthalt -: Z.n Mediaaneurysma rechts osteoplastisches Craniotomie und Clipping epidurales Empyem mit Revision anamnestische Insult 2016 mit Hemiparese links, Minderwuchs

Versicherungsdatenauszug

Untersuchungsbefund:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Im Vergleich zum Vorgutachten wurde Leiden 2 neu aufgenommen. Der Gesamtgrad erhöht sich auf 80% GdB.

GdB liegt vor seit: 02/2021

GdB 70 liegt vor seit: 11/2016

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Dies besteht seit: 11/2016

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähig-keit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Eine Erwerbsfähigkeit für zumindest ungelernte Tätigkeiten war bei guten motorischen Fähigkeiten, fehlendem Therapiebedarf und eigenständiger Alltagsbewältigung bis zur Geburt des ersten Kindes gegeben. Behinderungsbedingt ist eine Erwerbsfähigkeit seit dem Insult mit wegfallen der motorischen Fähigkeiten definitiv nicht mehr möglich.

Das Finanzamt wies die Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und änderte den Spruch des Abweisungsbescheides vom insofern ab, als der Eigenantrag auf erhöhte Familienbeihilfe für den Zeitraum von November 2016 bis Februar 2018 zurückgewiesen und für den Zeitraum ab März 2018 abgewiesen wurde.

Begründend wurde festgestellt:

"Sachverhalt:

Sie haben am die erhöhte Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung beantragt. Laut fachärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt.

Daher wurde Ihr Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe abgewiesen.

Laut dem im Rahmen Ihrer Beschwerde neu erstellten Gutachten vom ist die dauernde Erwerbsunfähigkeit mit November 2016 eingetreten.

Gesetzliche Grundlagen:

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 für Vollwaisen oder diesen nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 gleichgestellte volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind. Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht.

Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß 8 Abs. 5 FLAG 1967, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt einZeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 desBehinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Die Feststellung des Behinderungsgrades eines Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 beantragt wurde, hat somit nach den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf dem Wege der Würdigung ärztlicher Sachverständigengutachten zu erfolgen.

Würdigung:

Ein Eigenanspruch auf erhöhte Familienbeihilfe wäre - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des FLAG - gegeben, wenn nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 bei Ihnen vor Vollendung des 21. Lebensjahres aufgrund einer Behinderung eine dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten wäre. Besteht keine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, stehen weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.

Das medizinische Sachverständigengutachten geht davon aus, dass eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, jedenfalls nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist.

Hinsichtlich Ihrer Ausführungen, die dauernde Erwerbsunfähigkeit sei bereits viel früher eingetreten, wird auf das Erkenntnis des verwiesen, in dem der Gerichtshof zum Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit ausführt, dass § 6 Abs. 2 lit. d FLAG auf den Zeitpunkt des Eintritts der dauernden Erwerbsunfähigkeit abstellt. Eine solche Behinderung "kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit Längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt."

Im vorliegenden Beschwerdefall liegen die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 nicht vor, weil eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, jedenfalls nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist."

Die Erwachsenenvertreterin stellte am einen Vorlageantrag an das Bundes-finanzgericht und brachte ergänzend zur Beschwerde vom vor, dass aus einem amtsärztlichen Gutachten über die Arbeitsfähigkeit vom der Bf. auf Grund ihrer Einschränkungen in den kognitiven Funktionen und einer leichten Demenz (MMSE 22/30) als dauernd gänzlich erwerbsunfähig eingestuft worden sei. Aus einem weiteren psychiatrischen Sachverständigen Gutachten vom sei zu entnehmen, dass diese Intelligenzminderung, als Unterschulung beschrieben, bereits vor den Schlaganfällen bestanden habe. Diese seien laut dem Sachverständigengutachten von 2020 auf die erschwerten Entwicklungsbedingungen während Kindheit und Jugend zurückzuführen. Da die Bf. nachweislich die ASO besucht habe und ein Schulabschluss sowie eine Lehre ebenfalls nicht möglich gewesen seien, sei klar, dass diese Intelligenzminderung jedenfalls schon vor dem 21. Lebensjahr bestanden habe. In dem vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten werde erwähnt, dass die Bf. vier Jahre lang gearbeitet habe. Laut Sozialversicherungsauszug handle es sich jedoch lediglich um drei Jahre.

Hier sei ausdrücklich zu betonen, dass es sich erstens um weniger anspruchsvolle Tätigkeiten gehandelt habe (Reinigungskraft ohne die Erlaubnis zur Rechnungsstellung) und zweitens innerhalb dieses Zeitraums zwei Mal der Arbeitgeber gewechselt sowie zwei Mal Arbeitslosen-geld bezogen worden sei. Das Dienstverhältnis beim zweiten Arbeitgeber sei des Weiteren bereits im Probemonat beendet worden, was eindeutig nachweise, dass ein stabiles Arbeitsverhältnis seitens der Bf. nicht aufrechtzuerhalten gewesen sei. Somit sei ihres Erachtens nach eine Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben. Anschließend sei auch nie wieder ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

Aus den angeführten Gründen stelle sie daher den Antrag, das Bundesfinanzgericht möge der Beschwerde vollinhaltlich stattgeben, den angefochtenen Bescheid beheben und der Bf. die erhöhte Familienbeihilfe fünf Jahre rückwirkend ab Antragstellung gewähren.

2) Antrag auf den Grundbetrag zur Familienbeihilfe

Am stellte die Erwachsenenvertreterin einen Antrag auf (den Grundbetrag zur) Familienbeihilfe.

Der Antrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom ab Jänner 2022 mit der Begründung abgewiesen, dass Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sei. Die Erwerbsunfähigkeit müsse vor dem 21. Lebensjahr oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Lebensjahr eingetreten sein. Da bei der Bf. die Erwerbsunfähigkeit nach dem 21. Lebensjahr eingetreten sei, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Die Erwachsenenvertreterin erhob gegen den Bescheid am Beschwerde und brachte vor, dass laut dem Amtsärztlichen Gutachten über die Arbeitsfähigkeit vom der Bf. auch auf Grund ihrer Einschränkungen in den kognitiven Funktionen bzw. einer leichten Demenz (MMSE 22/30) als dauernd gänzlich erwerbsunfähig eingestuft worden sei. Aus einem weiteren Psychiatrischen Sachverständigengutachten vom sei zu entnehmen, dass diese Intelligenzminderung, als Unterschulung beschrieben, bereits vor den Schlaganfällen bestanden habe. Diese seien laut dem Sachverständigengutachten von 2020 auf die erschwerten Entwicklungsbedingungen während Kindheit und Jugend zurückzuführen.

In dem vom Sozialministerium erstellten Gutachten werde erwähnt, dass die Bf. vier Jahre lang gearbeitet habe. Laut Sozialversicherungsauszug handle es sich jedoch lediglich um drei Jahre.

Hier sei ausdrücklich zu betonen, dass es sich erstens um weniger anspruchsvolle Tätigkeiten gehandelt habe (Reinigungskraft ohne die Erlaubnis zur Rechnungsstellung) und zweitens innerhalb dieses Zeitraums zwei Mal der Arbeitgeber gewechselt, sowie zwei Mal Arbeits-losengeld bezogen worden sei. Das Dienstverhältnis beim zweiten Arbeitgeber sei des Weiteren bereits im Probemonat beendet worden. Das weise eindeutig nach, dass ein stabiles Arbeitsverhältnis seitens der Bf. nicht aufrechtzuerhalten gewesen sei. Ihres Erachtens nach sei eine Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben. Anschließend sei auch nie wieder ein Arbeitsver-hältnis zustande gekommen.

Sie wolle außerdem darauf hinweisen, dass das Datum des Zeitraums ab Jänner 2022 nicht korrekt sei. Da im Antrag für erhöhte Familienbeihilfe vom bereits die Familienbeihilfe für fünf Jahre rückwirkend ab Antragstellung ihrerseits beantragt worden sei, sei davon auszugehen, dass dies auch für den Antrag der Familienbeihilfe gelte. Der Ordnung halber lege sie einen erneuten Antrag dieser Beschwerde bei. Sie ersuche daher den Antrag auf Familienbeihilfe nochmals zu prüfen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass die Bf. am .01.2022 einen Antrag auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe für sich selbst gestellt habe. Laut fachärztlichen Sachver-ständigengutachten vom sei die dauernde Erwerbsunfähigkeit mit November 2016 eingetreten. Daher sei der Antrag auf Familienbeihilfe mit Bescheid vom abgewiesen worden. Die Bf. habe dagegen am eine Beschwerde eingebracht.

Nach Anführung der Bestimmungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 stellte das Finanzamt fest, dass ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des FLAG - gegeben wäre, wenn nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 bei der Bf. vor Vollendung des 21. Lebensjahres aufgrund einer Behinderung eine dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten wäre. Bestehe keine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, stehe weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.

Die Erwachsenenvertreterin stellte am einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht mit im Wesentlichen gleichlautenden Ausführungen wie in ihren bisherigen Schriftsätzen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Die Bf. besuchte nach der ersten Klasse Volksschule von 1977 bis 1984 die Sonderschule und war dann ca. drei bis vier Jahre in zwei verschiedenen Hotels als Hilfskraft beschäftigt. Mit 19 Jahren bekam die Bf. einen Sohn und später noch zwei Töchter. Nach der Scheidung von ihrem Mann zog sie die drei Kinder alleine groß.

Die Bf. ist nach der Geburt des ersten Kindes nicht mehr berufstätig gewesen.

Nach einem Schlaganfall 2016/2017 bekam die Bf. eine Erwachsenenvertreterin.

Die Bf. lebt mit einer Tochter im gemeinsamen Haushalt.

Sie bezieht seit 2018 Pflegegeld. Laut Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom bezieht sie Pflegegeld Stufe 2.

Folgende Befunde wurden Im Zuge des Familienbeihilfenverfahrens vorgelegt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bericht der Abteilung für Neurologie, LKH Wiener Neustadt vom
- Strukturelle Epilepsie mit gehäuften fokalen motorischen Anfällen bei St.p. Insult und Aneurysmaklipping (ACM- Aneurysma rechts) 1/2017, Zustand nach ischämischem Insult in der Vergangenheit
Befundbericht der Neurologin Dr. C., vom
St.p.Insult rechts frontal mit HP links 11/2016, AMMD- Aneurysma- Clipping 1/2017, St.p.Revision und Evakuation eines subgalealen Empyems 272017, symptomatische fokale Epilepsie, Diabetes mellitus, Hirnnerven, geringe zentrale FP links, sonst o.B., OE: Kraft allseits KG 5 rechts, links KG 4, Feinmotorik links verlangsamt UE: Trophik, Tonus normal, kein Absinken bds., Schwächezittern links, Muskeleigenreflexe mittellebhaft, Kraft rechts KG 5, links KG 4, Bab. negativ, Stand Bf., gang hinkend, unkoordiniertes Auftreten links
LWS- MRT Doz. Dr. S., vom
Osteochondrose L5/S1, minimale Discusprotrusion mit kurzstreckiger Tangierung der Caudafaser S1 beidseitig (re>li
E- Bericht nach Rehabilitationsaufenthalt Bad Pirawarth vom :
Diagnose: Zustand nach Mediaaneurysmaklipping rechts 1/2017 mit Revision bei Empyem am , Epilepsie infolge der OP, Insult mit HP links 2016, Keilwirbel TH 12, DM II, Adipositas
Befundbericht Dr. C., FÄ für Neurologie vom :
Dg.: St.p. Insult rechts frontal mit HP links 11/2016, ACMD- Aneurysma- Clipping 1/2017, Revision 2/2017, symptomatische fokale Epilepsie, DM, post- stroke Demenz
Dr. X., Amtsärztin, Befund vo05.02.2021
Zunehmende Einschränkung der kognitiven Funktionen, leichte Demenz, 2 x Schlaganfall, fokale Epilepsie, Halbseitenschwäche links, kleinwüchsig, dauernd gänzlich erwerbsunfähig, betreute Werkstatt oder ehrenamtliche Tätigkeit denkbar
Bad Pirawarth,
Rehabilitationsaufenthalt - : Z.n Mediaaneurysma rechts osteoplastisches Craniotomie und Clipping epidurales Emphyem mit Reivision anamnestische Insult 2016 mit Hemiparese links, Minderwuchs

Weiters wurde ein Psychiatrisches Sachverständigengutachten von Dr. W., FA für Psychiatrie und Neurologie, vom , vorgelegt.

Fragestellung in diesem Gutachten war, ob eine psychische Krankheit oder vergleichbare Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit vorliegt, die dazu führt, dass die Bf. einzelne oder bestimmte Arten von Angelegenheiten nicht mehr ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann.

Im zusammenfassenden Gutachten wurde festgehalten, dass die Betroffene wegen vermehrter Vergesslichkeit und Intelligenzminderung nicht in der Lage sei, Abstraktionsleistungen zu erbringen. Aus diesem Grunde bedürfte sie einer Vertretung gegenüber Ämter, Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie einer Unterstützung bei Geschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen.

Die Bf. leide unter einem durchaus komplexen Krankheitsbild. Die Entwicklungsbedingungen während Kindheit und Jugend seien erschwert gewesen. Die Betroffene habe die Sonderschule besucht. Ob primär eine intellektuelle Grenzbegabung bei Minderwuchs bestanden habe oder ob es aufgrund mangelnder Förderung zu einer Unterschuldung gekommen sei, lasse sich nicht mit Sicherheit beantworten.

Die Sachverständigen im Sozialministerium bezogen die vorgelegten Befunde in ihre Untersuchungsergebnisse mit ein und trafen folgende Feststellungen:

Im Gutachten vom (Vorverfahren) wurde der Bf. auf Grund ihrer Er-krankungen (Cerebrale Lähmungen [Zustand nach Schlaganfall mit Halbseitenschwäche links 11/2016], Diabestes mellitus und degenerative Veränderung der Wirbelsäule) ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 vH rückwirkend ab November 2016 bescheinigt. Eine Erwerbsunfähig-keit wurde nicht festgestellt.

Im Gutachten vom wurden die Erkrankungen der Bf. (1 - Zustand nach Schlaganfall, 2. Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II, 3. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule) von Dr.in Dok1 mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 vH rückwirkend ab November 2016 festgesetzt. Der Gesamtgrad wurde damit begründet, dass Leiden 2 und 3 bei fehlender ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinfluss nicht erhöhen.

Festgehalten wurde, dass gegenüber dem Vorgutachten ein unverändertes Zustandsbild bestehe, weshalb der Grad der Behinderung gleichbleibend sei.

Eine voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde mit der Begründung nicht bescheinigt, dass bei Mobilitätseinschränkung, aber fehlendem maßgeblichem kognitiven Defizit von einer Erwerbsfähigkeit zumindest im Rahmen einer sitzenden Tätigkeit ausgegangen werden könne.

Im Gutachten vom setzte Dr.in Dok2 den Gesamtgrad der Behinderung wegen zunehmender Einschränkung der kognitiven Funktionen, leichte Demenz, mit 80 vH rückwirkend ab Februar 2021 fest.

Die Erwerbsunfähigkeit wurde rückwirkend ab November 2016 (Schlaganfall) bescheinigt. Eine Erwerbsfähigkeit für zumindest ungelernte Tätigkeiten sei bei guten motorischen Fähigkeiten, fehlendem Therapiebedarf und eigenständiger Alltagsbewältigung bis zur Geburt des ersten Kindes gegeben gewesen. Behinderungsbedingt sei eine Erwerbsfähigkeit seit dem Insult mit Wegfallen der motorischen Fähigkeiten definitiv nicht mehr möglich.

Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt beruht auf den durchgeführten Anamnesen, den von der Bf vorgelegten Befunden von sowie den drei Sachverständigengutachten vom (Vorverfahren), vom und vom .

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt.

Das Gericht unterzog im Rahmen der freien Beweiswürdigung die der Bescheinigung zugrundeliegenden Gutachten einer kritischen Würdigung und kommt zu dem Schluss, dass die in den Gutachten getroffenen Feststellung, dass die Bf. nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahr erwerbsunfähig wurde, mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entspricht.

In den Jahren 2016 und 2017 erlitt die Bf. je einen Schlaganfall und wurde ihr gerichtlich eine Erwachsenenvertretung zur Seite gestellt.

Die von der Bf. im Verwaltungsverfahren vorgelegten Befunde umfassen den Zeitraum 2017 bis 2021, also den Zeitraum nach den erlittenen Schlaganfällen (2016 und 2017).

Der älteste von der Bf. vorgelegte Befund datiert vom (Bericht der Abteilung für Neurologie, LKH Wiener Neustadt vom ).

Das psychiatrische Sachverständigengutachten vom spricht darüber ab, ob zum Untersuchungszeitpunkt (Jänner 2020) eine psychische Krankheit oder vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, die dazu geführt hat, dass die Bf. einzelne oder bestimmte Arten von Angelegenheiten nicht mehr ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann.

In der Zusammenfassung dieses Gutachtens wurde u.a. festgehalten, dass die Bf. die Sonderschule besucht hat. Ob primär eine intellektuelle Grenzbegabung bei Minderwuchs (1,32m) bestanden hat, oder ob es aufgrund mangelnder Förderung zu einer Unterschulung gekommen sei, lasse sich nicht mit Sicherheit beantworten.

Im Gutachten vom stellte die Amtsärztin Dr. X. fest, dass eine zunehmende Einschränkung der kognitiven Funktionen und eine leichte Demenz besteht. Die Bf. sei dauernd gänzlich erwerbsunfähig, eine betreute Werkstatt oder ehrenamtliche Tätigkeit sei denkbar.

Der Befundbericht von Dr. C., Facharzt für Neurologie, vom , enthält Ausführungen zum Gesundheitszustand der Bf. nach den Schlaganfällen.

Die Sachverständigen konnten daher aus den vorgelegten Befunden nicht auf den Eintritt einer dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres schließen.

Zum Vorbringen der Erwachsenenvertreterin, dass die Intelligenzminderung bereits vor den Schlaganfällen bestand, da die Bf. nachweislich die Allgemeine Sonderschule besucht habe und ein Schulabschluss sowie eine Lehre ebenfalls nicht möglich gewesen seien, und somit klar sei, dass diese Intelligenzminderung jedenfalls schon vor dem 21. Lebensjahr bestanden habe, wird Folgendes festgestellt:

Bei Intelligenzminderung können alle Fertigkeiten oder nur einzelne Teilbereiche (zB Kognition, Sprache, Merkfähigkeit, Gedächtnis, Übersichtsfähigkeit, von motorischen und sozialen Fertigkeiten) beeinträchtigt sein, wodurch die Intelligenzminderung oft zu Schwierigkeiten im Aneignen von Kenntnissen sowie beim Handeln und Denken, bedingt durch Konzentrations-störungen oder Gedächtnisschwäche, beschränktes Interesse und eine verzögerte intellek-tuelle Reife führt. Betroffene sind schulbildungsfähig, meist allerdings nur in Förderschulen für Lernbehinderte (BVwG , W200 2012322-1).

Eine Intelligenzminderung bewirkt per se aber nicht zwingend eine Arbeitsunfähigkeit, da die Leistung von einfachen Arbeiten durchaus möglich ist (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , GZ. W200 2012322-1, vgl. auch ).

Im vorliegenden Fall besuchte die Bf. eine Sonderschule und war danach in zwei Hotels berufstätig, wo sie einfache Arbeiten verrichtete.

Ab der Geburt des ersten Kindes (1988) war die Bf. nie mehr berufstätig. Die Bf. wurde später noch Mutter von zwei weiteren Kindern.

Aus dem Umstand, dass die Bf. nach dem ersten Kind nicht mehr berufstätig war, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass bereits damals eine Berufsunfähigkeit vorgelegen ist. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens sind alleinerziehende Mütter von mehreren Kindern in aller Regel mehrere Jahre nicht erwerbstätig.

Bei der Einschätzung, ob bzw. wann eine Erwerbsunfähigkeit vorliegt, dürfen aber andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitsunwilligkeit, oÄ) wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres) für die Beurteilung nicht herangezogen werden (vgl ).

Dr.in Dok2 stützte ihre Feststellung, dass bei der Bf. die Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab November 2016 vorliegt, auf den Umstand, dass die Bf. 2016 einen Schlaganfall erlitten und sich ihr Gesundheitszustand danach verschlechtert und schließlich zur Erwerbsunfähigkeit geführt hat.

Diese Feststellung ist nicht unschlüssig, da sich bei vielen Personen Krankheiten erst mit zunehmendem Alter manifestieren so zB Probleme mit der Wirbelsäule. Bei Diabetes mellitus Typ II handelt es sich um eine Erkrankung, welche sich oft erst im höheren Lebensalter bemerkbar macht.

Zufolge der Gutachten lag somit keine im Hinblick auf die maßgebenden Bestimmungen des FLAG relevante Behinderung vor, die zu einer vor dem 21. Lebensjahr eingetretenen Erwerbsunfähigkeit geführt hat.

Das Gericht sieht daher das Gutachten von Dr.in Dok2 nach dem Vorgesagten als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei an. Das Gutachten steht auch nicht im Widerspruch mit dem Gutachten von Dr.in Dok1 vom , in welchem der Bf. zunächst keine Erwerbsunfähigkeit bescheinigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Prozessuale Vorbemerkungen

Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung somit jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. , unter Verweis auf , und ).

Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird ().

In Ansehung vorstehender Ausführungen und der Tatsache, dass mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom der Antrag der Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe ab November 2016abgewiesen wurde, wäre seitens des Finanzamtes - angesichts via Gutachten vom sowie vom bestätigter Maßen unverändert gebliebener Sach- und Rechtslage - den Anträgen vom sowie vom mit einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache (res iudicata) zu begegnen gewesen.

Dadurch, dass das Finanzamt obgenannte Anträge mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden abgewiesen hat anstatt richtigerweise als unzulässig zurückgewiesen hat, wurde die Bf. jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. z.B. ).

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht (vgl. FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, Rz 5 zu § 8). Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen.

Der VwGH sprach im Erkenntnis vom , 2010/16/0220 aus, dass die Beantwortung der Frage, ob ein Kind voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht anhand des Grades der Behinderung zu beurteilen ist.

Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, stehen sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 21, vgl. auch ).

Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, steht sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (vgl. , , vgl. weiters Lenneis in Csaszar / Lenneis / Wanke, FLAG, § 8 Rzln 5 und 19 ff, vgl. auch die Erkenntnisse des , , , , ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist für die Erfüllung des Tatbestandes des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 bei geistiger oder körperlicher Behinderung der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eine Erwerbsunfähigkeit bewirkt. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt (vgl. ; ; ).

Gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundes-amtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr: Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behindertenein-stellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

In der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, geändert durch BGBl. II Nr. 251/2012, ist Folgendes normiert:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der funktionellen Einschränkungen in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderungzu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilunggerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten…"

Gutachten - Allgemeines:

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

Bescheinigung des Sozialministeriumservice:

Nach den Bestimmungen des § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens) nachzuweisen (vgl z.B. ; ; ; ).

Das ärztliche Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung iSd FLAG 1967 hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. ; ; ).

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten (vgl. dazu , und , sowie ) hat sich im Fall, dass ein volljähriger Antragsteller die erhöhte Familienbeihilfe beantragt, darauf zu erstrecken, ob die 50%ige Behinderung oder die Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist (vgl. etwa ).

Anwendung der Richtsatzverordnung

Bei der Anwendung der Richtsatzverordnung hingegen kann man auf Erfahrungswerte einer jahrzehntelangen Praxis zurückblicken, wobei auch eine breite Akzeptanz der Bevölkerung festgestellt wurde. Die Anwendung der Richtsatzverordnung wird durch deren klar abgrenzbare Vorgaben bei der Beurteilung von Behinderungen durch Prozentsätze nicht nur eine bundeseinheitliche Vollziehung nach objektiven Kriterien, sondern insbesondere auch das erforderliche Maß an Rechtssicherheit bringen. Zwar basiert die Richtsatzverordnung auf Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, Experten aus der Ärzteschaft und der Verwaltung haben aber bestätigt, daß diese Verordnung auch altersbezogen und spezifisch auf Kinder angewandt werden kann ().

Erwerbsfähigkeit:

Der VwGH stellte im Erkenntnis vom , 2013/12/0215, zum Begriff der Erwerbsunähigkeit fest, dass die Person in der Lage sein müsse, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit sei abstrakt zu beurteilen, d.h. es sei nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar seien oder nicht, es müsse sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes sei; es komme aber sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorlägen. Hierbei sei weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben sei.

Feststellung, wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist:

Die Aufgabe des Arztes als Gutachter bzw. fachkundiger Berater des Gerichtes oder sonstiger Auftraggeber besteht darin, entsprechend den ihm vom Auftraggeber gestellten Beweisfragen medizinische Befunde zu erheben und diese unter Berücksichtigung der sonstigen ihm zugänglich gemachten Informationen auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlichen Erfahrungswissens zu bewerten, um so dem "Auftraggeber" (hier: FA) eine Entscheidung der rechtlich erheblichen Fragen zu ermöglichen.

Demgemäß werden bei der Feststellung, ab welchem Zeitpunkt ein bestimmter Grad der Behinderung bzw. ab wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, von den sachverständigen Ärzten des Sozialministeriumservice neben der Anamnese, den Untersuchungsergebnissen und dem ärztlichen Erfahrungswissen die von den Antragstellern vorgelegten Befunde herangezogen.

Bei der Einschätzung dürfen andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitsunwilligkeit, oÄ) wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres) für die Beurteilung nicht herangezogen werden (vgl ).

Mitwirkungspflicht bei Begünstigungsvorschriften:

Nach der Judikatur des VwGH besteht bei Begünstigungsvorschriften und in Fällen, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Eine Mitwirkungspflicht ist gerade in den Fällen wichtig und unerlässlich, in denen der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe wegen Erwerbsunfähigkeit von Personen gestellt wird, die erheblich älter als 21 bzw. 25 Jahre alt sind.

Die Vorlage von "alten" und relevanten Unterlagen (Befunden, Bestätigung über Spitalsaufenthalte oder Therapien etc.) seitens des Antragstellers ist gerade dann wichtig bzw. unerlässlich, wenn ein Sachverständiger (weit rückwirkend) den Zeitpunkt festzusetzen hat, seit wann ein bestimmter Behinderungsgrad vorliegt oder wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist.

Fehlen derartige Befunde, warum auch immer, können die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen und liegt die Ursache auch darin, dass Erkrankungen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, häufig einen schleichenden Verlauf nehmen oder sich mit zunehmendem Alter verschlechtern.

Diese Auffassung vertritt auch Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8, II. Erhebliche Behinderung [Rz 10 - 35]. Es sei wohl nicht zu bestreiten, dass die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, wenn Sachverhalte zu beurteilen sind, die teilweise Jahrzehnte zurückliegen. Auch der Sachverständige könne aufgrund seines medizinischen Fachwissens ohne Probleme nur den aktuellen Gesundheitszustand des Erkrankten beurteilen. Hierauf komme es aber nur dann an, wenn der derzeitige Behinderungsgrad zu beurteilen sei oder die Feststellung, ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, zeitnah zum relevanten Zeitpunkt erfolgen könne. Der Sachverständige könne in den übrigen Fällen nur aufgrund von Indizien, insbesondere anhand von vorliegenden Befunden, Rückschlüsse darauf ziehen, zu welchem Zeitpunkt eine erhebliche Behinderung eingetreten ist. Somit werde es primär an den Beschwerdeführern, allenfalls vertreten durch ihre Sachwalter, liegen, den behaupteten Sachverhalt, nämlich ihre bereits vor der Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, klar und ohne Möglichkeit eines Zweifels nachzuweisen (Verweis auf die Entscheidungen des ; , RV/0687-W/05).

Für die im Jahr ***1*** geborene Bf. sind diese Ausführungen uneingeschränkt anwendbar.

Bindung der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichtes an die Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice, wenn diese schlüssig sind:

Ein Gutachten ist

•vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)

•nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und diese die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und

•schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint

Die Gutachten unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen/richterlichen Beweiswürdigung.

Das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht sind an die Gutachten des SMS gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und im Fall mehrerer Gutachten oder einer Gutachtensergänzung nicht einander widersprechen (vgl. ; ; Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310). Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ).

Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ua.).

Die Beihilfenbehörden, und auch das Gericht, haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (vgl. ).

Wie schon an oberer Stelle festgehalten, erachtet das Bundesfinanzgericht die beiden, im Zuge des Verfahrens erstellten Gutachten getroffenen Feststellungen als vollständig, nachvollziehbar und schlüssig.

Im gegenständlichen Fall besteht keine vor Vollendung des 21. Lebensjahres (eine spätere Berufsausbildung liegt nicht vor) eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Daher steht weder der Grundbetrag noch der Erhöhungsbetrag auf Familienbeihilfe zu.

Zusammenfassend war daher wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, ob und ab wann eine "dauernde Erwerbsunfähigkeit" gegeben ist, handelt es sich um eine Tatfrage und ist das BFG an die vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden, sofern diese schlüssig sind. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

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