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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.12.2022, RV/7102882/2022

Kein Absehen von der Festsetzung der Rückzahlung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für Abgabenansprüche, die 2014 entstanden sind

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102882/2022-RS1
Von der Rückzahlung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld im Jahr 2020 bzw. 2021 ist lt. der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift des § 49 Abs. 23 letzter Satz KBGG nur hinsichtlich Abgabenansprüchen abzusehen, die 2015 oder 2016 entstanden sind, sodass die Abgabenvorschreibung hinsichtlich eines Abgabenanspruches, der 2014 entstanden ist, nicht rechtswidrig ist, auch wenn diese auf Grund der Verlängerung der Verjährungsfrist um ein Jahr gem. § 209 Abs. 1 BAO erst im Jahr 2020 erfolgt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld 2014, SVNr. 3025041275, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Dem Beschwerdeführer (Bf.) wurde mit Bescheid vom die Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2014 i.H. von 1.974,39 € vorgeschrieben.

Als Berechnungsgrundlage wurden die Einkommen des Bf. und der Kindesmutter im Jahr 2014 herangezogen.

Das Einkommen des Bf. gem. § 19 KBGG betrug lt. Bescheid 21.214,49 € und jenes der Kindesmutter 18.273,21 €, somit gesamt 39.487,70 €. Davon wurden gem. § 19 Abs. 1 KBGG 5%, somit 1.974,39, ermittelt.

Als Begründung wurde folgendes ausgeführt:

"Für Ihr Kind ***1*** wurden Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt.

Gemäß § 18 Abs 1 Z 2 KBGG sind im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses beide (Ehe)Partner zur Rückzahlung des Zuschusses verpflichtet. Bei einer Gesamtschuld liegt es im Ermessen der Behörde, wemund in welchem Ausmaß die Abgabe vorgeschrieben wird.

Im Jahr 2014 wurden die für die Rückzahlung des Zuschusses maßgeblichenEinkommensgrenzengemäß § 19 Abs 1 Z 2 KBGG überschritten. Die Behörde hat nach Billigkeit und Zweckmäßigkeitunter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände Sie auf Grund Ihrer Einkommensverhältnisse und der Tragung der mit der Haushaltszugehörigkeit des Kindes verbundenen Lasten durchden anderen Elternteil zur Rückzahlung herangezogen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der der Bf. darauf verweist, dass es sich bei der Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld um eine Abgabe gem. § 1 BAO handle. Demnach seien auch die Verjährungsbestimmungen der BAO anzuwenden. Gem. § 207 Abs. 1 BAO betrage die Verjährungsfrist fünf Jahre und beginne diese gem. § 208 Abs. 1 mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden sei. Gem. § 209 BAO verlängere sich die Verjährungsfrist von fünf Jahren um ein weiteres Jahr, wenn in dem Jahr, in dem die Verjährung eintreten würde, eine nach außen erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches gesetzt werde.

Der Bf. bestreitet des weiteren nicht, dass infolge des Überschreitens der Einkommensgrenze im Jahr 2014 der Abgabenanspruch im Jahr 2014 entstanden ist. Jedoch sei die Verjährungsfrist durch eine Amtshandlung im Jahr 2019 um ein Jahr verlängert worden (Anm.: die Erklärungen zur Überprüfung der Einkommenshöhen zwecks Ermittlung der Abgabe wurden an den Bf. am versendet und am von ihm an die belangte Behörde retourniert), sodass die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Bescheiderstellung am noch nicht abgelaufen war. Dennoch vermeint der Bf., dass die Abgabe im Jahr 2020 nicht festzusetzen sei und zwar mit folgender wörtlich wiedergegebenen Begründung:

"Die Problematik dabei ist, dass die Rückzahlungsbeträge aufgrund des im Veranlagungsjahr 2015bzw. 2016 erzielten Einkommens berechnet werden, die Rückzahlungsbeträgejedoch aus demlaufenden Einkommen 2020/2021 zu bezahlen sind. Dies würde aufgrundder durch die COVID-19-Krise bedingten Einkommensausfälle für die meisten Familien eine nicht vertretbare Härte undfinanzielle Belastung darstellen(Vgl dazu: 54/ME XXVII. GP - Ministerialentwurf).

Sozial schwache Eltern, die vor Jahren während der Kleinkindphase den Zuschuss zum

Kinderbetreuungsgeld in Anspruch genommen haben und mit Zahlungsverpflichtungen an die

Abgabenbehörde konfrontiert sind, sollen entlastet werden.

Im § 49 Abs. 23 BGBl. I Nr. 111/2020 wurde daher folgender Satz angefügt: Abgaben im Sinne des § 18 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 116/2009, für die der Abgabenanspruch gemäß §21 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 116/2009 mitAblauf des Kalenderjahres 2015 oder 2016 entstanden ist, sind nicht festzusetzen; im Fall der bereits erfolgten Festsetzung ist von Amts wegen der Festsetzungsbescheid aufzuheben und der festgesetzte Betrag zurückzuzahlen"

Nicht bedacht wurde dabei aber die 1-jährige Verlängerungsmöglichkeit, die es den Behörden

ermöglicht, im Jahr 2020 Abgabenschulden aus 2014 zu fordern. Auch Abgabenschulden aus 2014 sollten daher von einer Rückzahlungspflicht befreit sein, wenn sie im Jahr 2020 gefordert werden.

Es steht nämlich ohne Zweifel fest, dass durch den Zweck des Gesetzes auch eine Befreiung der

Abgabenschuld für das Jahr 2014 geboten erscheint."

In der Beschwerdevorentscheidung vom verwies die belangte Behörde darauf, dass der Abgabenanspruch der gegenständlich angefochtenen Rückforderung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2014 mit Ablauf des Kalenderjahres 2014 entstanden sei.

Das Gesetz sehe eine Nichtfestsetzung des Rückforderungsanspruchs von Zuschüssen zum

Kinderbetreuungsgeld jedoch nur für jene Jahre vor, in denen der Abgabenanspruch mit Ablauf

des Kalenderjahres 2015 oder 2016 entstanden sei.

Mit Schreiben vom stellte der Bf. einen Vorlageantrag und wiederholte sein bisheriges Vorbringen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. ist Vater des am ***3***2009 geborenen Kindes ***2***.

Im Jahr 2014 wurde die gem. § 19 KBGG maßgebliche Einkommensgrenze dadurch überschritten, dass von ihm und der Kindesmutter ein gemeinsames Einkommen von 39.487,70 erzielt wurde.

Am erfolgte die Versendung der Abgabenerklärungen an den Bf. mit dem Ersuchen um Überprüfung. Diese langten am wiederum bei der belangten Behörde ein.

Die Abgabe wurde mit Bescheid vom i.H. von 1.974,39 € festgesetzt und dem Bf. vorgeschrieben.

Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie in die parlamentarischen Materialien, inbes. die Nr. 368 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP. Dabei handelt es sich um den Bericht und Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Folgende gesetzliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:

§ 9 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) idF BGBl. I Nr. 76/2007 lautet:

(1) Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld haben

1. alleinstehende Elternteile (§ 11),

2. verheiratete Mütter oder verheiratete Väter nach Maßgabe des § 12,

3. nicht alleinstehende Mütter oder Väter nach Maßgabe des § 13 und

4. Frauen oder Männer, die allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil ein Kind, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, an Kindes statt angenommen oder in Pflege genommen haben, nach Maßgabe der §§ 11, 12 oder 13.

(2) Voraussetzung für den Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld ist, dass ein Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes besteht. § 4 Abs. 2 gilt sinngemäß auch für den Zuschuss.

(3) Ausgeschlossen vom Zuschuss sind Personen, deren maßgeblicher Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8) einen Grenzbetrag von 16.200 Euro übersteigt.

………………….

§ 18 KBGG idF VOR BGBl. I Nr. 116/2009 lautet:

(1) Eine Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld haben zu leisten:

………………..

2. Die Eltern des Kindes, wenn an einen der beiden Elternteile ein Zuschuss gemäß § 9 Abs. 1 Z 2, 3 oder 4 ausbezahlt wurde.

………………….

(3) Die Rückzahlung ist eine Abgabe im Sinne des § 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961.

§ 19 KBGG lautet:

(1) Die Abgabe beträgt jährlich

………………………

2. in den Fällen des § 18 Abs. 1 Z 2 bei einem Gesamteinkommen der beiden Elternteile von

mehr als 35 000 € ...................................... 5%

mehr als 40 000 € ...................................... 7%

mehr als 45 000 € ...................................... 9%

des Einkommens.

(2) Als Einkommen für Zwecke der Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld gilt das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 zuzüglich steuerfreier Einkünfte im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a bis d EStG 1988 und Beträge nach den §§ 10 und 12 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden……….

Gemäß § 20 KBGG ist die Abgabe im Ausmaß des Zuschusses, der für den jeweiligen Anspruchsfall ausbezahlt wurde, zu erheben.

Nach § 21 KBGG entsteht der Abgabenanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Einkommensgrenze gemäß § 19 erreicht wird, frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres der Geburt des Kindes, letztmals mit Ablauf des auf die Geburt des Kindes folgenden 7. Kalenderjahres.

Gemäß § 22 KBGG obliegt die Erhebung der Abgabe in den Fällen des § 18 Abs. 1 Z 1 und 3 dem für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen zuständigen Finanzamt des Elternteiles, in den Fällen des § 18 Abs. 1 Z 2 dem für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen des Vaters des Kindes, nach dem Tod des Vaters dem für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen der Mutter des Kindes zuständigen Finanzamt.

§ 49 Abs. 22 und Abs. 23 KBGG lauten:

(22) § 1, die Überschrift des Abschnitts 2, §§ 3a Abs. 3, §§ 5 Abs. 4a und b, 5c, 7 Abs. 3 und 4, Abschnitt 5 samt Überschrift, die Überschrift des Abschnitts 5a, §§ 25 und 25a, § 26a und 33 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. 116/2009 treten mit in Kraft und sind auf Geburten nach dem anzuwenden, sofern 2009 kein Antrag auf Kinderbetreuungsgeld für Zelträume nach dem und vor dem gestellt worden ist; wird 2010 rückwirkend Kinderbetreuungsgeld für Zeiträume zwischen und beantragt, so besteht kein Anspruch auf Auszahlung von Kinderbetreuungsgeld für diese Zeiträume.

(23) Die §§ 1, 8 Abs. 2, 8a, Abschnitt 3. und 4, §§ 24 und 25 jeweils in der Fassung BGBI. I Nr. 24/2009 treten mit Ablauf des außer Kraft, sind jedoch auf Geburten bis weiter anzuwenden. Letzteres gilt nur, sofern kein Anwendungsfall des Abs. 22 vorliegt.

In § 49 Abs. 23 KBGG wurde mit BGBl. I Nr. 111/2020 (Inkrafttreten ) folgender Satz angefügt:

"Abgaben im Sinne des § 18 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 116/2009, für die der Abgabenanspruch gemäß § 21 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 116/2009 mit Ablauf des Kalenderjahres 2015 oder 2016 entstanden ist, sind nicht festzusetzen; im Fall der bereits erfolgten Festsetzung ist von Amts wegen der Festsetzungsbescheid aufzuheben und der festgesetzte Betrag zurückzuzahlen."

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO der Verjährung. Die Verjährungsfrist in Bezug auf den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld beträgt nach § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre, wobei sich die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert, wenn innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen werden (§ 209 Abs. 1 BAO).

Der Bf. bestreitet nicht, dass es sich bei der Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für sein im Jahr 2007 geborenes Kind um eine Abgabe handelt, für die der Abgabenanspruch im Hinblick auf den im KBGG vorgesehenen siebenjährigen Beobachtungszeitraum und das erstmalige Überschreiten der im KBGG vorgesehenen Einkommensgrenzen im Jahr 2014, daher dem Grunde nach im Jahr 2014 entstanden ist.

Der Bf. bestreitet auch nicht, dass die hier anzuwendenden Verjährungsbestimmungen der §§ 207 ff. BAO dazu führen, dass die Festsetzungsverjährung grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2019 endete, jedoch durch die Versendung der Abgabenerklärung im Jahr 2019, somit eine nach außen erkennbare Amtshandlung, um ein Jahr verlängert wurde.

Er verweist auch zu Recht darauf, dass im o.a. Gesetzestext ausdrücklich nur Abgaben genannt sind, deren ihnen zu Grunde liegender Abgabenanspruch im Jahr 2015 oder 2016 entstanden ist. Er vermeint jedoch, dass über den ausdrücklichen Gesetzeswortlaut hinaus, auch bezüglich jener Abgaben im Jahr 2020 von der Festsetzung abzusehen sei, deren ihnen zu Grunde liegender Abgabenanspruch 2014 entstanden ist, die Verjährungsfrist jedoch um ein Jahr, somit bis 2020 verlängert wurde, weil nach dem Zweck des § 49 Abs. 23 letzter Satz KBGG Familien im Jahr 2020 finanziell entlastet werden sollten.

Dieses Vorbringen wirft die grundsätzliche Frage nach der Auslegung von gesetzlichen Vorschriften auf, zu der das Bundesfinanzgericht folgende Rechtsauffassung vertritt:

Gemäß dem in Art 18. B-VG geregelten Legalitätsprinzip darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund von Gesetzen ausgeübt werden. Diese Bindung bewirkt- aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation einer Norm- den äußerst möglichen Wortsinn als Grenze jeglicher Auslegung. Auch im Verwaltungsrecht sind die Auslegungsvorschriften der §§ 6 und 7 ABGB anzuwenden. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, maßgebend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss jede Auslegung immer noch im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden. Äußerste Zurückhaltung ist daher bei sogenannten korrigierenden Auslegungsmethoden zu üben und zunächst nach dem Wortsinn zu fragen (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes z.B. 2009/05/0080 vom , Ro 2015/14/0017 vom , 2012/17/0061 vom , 2001/06/0059 vom ). Nur wenn sich aus der Wortinterpretation keine Anhaltspunkte ergeben, also der Wortlaut des Gesetzes unklar bleibt, kann zur Auslegung der gesetzlichen Bestimmung auf die Materialien zurückgegriffen werden (). Ein Abweichen vom Gesetzestext ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes somit zulässig, wenn feststeht, dass der Gesetzgeber etwas Anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so beispielsweise, wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als er in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt.

Die Anwendung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien auf den gegenständlichen Fall führt zu folgendem Ergebnis:

Wie auch der Bf. nicht bestreitet, erwähnt der Gesetzestext des § 49 Abs. 23 letzter Satz KBGG ausdrücklich nur jene Abgaben, für die der Abgabenanspruch 2015 oder 2016 entstanden ist.

Damit lässt schon die eindeutige Formulierung an sich keine Zweifel an der Absicht des Gesetzgebers aufkommen, da diesem der freie Wille unterstellt werden muss im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes zu entscheiden, für welche Abgaben und für welche Zeiträume er Begünstigungen vorsieht. Hätte er eine weitergehende Entlastung gewollt, so hätte er diese ausdrücklich geregelt.

Wenn man ungeachtet dessen dennoch die Gesetzesmaterialien in die Betrachtung miteinbezieht, so ergibt sich, wie bereits oben dargestellt, dass mit der nunmehrigen Begünstigung, die- vor allem Familien- in den Zeiten der Pandemie treffenden finanziellen Belastungen abgefedert werden sollten und von der Rückzahlung des in Form eines Kredites gewährten Zuschusses abgesehen wird.

Auch den Gesetzesmaterialien ist hingegen nicht zu entnehmen, dass diese Begünstigung auf weiter zurückliegende Zeiträume ausgedehnt werden sollte, sondern bleiben auch diese hinsichtlich des Zeitraumes, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, eindeutig. Siehe dazu den vom Bf. selbst ins Treffen geführten Ministerialentwurf und den bereits ausführlich dargestellten Ausschussbericht Nr. 368 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen der NR XXVII GP.

Auch aus den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ergibt sich wie folgt nichts Anderes:

"Allgemeiner Teil

Die COVID-19-Krise führt zu existenzgefährdenden Situationen für Eltern, die die Rückzahlung von Krediten enorm erschwert.

Besonderer Teil

Mit der vorgeschlagenen Regelung sollen Familien, die vor Jahren einen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld (eine Art Familienkredit) in Anspruch genommen haben, entlastet werden, indem von einer Festsetzung des Rückforderungsanspruchs von Zuschüssen zum Kinderbetreuungsgeld für die Kalenderjahre 2015 und 2016 Abstand genommen wird. Bereits bescheidmäßig festgesetzte Abgaben, die die Jahre 2015 oder 2016 betreffen, werden von Amts wegen rückabgewickelt."

In den Stenographischen Protokollen zur 51. Sitzung des Nationalrates am , in der die Änderung des KBGG hinsichtlich der Einfügung des letzten Satzes in § 49 Abs. 23 KBGG beschlossen wurde, wird in der Wortmeldung des Abgeordnete Norbert Sieber auf die beabsichtigte Entlastung hinsichtlich jener Jahre verwiesen, bezüglich derer es nach der Aufhebung der entsprechenden Bestimmungen des KBGG letztmalig zu einer Rückforderung kommen kann (Geburten bis und ).

Wörtlich führte der Abgeordnete Norbert Sieber aus:

"Es ist so, dass es für Kinder, die bis zum geboren wurden, eine Art

Familienkredit gegeben hat, der an die Familien ausgeschüttet wurde. Diese Mittel waren

dann aber zurückzuzahlen. Bekommen haben das Personen mit geringem Einkommen,

zum Beispiel durfte eine Alleinerzieherin maximal 16 200 Euro pro Jahr verdienen, damit

sie in den Genuss dieses Familienkredites gekommen ist.

2015 und 2016 waren die beiden letzten Jahre, in denen dieses Gesetz noch zur Vollziehung gekommen ist, und wir haben nun gesagt, dass wir für diese beiden Jahre, die

2020 und 2021 endgültig zurückgefordert werden, diese Forderung streichen. Ich glaube, dass es gerade in Coronazeiten wichtig ist, dass wir diesen Menschen mit durchaus

geringen Einkommen diese Rückforderung der Kredite streichen, und das haben wir damit auch im Ausschuss beschlossen.

Auch hier zeigt sich deutlich, die Absicht, die finanzielle Entlastung ausdrücklich auf Abgabenansprüche aus 2015 und 2016 zu beschränken.

Es ist unbestritten, dass die Covid-19 Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 in weiten Teilen der Bevölkerung und vor allem auch bei Familien zu finanziellen Belastungen führte und in der Folge diverse gesetzlich geregelte Maßnahmen ergriffen wurden, diese zu mildern.

Aus der Zusammenschau des Gesetzestextes des § 49 Abs. 23 letzter Satz KBGG und den dazugehörigen parlamentarischen Materialien ergibt sich nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes zweifelsfrei, dass eine dieser Maßnahmen das Absehen von der Rückzahlung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld ist.

Aus Gründen, deren Beurteilung bzw. Überprüfung nicht in die Kompetenz des BFG fällt, ging der polititsche Wille offenbar dahin, die Rückzahlung auf Abgaben deren ihnen zu Grunde liegender Abgabenanspruch 2015 oder 2016 ist, zu beschränken.

Der sowohl aus dem Gesetzestext als auch aus den Materialien eindeutig erkennbare Wille des Gesetzgebers, kann daher nicht dazu führen, § 49 Abs. 23 letzter Satz KBGG dahingehend zu interpretieren, dass die dort normierte Rechtsfolge auch für Abgabenansprüche, die 2014 entstanden sind, eintreten soll.

Der angefochtene Bescheid ist daher nicht mit Rechtswidrigkeit belastet weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolge der Abweisung des Beschwerdebegehrens ergibt sich aus dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut des § 49 Ab. 23 letzter Satz KBGG, wobei hinsichtlich der dabei anzuwendenden Auslegungsmethode nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wurde.

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102882.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at